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Оглавление[5]Nachhaltigkeit und Gemeinwohl
Der vorliegende Band zu einem gleichsam schillernden wie ungreifbaren Leitbegriff der Postmoderne ist als einfach begehbares Panoptikum angelegt: Er nähert sich der „Nachhaltigkeit“ von vielen verschiedenen theoretischen und praktischen Blickwinkeln und bringt selbst in jedem dieser Zugänge – Definitionen, Positionen, Modelle, Umsetzungsansätze – eine Übersicht der in kurzer Zeit entstandenen Vielfalt. Das Buch ist ein Orientierungsleitfaden durch einen Bedeutungsdschungel, in dem erbittert um Hoheit gerungen wird, weil es um gesellschaftliche Konsensfindung, politische Strategie, um die Verteilung von Ressourcen und Macht geht. Trotz des beachtlichen Erfolges des Begriffs auf der theoretischen, politisch-diskursiven und auch ansatzweise auf der praktischen Umsetzungsebene in Unternehmen und Institutionen fällt jedoch auf, dass sich der große Tanker Weltwirtschaft weiterhin in die Gegenrichtung bewegt, weil er unverändert das falsche Ziel ansteuert und die führenden Erfolgsindikatoren konträre Anreize setzen. Solange der Erfolg eines Unternehmens in der Finanzbilanz gemessen wird und jener der Volkswirtschaft mit dem Bruttoinlandsprodukt, kann die Weltwirtschaft nicht nachhaltig werden. Solange ein Unternehmen, das nichtnachhaltige Entscheidungen trifft, damit erfolgreicher sein kann als ein nachhaltiges, ist ein Kurswechsel nicht möglich.
Nachhaltigkeit und Wirtschaft können nur dann in Einklang gebracht werden, wenn das Ziel des Wirtschaftens ein anderes wird als das der Mehrung des Kapitals. In einer Gemeinwohl-Ökonomie wäre das Ziel das Wohl aller Lebewesen, ein gutes Leben für alle. Das Kapital wäre nur noch ein Mittel zum Zwecke der Mehrung des Gemeinwohls. Kapital dürfte nur noch dann verwendet, zum Beispiel investiert werden, wenn durch diesen Vorgang das ökologische, soziale und humane Kapital nicht gemindert wird. Jedes Investitionsvorhaben müsste eine positive Ökobilanz vorweisen, damit ein Kredit gewährt wird. Jedes private Unternehmen muss eine positive Gemeinwohl-Bilanz vorlegen, um Zugang zum Markt zu erhalten. Je nachhaltiger und ethischer ein Unternehmen agiert, [6]desto leichter soll es zum Erfolg kommen, desto größer wird das Gemeinwohl-Produkt einer Volkswirtschaft.
Ich wünsche den LeserInnen dieses Buches, dass sie von diesem einführenden Überblick über die Nachhaltigkeitsdiskussion zu den geistigen Kernwidersprüchen zwischen dem gegenwärtigen Wirtschaftsmodell und einer wirklich nachhaltigen Entwicklung vordringen und die ethischen, professionellen und praktischen Konsequenzen für ihr persönliches Leben ziehen können.
Christian Felber