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Оглавление3. Kapitel Schleimis Versteck
Im Schutze der Nacht liefen sie durch Gässchen und Nebenstraßen. Anna und Isabell konnten ihre drei neuen Begleiter im schwachen Licht der Straßenlaternen noch einmal genauer in Augenschein nehmen.
Banambam führte die Gruppe zusammen mit einer fußballgroßen, wackelpuddingartigen Gestalt an. Sie war grünlich-blau gefärbt und hieß passenderweise Schleimi.
Neben den beiden Mädchen schwebte ein weißes Gespenst mit einem Strohhut auf dem Kopf. Es hieß Trullo und reichte Anna und Isabell bis zu den Schultern.
Über der kleinen Truppe flog noch ein viertes Geschöpf. Es hatte die Form einer ovalen Frisbeescheibe und bestand aus weichem Elfenbein. Es machte seinem Namen Irrlicht alle Ehre und leuchtete hell. Fröhlich über seine wiedergewonnene Freiheit flitzte es hin und her.
Banambam hatte alle nur kurz einander vorgestellt, da die Zeit drängte und Blaukronus bald zurückkommen würde. Schweigend hasteten sie nebeneinander her.
„Es ist nicht mehr weit“, bemerkte Schleimi knapp.
Die Mädchen fragten sich, wohin die Geister sie führen würden.
Plötzlich rief Banambam: „Halt! Schnell in Deckung!“
Sofort drängten sich alle in den nächsten Hauseingang.
„Was ist denn los?“, flüsterte Isabell.
„Still, ich glaube, da vorne ist Blaukronus!“
Einige Schrecksekunden später sahen sie ihn auch: Den Kerl, den Anna und Isabell heute im alten Laden gesehen hatten.
Er hatte einen prall gefüllten Sack und eine Axt über die Schulter gehängt. In der anderen Hand hielt er eine Kette, an der er einen mächtigen Tiger mit sich führte. Das riesige Tier war blaugrau gezeichnet und seine gelben Augen funkelten böse.
Blaukronus hastete am Versteck der Freunde vorbei, ohne etwas zu bemerken.
Plötzlich bremste die große Katze ab, und mit einem Ruck musste auch ihr Herr anhalten.
Die Freunde drückten sich tiefer in den Schatten und hörten die Katze laut schnuppern. Als ob sie eine Fährte aufgenommen hätte, reckte sie ihre Nase in die Luft.
Doch Blaukronus‘ Eile rettete die Freunde aus der gefährlichen Situation. Er zog ärgerlich an der Kette und schimpfte ein paar undeutliche Worte. Die Augen der Katze funkelten gefährlich, aber sie gehorchte und die beiden verschwanden bald in der Dunkelheit.
Die Mädchen und Geister konnten aufatmen und ihren Weg fortsetzen. „Das war aber knapp!“, wisperte Anna.
Isabell nickte. „Von Nahem sieht dieser Typ noch gruseliger aus!“
„Und er wird toben, wenn er merkt, dass wir seine Arbeiter befreit haben“, kicherte Banambam.
Schleimi fügte besorgt hinzu: „Und genau deshalb sollten wir noch einen Gang zulegen!“
Die Geister und Mädchen befanden sich mittlerweile am äußeren Stadtrand und die Gegend war schäbig und heruntergekommen.
Kurze Zeit später betraten sie einen Schrottplatz. Unheimlich ragten die Umrisse der Berge aus Autotüren, alten Kühlschränken und Gummireifen in den dunklen Himmel. Schleimi glibberte voran und Irrlicht erhellte den Weg. Vor einer großen, alten Waschmaschine kamen sie zum Stehen.
Trullo verteilte Kerzen und Streichhölzer. „Die werden wir brauchen, wenn wir unten sind.“
Anna und Isabell stopften sie in ihre Hosentaschen und dann öffnete Schleimi die Tür der Waschmaschine.
„Nach euch!“
Anstelle einer Trommel sahen sie ein gähnendes Loch.
„Da hinein?“, fragte Isabell.
„Ja, keine Angst, es ist ganz sicher. Ich habe hier früher gewohnt“, beruhigte Schleimi die Mädchen.
Anna schluckte und kletterte durch die Öffnung. Sofort umfing sie vollkommene Dunkelheit und sie rutschte hinab. Vor Überraschung schrie sie kurz auf, als sie merkte, dass sie auf einer unterirdischen Rutsche immer tiefer raste.
Anna dachte schon, es höre gar nicht mehr auf, da wurde sie aus der Röhre hinausgewirbelt.
Sie fiel recht weich und gleich darauf landete auch Isabell neben ihr.
„Wo sind wir hier bloß?“, wisperte Isabell und rappelte sich auf.
Anna tastete sich an der Wand ein Stück voran. „Ein stollenartiger Gang. Ich kann kaum etwas sehen.“
Ihre Stimme klang dumpf und die Mädchen bestieg ein beklemmendes Gefühl. Mit einem Sausen kam Trullo heruntergerutscht.
„Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt die Kerzen anzuzünden“, kicherte er.
Kurz darauf erhellte der Schein von drei Kerzen den steinernen Gang. Als die kleine Gruppe vollständig war, ging es weiter.
Das erste Stück mussten sie die Köpfe einziehen, bis der Gang wieder höher wurde und in einer Tropfsteinhöhle endete.
Berauscht betrachteten Anna und Isabell die glitzernden Stalaktiten und Stalagmiten. Die beiden Mädchen schauten so fasziniert an die Höhlendecke, dass sie erst gar nicht bemerkten, dass da schon jemand saß und sie beobachtete.
„Hey, Smiley und Tintenfranse sind ja hier. Hallo, ihr beiden!“, rief Trullo und lüftete seinen Hut zum Gruß.
Anna und Isabell fuhren herum und erblickten einen blauen Teppich, dessen Fransen an den vier Ecken Füße und Hände formten. Auf seinem Rücken saß ein überdimensionaler Weingummismiley. Die beiden musterten die Neuankömmlinge.
„Hallo Freunde, schön euch zu sehen. Wer sind denn die beiden Mädchen?“
„Sie haben mir geholfen, die anderen aus Blaukronus‘ Gewalt zu befreien. Sie heißen Anna und Isabell und ich verbürge mich für sie“, stellte Banambam sie feierlich vor.
„Banambams Freunde sind auch unsere Freunde. Herzlich willkommen!“, begrüßte Smiley die beiden und verbeugte sich.
„Wir haben lange nichts mehr mit Menschen zu tun gehabt, aber ich freue mich, wieder ein paar nette zu treffen“, lächelte Tintenfranse.
„Wir freuen uns auch, euch alle kennen zu lernen“, sagte Anna freundlich.
Bevor sie weiter sprechen konnte, platzte Irrlicht mit seiner piepsigen Stimme dazwischen: „Gut, dass ihr zwei gerade im Zauberwald wart, als Blaukronus uns gefangen genommen hat. Wir hatten schon Angst, er erwischt euch auch, wenn ihr zurückkehrt. “
„Er hatte euch eingesperrt? Wir sind gestern Abend aus dem Zauberwald zurückgekommen, und als wir in den Laden hinein wollten, passte unser Schlüssel nicht mehr ins Schloss. Wir konnten Blaukronus und Nachschatten beobachten, wie sie ihren Plunder in unseren Laden getragen haben. Wir wussten, dass da etwas faul ist, und uns fiel ein, dass Schleimi früher hier auf dem Schrottplatz gewohnt hat. Da haben wir uns sofort auf die Suche nach der Höhle gemacht. Als wir euch hier auch nicht vorgefunden haben, waren wir krank vor Sorge. Aber erzählt: Wie habt ihr Blaukronus überwältigt?“, fragte Smiley neugierig.
„Blaukronus hat mich als einzigen nicht erwischt“, sagte Banambam. „Erst bin ich ziellos durch die Straßen geirrt, aber dann habe ich beschlossen, den alten Laden doch besser im Auge zu behalten und auf eine günstige Gelegenheit zu warten. Alleine konnte ich den anderen nicht helfen. Da sah ich diese zwei Mädchen, die Blaukronus heimlich beobachtet haben. Es konnte nur eine Erklärung geben: Die Mädchen können uns Geister sehen! Als Blaukronus das Geschäft verlassen hatte, brachte ich den Mut auf und bat Anna und Isabell um Hilfe. Sie unterstützten mich im Laden ganz fabelhaft dabei, Nachtschatten mit Licht außer Gefecht zu setzen“, antwortete Banambam stolz. „Wir haben die anderen befreit und sind dann direkt hierhergekommen.“
„Gut, dass alles glimpflich ausgegangen ist. Das war wirklich mutig von euch! Ich frage mich, warum Blaukronus euch gefangen gehalten hat?“, wunderte sich Tintenfranse.
„Er hat uns im Keller schuften lassen. Wir mussten Leuchtnebel in Kisten bannen, Drachenaugen zählen, Spinnenlollies herstellen und viele andere Dinge tun, die Blaukronus zu lästig waren. Er beschaffte stets frische Ware aus dem Zauberwald, während Nachtschatten Wache hielt.“ Schleimi erzitterte. Sein puddingartiger Körper blubberte. „Es war schrecklich!“
Tintenfranses Miene verdüsterte sich. „Das klingt ja furchtbar! Gut, dass ihr euch befreien konntet. Auch im Zauberwald tragen sich seltsame Dinge zu. Einige Teile sollte man lieber gar nicht mehr betreten, sagt man. Wir haben Gerüchte von finsteren Gestalten gehört, die überall auftauchen. Als wir gerade all unsere Besorgungen gemacht hatten, wurden wir sogar überfallen. Deswegen sind wir später als gedacht und mit leeren Händen zurückgekommen.“
„Ein Glück, dass wir alle so wohlbehalten wieder zusammengefunden haben. Immerhin etwas“, bemerkte Trullo.
„Aber was sollen wir jetzt unternehmen? Schließlich hat Blaukronus sich unser gemeinsames Zuhause unter den Nagel gerissen. Diese Höhle ist ein gutes Versteck, aber auf die Dauer einfach zu klein für uns alle.“
„Ich schlage vor, wir denken beim Essen darüber nach“, sagte Smiley. „Wir teilen unseren Restproviant von der Reise. Ihr müsst euch stärken. Die Mädchen sind auch herzlich eingeladen.“
Isabell fügte hinzu: „Wir haben euch auch etwas zu Essen mitgebracht und teilen gerne.“
Und so setzten sie sich alle im Kreis auf den steinigen Boden. Anna und Isabell aßen viele wundersame Speisen.
Während die Geister quatschten und murmelten, dachten die beiden Mädchen über die absonderlichen Ereignisse der letzten Stunden nach.