Читать книгу Gefangen! Ein Geheimnis mit Folgen - Isabella Defano - Страница 3

Prolog

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„Endlich zu Hause“, sagte Sophie leise und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie die Eingangshalle der de-Luca-Hauptzentrale in Stuttgart erreichte.

Obwohl ihr letzter Besuch bereits über ein Jahr her war, hatte sich hier rein gar nichts verändert. Noch immer waren die Wände in einem sterilen Weiß gestrichen und der Boden bestand aus einem robusten Vliesbodenbelag. Trotzdem hatte sie das Gefühl, noch nie etwas Schöneres gesehen zu haben.

Kein Wunder. Ich habe ja schon als Kind sehr viel Zeit hier verbracht, dachte Sophie vergnügt und sah sich weiter um. Dabei fiel ihr Blick auf eine Wand, die als einzige mit einer Reihe von Fotos ausgestattet war, und ging darauf zu.

27 Jahre Familiengeschichte, dachte sie versonnen, und jetzt wurde sie ein Teil davon. Endlich konnte sie sich einen Traum erfüllen, den sie bereits als kleines Mädchen gehabt hatte. Und zwar, ihr Bild neben den anderen Fotos ihrer Familie hängen zu sehen.

Na ja, ein bisschen mehr habe ich mir schon gewünscht, ging es ihr durch den Kopf und sie atmete tief durch. Sie hatte nicht nur für ihre Familie arbeiten, sondern auch ihren Vater als Chef des Unternehmens ablösen wollen. Aber daraus konnte nichts werden, das hatte sie schon früh begriffen. Schließlich stand für Victor de Luca immer fest, dass eines Tages sein ältester Sohn Alexander die Geschäftsleitung übernehmen sollte. Was er vor etwas mehr als zwei Jahren dann auch getan hatte.

Aber egal, ging es Sophie durch den Kopf und sie blickte stolz auf die Bilder ihrer Familie. Sie hatte es so weit gebracht. Hatte ihr BWL-Studium mit Auszeichnung abgeschlossen. In den letzten Monaten für eine große Firma in Los Angeles gearbeitet. Und jetzt konnte sie sich um den Aufbau eines eigenen Onlineshops in Wien kümmern. Was wollte sie mehr?

Außerdem gab es immer noch ihren anderen Traum, der ab sofort in Erfüllung ging. Endlich durfte sie ihr Foto neben denen ihrer älteren Brüder Alexander und Raphael an die Wand hängen. Um damit allen in der Firma zu zeigen, dass sie als weiteres Mitglied der Familie de Luca in das Familienunternehmen mit eingestiegen war. Das konnte ihr niemand nehmen.

„Sophie? Was machst du denn hier?“

Verwundert drehte Sophie sich um, als eine weibliche Stimme sie aus ihren Gedanken riss, und lächelte.

„Ronja“, sagte sie erfreut und ging mit schnellen Schritten auf ihre Schwägerin zu, die ihren kleinen Sohn Michael in einem schwarzen Buggy vor sich herschob.

„Es ist so schön, dich zu sehen“, ergänzte Sophie, als sie vor ihr stand, und umarmte die Frau ihres Bruders Alexander. „Ich habe euch alle schrecklich vermisst.“ Dann wandte sie sich ihrem Neffen zu, der die schwarzen Haare und braunen Augen seines Vaters geerbt hatte, und seufzte. „Er ist schon so groß.“

Ronja lachte auf und strich sich eine ihrer roten Strähnen hinter das Ohr.

„Michael ist inzwischen sieben Monate alt. Auch wenn ich es selbst kaum glauben kann, wie schnell die Zeit vergangen ist.“

Liebevoll sah sie ihren kleinen Sohn an und Sophie musste schlucken.

„Die Zeit ist wirklich schnell vergangen“, erwiderte sie traurig, kniete sich hin und berührte sanft die Wange des Kindes. „Und ich habe in den letzten Monaten so viel verpasst. Michaels Geburt, die Hochzeiten von Joel, Juan und Christian. Das ist der einzige Nachteil an meinem Aufenthalt in Amerika. Aber woher hätte ich wissen sollen, dass meine Brüder und Cousins plötzlich anfangen zu heiraten und Familien zu gründen“, ergänzte sie nachdenklich und schüttelte mit dem Kopf. „Immerhin waren sie bis vor Kurzem noch überzeugte Junggesellen.“

„Also ich bin froh darüber“, erwiderte Ronja schmunzelnd und ihre grünen Augen leuchteten auf. „Auch, wenn mich dein Bruder manchmal wahnsinnig macht, und ich ihn am liebsten aus unserem Haus werfen würde. Doch wo kommst du so plötzlich her?“, wechselte sie das Thema und sah Sophie fragend an. „Alexander war ziemlich besorgt, weil er dich nicht erreichen konnte.“

„Ich wollte euch überraschen“, sagte Sophie lächelnd und stand auf. „Dafür bin ich extra Freitagnachmittag von Los Angeles nach Frankfurt und dann weiter nach Stuttgart geflogen. Doch danach war ich so erschöpft, dass ich nur noch schlafen wollte. Die vielen Überstunden in den letzten Wochen, um das Projekt fertig zu bekommen, haben mich wohl doch mehr geschlaucht, als ich wahrhaben wollte. Daher habe ich das Wochenende bei einer Freundin verbracht. Wobei ich die meiste Zeit einfach nur geschlafen habe.“

„Und heute kommst du als Erstes in die Firma?“, wollte Ronja ungläubig wissen. „Du bist ja genauso wie Alexander“, ergänzte sie belustigt und schüttelte mit dem Kopf. „Mein lieber Mann ist sogar zu einer Besprechung gefahren, kurz nachdem ich unseren Sohn zur Welt gebracht habe. Angeblich wollte er mir Zeit geben, mich etwas zu erholen. Dabei war diese Sitzung bereits seit Wochen geplant.“

Sophie lachte auf.

„Ja, das ist mein Bruder“, sagte sie belustigt. „Er ist und bleibt eben ein Workaholic.“ Dann wurde sie wieder ernst und sah ihre Schwägerin fragend an. „Ist Alexander schon da? Ich möchte ihm mitteilen, dass ich zurück bin und mit ihm die weiteren Abläufe besprechen.“

„Er müsste in seinem Büro sein“, erwiderte Ronja nachdenklich und sah auf die Uhr. „Mist, schon so spät“, fluchte sie und wechselte das Thema. „Ich muss jetzt leider los und Michael in den Betriebskindergarten bringen. In einer halben Stunde habe ich einen wichtigen Termin. Aber wieso kommst du nicht heute Abend zu uns zum Essen?“, schlug sie ihrer Schwägerin lächelnd vor. „Deine Eltern kommen sowieso erst in zwei Wochen von ihrer Kreuzfahrt zurück. Du wärst also in dem großen Haus ganz allein.“

„Gerne“, stimmte Sophie lächelnd zu. „Ich …“

Weiter kam sie nicht, denn sie wurde sofort von ihrer Schwägerin unterbrochen, die erneut einen ernsten Blick auf ihre Uhr warf.

„Super. Und kannst du Alexander noch einmal an Michaels Arzttermin erinnern?“, ergänzte sie hastig. „Die Chipkarte ist in der Wickeltasche. Ich weiß ja, er hat viel zu tun, doch diese Untersuchung ist wichtig. Und ich weiß nicht, ob ich rechtzeitig zurück sein werde.“

Dann eilte Ronja eilig mit ihrem Sohn davon und war kurz darauf aus Sophies Blickfeld verschwunden.

Verwundert sah sie ihrer Schwägerin hinterher. Scheinbar ist Alexander nicht der einzige Workaholic in dieser Familie, ging es ihr durch den Kopf. Jetzt verstand sie auch, warum Alexander letztes Jahr diesen Betriebskindergarten ins Leben gerufen hatte. Wenn beide Eltern eine leitende Position einnahmen, konnte es ansonsten schwer werden, Beruf und Kind unter einen Hut zu bekommen. Und so war der Kleine wenigstens in der Nähe.

Trotzdem, dachte Sophie nachdenklich, während sie auf den Fahrstuhl zuging, der sie in die oberste Etage brachte. Wäre es nicht besser gewesen Ronja hätte sich eine Auszeit genommen? Nur für ein Jahr, um in dieser Zeit ganz für ihren Sohn da zu sein. Gut, sie hatte ihre eigene Firma für Inneneinrichtung gerade erst eröffnet. Aber gerade im ersten Jahr brauchten Babys ihre Mütter doch am meisten. Aber sie schüttelte diesen Gedanken ab. Immerhin ging es sie nichts an, wie die beiden ihren Alltag organisierten. Ronja war nicht wie ihre eigene Mutter. Sie wollte nicht zu Hause bleiben, um sich nur um die Kindererziehung zu kümmern. Daraus hatte sie nie ein Geheimnis gemacht.

Kurze Zeit später erreichte Sophie das frühere Zimmer ihres Vaters, welches inzwischen Alexander als Büro diente, und klopfte an. Jedoch wartete sie nicht darauf, bis ihr Bruder antwortete, sondern ging einfach hinein. Und musste sich sehr anstrengen, um nicht laut aufzulachen, als er sie erst überrascht und dann fassungslos anstarrte.

„Sophie?“, fragte Alexander, als er seine Stimme wiedergefunden hatte. „Wo kommst du denn so plötzlich her? Seit Freitag versuche ich, dich zu erreichen.“

Schnell stand er auf und ging auf seine kleine Schwester zu, um sie in den Arm zu nehmen. Dabei war sein Griff so fest, dass sie fast keine Luft mehr bekam.

„Ich habe mir solche Sorgen gemacht“, sprach er besorgt weiter, nachdem er sie wieder losgelassen hatte, und sah sie eindringlich an. „Dein Handy war aus und das sieht dir gar nicht ähnlich. Und als ich deinen Boss erreichte, erzählte er mir, du wärst zurück nach Deutschland geflogen. Wo hast du die ganze Zeit gesteckt?“

„Tut mir leid. Ich wollte euch überraschen, daher habe ich niemandem etwas erzählt“, erwiderte Sophie mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen und zuckte mit den Schultern. „Und mein Handy hat kurz vor dem Abflug den Geist aufgegeben. Scheinbar brauche ich einen neuen Akku. Was ist denn los?“

Mit einer Hand strich sich ihr Bruder durch das Gesicht und zeigte auf die Couch neben der Tür. Schweigend setzten sie sich hin.

„Es ist etwas passiert“, sagte Alexander ernst und Sophie sah ihn fragend an. „Am Freitag ist in der alten Wiener Filiale ein Feuer ausgebrochen. Noch wissen wir nicht, wie es dazu kommen konnte“, ergänzte er frustriert. „Doch die Polizei ermittelt bereits. Und im Moment stehen selbst wir im Verdacht.“

Entsetzt sah Sophie ihren Bruder an.

„Was?“, fragte sie fassungslos. „Wurde jemand verletzt?“

„Die Mitarbeiterin, die das Feuer entdeckt hat, wurde beim Versuch, es zu löschen, leicht verletzt“, berichtete Alexander angespannt und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Sie hatte großes Glück. Mehr weiß ich selbst noch nicht. Matthias hat sich bisher noch nicht wieder gemeldet. Am liebsten würde ich selbst nach Wien fahren, doch ich habe im Moment einfach keine Zeit. Ronja hat gerade einen ziemlich schwierigen Kunden und muss sich selbst um das Projekt kümmern. Daher bin ich am Nachmittag für Michael zuständig. Doch zum Glück hat Matthias angeboten, zusammen mit dem Filialleiter vor Ort alles zu regeln. So lange, bis mir eine andere Lösung einfällt. Und mich regelmäßig über den aktuellen Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden zu halten.“

„Ich glaub das einfach nicht“, flüsterte Sophie betroffen und lehnte sich auf dem Sofa zurück. „Aber wieso stehen wir im Verdacht? Warum sollten wir unsere eigene Filiale anzünden?“

„Wegen der Versicherung“, antwortete Alexander bitter und seine Hände verkrampften sich zu Fäusten. „Jedenfalls hat der zuständige Polizist diesen Verdacht geäußert. Und ich muss dir ja nicht sagen, was passiert, wenn die Presse davon erfährt.“

Sophie schüttelte mit dem Kopf. Sie konnte sich vorstellen, was in diesem Fall passieren könnte. Zwar war sie im letzten Jahr nicht zu Hause gewesen, doch ihre Brüder hatten sie über die Probleme im Unternehmen auf dem Laufenden gehalten. Sie wusste also von dem Skandal, den die angebliche Tierquälerei der Angorakaninchen auf der de-Luca-Farm in Judenburg ausgelöst hatte.

„Ich werde nicht zulassen, dass es soweit kommt“, sagte Sophie entschieden und sah ihren Bruder mit ernster Miene an. „Ich hatte sowieso vor, in den nächsten Tagen nach Wien zu fliegen und Matthias abzulösen. Schließlich habe ich seine Hilfe schon viel zu lange in Anspruch genommen. Ich werde mich gleich um einen Flug für morgen kümmern und die Sache in die Hand nehmen. Außerdem wird es langsam Zeit, dass ich mit den Vorbereitungen für den Onlineshop beginne. Sonst wird sich der Termin noch weiter nach hinten verschieben. “

„Und Amerika?“, wollte Alexander irritiert wissen. „Musst du nicht zurück?“

Sophie schüttelte mit dem Kopf.

„Dort bin ich fertig“, versicherte sie ihm. „Ich kann mich jetzt voll auf unsere Firma konzentrieren.“

„Das freut mich“, erwiderte Alexander und lächelte sie an. „Ich kann deine Hilfe hier sehr gut gebrauchen.“

Gefangen! Ein Geheimnis mit Folgen

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