Читать книгу Gefangen! Ein Geheimnis mit Folgen - Isabella Defano - Страница 5
2. Kapitel
ОглавлениеDas kann ja heiter werden, ging es Mario durch den Kopf, während er nachdenklich in den Verkaufsbereich ging. Diese Sophie war das Letzte, was er in seinem Leben gerade gebrauchen konnte. Bereits nach wenigen Minuten mit ihr in einem Raum war er erregt gewesen. Und das, obwohl er sich die ganze Zeit gesagt hatte, dass daraus nie etwas werden konnte.
„Verdammt“, fluchte er leise. Mit ihren blonden Haaren, den ausdrucksstarken grünen Augen, dem verlockenden schlanken Körper und ihrem strahlenden Lächeln war sie eine gefährliche Ablenkung. „Wie soll ich nur mit dieser Frau zusammenarbeiten?“
Mir fehlt einfach nur Sex, dachte Mario frustriert und atmete tief durch. Schließlich war es schon eine Weile her, seit er das letzte Mal mit einer Frau zusammen gewesen war. Ich muss einfach mal wieder ausgehen. Dann wird diese seltsame Spannung ganz schnell verschwinden.
Um sich abzulenken, ging er auf seine Mitarbeiterin Lisa Farber zu, die bereits damit begonnen hatte, Hosen in ein Regal einzuräumen.
„Lisa. Bist du immer noch allein?“, fragte Mario überrascht und sah sich suchend um.
„Sicher. Du hast den anderen schließlich erlaubt, heute erst um elf Uhr anzufangen“, antwortete Lisa belustigt. „Und vorher werden sie auch nicht kommen.“
„Da könntest du recht haben“, erwiderte Mario mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen und griff ebenfalls nach einer Jeans. „Was hältst du von unserem Neuzugang?“
„Sophie de Luca? Nun, sie scheint nett zu sein. Und sie sieht nicht schlecht aus“, sagte Lisa schmunzelnd. „Außerdem hat sie bei dir scheinbar schon einen bleibenden Eindruck hinterlassen.“
„So ein Quatsch“, erwiderte Mario abwehrend und sah Lisa ungläubig an. „Wie kommst du denn darauf? Sie ist doch gar nicht mein Typ.“
„Verstehe“, antwortete sie lächelnd. „Deshalb hast du sie auch so komisch angesehen.“
„Ich war nur überrascht“, rechtfertigte sich Mario gereizt. „Ich habe mir Matthias‘ Cousine eben ganz anders vorgestellt.“
Und das ist nicht einmal gelogen, ging es ihm durch den Kopf. Trotzdem konnte Mario deutlich sehen, dass seine Mitarbeiterin ihm diese Erklärung nicht abnahm. Dafür kannte sie ihn nach all den Jahren einfach zu gut.
„Ist ja auch egal“, wechselte er daher das Thema. „Aber ich verstehe nicht, wie Alexander de Luca ausgerechnet ihr die Leitung des neuen Onlineshops übertragen konnte. Dafür ist sie doch viel zu jung.“
Lisa zuckte mit den Schultern.
„Gut, sie sieht jung aus“, gab sie Mario recht. „Doch sie ist sogar ein Jahr älter als ich. Außerdem hat sie gerade über ein Jahr bei einer großen amerikanischen Firma in Los Angeles gearbeitet. Und schon während ihres Studiums in der Versandfiliale ihres Bruders in München ausgeholfen.“
Überrascht sah Mario Lisa an.
„Woher weißt du das alles?“
„Von Matthias“, erwiderte sie lächelnd. „Ich war neugierig, und er hat mir ein bisschen was erzählt. Die beiden stehen sich sehr nahe. Seiner Meinung nach kann man mit ihr einfach über alles reden.“
Mario nickte.
„Das habe ich auch schon gehört“, sagte er nachdenklich. „Trotzdem solltest du ihr gegenüber vorsichtig sein“, ermahnte sie Mario. „Sie ist nicht Matthias und wird so schnell nicht wieder verschwinden. Und ich bin mir nicht sicher, ob dieser Onlineshop der einzige Grund ist, warum ihr Bruder sie hergeschickt hat.“
„Wie meinst du das?“, fragte Lisa verwirrt.
„Nun ja. Als Matthias hier angefangen hat, hatte er viele Fragen“, gab Mario zögernd zu. „Eine davon war meine Beziehung zu dir. Und der Grund, warum ich dich eingestellt habe.“
„Oh“, erwiderte Lisa überrascht. „Das hast du mir nie erzählt. Und wenn wir ihr einfach die Wahrheit sagen“, schlug sie mit einem schwachen Lächeln vor. „Was kann sie schon tun?“
„Eigentlich nichts“, erwiderte Mario nachdenklich. „Ich bin der Filialleiter und kann entscheiden, wer eingestellt wird. Doch wenn wir Pech haben, geschieht hier das Gleiche wie in unserer alten Filiale. Deine Kollegen werden aufhören zu reden, wenn du in ihre Nähe kommst. Sie werden Geschichten hinter deinem Rücken erzählen. Und dir einreden, du hättest diesen Job nur meinetwegen bekommen.“
„Und ist es so?“, wollte Lisa wissen und sah Mario fragend an.
„Natürlich nicht“, versicherte er schnell. „Das solltest du eigentlich wissen. Ich habe dir nach Fabians Geburt vielleicht diesen Ausbildungsplatz besorgt“, gab er zerknirscht zu. „Doch alles andere hast du dir selbst erarbeitet. Es tut mir nur leid, dass dir deine früheren Kollegen meinetwegen keine Gelegenheit gegeben haben, dies zu beweisen.“
Lisa zuckte mit den Schultern.
„Ehrlich gesagt, mir nicht“, gab sie lächelnd zu. „Die Arbeit hier finde ich nämlich viel schöner. In Gabriele habe ich eine gute Freundin gefunden. Und in letzter Zeit habe ich öfter darüber nachgedacht, ihr die ganze Geschichte zu erzählen. Ich bin sicher, sie würde es verstehen. Und das Gleiche gilt bestimmt auch für Sophie de Luca, wenn man den Worten ihres Cousins trauen kann.“ Dann wechselte Lisa das Thema und sah sich suchend um. „Wo ist sie eigentlich?“
„Sie telefoniert mit Matthias“, erwiderte Mario und seine Miene wurde ernst. „Ich hoffe, dass er trotzdem morgen wiederkommt. Mit ihm hatte ich alles sehr gut im Griff. Er hat überall dort mit angefasst, wo es nötig war. Ohne seine Hilfe dürfte es schwierig werden, den geplanten Termin einzuhalten.“
„Das stimmt“, gab Lisa traurig zu. „Ich fände es auch schade, wenn er nicht mehr wiederkommt. Bisher habe ich mich noch gar nicht richtig bei ihm bedankt, dass er mir bei diesen Männern geholfen hat.“
Sofort wurde Mario ganz weiß im Gesicht und musste schlucken. Durch die Ankunft von Sophie de Luca hatte er den Anruf von Callan ziemlich erfolgreich verdrängt. Doch plötzlich war alles wieder da. Und das vergangene Gespräch kam ihm auf einmal so sinnlos vor. Was spielte es für eine Rolle, wie alt die Schwester seines Chefs war, wie sie aussah oder ob er sie attraktiv fand. Er hatte im Moment ganz andere Sorgen. Probleme, die so groß waren, dass er dadurch auch seine Mitarbeiter in Gefahr brachte. Einmal waren sie bereits in der alten Filiale aufgetaucht und hatten Lisa in Angst und Schrecken versetzt. Und im Grunde konnte er nur froh sein, dass niemand wusste, wie eng die Beziehung zwischen ihnen wirklich war. Sonst hätten Callan und seine Jungs diese Verbindung längst für ihre Zwecke ausgenutzt.
„Versprich mir, dass du erst einmal noch mit niemandem über unsere Beziehung sprichst“, sagte Mario ernst und sah sie eindringlich an.
„Was? Wieso?“, wollte Lisa verwundert wissen, doch Mario ging nicht darauf ein.
„Versprich es mir“, wiederholte er scharf. „Es darf niemand wissen.“ Sonst bestand die Gefahr, dass Callan und seine Jungs auch davon erfuhren. Und das durfte niemals geschehen.
„Von mir aus“, erwiderte Lisa besorgt. „Aber was ist plötzlich mit dir los?“
„Gut. Ich werde dann mal zurück in mein Büro gehen“, sagte Mario ernst, ohne auf ihre Frage einzugehen. „Vielleicht ist sie inzwischen fertig mit telefonieren.“
Dann ließ er sie einfach stehen und ging in Richtung des Bürobereiches davon, während er angestrengt nachdachte. Ich muss etwas unternehmen. Irgendeine Lösung muss es doch geben. Dann fiel ihm plötzlich sein früherer Klassenkamerad Karl Altmann ein, der hier in Wien eine eigene Anwaltskanzlei aufgemacht hatte, und er blieb mitten in der Bewegung stehen. Möglicherweise kann er mir helfen, ging es ihm durch den Kopf. Schließlich ist das sein Beruf.
Suchend sah Sophie sich nach Mario Hebbeler um. Und es dauerte nicht lange, bis sie ihn entdeckte. Kaum hatte sie nämlich die Tür zum Verkaufsbereich geöffnet, fiel ihr Blick auf den kräftig gebauten Mann, der sich mit einer jungen schwarzhaarigen Frau unterhielt.
Lisa Farber, ging es ihr durch den Kopf, als sie sich an den Namen der Mitarbeiterin erinnerte. Sie war die Angestellte, die bereits ein kleines Kind hatte.
Lächelnd wollte Sophie auf die beiden zugehen, um sich den Rest der Filiale zeigen zu lassen. Aber irgendetwas hielt sie zurück. Sie konnte es nicht erklären. Doch die Art und Weise, wie die beiden miteinander sprachen und sich ansahen, verwirrte sie. Irgendwie schien die beiden mehr zu verbinden als eine einfache Chef-Angestellten-Beziehung. Und sie wünschte sich, sie könnte verstehen, worüber die beiden miteinander sprachen.
Irgendetwas ist zwischen den beiden, dachte Sophie verwirrt, und das gefiel ihr ganz und gar nicht. Dabei konnte sie nicht einmal erklären, warum das so war. Schließlich waren Beziehungen zwischen den Mitarbeitern in ihrem Unternehmen nicht verboten. Es gab somit keinen Grund, daraus ein Geheimnis zu machen. Jedoch hatte Mario Matthias versichert, dass es zwischen ihm und der jungen Frau keinerlei Verbindung gab. Und dass ihre frühere Anstellung in seiner alten Firma nicht der Grund war, warum er ihr hier diese Stelle als Verkäuferin gegeben hatte.
Doch wenn sie die beiden jetzt so ansah, fiel es ihr schwer, an diese Geschichte zu glauben. Sie wirkten zu vertraut, das konnte kein Zufall sein. Sie musste dieser Sache auf jeden Fall nachgehen. Dabei redete sie sich selbst ein, dass sie dabei nur das Wohl der Firma im Kopf hatte und es nichts Persönliches war. Schließlich war es wichtig, für einen reibungslosen Ablauf in der Wiener Filiale zu sorgen. Und dafür waren geeignete Mitarbeiter unerlässlich.
Als hätte der Filialleiter ihre Blicke gespürt, drehte er sich plötzlich um und kam auf sie zu. Der freundliche Blick, mit dem er bis vor Kurzem noch seine Mitarbeiterin betrachtet hatte, war einer ernsten Maske gewichen. Und Sophie lief ein kalter Schauer über den Rücken. Was hat er nur gegen mich?, fragte sie sich verwirrt. Schließlich waren sie sich heute zum ersten Mal begegnet. Trotzdem benahm er sich so, als hätte sie ihm irgendetwas getan. Und langsam wusste sie nicht mehr, ob sie wütend oder verletzt sein sollte.
„Herr Hebbeler“, sagte Sophie angespannt, als dieser, ohne ein Wort zu sagen, an ihr vorbeigehen wollte. „Wir sollten miteinander reden.“
Etwas verwirrt sah Mario sie an, so als hätte er sie vorher gar nicht wahrgenommen. Das machte Sophie nur noch wütender. Schließlich sollten sie zusammenarbeiten. Leider machte er ihr diese Sache nicht besonders leicht.
„So geht das nicht“, sagte sie daher ernst. „Wenn Sie ein Problem mit mir haben, sagen Sie es einfach. Sie müssen mich nicht ignorieren.“
„Ich habe Sie nicht ignoriert“, erwiderte Mario gereizt und verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Ich war nur mit meinen Gedanken woanders. Schließlich muss ich mich um die Eröffnung dieser Filiale kümmern. Und Ihr Cousin ist nicht da, um mir zu helfen.“
„Matthias wird heute Abend nach Wien zurückkommen, um weiter bei den Vorbereitungen zu helfen“, antwortete Sophie kühl. „Er wird Ihnen also morgen wieder zur Verfügung stehen. Solange werden Sie mit mir vorliebnehmen müssen, wenn es Ihnen keine Umstände macht. Ich bin ebenfalls hier, um zu helfen. Wenn es also etwas gibt, was ich übernehmen soll …“
Schweigend sah Mario sie an, ohne auf ihr Angebot einzugehen. Dann betrachtete er ihre Kleidung und schüttelte mit dem Kopf.
„Sie sehen nicht so aus, als wären Sie zum Arbeiten hier.“
Noch deutlicher hätte er es nicht sagen können, dass er in mir keine große Hilfe sieht, dachte sie wütend. Dabei war sie es, die ein abgeschlossenes Studium in Betriebswirtschaft hinter sich hatte. Matthias war nur eingesprungen, weil sie noch in Amerika festgesessen hatte. Doch sie würde sich von diesem Mann nicht unterkriegen lassen. Auch ihre Kollegen in Los Angeles hatten sie am Anfang unterschätzt. Ihre Einstellung aber ziemlich schnell ändern müssen. Sie war kein verwöhntes Modepüppchen, das vom Geld ihrer Familie lebte. Sie war bereit, hart zu arbeiten, und das würde sie diesem Mann auch beweisen. Denn sie gehörte nicht zu denen, die schnell aufgaben.
„Ich komme gerade erst aus Amerika zurück“, erwiderte sie kühl und stemmte ihre Hände in die Hüfte. „Fast alle meine Sachen sind noch auf dem Weg nach Deutschland. Meine Auswahl an Kleidungsstücken ist im Moment daher nicht besonders groß. Und da Matthias nicht in seiner Wohnung gewesen ist, konnte ich mein Gepäck auch nicht abstellen und einkaufen gehen.“
„Es …“, versuchte Mario, zu antworten. Aber Sophie war so sauer, dass sie ihn nicht zu Wort kommen ließ, sondern einfach weitersprach.
„Natürlich ist mir klar, dass das nicht die passende Arbeitskleidung ist. Doch im Grunde geht Sie das überhaupt nichts an“, wies sie ihn wütend zurecht. „Nach allem, was mir mein Bruder und mein Cousin über Sie erzählt haben, hätte ich nie gedacht, dass Sie so kleinlich sind und andere nach ihrem Aussehen beurteilen. Ich habe mein Studium in Betriebswirtschaft als einer der Besten abgeschlossen. Habe bereits während meines Studiums in der Filiale meines Bruders in München ausgeholfen. Und diese für ein paar Wochen selbstständig geleitet. Außerdem habe ich über ein Jahr bei einem amerikanischen Modelabel gearbeitet und dort beim Aufbau einer neuen Filiale geholfen. Ich kann Ihnen also versichern, dass ich die Leitung des neuen Onlineshops nicht nur bekommen habe, weil Alexander mein Bruder ist. Ich weiß, was ich tue. Auch wenn ich einmal nicht in der üblichen Bürokleidung zur Arbeit komme.“
Schweigend sah Mario Sophie an, deren grüne Augen vor Wut funkelten. Ich bin zu weit gegangen, ging es ihm durch den Kopf und er verfluchte sich selbst. Zwar hatte er sie nicht absichtlich ignoriert. Doch dass er sie anhand ihrer Kleidung eingeschätzt hatte, das stimmte. Woher hätte er auch wissen sollen, dass dies nicht ihre typische Garderobe war.
Trotzdem, ging es ihm durch den Kopf. Wirklich besser fühlte er sich nach ihrer Erklärung nicht. Im Gegenteil. Jetzt fragte er sich nur noch mehr, warum sie nach Wien gekommen war. Denn für die Leitung eines Onlineshops war sie deutlich überqualifiziert.
„Es tut mir leid“, versuchte Mario es erneut und diesmal ließ Sophie ihn zu Wort kommen.
Das Letzte, was er wollte, war sie zu verärgern. Immerhin war sie die Schwester seines Chefs. Und auch wenn er noch nicht genau wusste, was seine alten Freunde von ihm wollten, seinen Job durfte er nicht verlieren. Dafür hatte er in den letzten Jahren zu hart gearbeitet.
„Durch den Brand in der alten Filiale bin ich im Moment nicht besonders gut drauf“, versuchte er, sein Verhalten zu erklären. Auch wenn es nicht ganz die Wahrheit war. „Schließlich wurde dabei eine meiner Mitarbeiterinnen verletzt.“
Sophie musste schlucken, als sie seine Worte hörte, und schalte sich selbst. Natürlich, ging es ihr durch den Kopf. Wie konnte ich das vergessen? Selbstverständlich war er im Moment ziemlich durch den Wind. Immerhin hätte sich diese Kollegin auch noch schwerer verletzen können.
„Wie geht es ihr denn?“, fragte sie daher mitfühlend und drängte ihren Ärger zurück.
„Schon besser“, erwiderte Mario knapp. „Ende der Woche kann sie das Krankenhaus verlassen. Sie hatte großes Glück. Soll ich Ihnen jetzt die anderen Räume zeigen?“, wechselte er das Thema und schenkte ihr ein schwaches Lächeln. „Ich habe später noch einen auswärtigen Termin.“
Sophie nickte, während sie mit aller Kraft ihre Neugier unterdrückte. Gerne hätte sie gewusst, um was für einen Termin es sich handelte. Doch sie wollte den aktuellen Waffenstillstand nicht sofort wieder zerstören.
„Wo fangen wir an?“, fragte sie daher nur und sah Mario erwartungsvoll an.
„Ich finde, wir sollten gleich oben anfangen“, antwortete er und deutete in die Richtung, aus der sie gerade gekommen war. „Den Verkaufsraum und das Büro haben Sie bereits gesehen.“
Sophie nickte und folgte Mario schweigend in den ersten Stock, während sie sich neugierig umsah. Es gefiel ihr, dass man die Wände nicht einfach weiß gestrichen hatte, sondern sich hier die sanfte hellorange Farbe des Verkaufsbereiches fortsetzte. Auf diese Weise wirkte selbst der Treppenaufgang einladend. Und sie freute sich schon darauf, mit ihrer eigentlichen Arbeit zu beginnen.
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, dachte sie fassungslos, als sie die oberen Räume erreichten. Die beiden Zimmer, von denen später der Onlineshop aus betrieben werden sollte, waren völlig zugestellt mit Kartons und anderen Möbelstücken.
Entsetzt sah Sophie sich um.
„Was …?“, begann sie zu sprechen, doch ihre Stimme versagte.
So hatte sie sich ihren neuen Arbeitsbereich nicht vorgestellt.
„Mir ist klar, dass es im Moment ziemlich chaotisch aussieht“, sagte Mario entschuldigend. „Wir haben in den letzten Tagen einfach nur alles hier oben reingestellt, weil wir im Lager keinen Platz mehr hatten. Die Verzögerungen durch die Malerarbeiten im Verkaufsbereich haben uns im Zeitplan stark zurückgeworfen. Doch in den nächsten Tagen werden die Kisten nach und nach verschwinden.“
Sophie nickte nur und seufzte auf.
„Matthias hat mir von den Verzögerungen erzählt“, gab sie angespannt zu. „Aber nicht, dass meine Räume gerade als Lager benutzt werden.“
„Wir haben nicht damit gerechnet, dass Sie so früh aus Amerika zurückkommen“, versuchte Mario, die Situation zu erklären. „Und Matthias hatte hiermit kein Problem.“
Früh, dachte Sophie ungläubig. Eigentlich hatte sie schon vor Monaten nach Deutschland zurückkehren sollen. Doch sie verkniff sich die Antwort und wandte sich wieder Mario zu.
„Schon in Ordnung. Im Moment ist die Eröffnung der Filiale sowieso wichtiger. Hier oben werde ich anfangen, wenn unten alles fertig ist.“ Dann wechselte Sophie das Thema. „Können Sie mir vielleicht noch zeigen, wo Matthias‘ Arbeitsplatz ist. Er hat mir angeboten, in seiner Wohnung zu übernachten.“
„Natürlich. Kommen Sie“, erwiderte er ernst und ging zurück zur Treppe. „Seine Tasche befindet sich im Aufenthaltsraum der Mitarbeiter. Dort befindet sich auch eine Kaffeemaschine, falls Sie etwas trinken wollen.“
Sophie nickte und folgte dem Filialleiter nach unten. Gerne hätte sie sich auch den Verkaufsraum in Ruhe zeigen lassen, doch Mario führte sie direkt in den Bürobereich zurück. Dabei sah er immer wieder auf die Uhr und wirkte mit jedem Mal ungeduldiger. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus.
„Sie können ruhig zu Ihrem Termin fahren“, sagte Sophie lächelnd, als er ihr eine Tasse Kaffee reichte. „Ich komme schon klar. Ich werde mich einfach an Ihre Mitarbeiterin hängen.“
Mario nickte und sah noch einmal auf die Uhr.
„Tun Sie das“, erwiderte er geistesabwesend. „Solange sich Frau Herzog noch im Krankenhaus befindet, kümmert sich Frau Farber um die Arbeiten im Verkaufsbereich. Wenden Sie sich einfach an sie, wenn Sie irgendwelche Fragen haben. Wir können uns ja morgen noch einmal in Ruhe unterhalten. Dann ist auch Matthias wieder da.“
Ohne ein weiteres Wort verließ Mario den Aufenthaltsraum und Sophie sah ihm fragend nach. Sie wurde einfach nicht schlau aus ihm. Zwar hatte er sich für sein schlechtes Verhalten ihr gegenüber entschuldigt. Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass er sie loswerden wollte. Außerdem hatte er teilweise so abwesend gewirkt, als würde er mit seinen Gedanken ganz woanders sein. Irgendetwas beschäftigte ihn, da war sie sich ganz sicher. Und auch wenn sie dafür keine Beweise hatte, schien es nichts, mit seiner Arbeit zu tun zu haben.
„Und wenn schon, es geht mich nichts an“, sagte Sophie leise und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse.
Sie musste sich endlich diese Neugierde abgewöhnen. Schließlich war dieser Mann nicht dazu verpflichtet, ihr alles zu erzählen. Auch, wenn er für ihre Familie arbeitete.
Um sich abzulenken und um nicht länger über Mario Hebbeler nachgrübeln zu müssen, stand sie auf und ging in den Verkaufsbereich zurück. Suchend sah sie sich nach Lisa Farber um, doch sie war nirgendwo zu sehen. Verwirrt machte sie sich auf die Suche. Bis sie im Lager schließlich fündig wurde.
„Verdammt, hier muss es doch irgendwo sein.“
Schon von Weitem hörte Sophie die Verkäuferin fluchen und ging lächelnd auf sie zu. Sie schien etwas zu suchen, denn sie hatte bereits einige Kartons geöffnet und anschließend zur Seite gestellt.
„Na endlich“, erklang erneut ihre Stimme. „Ich wusste doch, dass es hier oben ist.“
„Kann ich Ihnen helfen?“, wollte Sophie vorsichtig wissen, um die Mitarbeiterin nicht zu erschrecken.
Doch sie hatte keinen Erfolg. Denn kaum hatte Sophie ihre Frage gestellt, zuckte die junge Frau zusammen und sah sich erschrocken um. Dabei ließ sie die Hose fallen, die sie gerade noch in der Hand gehalten hatte.
„Frau de Luca“, sagte Lisa, als sie ihre Stimme wiedergefunden hatte. „Ich habe Sie gar nicht kommen hören.“
„Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken“, entschuldigte sich Sophie und ging näher auf die junge Frau zu. „Eigentlich wollte ich nur meine Hilfe anbieten. Herr Hebbeler meinte, ich solle mich an Sie wenden.“
„Also, ich …“, erwiderte die Verkäuferin stotternd und sah Sophie irritiert an.
Sie schien sich mit dieser Aufgabe nicht wohlzufühlen. Und das konnte man ihr auch nicht einmal verdenken.
„Tun Sie einfach so, als wäre ich eine Ihrer Kolleginnen“, kam Sophie ihr daher entgegen. „Sagen Sie mir einfach, wo noch Hilfe benötigt wird.“
„Na ja“, sagte Lisa immer noch verunsichert. „Ein paar der Kartons müssen nach unten gebracht werden, damit wir die Sachen später einräumen können. Aber …“ Wieder stockte die junge Frau mitten im Satz und betrachtete Sophie skeptisch. „Dafür sind Ihre hellen Sachen nicht besonders gut geeignet.“
Sophie sah an sich herunter und musste der Mitarbeiterin recht geben. Ich hätte etwas anderes anziehen sollen, ging es ihr durch den Kopf. Aber wie hätte ich ahnen können, dass mein erster Arbeitstag gleich heute beginnt.
„Eigentlich wollte ich heute einkaufen gehen“, erklärte Sophie der jungen Frau. „Fast alle meine Sachen sind noch auf dem Weg von Amerika nach Deutschland. Das hier stammt noch aus meiner Schulzeit.“
Ein schwaches Lächeln huschte über Lisas Gesicht.
„Von mir aus können Sie gerne einkaufen gehen. Ich bekomme das schon hin“, versicherte sie. „Meine Kollegen müssten jeden Moment eintreffen und es stehen sowieso noch nicht alle Möbelstücke an ihrem endgültigen Platz. Daher können wir noch nicht alles einräumen. Morgen wollten sich Matthias und Herr Hebbeler als Erstes darum kümmern. Jedenfalls war das so geplant, bevor …“
Lisas Stimme brach ab und sie sah Sophie verwirrt an.
„Matthias ist morgen auf jeden Fall wieder da“, versicherte Sophie mit ernster Miene und atmete tief durch.
Sie fühlte sich schlecht. Scheinbar legte nicht nur der Filialleiter mehr Wert auf die Anwesenheit ihres Cousins als auf ihre.
Ich muss ihn fragen, wie er das geschafft hat, ging es ihr durch den Kopf und sie sah sich unschlüssig um. Vielleicht sollte sie sich wirklich erst einmal etwas Vernünftiges zum Anziehen kaufen. Etwas, was man auch während der noch anstehenden Arbeiten tragen konnte. Dann würde sie sich bestimmt auch besser und nicht mehr ganz so nutzlos fühlen.
„Gut“, sagte Sophie schließlich und schenkte der Verkäuferin ein schwaches Lächeln. „Dann besorge ich mir jetzt etwas anderes zum Anziehen und wir sehen uns morgen.“
Lisa nickte und bückte sich, um die hinuntergefallene Hose aufzuheben.
„Dann bis morgen“, erwiderte die junge Frau und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
Schweigend verließ Sophie das Lager und ging wieder nach unten.