Читать книгу Right in your heart - Isabella Kniest - Страница 15
ОглавлениеAm liebsten hätte ich den Urlaub gecancelt. Ein paar Minuten später fiel mir eine bessere Idee ein: Theo zusammenschlagen und dann den Urlaub canceln. Und noch etwas später wollte ich lediglich heulen und mich ins Bett verkrümeln. Was war bloß los mit meiner Gefühlswelt? In der Vergangenheit hatte ich mich stets im Griff gehabt. Ich weinte äußerst selten – und wenn es denn einmal geschah, dann allein zu Hause unter der Dusche. Des Weiteren sprach ich nahezu gar nicht über persönliche Vorlieben oder Meinungen meinerseits. Niemals ließ ich mich auf fremde Personen ein, hielt sämtliche Beziehungen – ob beruflich oder privat – ausnahmslos kühl.
Ich blieb auf Abstand.
Immer!
Immer, verdammt noch mal!
Die einzige Ausnahme bildete Dan: Ihm hatte ich private Dinge anvertraut. Und zum Glück zeigte er jedes Mal großes Verständnis und Seriosität. Dass ich jedoch einen fremden Typen – unerheblich, ob Interpolbulle oder nicht – derart nahe an mich lassen würde, sodass ich mir überdies eine Beziehung mit diesem vorzustellen begann, bildete den Tiefstpunkt in der Geschichte meines erbärmlichen Daseins! Die Sache mit der Selbstbefriedigung hätte mich längst warnen müssen! Ich war drum und dran mich in diesen Idioten zu verlieben – oder wenigstens, ihn übermäßig sympathisch zu finden.
Ach, was!
Das tat ich doch längst!
…
Wohin hatte sich meine Härte verabschiedet? Hatte ich sie zu Hause gelassen? Hatte das romantisch-exotische Ambiente Schuld? Oder war ich letzten Endes wirklich nur notgeil?
Mit Tränen in den Augen absolvierte ich meine letzten zwanzig Liegestütze, die ich zuvor nicht mehr durchgehalten hatte.
Erst versagte ich beim Sport und zu allem Überfluss zeigte ich Schwäche bei fremden Männern!
Dieser Urlaub entwickelte sich allmählich zu einem Albtraum. Ein Albtraum mit schöner Hintergrundkulisse.
Außer Atem zog ich mir meinen dunkelblauen Bikini an und stieg hinab in den türkisfarbenen in der Sonne silbern funkelnden Pool.
Das Meerwasser fühlte sich ziemlich kühl an, hervorgerufen durch meinen erhitzten Körper.
Möglicherweise gelang es der Kälte, meinen Verstand zu reaktivieren und diese bescheuerten Bilder von wilden Nächten mit Theo zu vertreiben. Das Verlangen, nachzugeben und es mit ihm zu treiben, ohne über die Konsequenzen nachzudenken.
Ging das überhaupt: Sex ohne Liebe?
Nein. Nicht in meinem Fall.
Finge ich etwas mit ihm an, würde ich mein Herz verlieren – das wiederum brächte mich letzten Endes um.
Ergo: Ich musste handeln.
Ich musste meine aufwallenden Gefühle abschalten, ehe es zu spät war. Ich durfte mich nicht mehr mit ihm abgeben. Keine Sekunde mehr. Am besten mit niemandem mehr.
Die Idee mit der Abreise wurde zusehends attraktiver.
Wie auch immer ich mich entschied, zumindest bis morgen blieb ich.
Ich wollte unbedingt die verlassene Insel besuchen. Da hatte ich ohnehin Ruhe vor Theo und könnte meine wirren Gedanken ordnen, stundenlang aufs Meer glotzen, mich von den Wellen hypnotisieren lassen …
Ich atmete tief durch.
Ja, womöglich würde mir diese Abwechslung helfen.
Ausgelaugt von dem Gefühlschaos lehnte ich mich zurück und beobachtete zarte über das Firmament ziehende Schleierwolken.
Die Zeit bis zum Mittagessen würde ich im Bungalow verbringen. Ich konnte und wollte nicht mehr hinaus und Theo über den Weg laufen. Die Gefahr war zu groß. Darüber hinaus hätte unser Treffen wahrscheinlich erneut in einer Katastrophe gemündet.
Ich stieß mich von der Wand ab, glitt zur gegenüberliegenden zum Meer zeigenden Seite, legte die Arme auf den verfliesten Poolrand, verschränkte sie und stützte das Kinn darauf ab.
Anmutig und erhaben lag der kristallblaue Ozean in friedlicher Ruhe vor mir. Sanfte Wellen glitzerten in der Sonne. Kleine Haie, deren Haut silbergrau schimmerte, schwammen auf der Suche nach Futter gemächlich Richtung Strand.
Mein Blick schweifte zu dem Punkt, an welchem Horizont und Wasser sich zu vermischen begannen … und meine Gedanken drifteten ab – in die Vergangenheit … in eine Zeit, die mich am stärksten geprägt hatte.
Geboren worden war ich in Kärnten. Im zarten Alter von sechs hatte meine Mutter, damals eine aufstrebende Rechtsanwältin, einen reichen Geschäftsmann meinem Vater und mir vorgezogen.
Seit diesem Tage kümmerte sich mein Vater um mich. Bis zu seinem Tode sollte sich an diesem Umstand nichts ändern.
Mein Vater hatte meine Mutter abgöttisch geliebt. Niemals wäre es ihm gelungen, sich in eine andere Frau zu verlieben, geschweige denn ein zweites Mal zu heiraten. Anstatt sich selbst glücklich zu machen, steckte er all seine Kraft in meine Erziehung.
Er war streng, aber gerecht.
Mir mangelte es an nichts. Ich erhielt vernünftiges Essen, gewaschene Kleidung und Süßigkeiten. Wünschte ich mir etwas Besonderes, wie zum Beispiel neues Spielzeug, musste ich Leistung erbringen.
Ohne Leistung gibt es nichts auf dieser Welt, hatte er stets zu sagen gepflegt.
Und er behielt behalten. Wie in allen Dingen.
Wenn sich mein Notendurchschnitt verschlechterte, erhielt ich keine Geschenke. Wenn mir Fehler passierten, gab es Hausarrest.
Geschlagen jedoch hatte er mich nie. Nicht ein einziges Mal, allerdings hatte ich ihm auch niemals Anlass dazu gegeben.
Beinahe ausschließlich brachte ich sehr gute Noten mit nach Hause – meine Abschlüsse bestand ich regelmäßig mit ausgezeichneten Erfolgen. Darauf war er jedes Mal unglaublich stolz.
Dann hatte ich nicht bloß Materialistisches erhalten, ebenso hatte er mich mit Umarmungen und berührenden Worten beschenkt.
Niemals hatte er gezögert, um mir zu verdeutlichen, wie viel ich ihm bedeutete.
Aber selbst bei Misserfolgen hatte er mich stets anzuspornen versucht. Er war kein Vater, der seine Kinder runtermachte, wenn diese nicht funktionierten.
Wie gesagt, er war zwar streng, dafür gerecht – und niemals herzlos.
Seit jeher wollte er aus mir eine selbstständige Frau machen. Es war ihm zuwider, seine Tochter mit blöden Zicken spielen zu sehen.
Für mich war es ein Leichtes, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Schließlich nervten all diese barbiepuppenspielenden Mädchen mich mindestens gleichermaßen wie quengelnde, unerzogene Kinder.
Mein Vater wollte, dass ich einen verantwortungsvollen Beruf erlernte. Darum entschied ich mich für die Polizei.
Wie glücklich ich ihn damit gemacht hatte! Welche unwahrscheinliche Freude er ausgestrahlt hatte, als ich ihm erzählte, wie einfach es mir gefallen war, die Aufnahmeprüfung zu bestehen.
Diese Augenblicke waren mir die liebsten. Das waren die Momente, für die ich lebte: andere glücklich zu machen … sie nicht zu enttäuschen.
Mein Vater starb, da hatte ich eben mein einundzwanzigstes Lebensjahr erreicht.
Ein einfacher Herzinfarkt hatte ihn mir genommen.
Ich wusste, ich hatte ihn niemals enttäuscht. Diese Gewissheit gab mir die nötige Kraft, um weiterzumachen. Dessen ungeachtet hatte der Verlust ein einschneidendes Erlebnis dargestellt. Die Gewissheit, von einem Tag auf den anderen vollkommen allein durch die Welt zu gehen, hatte mich für einige Zeit regelrecht gelähmt. Es gab keine weiteren Verwandten, mit welchen ich in Kontakt stand, und bedeutend weniger Freunde oder gute Bekannte. Nichtsdestotrotz hatte ich gekämpft – und gesiegt.
Doch je länger ich alleine auf der Straße des Lebens dahinschritt und über meine Kindheit sinnierte, desto einsamer fühlte ich mich.
Schlussendlich wurde ich mir der bitteren Tatsache bewusst: Mein Leben lang hatte ich für meinen Vater gelebt. Ich hatte dafür gekämpft, ihn glücklich zu machen. Mit meinem Fleiß hatte ich versucht, sein Herzensleid zu lindern, ihm eine gute Tochter zu sein. Manchmal hatte ich mich sogar dabei ertappt, mich für seine gescheiterte Beziehung schuldig zu fühlen – zu glauben, meine Geburt hätte meine Mutter dazu bewogen, uns zu verlassen.
Mit der neuen Freiheit und dem fehlenden Druck seitens meines Vaters verschwanden die Schuldgefühle. Stattdessen taten sich mehr und mehr Zweifel auf: Habe ich mich durch dieses Für-jemanden-anderes-Leben selbst enttäuscht? Was habe ich aus meinem Leben gemacht? Wie will ich meine Zukunft gestalten? Was wünsche ich mir vom Leben?
Mein Vater hatte mir eingebläut: »Lass dich nicht auf eine Beziehung ein. Lediglich dann, wenn du dir hundertprozentig sicher bist. Und nicht einmal dann! Männer brechen dir das Herz. Sie spielen mit dir. Es gibt nicht viele, die es ernst meinen. Wenn du das im Hinterkopf behältst, wirst du niemals unglücklich werden. Glaub mir.«
Und ich hatte ihm geglaubt.
Und ich hatte mich daran gehalten.
Bis ich auf Jake traf. Dieses verfickte Arschloch. Meine Alarmglocken hatten geschrillt, dennoch hatte ich sie ignoriert.
Ich hatte wahrhaftig angenommen, mir würde es niemals passieren, betrogen zu werden. Ich war mir hundertprozentig sicher gewesen. Denn im Verborgenen hatte ich stets vermutet, irgendwann den Partner fürs Leben zu finden – glücklich zu werden, eine wundervolle Beziehung zu führen.
… mit einem rücksichtsvollen liebenden Mann an meiner Seite das Leben gemeinsam bestreiten …
Ich hatte es mir innigst gewünscht, ja schier eingebildet – ich ignorierte alles um mich herum. Kein Betrug, kein Missverständnis, keine Probleme waren für mich vorstellbar gewesen. Zu wunderbar hatte sich die Verliebtheit angefühlt, zu glücklich war ich gewesen, nicht mehr ignoriert zu werden, Komplimente zu erhalten, geküsst zu werden.
Alleine diesen einen liebevollen Mann hatte ich vor mir gesehen. Ein Mann, an den ich mich anlehnen durfte …
Dass exakt dieser Wunsch mir das Genick brechen würde, hatte ich nicht eine Sekunde lang in Betracht gezogen.
Und mein Vater hatte recht behalten.
Männer logen und betrogen. Ebenso wie Frauen. Sie waren allesamt dieselben verlogenen, egoistischen, abartigen Drecksäcke.
Lediglich alleine konnte man glücklich werden.
Eine meine Seele herausreißende Empfindung brach über mich herein.
Ja, ausschließlich alleine konnte man glücklich werden.
…
Bloß, wie sollte ich mein Glück finden, wenn ich nicht mehr wusste, wie ich weitermachen sollte?
Dermaßen viele Dinge hatte ich ausprobiert, hatte alles versucht, um mich abzulenken. Dennoch überkam mich von Zeit zu Zeit dieses schreckliche Gefühl – diese bohrende Einsamkeit, dieses brennende Verlangen nach Liebe und Verständnis … nach einem Zuhause.
Es stimmte, ich besaß alles, um mich glücklich fühlen zu können: Einen Job, eine Wohnung, ein Auto, warmes Wasser, gutes Essen … aber diese zwischenmenschlichen Gefühle, die fehlten manchmal … nein … sie fehlten andauernd … unbeschreiblich.
Und je länger ich mich auf der Insel aufhielt, desto intensivere Ausmaße nahmen diese an. Zu Hause waren sie abgeschwächter – möglicherweise hatten mein Job und das Training mich stark genug gefordert …
Weshalb musste das Verlangen nach Nähe und Geborgenheit sich derart heftig anfühlen?
Ich starrte auf die Wellen, überlegte, wie es sein würde, wenn Theo kein Macho gewesen wäre …
Er wäre der perfekte Partner.
Ein Mann, an den ich mich anlehnen durfte, wenn ich es brauchte, ein ähnlicher Job mit den gleichen Prioritäten, und anscheinend weiteren Gemeinsamkeiten: Der Spaziergang, den er in der Früh machen wollte … sein Frühstück – ich vergötterte Schinken und Eierspeise – seine kämpferischen Fähigkeiten. Dies waren Dinge, die ich schätzte, Dinge, die ich mochte, Dinge, die ich liebte.
Verfluchte Drecksscheiße!
Tränen raubten mir die Sicht auf das glitzernde Meer.
Weshalb musste die Einsamkeit stets schmerzen?
Es klopfte an der Tür.
Ein weiteres Mal Scheiße!
Die Beweise meiner Schwäche von den Wangen wischend stieg ich aus dem Pool, trocknete mich behelfsmäßig ab und lief zur Eingangstür.
Ohne nachzudenken, öffnete ich sie.
Heute weiß ich: Das würde ich niemals wieder tun!
»Hey, Kleine. Was hältst du von einer Runde Kickboxen auf der anderen Seite der Insel?«
Theo stand da, in all seiner Pracht: Das offene strahlend weiße Leinenhemd, die kurze naturfarbene Hose und die gewellten Haare, welche der Wind ihm in die goldenen Augen wehte.
Abermals raubte es mir den Atem.
Weshalb?
Keine Ahnung.
Seine Stirn gekraust trat er einen Schritt zu mir. »Du siehst noch schlechter aus. Was ist los?«
Weshalb interessierte es ihn, wie es mir ging? Tat er das ebenfalls, um mich ins Bett zu bringen?
Irgendwie wurde ich aus diesem Menschen nicht schlau. Und das Allerschlimmste: Bei ihm schrillten keine Alarmglocken.
Dabei war es offensichtlich!
Er wollte keine Beziehung. Er wollte einen Fick. Mehr nicht.
Ich versuchte, die Tür zuzumachen – und wurde von ihm geschickt daran gehindert.
Mit beiden Händen drückte er das Türblatt in meine Richtung. »Ich glaube … wir sollten ernsthaft vernünftig miteinander reden.«
»Ich kenne dich nicht«, erwiderte ich und hielt mit aller Kraft dagegen. »Ich werde dir nichts über mich erzählen. Also lass es.«
Einerseits mutete er wütend an, andererseits besorgt. »Gut.« Damit hob er die Hände in einer beschwichtigenden Geste in die Höhe – allerdings nicht ohne einen Fuß gegen das Türblatt zu stellen. »Ich gebe es zu: Ich wollte dich überreden, eine Nacht mit mir zu verbringen – wie ich es dir von Anfang an sagte … Aber jetzt.« Damit deutete er Richtung Boden. »Ich stehe hier, um mit dir zu reden – ganz vernünftig und ehrlich. Ich will wissen, was mit dir los ist. Du reagierst extrem seltsam.« Er stockte, überlegte. »Dabei interessiere ich mich normalerweise nicht für mysteriöse und kratzbürstige Weiber.«
Kratzbürstig?!
»Ich bin Single«, fuhr er fort, ehe ich etwas einwerfen konnte. »Will meinen Spaß und fertig.«
Zeigten seine Wangen etwa einen Anflug von Pink?
»Aber bei dir bin ich schlichtweg zu neugierig. Du lässt mir keine Ruhe. Außerdem begegnen wir uns andauernd … und würden uns weiterhin begegnen. Da bleibt mir gar keine andere Wahl, als dich immer wieder anzusehen und zu rätseln, weshalb du derart eigenartig rüberkommst.«
Es entstand eine Pause, in welcher sein Blick sich kontinuierlich intensivierte. Und logischerweise tat sich flugs eine Hitzewelle in mir auf.
»Ich bin ein typischer Single-Mann. Ich liebe es zu flirten, heiße Nächte mit scharfen Weibern zu verbringen und manch einem männlichen Konkurrenten den Schädel einzuschlagen. Davon einmal abgesehen bin ich aber sicherlich kein herzloses, berechnendes, egoistisches Arschloch, das auf Frauenfang geht und auf Gefühlen anderer herumtrampelt.«
Er atmete hörbar durch.
Anscheinend fiel ihm diese Stellungnahme schwer.
»Ja, ich will Sex mit dir. Nein, ich will dich nicht verletzen, solltest du dich davor fürchten. Es geht mir wirklich nur um eine einmalige Sache. Das sage ich dir ganz offen. Ich werde dir nicht die große Liebe vorspielen, damit ich es mit dir treiben kann. Ebenso wenig werde ich dich anlügen oder dir nicht ernst gemeinte schleimige Komplimente zusäuseln.« Ein Hauch von Argwohn huschte ihm über seine Gesichtszüge. »Und solltest du, in sexueller Hinsicht, überhaupt nichts von mir wollen, könnte ich –« Mahnend erhob er den Zeigefinger. »Könnte ich es mir sogar vorstellen, dich als eine gute Freundin anzusehen. Ein Kumpel, verstehst du?« Für den Bruchteil einer Sekunde wandte er sich zur Seite. »… So etwas habe ich nämlich nicht … um ehrlich zu sein.« Theo schnitt eine Grimasse. »Jetzt klinge ich wie eine verweichlichte, eierlose Fotze.« Er schüttelte seine Gestalt. »Ekelhaft.«
Zuallererst wollte ich heulen – und das einzig aufgrund seiner entwaffnenden Ehrlichkeit.
Allmählich verstand ich mich selbst nicht mehr …
Anstatt zu weinen, fing ich aber zu lachen an – unbeschwert und ungezwungen.
Es fühlte sich herrlich an.
Wann hatte ich das letzte Mal aus vollem Herzen gelacht?
Wahrscheinlich vor drei Jahren …
»Hey, das ist nicht witzig. Ich vollführe hier einen Seelenstriptease alleine für dich und du lachst mich aus! Da kann ich auf eine Freundschaft mit dir getrost scheißen!«
Seelenstriptease. Das war zum Brüllen!
Lachend schüttelte ich den Kopf. »Tut mir leid.«
Theo wurde zusehends mürrischer. Dies bekundeten seine sich zu Schlitzen verengenden Augen. »Dann lach nicht so bescheuert! Schließlich sind wir keine Kinder!« Dies gesprochen drückte er die Tür auf und trat ein, infolge dessen ich kichernd einen Schritt auf die Seite machte.
»Hörst du endlich auf, oder soll ich gehen?«
»Gut. Okay. Ist schon in Ordnung. Ich lache dich jedenfalls nicht aus, solltest du das glauben.«
»Diesen Eindruck erweckst du aber«, konterte er beleidigt und stellte sich in die Mitte des Wohnraumes.
Währenddessen ich ihn dabei beobachtete, wie er sich in meinem Domizil umschaute, hallte mir seine letzte Äußerung nochmals durch den Sinn: »Ja, ich will Sex mit dir. Nein, ich will dich nicht verletzen.«
Sofern er dies ernst meinte, besaß er augenscheinlich mehr Hirn als der Pöbel’sche Durchschnitt. Dies wiederum entfachte eine erst kürzlich abgestorbene Hoffnung, mich in ihm womöglich nicht gänzlich geirrt zu haben.
Vielleicht sollte ich ihm eine Chance einräumen … eine Freundschaft wäre mir in jedem Fall Willkommen.
»Hier sieht’s genauso aus, wie in meiner Bude«, riss er mich aus meinen Überlegungen. »Zumindest mit einer anderen Einrichtung hatte ich gerechnet.«
Ich schloss die Tür und trat zu ihm. »Worüber willst du mit mir reden?«
Theo drehte sich um – zeigte mir ein verschmitztes, unheilschwangeres Grinsen. »Zuallererst werde ich mir meine Sachen ausziehen.«
»Bitte was?!«
Bevor ich etwas Weiteres erwidern konnte, hatte er das Hemd bereits auf die Seite geworfen und die schwarzen Schlappen wegggekickt.
Scheiße!
Was wollte er damit bezwecken?!
»Ich habe dir gesagt«, brachte ich zittrig entgegen. »Ich mache es nicht mit dir. Was soll das also werden?«
Wenn er nun nackt vor mir stünde, was würde ich tun? Ihm um den Hals fallen oder ihn zusammenschlagen?
»Darum geht es nicht.«
Er zog die Short runter –
Und ich atmete auf.
Gott sei Dank präsentierte er mir eine schwarze eng anliegende Badeshorts, die, nebenbei erwähnt, seinen knackigen Hintern unverschämt gut in Szene setzte.
»Ich will mit dir im Pool sitzen und reden.«
»Und auf der Couch geht das nicht?«
»Nein, das ist langweilig.« Die Hose landete auf seinem Hemd, dann fasste er nach meiner Hand und zerrte mich hinaus.
Ich ließ ihn gewähren.
Vorerst.
»Sogar der Pool sieht ident aus. Interessant.«
Mit einem sanften Lächeln und meinen Körper von oben bis unten begutachtend glitt er ins Wasser – ich folgte.
»Ach ja, hübscher Bikini. Modelst du nebenbei?«
Was?
Modeln?
»Nein. Wie kommst du darauf?«
Verblüffung verdrängte Freude und restlichen Schelm. »Willst du mich verarschen?«
»Nein.« Ich schaute gen Himmel, dann zurück zu ihm. »Ich glaube nicht. Weshalb auch?«
»Aber du siehst umwerfend schön aus. Das müssen dir bestimmt hunderte Leute vor mir gesagt haben.«
Frische Hitze jagte mir durchs Gedärm.
Zwar war ich mir über meine schlanke Gestalt im Klaren, jedoch hübsch gefühlt – das hatte ich mich nie. Fernerhin hatten mir äußerst wenige Menschen Komplimente gemacht.
»Nein … das passiert sehr selten«, gab ich nach einigem Zögern zu. »… Mein Ex war einer der wenigen, der mir Komplimente gemacht hat. Und der hat mich letzten Endes betrogen.«
Gerne hätte ich meinen Hinterkopf gegen den Poolrand geschlagen.
Wie kam ich auf die Idee, Theo dieses intime Detail aus meinem Leben zu verraten? Wieso erzählte ich derlei Dinge? War ich nicht mehr ganz bei Trost? War irgendeine Krankheit dabei auszubrechen? Eine Psychose? Ein Burn-out? Eine Depression? Schizophrenie?
Theo wirkte ernsthaft betroffen. »Wie kann dich ein Mann betrügen? Spinnt der denn?«
Ich rang um Fassung. »Nun … ich glaube –«
»Dieses Arschloch gehört niedergedroschen und abgestochen!« Sein intensiver Blick drang mir bis in die Seele vor. »Hast du ihm wohl eine verpasst?«
»Was … wie? … Nein.« Hilflos gestikulierte ich mit den Händen. »Ich war geschockt gewesen. Schließlich waren wir erst fünf Monate zusammen. Ich habe nicht damit gerechnet. Überhaupt nicht.«
Seine Augen wuchsen an. »Und danach. Hast du ihn wenigstens danach geschlagen?«
Seine Äußerung raubte mir die Sprache.
Kein Mann zuvor hatte auf eine solche Weise reagiert. Keiner. Kein Einziger!
»Ich bin Polizist«, presste ich irgendwann mit größter Mühe hervor. »Ich kann nicht einfach irgendwelche Leute niederschlagen! Schließlich sind wir nicht in einem Achtziger-Jahre-Film mit Robert De Niro oder Sylvester Stallone.«
Ein niedliches Grinsen stahl sich auf seine Lippen. »Ja, stimmt natürlich. Dennoch. Dem Typen würde ich eine Lektion erteilen, die er im Leben nicht mehr vergisst.«
»Dann wärst du der Erste, der das für mich tun würde.«
»Bitte was?!« Geschockt, fassungslos, ungläubig suchte er nach einer Erwiderung, hielt dann aber inne.
Und mich überkamen neue Zweifel.
Sollte ich weitersprechen? Sollte ich ihm noch mehr verraten? Konnte ich ihm tatsächlich trauen? Immerhin kannte ich ihn kaum.
Von einer Sekunde auf die andere legte sich meine Angst, und Ruhe breitete sich aus.
Weswegen zweifelte ich?
Eigentlich war es komplett egal! Denn einmal ernsthaft: Was konnte Theo mir antun? Neben blöde Bemerkungen schieben … gar nichts!
Außerdem: Ich hatte ihm ohnehin längst Erlebnisse anvertraut, über die alleine Dan Bescheid wusste.
Ich sammelte Mut und schob sämtlichen Stolz zur Seite. »Ich habe, wie du, keine Kumpel, okay? … Und ich habe keine Verehrer. Da hast du etwas missverstanden. Genauso wenig sieht es mit richtig guten Freunden aus. Ein paar nette Kollegen, ja, aber das war’s schon.«
»Aber … aber … deine Verehrer …« Theo erweckte den Eindruck, unmittelbar vor einem Hirnschlag zu stehen. »Die … die dir Rosen schenken.« Er schluckte. »Männer, die dir den letzten Nerv rauben, weil sie dir ständig nachsteigen …«
Was faselte der Typ da?
»Äh, sorry, aber ich verstehe jetzt gar nichts mehr.«
Er befeuchtete die Lippen, fuhr sich über den Bart und richtete seine Aufmerksamkeit zum Horizont. »Ich dachte die gesamte Zeit, du wärst frustriert, weil du dich andauernd mit Verehrern herumplagen müsstest.«
Hä?!
»Du warst es doch, der zu Beginn meinte, ich würde an Sexfrust leiden! Oder habe ich da etwas falsch aufgefasst?«
»Nein, das stimmt wohl.« Er wandte sich wieder mir zu. »Ich dachte, du wärst sexuell frustriert. Dann allerdings habe ich mir deinen Körper genau angesehen – und erst deine Kampftechnik! Da wurde mir klar, das kann unmöglich der Fall sein. Du bist eine Spitzenfrau. Ein jeder Mann muss sich um dich reißen.«
Eine Gänsehaut jagte mir über den Körper.
»Ist das dein Ernst? Denkst du das wirklich? Oder willst du mich damit rumkriegen?«
Kopfschüttelnd lehnte er sich zurück und legte die muskulösen Oberarme auf den Poolrand. »Ich schwöre es dir – hoch und heilig. Ich will mich nicht einschleimen oder dir etwas vorspielen. Absolut nicht! Allerdings hätte ich nichts gegen einen One-Night-Stand einzuwenden.« Er zwinkerte mir zu. »Wie vorhin erwähnt.«
Gefühlswellen jagten mir durch den Körper, denen ich nicht mehr lange Herr bleiben würde. Gefühlswellen, entstanden durch Vermutungen und Hoffnungen.
Lag es im Bereich des Möglichen, dass Theo diese Nummer ausschließlich abzog, um von einer überdurchschnittlichen Empfindsamkeit abzulenken?
Ängstigte er sich vor Verletzungen, Kummer und Betrug?
Spielte er den harten, sexsüchtigen Macker, um sich vor Enttäuschungen zu schützen?
»Du bist kein Macho«, stellte ich mit erzwungener Ruhe fest.
Erst wirkte er betroffen, dann hellte sich seine Miene auf. »Tja, manchmal bin ich ein softer Macho.«
Ein softer Macho? Was sollte das bitte schön sein?
Ich kicherte meine auftretende Unsicherheit weg. »Du spinnst.«
»Nein, ich bin einfach ehrlich zu dir. Ich will nämlich wissen, warum du derart griesgrämig reagierst. Ist es deines Ex wegen?«
Ich zögerte.
Äußerst lange.
»Sag schon. Ich lache dich nicht aus.«
»Wurdest du ebenfalls betrogen?«, warf ich ein, um einer Antwort auszuweichen.
In seinen Augen blitzte etwas auf. »Wenn du mir verrätst, ob dein Ex Schuld an deinem Frust hat, gebe ich dir eine Antwort.«
Grübelnd blickte ich auf das glitzernde Salzwasser.
Sollte ich …? Sollte ich nicht …?
Ach, drauf geschissen!
»Nun … ja. Er hat mich tief verletzt. Dabei war ich kein junger Hüpfer mehr. Ich habe lange darauf gewartet, eine Beziehung einzugehen … und dann geht mir sofort der erste Freund fremd.«
Theo sprang regelrecht in die Höhe. »Was?! Er war dein Erster?«
Wasser schwappte über den Poolrand, mein Herz setzte kurzfristig aus.
Er lehnte sich zu mir. »Wann ist das gewesen?«
»Mit achtundzwanzig.«
Sein Gesichtsausdruck nahm beträchtlich verstörtere Ausmaße an. »Wie alt bist du dann?«
»Zweiunddreißig.«
»Halleluja!« Sein Ausruf ließ mich unwillkürlich zusammenzucken. »Du bist schon so alt!«
»Hey! Ich bin nicht alt!«
Seine Aussage schmerzte.
Außerordentlich.
Sah ich etwa derart alt … verbraucht aus?
O Scheiße!
Meinten deshalb alle, ich müsse sesshaft werden, da ich auf dem Singlemarkt in wenigen Jahren keine Chancen mehr hatte?
»Ich dachte, du wärst vielleicht fünfundzwanzig, oder –« Perplex hielt er ein. »Steh auf! Ich muss dich noch mal komplett sehen … Das kann einfach nicht sein.«
Meine Wangen erhitzten.
Theo schätzte mich so viel jünger?
Das war unwahrscheinlich beruhigend. Und es schmeichelte mir ungemein.
»Du kannst mich mal!«, entgegnete ich gespielt bestürzt, dafür mit einem Lächeln. »Was glaubst du eigentlich?! Geht es hier alleine darum, wie ich aussehe?«
Unter keinen Umständen durfte er bemerken, wie nah mir seine Aussage ging.
Unter keinen Umständen!
»Ja aber –« Sichtlich nervös vollführte er Handgesten. »Du siehst dermaßen jung aus … Das habe ich nie für möglich gehalten.«
Plötzlich schoss mir etwas durch den Verstand: Entstand seine Aufgekratztheit etwa durch mich? Theo, der Macho – nervös in Gegenwart einer Frau?
…
Falls meine Vermutung stimmte, sprach Theos Reaktion eindeutig für einen vernünftigen und beziehungsfähigen Charakter und gegen einen One-Night-Stand verehrenden Proleten.
»Langsam wirst du mir unheimlich.« Ich brachte etwas Abstand zwischen uns.
»O nein!« Theo rutschte mir nach. »Ich bin nicht unheimlich. Ich erkenne lediglich, wie falsch ich dich eingeschätzt habe.« Er überlegte. »Das wiederum bedeutet: Ich lag mit dem Sexfrust richtig.«
Ich errötete und senkte den Blick. »Ja. Wahrscheinlich.«
Scheiße!
Wieso sagte ich das wieder?!
»Aber was hast du dann gegen einen One-Night-Stand einzuwenden?« Seiner nonchalanten Stimmlage nach zu urteilen, berührte mein Geständnis ihn nicht sonderlich. »Wir könnten uns eine tolle Nacht machen. Keine Verpflichtungen, kein Stress.«
Ich wandte mich nach links – einerseits, um ihm nicht mehr in diese wunderschönen Augen sehen zu müssen, andererseits, um meine erhitzten Wangen zu verstecken. »Ich kann das nicht.«
Unerwartet fasste er nach meinem Kinn und drehte mein Gesicht zu sich zurück. »Wieso nicht? Verhütest du nicht? Hast du keinen Gummi mit? … Ich habe genügend dabei, da brauchst du dir keine Gedanken zu machen.«
»Ja … nein –« Verzweifelt suchte ich nach Erwiderungen. »Ich habe keinen Gummi mit, aber daran liegt es nicht.«
»Woran dann?«
Ich räusperte mich. »Erstens … erstens hatte ich noch keinen One-Night-Stand und zweitens –«
»Du hattest noch nie …?!« Er runzelte die Stirn. »Das kann gar nicht sein –«
»Und zweitens will ich das nicht.«
»Ja … aber weshalb?«
Abermals zögerte ich.
Wenn ich ihm meinen Wunsch – meine Sehnsucht – anvertraute, wie würde er reagieren?
Würde er mich verstehen? Oder würde er glauben, ich wäre eine bescheuerte Pussy, die heiraten und Kinder auf die Welt setzen und sich von ihrem Mann aushalten lassen wollte?
Verflucht!
Irgendwie musste ich ihm meine Sachlage darlegen, ohne mich in einem falschen Licht zu präsentieren.
Das Letzte, das ich wollte, war ein Mann, der mich in die Schublade Hausmütterchen steckte.
»Ich … ich kann nicht mit jemandem ein Techtelmechtel anfangen, den ich nicht kenne und der nichts für mich empfindet.«
»Aber ich empfinde etwas für dich«, erwiderte er keck. »Ich finde dich attraktiv.«
»Mir geht es um ein wenig mehr. Mehr Gefühle. Mehr Zwischenmenschliches. Einfach um … Liebe.«
Endlich war es raus …
Grund zur Freude kam dennoch keine auf – das lag an meinem auftretenden Stolz und der peinlichen Gewissheit, nun einen ähnlichen Seelenstriptease wie Theo vorzuführen …
Das gefiel mir nicht. Ganz und gar nicht.
Doch seltsamerweise erleichterte es mich.
Verdammte Scheiße!
Es war zum Verrücktwerden!
Jedes Mal, wenn Theo in meiner Nähe weilte, spielte meine Gefühlswelt verrückt …
Ich rieb mir über die Nase.
Wie sollte ich nun weiter vorgehen?
Da Theo nichts einwarf und mir selbst nichts einfiel, um mein Gesagtes abzumildern oder das Thema in eine andere Richtung zu lenken, ignorierte ich jegliche Zweifel und fuhr fort. »Ich will ausschließlich mit jemandem schlafen, der sich mit mir eine Beziehung wünscht. Ich will Geborgenheit und Sicherheit. Reiner Sex interessiert mich nicht. Für einen Orgasmus brauche ich keinen Mann, verstehst du?«
Kein Wort brachte er über die Lippen, dafür sagten seine Züge genug: »Noch ein Heimchen am Herd mit Harmoniebedürfnis.«
Verdammt noch einmal!
»Aber glaub jetzt ja nicht, ich würde Kinderwünsche oder Ähnliches hegen.«
Ich durchtrennte die Luft mit meiner rechten Hand. Gleichzeitig verfluchte ich mich tausendmal im Geiste.
Weshalb hatte ich damit angefangen?
Man sprach niemals über Sehnsüchte. Niemals! Erstens wurde man ohnehin falsch verstanden, zweitens interessierte es niemanden, drittens machte man sich lächerlich.
Verkackte Scheiße!
Immer dasselbe … immer dasselbe!
Beruhige dich, dachte ich. Jammern bringt dich nun nicht mehr weiter.
Jetzt hieß es ausschließlich, den Schaden weitestgehend zu begrenzen.
»Ich will arbeiten, meinen Job gut machen, ich will zur Cobra und erfolgreich Terroristen und anderen Abschaum bekämpfen … Einen One-Night-Stand hingegen – das brauche ich nicht. Was ich brauche, ist ein Mann und Partner, auf den ich mich verlassen kann … bei dem ich mich anlehnen darf.« Ich hielt inne – fluchte gedanklich weiter – und überlegte. »Ich will keine Mutter sein, ich will ein gleichberechtigter Partner in einer erfolgreichen, schönen Beziehung sein. Nicht mehr und nicht weniger.«
Dies gesprochen blickte ich ihm tief in seine mich intensiv musternden goldenen Augen.
Es war mir beim besten Willen nicht zu sagen möglich, was er von mir hielt. Seinen geweiteten Pupillen nach zu urteilen würde ich jedoch nicht lange auf eine Antwort seinerseits warten müssen.
»Damit habe ich nicht gerechnet«, beendete er sein eisernes Schweigen keine Sekunde später und mit ungewöhnlich leiser Stimmlage. »Als du begonnen hast, dachte ich, du wünschst dir diesen Irrsinn mit Ehe und Kindern.« Um seine Abscheu dahingehend zum Ausdruck zu bringen, verzog er das Gesicht auf eine schier urkomische Weise. »Aber dann … von Wort zu Wort … wurde es besser. Du hast da Dinge aufgezählt, die ich gut nachvollziehen kann.« Kurzzeitig stockte er. »Denn ehrlich gesagt, wünschte auch ich mir eine solche Beziehung. Zu meinem Pech kam bei mir bloß eine Scheidung raus – und ein Sohn, der wahrscheinlich nicht einmal meiner ist … zumindest hoffe ich das.«
Ich war baff.
Er war verheiratet gewesen? Und hatte ein Kind, von welchem er nicht einmal wusste, ob er der Vater war?
»Das ist ja furchtbar.«
Er zuckte die Achseln. »So schlimm ist es nicht. Ich muss nämlich keinen Unterhalt zahlen … Dennoch kotzt es mich an. Die letzten Jahre, die ich als Single unterwegs bin, ärgere ich mich, wie ich drei Jahre meines Lebens verpfuschen konnte … Die Ehe mit meiner Ex-Frau war der komplette Reinfall gewesen.«
»Dann geht’s uns beiden wohl ähnlich.«
»Ja.« Ein neues Mal hielt er inne. »… sie hat mich nämlich ebenfalls betrogen.«
Nun wurde es ernsthaft unheimlich.
»Sagst du das etwa, um es mir recht zu machen?«
Er funkelte mich an. »Glaub mir, bei einer derartigen Sache mache ich bestimmt keine Scherze … Sie hat mich mit einem Versicherungsvertreter meiner eigenen Bank betrogen!« Trauer und Wut härteten seine hübschen Gesichtszüge. »Wer weiß, womöglich ist das Kind sogar von diesem Hurensohn!«
»Das … das ist echt scheiße … sorry.«
»Aber dafür habe ich mich nun richtig ausgetobt.« Er versuchte, glücklich zu wirken – die Betonung lag auf »versuchte«. Richtig zufrieden mutete er keineswegs an. »Die letzten Jahre tat ich ausnahmslos das, was ich wollte. Ich habe mich keinen gesellschaftlichen Zwängen gebeugt, keine Chancen ungenützt gelassen.« Er seufzte. »Manchmal ist es dennoch hart.«
Und damit wurde es interessant.
»Speziell dann, wenn man einmal alleine zu Hause hockt und merkt, wie sehr die Nähe eines netten Partners fehlt.« Jäh versteifte sich sein Körper und Theo begann wilde Handgesten zu vollführen. »Aber … das ist natürlich blödes Memmengerede. Wahrscheinlich liegt es an dem Wetter hier oder dem Ambiente … oder so. Letztlich ist es immer besser, alleine seinen Weg zu gehen.«
Ohne darüber nachzudenken, legte ich meine Hand auf seine linke Schulter – und Theo warf mir einen unmöglich zu deutenden Blick zu.
Es wurde Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen.
Fakt war: Ich hatte mich jahrelang belogen – und Theo sich ebenso.
»Ich glaube, wir wissen beide, wie die Wahrheit wirklich aussieht.«
Seine Lippen verzogen sich zu einem griesgrämigen Lächeln. »Ich würde dir gerne widersprechen, doch irgendwie funktioniert das nicht. Und irgendwie befinde ich mich eben in einer dermaßen bescheuerten Verfassung, sodass ich dir Sachen erzähle, die ich nicht einmal meiner Mutter erzählt hätte.«
»Das ist verrückt.« Ich nahm meine Hand von ihm, worauf er danach fasste und mich zu sich zog.
Ich konnte nichts dagegen tun – vielleicht wollte ich auch nichts dagegen tun … Auf alle Fälle schlang Theo die Arme um mich und legte seine Lippen auf meine.
Es wurde mir glühend heiß, mein Herz raste und mein Unterleib pochte. Das schönste Empfinden allerdings war diese Vollständigkeit, die sich in mir ausbreitete.
Ich fühlte mich komplett, lebendig, glücklich.
Das erste Mal seit Jahren rauschte mir pures Glück durch die Adern. Es riss mich hinfort, nahm mir alle Sorgen, Ängste und Zweifel, welche sich seit dem Seitensprung meines Ex in meinem Herzen einquartiert hatten. Als Konsequenz dieser Gefühlsstürme schaltete sich meine Vernunft zur Gänze ab.
Ich musste zugeben, Theo hätte mich nehmen können. Er hätte einfach alles mit mir anstellen können.
Das Einzige, was er jedoch tat, war mich zu küssen.
Langsam, unvergleichlich langsam tanzten seine weichen Lippen über meine.
Ich vermochte ein leises Seufzen ebenso wenig zu unterdrücken wie meine Arme um seinen Nacken zu schlingen.
Sein Oberkörper an meinen gepresst, spürte ich einen jeden einzelnen seiner stahlharten Muskeln, die heiße glatte Haut und seine zärtlichen Hände, die mich auf seinen Schoß zogen und im Anschluss daran meinen Hintern sanft kneteten.
Wie gerne hätte ich laut aufgestöhnt!
Doch ich hielt mich zurück.
Ich wollte ihn nicht zu sehr anstacheln oder ihn zu etwas verleiten, das wir womöglich bereuen würden – obgleich ich mir insgeheim nichts anderes mehr wünschte …
Irgendwann bemerkte ich seine Zunge und wie diese mich zu erforschen begann. Liebevoll berührte sie die meine, liebkoste meinen Gaumen, tänzelte mir über die Lippen. Das durch seinen kurzen Bart ausgelöste Kitzeln in meinem Gesicht kurbelte meinen Puls nochmals kräftig an … und seine fähigen Hände – Himmel, Arsch! Dieses Geschick, diese Behutsamkeit, diese fokussierte Vehemenz … Wenn Theo einer Frau nicht innerhalb einer Minute einen Höhepunkt zu entfesseln gelang, fraß ich einen Besen.
Ein liebliches Saugen an meiner Unterlippe trieb mein Verlangen in schwindelerregende Höhen.
Verflucht.
Ich wollte ihn. Ich wollte ihn … jetzt sofort … Er sollte mich nehmen, gegen die Poolwand pressen, mir den Bikini vom Leib reißen und sich in mich stoßen …
Theo indessen machte ausschließlich mit seinem Kussspektakel weiter.
Nahezu in Slow Motion verwöhnte er mich – lutschte, saugte, knabberte … offensichtlich wollte er unseren Kuss zu einer Art Kunst erheben.
Ein Akt der puren Einigkeit und Liebe – intimer als jeder Geschlechtsverkehr.
Eben wollte er sich zurücklehnen, da ergriff ich die Initiative und nagte an seiner Unterlippe. Zärtlich, beinahe zögerlich schob ich meine Zunge in seinen Mund, umfasste seine Kinnbögen, kraulte seine weiche Gesichtsbehaarung.
Ein unterdrücktes Stöhnen drang aus seiner Kehle – schlug brachial in meinem Unterleib ein.
Theo klang noch unendlich viel schöner … satt, rau, heiser, entschlossen, wild, untergeben, willig …
»Warte.« Keuchend ließ er von mir ab – und damit verschwanden Einigkeit und Vollständigkeit gleichermaßen schnell wie sie aufgetaucht waren.
Ich seufzte seinen Namen – sehnsüchtig, begierig.
Ich wollte Theo noch nicht loslassen. Ich wollte ihn nie mehr loslassen.
Nach Atem ringend blickten wir uns an.
»Ich habe es dir gesagt«, presste er mühsam hervor. »Ich will dich nicht verletzen. Ich bin kein Arschloch. Doch falls wir es jetzt miteinander machen, würdest du dir mehr erhoffen, oder?«
Seine Worte zogen mir das Herz zusammen und trieben mir Tränen in die Augen.
»Warum hast du mich dann geküsst?«
Theo starrte mich eine angefühlte Ewigkeit an. Seine Pupillen huschten unruhig hin und her.
»Ich weiß es nicht.«
Er rutschte weiter zurück.
Mit einem jeden verdammten Zentimeter fühlte ich mich verlassener, einsamer, hoffnungsloser.
Verdammt noch einmal!
Das konnte nicht wahr sein!
»Ich weiß nicht, wieso, doch ich sehe, wie sehr du Geborgenheit suchst … das wiederum kann ich dir nicht geben.«
»Aber vorhin hast du –«
»Das heißt gar nichts.« Er vollführte eine aggressive Handgeste. »Ich will frei sein. Ich will … ich –« Er erhob sich und verließ den Pool. »Tut mir leid. Das hatte ich echt nicht so geplant.«
Flott drehte er sich um und schritt Richtung Wohnzimmer.
»Warte!« Ich jagte ihm hinterher, riss ihm seine eben aufgehobenen Klamotten aus den Händen und warf sie auf die Couch.
Einerseits erkannte ich große Wut, andererseits lag da mehr in seinem Mienenspiel – etwas Tiefgründiges, etwas Undefinierbares.
»Was wird das?«
»So schnell lasse ich dich sicherlich nicht gehen.«
Wenn du dir hundertprozentig sicher bist, dann lass den Mann, der dir etwas bedeutet, nicht mehr los.
»Ich will dir nicht das Herz stehlen und darauf herumtreten.« Der deprimierte wie verzweifelte Unterton in seiner Erwiderung traf mich mitten in die Seele. »Das habe ich einmal getan.« Abrupt verstummte er – und reine Verzweiflung brach über ihn herein. »Bei einem Mädchen. Ich war blutjung gewesen. Sie hat sich Hals über Kopf in mich verliebt.« Er blickte zu Boden, legte die rechte Hand auf seine rechte Gesichtshälfte. »Sie hatte mich genauso angeblickt wie du eben. Sie wollte mich. Sie wollte mit mir zusammen sein. Und ich habe diesen Umstand ausgenutzt und sie flachgelegt … Dann bin ich abgehauen.« Eine lange Pause entstand. »Ein paar Wochen später erfuhr ich über ihren Selbstmordversuch.« Langsam fand sein Blick zurück zu mir. »Tabletten. Sie stopfte sich mit Schlaftabletten voll. Gott sei Dank fand ihre Mutter sie rechtzeitig.« Unvermittelt liefen Tränen über seine Wangen, welche er schnellstmöglich wegzuwischen versuchte. »Das habe ich nie gewollt. Nie hatte ich vermutet, es würde ihr derart nahegehen.« Er atmete tief durch, straffte die Gestalt. »Aus diesem Grund sind mir One-Night-Stands lieber. Ich will niemanden mehr enttäuschen. Am Allerwenigsten dich. Darum halte dich besser fern von mir.«
Mein Herz stand kurz davor zu zerreißen.
Das war es, was ihn von einer neuen Beziehung abhielt – nicht der Betrug, sondern die Angst, eine Frau zu verletzen!
Mein Gott!
Ich nahm ihn in eine feste Umarmung.
Sein Leib antwortete mit einem heftigen Zittern, welches Theo schnellstmöglich unterdrückte.
»Lass mich los, wenn du nicht willst, dass wir eine große Dummheit begehen.«
»Und wie könnte diese Dummheit aussehen?«
Eine Stille erhob sich.
Theos Körper begann zu glühen – und mein Verstand zu rasen.
»Wilder, hemmungsloser Sex hier auf dem Holzboden«, entgegnete er heiser und legte seine Arme auf meinen Rücken. »Glaub’s mir. Lange kann ich mich nicht beherrschen – und dann würde ich dich verletzen. Doch ich will dich nicht verletzen. Absolut nicht. Darum lass mich los.«
»Wieso willst du keine Beziehung eingehen? Des Betrugs oder des Mädchens wegen?«
Er blieb still.
»Hat dich deine Ex-Frau jemals richtig geliebt? Hast du sie jemals richtig geliebt? Oder stellte es vielmehr eine Vernunftehe dar, aufgebaut auf Ängsten, eine Frau erneut zu verletzen?«
Theo selbst verlor weiterhin kein Wort, dafür antwortete sein Leib mit einem zweiten heftigen Zittern.
Das sagte genug.
»Und dir geht es lediglich um einen einfachen One-Night-Stand? Sonst nichts?«
»Ja.« Er klang alles, nur nicht überzeugend.
»Gut, dann halten wir es anders: Bleiben wir gute Bekannte.«
Möglicherweise würde er seine Meinung im Laufe der Zeit ändern. Oder wir würden tatsächlich bloß einfache Freunde werden.
All meiner Unsicherheit zum Trotz tippte ich auf Ersteres.
Sein emotionaler Zusammenbruch bewies, wie sehr er sich eine Partnerin wünschte, wie sehr er jemanden suchte und brauchte.
Genau wie ich.
Einziger Unterschied: Im Gegensatz zu mir verdrängte er diese Tatsache tausendmal heftiger.
»Das kann nicht gut gehen«, murmelte er und drückte mich fester an sich. »Das wird ein weiterer Rohrkrepierer. Irgendetwas wird schieflaufen. Irgendetwas. Ich spüre es.«
»Und ich spüre, dass du mehr von mir willst als reinen Sex. Gib es einfach zu.«
»Nein … nein, das geht gar nicht. Das stimmt nicht. Ich kenne dich erst zwei Tage. Das liegt bestimmt am Stress und den vergangenen Aufträgen … das … das kann nicht sein …«
Offensichtlicher ging es nun wirklich nicht!
»Dann begehen wir eine Dummheit.«
Theo wollte mehr – und ich wollte ihn.
Weshalb sich länger zieren?
Und sofern es unerwarteterweise doch bei einer einzigen Nacht bliebe, musste ich eben mit den Konsequenzen leben.
Aber davon einmal abgesehen – ich litt an meiner Einsamkeit. Ich ertrug es nicht mehr, mich tagein tagaus alleine durchs Leben zu quälen. Selbst wenn es eine reine Sexbeziehung werden würde – Hauptsache ich durfte endlich wieder Körperwärme spüren. Theo war kein verlogenes Arschloch. Er besaß Einfühlungsvermögen. Weshalb sollte ich ein paar zärtliche Nächte in den Wind schlagen? Ich war mir sicher, solch einem liebevollen Liebhaber würde ich nie mehr begegnen. Erst recht nicht einen dermaßen gut aussehenden und alleinstehenden Mann wie Theo. Dachte ich genauer darüber nach, sah es in meinem Kaff für zwischenmenschliche Bindungen ohnehin gänzlich schwarz aus. Es gab keine Singles mehr. Die waren allesamt verheiratet. Da hätte ich nicht einmal jemanden gefunden, wenn ich es gewollt hätte – weder für eine einmalige Sache noch für etwas Fixes.
Theo lehnte sich zurück. »Das geht nicht.«
»Wieso?«
»Weil ich mir unsicher bin, ganz einfach.«
»Ich werde dir keine Szene machen«, versicherte ich. »Ich werde mich nicht umbringen.«
»Darum geht es nicht.«
»Worum geht es dann? Aber sag mir nicht, du bekommst jetzt keinen mehr hoch, weil du durch den Wind bist.«
»Und wenn es so wäre?«
»Dann sage ich: Du lügst.«
Trotzig hob er das Kinn an. »Woher willst du das wissen?«
»Weil dein Freund da unten hart wie Stein ist.«
Seine Wangen zeigten einen Anflug von Pink. »Scheiße.«
»Ich gebe es zu: Ich bin frustriert«, gestand ich. »Vier verdammte Jahre hatte ich keinen Sex mehr. Vier Jahre!« Mein Gesagtes unterstrich ich, indem ich meine rechte Hand in die Höhe hielt – vier Finger ausgestreckt. »Und dann kommst du angetanzt, mit deinem perfekten Körper und diesen verruchten Dingen, die du mir da andauernd zuhauchst – und dann! Dann zeigst du mir diese zerbrechliche Seite.« Ich hüstelte. »Wärst du ein gewöhnlicher bescheuerter Macho, hätte ich dich längst rausgeworfen! Dann hätte ich mich heute Morgen erst gar nicht zu dir gesetzt. Ich stehe nämlich wirklich nicht auf Machos. Überhaupt nicht.«
»Wieso hast du dich zu mir gesetzt? Zu dem Zeitpunkt wusstest du nichts über mich.«
Verunsicherung tat sich in mir auf.
»Weil ich über unser morgendliches Zusammentreffen nachgedacht habe.«
»Und welche Rückschlüsse hast du da bitte gezogen?«
»Du wolltest einen Spaziergang machen, stimmt’s?«
Theo wölbte eine Augenbraue. »Ja, schon. Warum? Ist das wichtig?«
»Ja, denn das tut ein Macho bekanntlich nicht. Der schläft länger, wartet dann beim Buffet, um Weiber aufzureißen.«
Seine Lippen deuteten ein Lächeln an. »Und was wäre, wenn ich auf diese gänzlich selbstlose-weicheimäßige Weise reagiert hätte, weil ich dich unbedingt flachlegen wollte?«
»Das dachte ich zunächst auch. Allerdings hast du etwas komplett anderes ausgestrahlt. Ebenso während unserer ersten Begegnung auf der Insel.«
»Diesen Arsch kenne ich doch«, rezitierte er schmunzelnd.
»Genau. Zwar deutet eine solche Aussage auf einen Macho hin, dennoch kamst du anders rüber.« Ich überlegte. »Bei dir scheinen es stets zwei Seiten zu sein. In etwa: Du sagst Schwarz, meinst aber Weiß. Alleine deshalb habe ich Interesse gehegt. Alleine deshalb habe ich dem Dinner zugestimmt, alleine deshalb habe ich mich zu dir gesetzt.«
»Und wie hättest du normalerweise reagiert?«
»Normalerweise? … Da hätte ich dich heute Morgen richtig niedergeschlagen. Und dann wäre ich weitergegangen.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Ernsthaft?«
»Ernsthaft.«
Er kicherte. »Du bist die verrückteste Frau, die mir jemals untergekommen ist.«
»Nicht bloß verrückt – gefühlsmäßig komplett daneben«, korrigierte ich und trat einen Schritt zurück. »Aber jetzt ganz im Ernst. Ich hasse dieses verdammte Schauspiel dermaßen! Jeden Tag muss ich den glücklichen Single vorspielen. Jeden Tag muss ich meinen Kollegen vorlügen, wie sehr mich Beziehungen ankotzen. Jeden Tag wache ich auf und denke mir: ›Wieso muss ich alleine sein?‹, es kotzt mich unbeschreiblich an.«
»Mich auch«, flüsterte er. »Mich auch.«
Mir wurde es heiß.
Dann wollte er tatsächlich eine Beziehung!
Es war alles Show gewesen.
Er spielte genauso wie ich!
»Bitte sag mir die Wahrheit: Du willst nicht mehr auf diese Weise weitermachen, oder?«
Langsam nickte er. »Irgendwie nicht. Irgendwie schon. Ich genieße die kurzen Affären, die One-Night-Stands, das Partymachen. Doch, es stimmt.« Er zögerte. Sehr lange. Unwahrscheinlich lange. »Es ist, wie du sagst: zum Kotzen.« Ein Räuspern unterbrach ihn. »Wenn man mit siebenunddreißig nach wie vor alleine um die Häuser zieht, wenn ich mir anhören muss, wie meine Kollegen über ihre Familien schwärmen, über tolle Urlaube und schöne Nächte mit ihren Frauen prahlen – es tut weh. Das hätte ich ebenfalls gerne. Andererseits vermute ich, dass viele meiner Kollegen immens übertreiben. Meine Ehe beispielsweise war nicht eben der Oberburner gewesen. Klar, manche Pärchen sind bestimmt glücklich. Aber ein jedes Einzelne? Ich denke nicht. Sonst wäre die Scheidungsrate nicht dermaßen hoch … Und ich habe keinen Bock auf eine zweite Scheidung.«
»Ich habe genauso wenig Bock, abermals belogen und betrogen zu werden. Deshalb halte ich großen Abstand. Besonders bei maulenden Männern.« Ich schluckte. »Wie du dich bis eben verhalten hast, war nämlich mein Ex gewesen.«
»Ach du Scheiße! Deshalb hatte ich keine Chance!«
»Genau. Selbst wenn ich One-Night-Stands nicht abgeneigt wäre – mit dir hätte ich mich nicht abgegeben.«
»Jetzt verstehe ich dich.«
»Wie auch immer.« Ich strich mir eine feuchte Strähne meines Haars zurück. »Begehen wir eine Dummheit und schauen wir, wie es weitergeht … oder bleiben wir erst einmal Freunde und springen letztlich erst in die Kiste?«
Er fing zu lachen an.
Es ging mir durch und durch.
Sein Lachen klang voll und warm, ehrlich und herzlich – und wie seine Augen dabei funkelten …
Es dauerte etwas, bis er sich beruhigt hatte.
»Gut.«
Diese Stellungnahme war natürlich äußerst aufschlussreich.
»Was heißt das?«
Er warf mir ein verschmitztes Grinsen zu. »Gut, dass ich ein Candle-Light-Dinner gebucht habe – auf deinen Namen.«
Ich stemmte die Fäuste gegen meine Hüften. »Du hast was gemacht?!«
»Willst du mir deshalb eine Szene machen?« Seine Fröhlichkeit verschwand zur Gänze. Dafür härtete Skepsis seine Züge. »Dann möchte ich erst gar nicht wissen, was du tust, wenn wir es wild miteinander treiben und ich daraufhin verschwinde.«
Ich konnte ein Kichern nicht verdrücken. »Du hast echt Panik, ich könnte eine Vorzimmerdrachenseite an mir haben, stimmt’s?«
Nach einigen Sekunden stillen Schweigens bejahte er. »Irgendwie schon … dennoch.« Sein Blick nahm einen flehenden Ausdruck an. »Du hast mir die Visage in den Sand gedrückt, schon vergessen?«
»Und du hast mich beleidigt und mich angefasst.«
»Und wenn ich dich jetzt anfasse?«
»Dann würde ich es zulassen.«
Er trat einen Schritt näher. »Im Ernst? Du willst jetzt Sex mit mir?«
Ich zögerte, doch letztlich gab ich das Offensichtliche zu: »Ja, das will ich.«
»Ernsthaft? Jetzt, hier?« Er zeigte auf den Holzboden. »Da, auf dem Boden vor dem Tisch?«
Mit heißen Wangen bejahte ich.
Theo legte seine Hände auf meine Schultern, zog mich zu sich – und mein Körper reagierte sofort, indem frische gigantische Hitze in meinem Unterleib einschlug.
Was würde Theo mit mir anstellen? Was würde folgen?
Eben war er dabei, seine Lippen auf meine zu legen – da tätigte er einen brutalen Rückzieher.
»Nein«, flüsterte er und besah mich dabei auf eine mich schier wahnsinnig machende Weise. »Nein. Jetzt gehen wir es einen Schritt langsamer an.«
Ich rang nach Atem. »Das bedeutet?«
»Ich habe dir in nicht einmal einer halben Stunde mein halbes Leben erzählt. Dabei habe ich nicht einmal einen Tropfen Alkohol intus. Das ist komplett wahnsinnig!« Er atmete tief ein, blickte zur Seite, schüttelte den Kopf, schnitt eine Grimasse und ließ die Luft hörbar entweichen. »Ursprünglich kam ich zu dir, um dich ein letztes Mal zu einem kleinen sexuellen Abenteuer zu überreden.« Damit wandte er sich wieder mir zu, furchte die Stirn. »Und jetzt sieh an, was ich mache! Ich versuche das exakte Gegenteil. Was hast du mit mir angestellt?«
»Das Gleiche frage ich mich. Vor dir hätte ich mir niemals eine einmalige Sache vorstellen können – und jetzt? Jetzt will ich es unbedingt.«
Ein sanftes Lächeln trat in Erscheinung. »Das muss wohl etwas bedeuten, wenn es uns beiden gleich ergeht.«
Ich nickte stumm.
»Dann machen wir es jetzt auf meine Art.«
»Und wie sieht die aus?«
»Ich will mehr über dich erfahren.« Seine Hände glitten über meine Oberarme nach unten und zurück.
Diese unbedeutende Berührung reichte aus, damit es mir die Haare aufstellte.
»Wie wäre es mit einem richtigen Strandspaziergang? Im Anschluss daran ein wenig Schwimmen … und darauf ein Dinner.«
»Sprich: total unmachomäßig?«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Solltest du damit spießermäßig meinen … muss ich dir fürchterlicherweise recht geben.«
Ich kicherte. »Okay, damit bin ich einverstanden … sehr sogar.«
Obwohl ich nach wie vor gerne eine Dummheit begangen hätte …
Er nahm meine Hand in seine. »Dann los.«