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4. Der Apfel der Erkenntnis

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Tracey hatte sich eben an die auf Hochglanz polierte dunkle Bar seines Stammlokals gesetzt und ein aromatisiertes Mineralwasser – in diesem Fall Johannisbeergeschmack – bestellt, da tauchte ein ihm zu vertrautes Gesicht auf.

»Na, wen sehen meine entzündeten Augen da?«, posaunte eine, wie üblich, gut gelaunte Steffi quer durch den stickig-vernebelten Raum.

»Ich bin nicht in Stimmung«, wehrte er prophylaktisch ab. »Versuch es erst gar nicht.«

Was auch immer du versuchen willst, vervollständigte er gedanklich und nahm einen großen Schluck.

»Hast du Probleme?«

Er schielte sie aus zusammengezogenen Augenbrauen an. »Was glaubst du wohl?«

Seine beste Freundin schnippte mit den Fingern. »Ach natürlich! Die Sache mit der Körperverletzung, Nötigung und … was war da noch?«

»Gefährdung der körperlichen Sicherheit«, vervollständigte er ihren Bericht deprimiert, verzweifelt und gefrustet.

»Ganz genau.« Fröhlich-beschwingt setzte sie sich zu ihm, bestellte einen weißen Spritzer und plapperte munter weiter. »Wie, zur Hölle, kannst du derart ausflippen?«

Tracey wandte sich den unzähligen Whiskeyflaschen zu und begann diese im Geiste abzuzählen. »Ich hatte einen schlechten Tag.«

»Du hast keine schlechten Tage.«

»Na, wenn du das sagst.«

»Ja, das sage ich!« Die Vehemenz in ihrer besserwisserischen Stimmlage feuerte sein wankelmütiges Temperament unverhältnismäßig heftig an. »Schließlich kenne ich dich länger als irgendjemanden sonst.«

Was sehr einfach ist, dachte er zähneknirschend. Weil du durch deine anstrengende Art Menschen fortwährend vergraulst und letztendlich verjagst.

Anstatt diese Tatsache laut auszusprechen, erwiderte er gezwungen ruhig: »Ich fühlte mich geehrt.«

»Ich weiß, das ist gelogen. Aber trotzdem, Danke.«

Tracey zählte weiter, suchte nach innerer Kraft und einer scheiß Ausgeglichenheit.

Seine Nervenstärke hatte in den vergangenen Tagen kontinuierlich abgebaut, seine Zukunft war ein einziger Scherbenhaufen und seine Einsamkeit brachte ihn sukzessiv um. Eine ihn bequasselnde Steffi stellte somit nicht unbedingt den idealen Gesprächspartner dar. Zumal er bloß nach etwas Abwechslung und Zerstreuung gesucht hatte – und keinen Weibertratsch-Perioden-Depressionstage-Jammergeschichten lauschen wollte.

»Also, alter Griesgram! Was geht sonst so ab?«

Tracey reagierte nicht.

Es war besser, ruhig zu bleiben und den kauzigen Eremiten zu mimen, wollte er sie schnell wieder loswerden. Denn eines war gewiss: Was immer Steffi hier tat, es verhieß hundertprozentig nichts Gutes. Für ihn wiederum bedeutete es ungleich mehr Strapazen und Hindernisse, um etwas Lockerheit und Positivität in seinen Alltag zu bringen.

»Wie schmeckt dein Kindergetränk?«, stichelte sie und beugte sich zu ihm, um überheblich in sein Glas schauen zu können. »Hat das Bier letztens nicht gemundet?«

Er schob das Wasser zur Seite und musterte ihre zugekleisterte Visage. »Was willst du hier?«

»Besser gesagt«, konterte sie einschließlich unheilvollen Grinsens, »was will ich von dir.«

Er vollführte eine schwach-gelangweilte Handgeste. »Und was willst du von mir?« Das letzte Wort betonte er übermäßig gereizt, gleichzeitig lehnte er sich zu ihr.

»Ich habe nach dir gesucht. Die letzten Tage nach unserem Telefonat warst du wie vom Erdboden verschluckt.«

Ja, weshalb wohl?!

»Ich brauchte meine Ruhe.«

»Aber jetzt scheint das anders zu sein.«

Super deduziert, Sherlock!

Er zuckte die Achseln. »Ja, und?«

Sie klopfte ihm auf die rechte Schulter. »Ich habe eine Einladung für dich.«

»Einladung? Welche Einladung?«

Der alternde Kellner brachte Steffi ihr Wunschgetränk, welches sie sofort ergriff und davon einen großen Schluck nahm. »Zu einem romantischen Blind-Date.«

Eiseskälte und mit Stromschlägen gleichzusetzende Adrenalinausstöße brachten ihn ins Schwitzen.

O mein Gott …

Das war nicht mehr schlecht – das war der Horror schlechthin!

Er stöhnte. »Fängst du neuerlich damit an?«

Soweit er sich zurückerinnern konnte, hatte sie ihn zu verkuppeln versucht, alsbald er solo durch die Welt wanderte.

Weshalb?

Er wusste es nicht. Jedenfalls drangsalierte sie ihn in solchen Lebensphasen solange, bis er nachgab.

Wie vor drei Jahren.

Da hatte er sich kurzerhand zu einem derartigen verfluchten Blind-Date überreden lassen. Und wie erwartet, hatte es in einem Desaster, einer Katastrophe und einem Armageddon geendet. Um genauer zu sein: Mit einer Schlägerei und einer Anzeige – allerdings nicht gegen ihn, sondern gegen den Kerl, der seine Verabredung bedrängt hatte. Erst im Nachhinein hatte Tracey erfahren, dass es sich hierbei um den Ex-Lover seines Dates gehandelt hatte.

»Ich habe keinen Bock auf eine weitere Schlägerei. Außerdem würde eine solche in meiner nunmehrigen Situation kein besonders gutes Licht auf mich werfen.«

Mit dem zugegebenermaßen hübschen Mädchen war letzten Endes zwar nichts geworden, doch wenigstens würde dieses zukünftig nicht mehr von dem Schlägertypen belästigt werden. Dafür hatte Tracey gesorgt. Auf ausgesprochen subtile, erinnerungswürdige, schmerzhafte Weise.

Steffis Gegrinse wuchs besorgniserregend in die Breite. »Die Süße meinte, sie hätte schon seit acht Jahren keine Beziehung. Somit brauchst du dir wegen möglicher Ex-Freunde keine Gedanken zu machen.«

»Ach wirklich? Dann wird sie wohl zu wählerisch sein. Sonst hätte sie längst jemanden gefunden.«

Wozu gab es Online-Partnerbörsen und Singletreffs? Irgendwelche On-off-Beziehungen konnte man sich schnell aufgabeln, und One-Night-Stands beträchtlich leichter.

»Nein, die eierlosen Macker getrauen sich bloß nicht, sie anzusprechen.«

Er beäugte Steffi eingehend. »Noch eine Emanze, oder was? Glaub mir, die Letzte reichte mir definitiv.«

»Nein! Sie ist total nett, liebenswürdig, ehrlich, vernünftig und umgänglich.«

Ja klar!

Und er war der Präsident der Vereinigten Staaten!

»Natürlich, deshalb spricht sie keiner an.«

»Zudem ist sie bildhübsch. Eine einzige Augenweise. Schlank und natürlich – genau dein Typ.«

»Deshalb spricht sie keiner an«, wiederholte er.

»Man kann sich wunderbar und ausgelassen mit ihr unterhalten. Sie hat Köpfchen und ist schlagfertig.«

»Ja sicher!«, antwortete er bissig. »Exakt deshalb spricht ja niemand mit ihr!«

Steffi wollte ihn wohl für blöd verkaufen! Wäre dieses Traumweib ernsthaft solcherweise hübsch, klug und wundertoll, wäre sie längst nicht mehr single, womit dies nur eines bedeuten konnte: Diese Frau war ein einziger Hausdrachen, hässlich, unfreundlich, berechnend, durchtrieben und sowieso beziehungsunfähig!

Schleppend und seufzend richtete er sich auf. »Ernsthaft Steffi, hör mir bitte endlich auf mit dem Mist. Ich brauche keine weitere emanzipierte Scheiß-Schnepfe, die mir einen weiteren belanglosen Tag in meinem erbärmlichen, desaströsen Leben versaut. Es ist längst schlimm genug, lass gut sein.«

»Das Essen ist kostenlos«, fuhr sie ungehindert fort. »Obendrauf gibt es Kuchen und Torten.«

Allmählich reichte ihm Steffis Herumgeturne auf seinen zum Zerreißen angespannten Nerven.

Bemerkte sie es nicht, wann es genug war, oder wollte sie es schlichtweg nicht bemerken?

»Hörst du mir nicht zu, oder was?! Ich habe kein Interesse an einer weiteren Katastrophe, okay? Ich habe genügend verschissene Probleme!«

Eine unvermutete Milde huschte über ihre Züge. »Es würde dir guttun. Ein wenig Abwechslung schadet nie, Tracey.«

Falls du unter Abwechslung ein zertrümmertes Kniegelenk verstehst, dachte er. Ist das natürlich völlig legitim.

Er wunderte sich, weshalb er damals nicht ebenfalls angeklagt worden war. Vermutlich war der Versuch des Arschlochs, ihn mit einer zerschlagenen Bierflasche niederzustechen, doch etwas schwerer ins Gewicht gefallen als Traceys darauffolgender Tritt gegen das rechte Knie dieses Wahnsinnigen.

Er nippte an seinem Johannisbeerwasser. »Ich hab keinen Bock, verdammt.«

»Du weißt genau, es wird nicht derart ablaufen wie letztens.« Blitzschnell streckte sich ihre Hand zu seinem Haar – und unbekümmert zerraufte sie es. »Das Treffen wird lustig. Ich verspreche es dir!«

Schmerz zuckte durch ihn hindurch, sämtliche feine Härchen seines Körpers stellten sich auf.

Wie er es hasste, wenn sie dies tat!

Er schlug ihre verkackte Hand zur Seite, wich zurück und taxierte sie giftig. »Fass gefälligst mein verschissenes Haar nicht an! Das tut weh, du grober Klotz!«

Sie schürzte die Lippen. »Aber sie sind wahnsinnig kuschelig.« Dies gesprochen sekkierte sie sein Haupt mit beiden Händen, woraufhin er vom Barhocker glitt, drei Schritte nach hinten stolperte und die Arme in einer abwehrenden Geste von sich streckte. »Steffi, hör auf, oder bei Gott, ich vergesse mich.«

Seine Kopfhaut war ausgesprochen empfindlich – eine erogene Zone, die von keinem Menschen außer seiner Partnerin berührt werden durfte!

»Mann! Du Spaßbremse!« Seine fläzige Freundin zog eine beleidigte Schnute, welche große Ähnlichkeiten mit der eines ungezogenen Hosenscheißers aufwies. »Komm einfach vorbei. Es haben sich viele Leute angemeldet. Außerdem habe ich mich mordsmäßig gequält, um der Süßen das Date schmackhaft zu machen.«

O Gott!

Steffi hatte sie ebenfalls genötigt?

»Wie lange hast du sie terrorisiert?«

Mit dem rechten Zeigefinger malte sie Kreise auf den Holztresen – unschuldiger Dackelblick mit eingeschlossen. »Gefühlte hundertmal.«

»Und tatsächlich?«

Sie zuckte die Schultern. »Zwanzig?«

»Himmel! Steffi!« Zögerlich setzte er sich wieder zu ihr. »Weshalb willst du andauernd Singles zusammenbringen?«

Etwas ihn Hühnerhaut Auslösendes huschte über ihre Make-up beladenen Züge. »Ich ertrage es schlichtweg nicht, wenn Menschen einsam sind. Darum beiße in den sauren Apfel – womöglich ist er doch süßer als vermutet.«

Er atmete hörbar durch.

Warum durchwegs er? Wann würde seine verfickte Unglückssträhne ein Ende finden?

Andersrum hatte Steffi nicht ganz unrecht. Ein wenig Abwechslung schadete grundsätzlich nie – sofern es dadurch keine durchgeknallten Ex-Lover auf ihn abzusehen begannen.

»Saurer Apfel, ja?«

Hoffnung ließ sie erstrahlen. »Glaub mir, sie wird dir bestimmt gefallen.«

Was sie nicht sagte!

Eine abrupt über ihn hereinbrechende böse Vorahnung ließ ihn unweigerlich erzittern. »Das hat aber hoffentlich nichts mit unserem letzten intimen Gespräch zu tun?«

Sie winkte ab. »Überhaupt nicht. Außerdem hatte sie vor acht Jahren eine Beziehung – wie vorhin erwähnt. Jungfrau kann sie somit nicht mehr sein, oder?«

Na, wenigstens etwas … andersrum gesehen wäre eine Jungfrau wesentlich besser als eine weitere Dorfmatratze …

Ach verdammt!

»Und das Essen ist wirklich kostenlos?«

Er musste auf seine Finanzen achten. Sollte er eine Haftstrafe abbüßen müssen, zählte jeder Cent, um die Wohnung weiterhin halten zu können sowie keine Schulden anzubauen.

»Ja. Alles gratis.«

»Wer finanziert das?«

»Ein Freund eines Freundes, dessen Freund ein Jubiläum zu feiern hat.«

Tracey zog die Augenbrauen hoch. »Welches Jubiläum?«

»Der Gasthof von dem Freund eines Freundes dessen Freund … wird zehn.«

»Aha« Er blickte zu den Whiskeyflaschen zurück. »Wie schön für ihn.«

Noch ein erfolgreicher Drecksack, dem offenkundig alles in die Wiege gelegt wurde …

»Komm schon!«, quengelte sie. »Sag Ja. Ich bin mir tausendprozentig sicher, es wird ein lustiger Abend werden.«

Er stieß einen lauten, resignierten Seufzer aus.

Wahrscheinlich würde Steffi ihn noch drei weitere Stunden quälen … da war es wohl besser, dem Blind-Date zuzustimmen. Ein einmaliges Gespräch mit einer hübschen Frau konnte niemals dergestalt nervenaufreibend sein, wie das Gejammer einer gefrusteten Steffi. Zumindest hoffte er dies, währenddessen er seiner penetranten Freundin zögerlich zustimmte.

»Super!« Sie verpasste ihn noch einen Klaps auf die Schulter und trank ihren Spritzer mit einem Zug aus. »Du wirst garantiert viel Spaß haben!« Sie rutschte vom Barhocker, verabschiedete sich herzlich bis besorgniserregend einschleimend und zog glücklich strahlend von dannen.

Und Tracey fühlte sich sekündlich unwohler.

Hoffentlich hatte er sich nicht eben einen Apfel vom Baum der Erkenntnis andrehen lassen.

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