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1. Kapitel

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Inés

»Bist du schon aufgeregt?« Ich presste das Handy ans Ohr, um die Hintergrundgeräusche auszublenden.

Angelina lachte. »Und wie! Aber Lorenzo noch mehr, glaube ich. Du kommst doch pünktlich?«

»Aber sicher«, beruhigte ich meine beste Freundin. »Mach dich nur nicht verrückt! Deine Hochzeit wird das Fest des Jahres und alles wird klappen wie am Schnürchen, dafür werden Rafael und ich schon sorgen.«

»Ja, du hast recht, ihr seid die besten Trauzeugen, die man sich nur wünschen kann. Okay, meine Eltern kommen gerade an. Ich muss Schluss machen. Bis bald.«

Sie drückte mich weg, bevor ich antworten konnte und ich grinste. Es gelang mir nur schwer, mir den lässigen und selbstbewussten Lorenzo als nervösen Bräutigam vorzustellen, aber bald würde ich es selbst erleben.

Sein älterer Bruder hatte wie ich maßgeblich zur Organisation des Festes beigetragen, begegnet waren wir uns jedoch nur kurz. Auch wenn ich Rafael insgeheim ziemlich attraktiv fand, wirkte er auf mich doch etwas reserviert und nicht so charmant wie der Womanizer Lorenzo.

In Gedanken ging ich den Ablauf der Feier noch einmal durch, während ich für Luca und mich das Frühstück zubereitete. Mit seinen eineinhalb Jahren bestand mein kleiner Sohn darauf, selbst zu essen und den Becher zu halten, was mitunter in einem Fiasko mündete.

Heute hatte ich Glück und wir hatten das Frühstück ohne Zwischenfälle schon fast beendet, als es an der Wohnungstür läutete. Luca zappelte aufgeregt in seinem Hochstuhl, weil ich ihn bereits gründlich darauf vorbereitet hatte, mit wem er den heutigen Tag und die kommende Nacht verbringen würde. Ich hob ihn heraus und setzte ihn seitlich an meine Hüfte, um in den Flur zu eilen und die Tür zu öffnen.

Noch bevor ich etwas sagen konnte, krähte mein Sohn begeistert los: »Oma, Oma!«

»Na, das ist ja eine fröhliche Begrüßung, kleiner Mann!« Meine Mutter strahlte und streckte beide Hände aus, um den Jungen in Empfang zu nehmen. Luca patschte ihr liebevoll mit seinen Händchen ins Gesicht und ließ sich bereitwillig auf die Wange küssen. Gemeinsam kehrten wir in meine Wohnküche zurück.

»Möchtest du Kaffee?«

»Wenn du noch genug Zeit dafür hast, sag ich nicht Nein.«

Ich unterließ es, sie darauf hinzuweisen, dass ich ihn ihr sonst nicht angeboten hätte. Stattdessen nahm ich eine Tasse aus dem Küchenschrank und schob eine Kapsel in den Automaten. Dann wandte ich mich wieder ihr zu und betrachtete sie prüfend. »Wie geht es dir?«

»Wie immer. Nein, besser als sonst, weil ich bei meinen kleinen Schatz sein darf.« Während sie antwortete, erhöhte sich ihre Stimmlage, bis sie den typischen, zwitschernden Tonfall angenommen hatte, mit dem sie Luca ansprach. Sie sah zu mir herüber und ihr Lächeln ließ sie um Jahre jünger erscheinen, als sie normalerweise wirkte.

»Dann haben wir ja alle drei etwas davon. Das Bettzeug habe ich dir schon bezogen und wie du es dir auf der Couch bequem machen kannst, weißt du ja.« Ich lächelte sie dankbar an, stellte die volle Kaffeetasse vor ihr auf den Tisch und schob Zuckerdose und Milchpackung für sie in Griffweite. »Willst du eine Rosinenmaus dazu?«

Mamas Gesicht erhellte sich neuerlich. Sie mochte das flaumige Hefegebäck beinahe genauso gern wie mein kleiner Sohn. Das Rezept hatte ich von meiner Chefin bekommen, die es von einem Heimaturlaub in Deutschland mitgebracht hatte.

Allerdings aß Mama es wesentlich manierlicher als Luca, der bevorzugt zuerst mit seinen Fingerchen die Rosinen herausholte und verspeiste, bevor er den zerfledderten Rest stückchenweise in seinen kleinen Mund schob.

»Manuel hängt neuerdings öfter bei uns herum.« Meine Mutter warf mir einen entschuldigenden Blick zu, obwohl ich wusste, dass sie daheim nichts zu melden hatte.

»Warum das?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Papa und er verstehen sich eben.«

»Das kann ich mir vorstellen«, gab ich trocken zurück. Mein Ex-Freund – Lucas Papa – hatte mittlerweile die gleiche Vorliebe für reichlich Bier zu jeder Tageszeit und dieselbe Abneigung gegen regelmäßige Arbeit entwickelt wie mein Vater. Außerdem verband sie ihre Leidenschaft für Fußball und Motorsport. Allerdings nur vom bequemen Sofa aus.

»Heute ist das Match Spanien gegen England.«

Ich grinste verständnisvoll. »Da trifft es sich ja doppelt gut, dass du hier schläfst. Luca ist bestimmt nicht so laut wie die beiden Männer.«

»Wenn es nur zwei wären! Papa hat noch ein paar andere dazu eingeladen. Ich fürchte mich schon vor dem Chaos, das sie wieder anrichten werden.«

Nur mit Mühe schluckte ich die Frage hinunter, die mir auf der Zunge lag. Viel zu oft hatte ich meine Mutter schon gelöchert, warum sie meinen Vater nicht verließ, der sie wie eine unbezahlte Haushälterin behandelte, obwohl sie selbst – im Unterschied zu ihm – in Vollzeit arbeitete. Sie verdiente als Friseurin nicht allzu viel, doch ich war sicher, sie würde allein besser über die Runden kommen, als wenn sie ihn und seine Saufkumpane auch noch unterstützte.

Ich liebte meine Mutter und war ihr von Herzen dankbar, dass sie sich so liebevoll um Luca kümmerte. Doch dass sie sich von meinem Vater, einem herrschsüchtigen, egozentrischen Trunkenbold, alles gefallen ließ, trübte unser Verhältnis und hatte mich früh aus der elterlichen Wohnung vertrieben. Also seufzte ich nur deutlich hörbar und sie reagierte auf meinen unausgesprochenen Vorwurf mit einem resignierten Achselzucken.

»Muss ich auf irgendetwas achten?«, fragte sie stattdessen.

Ich schüttelte den Kopf. »Alles wie immer, du kennst den kleinen Racker ja.« Luca saß nun wieder auf seinem Platz und pflückte mit spitzen Fingern die letzten Krümel von dem Tischchen, um sie sich in den Mund zu stecken. Wir sahen ihm einen Moment stumm dabei zu, dann kreuzten sich unsere Blicke und die Liebe, die aus den samtbraunen Augen meiner Mutter strahlte, traf mich mitten ins Herz. »Danke, Mama, dass du immer für uns da bist! Ohne dich wäre alles ungleich schwieriger.«

Sie lächelte. »Sehr gern, Liebes. Mein Leben wäre eine ziemlich triste Angelegenheit, wenn es euch beide nicht gäbe.« Dann deutete sie mahnend auf die Wanduhr, deren Zeiger unerbittlich weiterrückten. Ich zuckte erschrocken zusammen und sprang auf.

»Darf ich dir das alles so stehen lassen?« Ich deutete auf den Frühstückstisch.

»Ja, klar. Mach dich hübsch!«

Mama sah mir erwartungsvoll entgegen, als ich eine halbe Stunde später den Wohnraum betrat.

»Wunderbar. Das Kleid steht dir hervorragend! Darin siehst du aus wie ein Filmstar!«

Ich lachte. »Du übertreibst maßlos. Aber ich muss zugeben, es war eine gute Wahl.« Zuvor hatte ich mich selbst ausgiebig in dem dunkelroten Kleid aus schimmerndem Seidensatin bewundert, dessen eng anliegendes Oberteil meine recht üppigen Brüste betonte und dank einer eingearbeiteten Korsage so gut stützte, dass ich ohne BH auskam. Der weit schwingende Saum, der vorne etwas oberhalb der Knie endete und hinten bis zur halben Wade reichte, ließ meine Taille erfreulich schmal und die Beine länger wirken. Ich drehte mich einmal herum, damit meine Mutter auch meine Rückseite begutachten konnte.

»Sehr schick! Auch dein Make-up gefällt mir gut, nicht zu viel und nicht zu wenig. Und jetzt setz dich hierher, damit ich dir deine Frisur machen kann.« Auf dem Tisch hatte sie bereits ihre Utensilien ausgebreitet.

Während sie meine Haare bürstete und hochsteckte, sah ich Luca zu, der vor mir auf dem Teppich saß. Derzeit war sein Lieblingsspielzeug ein Gerät mit bunten Tasten, auf denen Tiere abgebildet waren. Jedes Mal, wenn er darauf drückte, ertönte der dazugehörige Tierlaut. Die kindliche, unbeschwerte Freude, mit der er sie nachahmte, genoss ich genauso sehr, wie Mamas kundige Hände in meinen Haaren zu spüren. Schon als Kind hatte ich es geliebt, mich von ihr frisieren zu lassen, und meine Schulkolleginnen und Freundinnen hatten mich immer um meine kunstvollen Flechtfrisuren beneidet.

»Dein Haar ist eine wahre Pracht«, stellte sie nun zufrieden fest. »Nur die Spitzen sollte ich mir demnächst wieder vornehmen. Wenn du willst, natürlich nur«, setzte sie hinzu.

»Gern, Mama. Du weißt doch, dass ich niemand anderen an meine Haare heranlassen möchte. Dafür lade ich dich aber endlich mal wieder zum Essen ein.« Sie war nicht der Mensch, der sich selbst etwas gönnte, wenn in der Haushaltskasse Ebbe war, was meistens der Fall war. »Wir könnten nach Portocolom fahren und das Lokal probieren, in dem Lorenzo arbeitet.«

»Das ist Angelinas Bräutigam, oder?«

»Ja, genau. Ich kann es noch immer kaum glauben, dass sie heute heiratet. Es ging so schnell mit den beiden.«

»Aber sie ist glücklich?«

»Ja, die beiden strahlen richtig, wenn sie einander ansehen.«

»Dann ist es ja gut.« Mit geschickten Fingern steckte Mama eine weitere Haarsträhne hoch. Ich konnte nur erahnen, was sie damit anstellte, und war unheimlich gespannt, was mir der Spiegel zeigen würde, wenn sie fertig war.

»Angelina heiratet in Weiß, oder?«

»Ja, in einem wundervollen, eleganten Kleid. Sie hat mir erzählt, dass ihre Schwiegermutter sie gerne in dem traditionellen schwarzen Hochzeitskleid gesehen hätte und wollte ihr den Spitzenschleier dazu kaufen.«

»Ja, früher war das eben so üblich, aber ich kann gut verstehen, dass ihr Jungen damit nichts mehr anfangen könnt. Früher wäre ein dunkelrotes Kleid wie deines für die Brautjungfer auch undenkbar gewesen, aber ich finde es gut, dass sich die Zeiten ändern. Jetzt zählt der Wunsch der Brautleute mehr als die alten Traditionen und da sich die beiden eine bunte Hochzeit gewünscht haben, wirst du hervorragend dazu passen. So, fertig!«

Ich lief zum Spiegel im Vorraum und bewunderte ihr Werk. »Oh, wow, du hast dich mal wieder selbst übertroffen!« Ich lächelte ihr begeistert zu. »Die Frisur ist einfach wunderbar!«

Mama hatte schon ihr Smartphone in der Hand und fotografierte ihr Meisterwerk von allen Seiten. So kam ich in den Genuss, auch meinen Hinterkopf bewundern zu können.

»Wo hast du bloß die Haarspangen mit den winzigen, glitzernden Einhörnern aufgetrieben?«, fragte sie mich schmunzelnd. »Die sind wirklich außergewöhnlich. Außerdem erkennt man sie erst, wenn man ganz nahe rangeht. Von weiter weg funkeln sie einfach nur.«

»Und du hast sie wunderbar in Szene gesetzt. Vielen Dank, liebe Mama!« Ich küsste sie auf die Wange.

»Es war mir wie immer ein Vergnügen, meine Kleine zu frisieren«, erklärte sie verschmitzt. »Aber jetzt sieh zu, dass du fortkommst. Angelina wird schon auf dich warten.«

Ich legte noch rasch meinen Schmuck an, der aus einer zarten Kette und den Kreolen bestand, die mir Angelina aus dem Urlaub in Österreich mitgebracht hatte. Es war nur Modeschmuck, aber etwas anderes besaß ich nicht. Auch ihn zierten kleine, glitzernde Einhörner, aber nur wer genau hinsah, würde es bemerken. Ein leichtes Spitzenjäckchen und elegante Pumps, beides in Schwarz, vervollständigten mein Outfit.

Ein Kontrollblick auf die Uhr verdeutlichte mir, dass es höchste Zeit war, mich zu verabschieden.

Vorsichtig beugte ich mich über Luca. »Chao, mein Schätzchen, viel Spaß mit Oma.« Ich drückte ihm ein Küsschen auf die weiche Wange. Einen Moment schien es, als ob er protestieren wollte, doch dann ging meine Mutter mit seinem Lieblingsstofftier dazwischen. Mein Sohn griff danach und hielt es mir entgegen. »Kuss«, forderte er und ich drückte auch dem ehemals weißen Einhorn aus Plüsch ein Küsschen auf die Nase. Dabei beschloss ich, dass es dringend mal wieder in die Waschmaschine musste. Luca setzte es mitten zwischen seine Bausteine und fing an, sie rundherum aufzubauen. Ich vergewisserte mich noch rasch, dass sich der zum Kleid passende Lippenstift in meiner Handtasche befand, dann machte ich mich auf den Weg zur Hauptperson dieses Tages.

Zwei Stunden später war Angelina an der Reihe, sich prüfend hin und her zu drehen. Der wuchtige, mannshohe Schlafzimmerspiegel bildete, genauso wie die alte Villa, die ihr von Onkel und Tante überschrieben worden war, den perfekten Rahmen für meine beste Freundin in ihrem Hochzeitskleid.

»Du siehst absolut umwerfend aus«, beruhigte ich sie lächelnd. »Es sitzt wie für dich gemacht!«

»Das musst du sagen. Schließlich hast du es mit mir zusammen ausgesucht!«

Unsere Blicke trafen sich im Spiegel. »Das stimmt nicht. Es war deine Wahl, ich habe dir nur Gesellschaft geleistet.«

»Auch wieder wahr. Zuerst hattest du mir ja dieses Spitzenkleid vorgeschlagen.« Sie schmunzelte bei der Erinnerung daran. »Aber zu mir passt dieses schlichte Kleid viel besser.«

»Es ist nicht schlicht, sondern elegant, und du hast recht, an dir sieht es ganz wundervoll aus. Aber sollte ich jemals heiraten, will ich ein richtiges Prinzessinnenkleid mit viel Spitze und Tüll. Allerdings habe ich nicht allzu viel Hoffnung, dass ich jemals in diese Situation kommen werde.« Mit einem Kopfschütteln vertrieb ich die trüben Gedanken, die sich aus dem Hinterhalt heranschlichen. »Lass mich diese Strähne noch einmal feststecken, die sich schon wieder löst.« Ich rückte der seidigen Haarpracht meiner Freundin zu Leibe und fixierte sie mit der zarten Haarspange, die mit weißen Blüten verziert war, und etwas Spray.

Angelina hüstelte und wedelte sich mit der Hand vor dem Gesicht herum. »Bäh, ich hasse dieses Zeug!«

»Du willst doch sicher nicht zerzaust vor dem Altar stehen, oder?«

»Nein, bestimmt nicht und das Zerzausen überlasse ich lieber Lorenzo in der Hochzeitsnacht.« Die Braut grinste genüsslich. Ich gönnte Angelina ihr Glück von Herzen, trotzdem kam mir dadurch zu Bewusstsein, wie sehr ich mich insgeheim nach einem Mann an meiner Seite sehnte. Da ich diesbezüglich jedoch bisher kein gutes Händchen bewiesen hatte, war ich fest entschlossen, mich nicht so bald wieder auf eine Beziehung einzulassen. Es war viel gesünder für mein Seelenleben und meinen Energiehaushalt, mich auf meinen kleinen Sohn zu konzentrieren.

»So, fertig. Lass uns hinuntergehen, sie warten bestimmt schon auf uns.« Behutsam schob ich meine Freundin Richtung Tür.

»Ist es nicht irre, dass ich heute heirate?« Sie strahlte dabei, also war die Frage wohl eher rhetorischer Natur.

»Ein bisschen schon, aber so verliebt wie ihr beiden seid, ist es auch eine logische Konsequenz.«

Sie nickte. »Das stimmt und es fühlt sich einfach wundervoll an, auch wenn mein Herz klopft, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen.«

Ich lachte. »Woher willst du denn wissen, wie das ist?« Angelina schwamm wie ein Fisch, aber Laufen war nicht ihre Sportart. »Komm schon, es ist höchste Zeit!« Energisch öffnete ich die Schlafzimmertür und wäre beinahe in einen Blumenstrauß gelaufen, den uns jemand entgegenhielt.

»Angelina, hier ist dein Brautstrauß«, sagte eine volle, männliche Stimme und, noch bevor ich sein Gesicht erblickt hatte, wusste ich, dass es sich um den älteren Bruder des Bräutigams und gleichzeitig Angelinas Chef handelte.

Nachdem er seiner zukünftigen Schwägerin die Blumen überreicht hatte, bedachte er mich mit einem langen Blick, den ich nicht recht deuten konnte, mir aber einen kleinen, wohligen Schauer über die Wirbelsäule laufen ließ. Rafael García Lopez war um fünf Jahre älter als Lorenzo und musste demnach zweiundvierzig sein. Sein leicht gewelltes, schwarzes Haar schimmerte an den Schläfen bereits silbrig, doch abgesehen davon war es beinahe schwarz. In seinem etwas kantigen Gesicht waren das auffälligste Merkmal die dunkelbraunen Augen, die meist forschend und wach umherblickten. Sie erweckten bei mir den Eindruck, als würde ihnen nichts entgehen, was ich etwas beunruhigend fand. Eilig drückte ich mich an ihm vorbei und lief die Treppe nach unten. Angelina und Rafael folgten mir.

Die Trauung fand in Portocolom statt. Sowohl Lorenzo als auch Angelina waren hier aufgewachsen und lebten in der kleinen Hafenstadt an der Südostküste Mallorcas. Die alte, schlichte Kirche war mit Blumen geschmückt und das feine Aroma von Weihrauch mischte sich mit ihrem Duft. Die feierliche Stimmung machte mich sentimental und meine Gedanken schweiften ab. Angelina und ich waren seit fast zwanzig Jahren befreundet und in dieser Zeit hatten wir uns an unzähligen Mädelsabenden in den leuchtendsten Farben unsere Zukunft ausgemalt. Einiges war eingetroffen wie erhofft, manches war ganz anders gekommen, und langsam zweifelte ich daran, dass ich überhaupt für die Ehe bestimmt war. Ich erhaschte einen Blick auf Lorenzos liebevolles Lächeln, mit dem er seine Beinahe-Ehefrau bedachte. Ein kleines Flämmchen der Sehnsucht loderte in meinem Herzen hoch. War es verwunderlich, dass ich mir wünschte, auch so von einem Mann angesehen zu werden?

Bald darauf betraten wir den von mächtigen Pinien beschatteten Kirchplatz. Die Brautleute wurden umringt und mit Glückwünschen überhäuft. Ich stand seitlich hinter Angelina und nahm ihr die Blumensträuße ab, die ihr die Gratulanten überreichten. Anders als das frisch vermählte Ehepaar stammte ich nicht aus Portocolom, sondern aus der viel größeren Bezirksstadt Manacor. Ich wunderte mich ein wenig über den Menschenauflauf. Offenbar wurde in der kleinen Gemeinde der Zusammenhalt noch groß geschrieben. Angelinas Familie hatte Getränke und kalte Tapas vorbereitet und bald erfüllte fröhliches Stimmengewirr den Platz.

Ich verspürte leises Unbehagen, als mir durch den Kopf ging, wie viele der anwesenden Frauen wohl eine Kostprobe von Lorenzos Fähigkeiten als Liebhaber genossen hatten. Mit Angelina hatte ich mich öfters darüber unterhalten, wie sie mit seinem legendären Ruf als Frauenheld umging. Sie hatte mir glaubhaft versichert, dass sie sich nicht um seine Vergangenheit scherte und nur Gegenwart und Zukunft für sie zählten, für die er ihr soeben die Treue versprochen hatte. Ich bewunderte sie dafür, war mir aber relativ sicher, dass ich damit nicht so souverän umgehen könnte.

Die anschließende Feier mit geladenen Gästen hatte Angelina ursprünglich bei sich in der Villa abhalten wollen, doch mit vereinten Kräften hatten wir sie davon überzeugt, dass sie sich an ihrem großen Tag verwöhnen lassen sollte.

Aus diesem Grund verließ eine gute Stunde später eine Reihe mit bunten Bändern geschmückter Fahrzeuge Portocolom, um auf dem weitläufigen Anwesen von Lorenzos Vater in Montuïri in der Inselmitte weiterzufeiern.

Sommertanz & Einhornküsse

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