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Kapitel I - Hayley
ОглавлениеEndlich Schluss, denke ich, während ich das Gebäude verlasse. Die alten Mauern der ebenso alten Privatschule benötigen dringend das Wissen eines Handwerkers. Leider sind die reichen Eltern der Schüler nicht bereit, einen extra Beitrag neben den unverschämt hohen Schulgebühren zu zahlen. Ich blicke die Hauswand empor, lasse dann meinen Blick über das Gelände unserer Schule wandern. Sie liegt inmitten einer wunderschönen Villengegend, hinter dem Gebäude, von meiner Position aus nicht zu sehen, liegt der riesige Schulgarten mit seinen Tennisplätzen und dem wunderschönen Teich. Hier sitzen die versnobten Schüler im Sommer oft in ihren Freistunden.
Ich gehe zu dem großen Brunnen, um welchen die riesige Einfahrt führt, setze mich und atme einmal tief durch. Manchmal hasse ich es regelrecht, dass auch ich eines dieser Kinder bin. Das Kind reicher Eltern, dem alle Türen offen stehen. Als die Junior High zu Ende ging, hatte ich keine große Wahl. Die elitären Familien schicken ihre Kinder auf diese Schule. Hier knüpft man Kontakte, die für die Zukunft von äußerster Wichtigkeit sind. Für meine Eltern mag das stimmen, für mich nicht. Doch ich hatte Glück, meine beste Freundin ist auch hier an meiner Seite geblieben. Gemeinsam kann man sich nicht fehl am Platz fühlen, gemeinsam ist man stark und schafft alles. Wir sind Schwestern, gleichwohl wir beide Einzelkinder sind. Doch im Herzen verbindet uns ein Band, das nicht jeder finden wird. Wir sind Seelenverwandte.
Bei dem Gedanken an Kasia schaue ich mich suchend um. In diesem Jahr haben wir kaum noch Kurse zusammen, weshalb wir uns während des Vormittages nur selten sehen. Unsere Zukunftswünsche gehen auseinander, ich werde im Sommer an die Juilliard gehen und Gesang studieren. Kasia will mir und ihrer Familie den Rücken kehren und zieht nach San Francisco. Nie hätte ich gedacht, dass sie New York je verlassen würde.
Gerade will ich meine Freundin anrufen, als sie die Treppe herunter hüpft. Sie strahlt von einem Ohr zum anderen, zieht aus ihrer Tasche einen Brief.
„Hayls! Ich habe es geschafft! Sie nehmen mich!“ Kaum steht Kasia vor mir, wedelt sie mit einem Schreiben der Universität von San Francisco. Ich erkenne das Logo der Schule. Kasia hatte immer nur ein Ziel – irgendwann auf einer katholischen Uni Erziehungswissenschaften studieren und dann das Bildungssystem verändern. Oft wurde sie für ihre Träume belächelt, aber ich bin mir sicher, dass sie es schaffen wird. Katarzyna Myers wird die Welt verändern.
„Ich freue mich sehr!“ Sie weiß, ich meine es ehrlich, auch wenn es die Floskel schlechthin ist. Kaum habe ich es ausgesprochen, verblasst ihr Lächeln, ihr Blick ruht auf etwas hinter mir. Als ich mich umdrehe, kehrt uns gerade Keith den Rücken zu. Kasia war mehr als ein Jahr mit ihm zusammen. Bis sie herausfand, dass Keith so ziemlich jedes Mädchen der unteren Klassen heimliche – und falsche – Liebesbekundungen zuflüstert. Die Trennung war unschön, Kasias Herz brach in unzählige Stücke. „Hat er etwa eine Meinung zu der Sache?“, frage ich gereizt. Ich werde nicht zulassen, dass ihr jemand diese tolle Nachricht mies macht. Nur wenige Bewerber bekommen die Chance, an dieser renommierten Uni zu studieren.
„Ach vergiss ihn“, winkt Kasia ab. „Wen interessiert schon seine Meinung!? Okay, anderes Thema. Fahren wir gleich nach Jersey oder musst du noch mal nach Hause?“
„Es ist noch früh, ich würde mich gern erst umziehen. Oder willst du den ganzen Tag in der Schuluniform rumrennen?“
„Ich darf mich an deinem Schrank bedienen?“, stellt sie die wohl unnötigste Frage in unserer Freundschaft. Wir sind exakt gleich groß, haben eine ähnliche Figur, ja sogar unser Busen ist gleich groß. Ohne das Einverständnis der einen zu benötigen, bedienen wir uns seit jeher an den Kleidern der anderen. „Wann sollen wir in Jersey sein?“ Wir steigen in die schwarze Stufenheck-Limousine, die stets für uns bereitsteht. Unsere Eltern teilen sich die Rechnung, ihre Mädchen sollen so sicher wie möglich von A nach B kommen.
Vor meinem Haus verabschiedet Roger, unser Fahrer, sich ins Wochenende. Wir gönnen ihm die Zeit mit seiner schwangeren Frau und den vier Kindern. Meine Eltern haben das Haus gekauft, sie schenkten er mir, mit der Aufgabe, bewusst damit umzugehen. Es ist jenes Haus aus Sex and the City, in dem Carrie gewohnt hat. Nicht nur meine Mom ist ein Fan der Serie, auch Kasia und ich haben sie verschlungen. Ich wohne überwiegend in dieser Wohnung, auch wenn ich offiziell noch bei meinen Eltern gemeldet bin. Kasia verbringt mehr Zeit bei mir, als daheim. Kein Wunder, ihre Eltern sind mehr unterwegs, als dass sie zu Hause sind. Wir betreten die kleine Wohnung, die absolut nichts mehr mit der Serienwohnung zu tun hat. Bad und Küche sind noch an Ort und Stelle, auch der Kleiderschrank und das Bett mussten bleiben, wo sie waren. Doch die Einrichtung ist eine völlig andere. Meine Mom hätte sicherlich einen Weg gefunden, die Originalmöbel zu bekommen, aber ich konnte sie gerade noch davon abhalten. Unsere Farben sind lila und grau, nicht kunterbunt.
„Ach du liebe Güte! Wir hätten letztes Wochenende doch ein bisschen aufräumen sollen“, seufze ich, als ich den Berg Müll auf dem Herd erblicke. „Wann sind wir solch schlampige Hausfrauen geworden?“ Kasia unterdrückt ein lautes Lachen. Seit Keith ein Geräusch, welches man nur noch selten hört.
„Schon vergessen? Du wolltest eigentlich den Mittwoch mit aufräumen verbringen. Aber stattdessen warst du wo?“ Ihr Blick sagt alles und mir fällt es wie Schuppen aus den Haaren.
„Ich war in Jersey“, gebe ich kleinlaut zu.
„Und warum warst du in Jersey?“
„Halt die Klappe, Kasia!“ Sie weiß ganz genau, warum ich mitten in der Woche nach Jersey gefahren bin. Logan hat mich zu einer Ausstellung mitgenommen. Es wurden Bilder von Vince, seinem Partner, ausgestellt. Sie waren wunderschön und der Abend mit Logan und Vince sehr lustig.
„Du hast mir vorhin nicht gesagt, wann wir bei Logan sein sollen“, erinnert Kasia mich später im Auto.
„Logan hat uns die letzten zwei Termine heute Abend freigehalten. Danach hat er uns eingeladen, noch mit ihm und den anderen etwas trinken zu gehen.“ Seit Wochen reden wir über den Termin bei Logan, ich kann wirklich nicht verstehen, warum sie mich schon wieder danach fragt.
Er ist Kasias Tätowierer der ersten Stunde. Nicht nur die kleinen Herzen an unseren Handgelenken sind von ihm, auch alle anderen Körperbilder hat Logan unter Kasias Haut gebracht. Ihre zahlreichen Piercings hat eine Kollegin – Suzi – von Logan gestochen. Soweit ich weiß, arbeitet sie nicht mehr in seinem Shop, warum hat er uns nie erzählt. Kasia vermutet, dass sie gekündigt hat, weil Logan nichts von ihr wollte. Wer weiß, woran es wirklich gelegen hat. Zumindest Kasia war mit ihrer Arbeit sehr zufrieden und auch ein wenig traurig, als sie gegangen ist. Ich persönlich hatte ein wenig Angst vor ihr. Wer sticht anderen Menschen schon gern Löcher in den Körper?
„Wirst du es heute durchziehen?“, fragt Kasia schmunzelnd, als wir in dem ersten Stau stehen. Die Fahrt nach Jersey dauert immer ewig, aber Freitagabend ist es besonders anstrengend. Bereits jetzt ärgere ich mich, dass wir nicht mit dem Zug gefahren sind.
Kasias Frage ist berechtigt, denn bisher ist das kleine Herz unserer Freundschaft mein einziges Tattoo. Es liegt nicht etwa daran, dass mir das Motiv fehlt, Logan arbeitet schon seit Monaten daran. Ich bin einfach ein Angsthase.
„Wir werden sehen“, erwidere ich knapp. „Logan meint, er hätte das Bild endlich perfekt gemacht.“ Schulterzuckend blicke ich wieder auf die Straße. Ich will darüber nicht reden und hoffe, dass Kasia es versteht und mich in Ruhe lassen wird.
„Wir hätten den Wagen stehen lassen sollen“, schnauft sie wenig später und öffnet das Fenster. „Jedes Mal das Gleiche mit dir.“ Gespielt sauer blickt sie mich von der Seite an.
„Und wie bitte wollen wir nachher noch nach Hause kommen, wenn wir ohne Auto unterwegs sind?“
„Ach komm, du könntest doch ruhig eine Nacht in Jersey verbringen!“ Kasia schüttelt lachend den Kopf, als mein Handy klingelt. Sie schnappt es sich, leitet den Anruf auf die Freisprechanlage meines Subaru um.
„Hey, Logan!“, trällert sie und klimpert übertrieben mit den Wimpern. Wenn er sie sehen könnte, würde er mit den Augen rollen und sie würde ihm den Mittelfinger zeigen. Eine Geste, die sie sich angewöhnt hat, nachdem sie mal wieder ein neues Buch verschlungen hat.
„Wo bleibt ihr?“, ertönt die tiefe Stimme des Tätowierers. Kein Wort der Begrüßung, mit solchen Kleinigkeiten hat er sich noch nie aufgehalten.
„Ähm, naja …“, stottere ich.
„Babe, sag mir bitte nicht, dass ihr wieder das Auto genommen habt! Ihr werdet noch ewig brauchen. Hinter dem Holland Tunnel gab es einen Unfall.“
„Keine Panik, wir sind schon durch den Tunnel. Uns macht nur der Berufsverkehr zu schaffen.“ Ich höre sein Schnaufen bereits, bevor er es überhaupt gemacht hat.
„Ich habe es euch gleich gesagt! Nächstes Mal treffen wir uns erst Samstag, dann brauche ich nicht immer einen Kunden verschieben, wenn ich dann doch wieder auf euch warten muss“, schimpft er vor sich hin. Kasia fällt es sichtlich schwer, ein Lachen zu unterdrücken. „Na gut, hilft ja nichts. Vince und ich besorgen etwas zu Essen. Und du, Babe, drückst ein bisschen mehr auf Gaspedal.“ Und schon ist der Anruf wieder unterbrochen. Typisch Logan, kein Hallo, kein Tschüss. Er redet nur das Nötigste.
„Warum nennt er dich immer noch Babe? Sagtest du nicht, du hättest alles mit ihm geklärt?“ Kasia grinst mich an. Sie weiß genau, dass ich mit Logan gesprochen habe.
„Habe ich. Aber was soll ich sagen? Er macht was er will und es macht ihn verrückt, dass er mich nicht haben kann.“ Ich zucke die Schultern. Noch ein Thema über das ich heute nicht sprechen will. Schwer schlucke ich, schiebe die Gedanken an Logan in eine hintere Ecke meines Kopfes. Man soll nicht über verpasse Chancen nachdenken, das gibt nur Falten.