Читать книгу MANN SEIN - Iwan Gubler - Страница 7
ОглавлениеEinleitung
Mein lieber Freund. Wir Männer haben das vom Leben geschenkte Recht, so zu sein, wie wir sein wollen. Wir haben unsere Empfindungen, Gefühle, unsere Emotionen, unsere Gedanken, Träume und Wünsche. Wir haben einen Verstand und einen freien Willen. Mit denen können wir so handeln, wie wir es wollen und das ausdrücken, was wir sagen wollen. Das alles ist zu jeder Zeit und an jedem Ort für uns möglich.
Viele Männer von heute sind der Meinung, sie würden all diese Fähigkeiten für sich bereits nutzen. Leider unterliegen sie damit einem Irrglauben. Die meisten unter uns steuern ihr Leben im Autopiloten. Mit dieser Lebenseinstellung reagieren sie in nahezu allen Situationen so, wie sie es als kleine Jungen von den Eltern und Großeltern oder den Lehrerinnen und Lehrern als richtige Verhaltensweisen beigebracht bekamen. Diese veralteten Normen lassen gestandene Männer auch zwanzig, dreißig Jahre später ihr Verhalten bestimmen. Denn das Unbewusste hat einen starken Einfluss auf die Gefühle und somit auf unser Verhalten. Es behält ganz schön viel Kontrolle über unser Wesen und Sein. Für gewöhnlich erscheint uns das ganz normal. So sind wir. Das ist unsere Identität, die wir verteidigen und an der wir kontinuierlich festhalten.
Wenn wir in zwischenmenschlichen Konflikten dann doch einmal angehalten werden, unsere Verhaltensmuster zu überdenken, fühlen wir uns verunsichert und sind verletzlich. Dann kehren wir zu unserem gewohnten Verhalten aus Kindheitstagen zurück. Dieser Zustand schenkt uns vermeintliche Sicherheit und Geborgenheit. Auch, wenn wir mit diesen kindlich erlernten Verhaltensmustern und Prägungen insgesamt nicht glücklich sind, so scheinen sie für uns unveränderlich in Stein gemeißelt. Zwar wollen wir gern hier und da etwas an uns verändern, doch es gelingt nicht so recht.
Wir befinden uns in einem Dilemma aus Sicherheitsbedürfnis und vielen unbekannten Wegen. Wir haben das Gefühl, in unserem persönlichen Konflikt schachmatt gesetzt zu sein. Zu stark erscheinen die vorhandenen Ängste vor dem Versuch, die alten Muster aufzubrechen. In vielen Situationen, in denen wir nicht aus unserem gewohnten Automatismus heraus reagieren, sind wir daher schnell überfordert und antworten mit Ablehnung oder Verachtung.
Diese Ohnmacht ist oftmals der Grund, weshalb wir uns aus unangenehmen Situationen zurückziehen wollen. Wenn wir später in einer stillen Minute über das Geschehnis nachdenken, wird uns unser eigener Beitrag am destruktiven Ausgang meist klar. Doch anstatt sich zurückzuziehen, sollten wir uns den Situationen mutig stellen. Wir konstruieren keine Ausreden mehr, weshalb ein Rückzug der bessere Weg sei. So stelle ich mir den Reifeprozess eines angehenden Königs vor.
Wir haben unser Leben vom Universum erhalten, um es erfüllt zu leben. Wir haben es nicht geschenkt bekommen, damit uns vorhandene Muster und Prägungen, Gesetzte, Religionen und Meinungen anderer in unserem Tun und Sein einschränken. Auch leben wir nicht dafür, unser Leben einem Arbeitgeber zu überschreiben, um unbekannte Aktionäre zu befriedigen, die selbst in einem emotionalen Mangel leben und niemals für ein glückliches Leben genug Gewinne erzielen. Wir leben nicht, um in einer Haltung der Sünde, Schuld oder Bedürftigkeit, als Opfer äußerer Umstände auf den Knien herumrutschend zu existieren.
Doch genau das machen viele von uns Tag für Tag, Jahr um Jahr. Wir trauen uns selbst nicht zu, dass wir entspannt leben und somit lieben können. Es fällt uns schwer zu wissen, dass wir selbst Schöpfer unseres eigenen Lebensglückes sind. Das ist irgendwie auch nachvollziehbar, denn die letzten Jahrhunderte waren von Religion, Zucht und Ordnung geprägt. Unsere Religionen wollen keine ermächtigten Menschen, die vorhandene Macht- und Glaubenssysteme hinterfragen. Sie wollen passive Bürger und Bürgerinnen, die sich mit ihrem Leid identifizieren und an einen erlösenden Gott im Himmel glauben, der sie von ihrem Leid befreit. Vielleicht sind wir schon längst aus der Kirche ausgetreten, doch dieses Opferbewusstsein in unseren Köpfen wird die Gesellschaft noch über Generationen begleiten.
Menschen, die in ihrer Macht sind, brauchen keine Religion. Keine Ideologie, die sie von Außen erhalten und nach der sie leben sollen. Sie erlauben sich selbst, glücklich zu sein.
Jahrhunderte war ganz genau geregelt, wer was zu tun und zu lassen hat. Männer und Frauen lebten in einem Zustand der Entbehrungen und Selbstsabotage, der bis heute andauert. Viele Traumata aus dieser Zeit finden erst heute mit dem gesellschaftlichen Aufbrechen und sich langsam entwickelnden Werteverständnis ein offenes Ohr und dürfen endlich aufgearbeitet werden.
Die Unterjochung der Männer war eine notwendige Erfahrung, die unser Geschlecht durchleben musste. Heute können wir uns selbst ermächtigt aus diesem Zustand befreien. Genau diese Zeit ist jetzt gekommen und wir ermöglichen uns, frei zu sein. Jahrzehnte haben wir ein Arbeitspensum von Regelarbeitszeit plus Überstunden abgestrampelt. Selbst gesetzte Rahmenbedingungen, die das Entdecken unserer wahren Leidenschaften unmöglich machten. Die selbst gewählte Beschäftigung wird zum gesellschaftlich akzeptierten Grund, keine Zeit für das Wichtigste in unserem Leben zu haben: für uns selbst.
Die Gesellschaft dreht sich nicht mehr nur um Muskelkraft und den Verstand. Mit diesen Fähigkeiten sind wir bereits an unsere Grenzen gestoßen und Maschinen übernehmen körperliche und geistig anspruchsvolle Arbeiten. Das gibt uns Raum, uns den Themen zu widmen, die Maschinen nicht für uns übernehmen können.
Die Zeit des Anlehnens an Religion, an Mutter, an Vorgesetzte und alle anderen vermeintlichen Leitfiguren ist vorbei. Genau dieser Zustand des Wandels bereitet vielen Männern große Angst. Wir dürfen heute lernen, auf unseren eigenen Beinen zu stehen. Wir lernen, in uns und in das Leben zu vertrauen. Die heutige Zeit braucht Männer, die Werte in sich tragen und diese leben.
Zugang zu uns selbst, Beziehungsfähigkeit, Mitgefühl und Kreativität sind die Skills, die heutzutage wichtig sind. Jeder Mann trägt sie bereits in sich. Leider wurden diese Fähigkeiten in einer Verstand-besessenen Kultur vernachlässigt. Unser rationaler Verstand war bislang der Treiber in der technischen Entwicklung, der Wirtschaft und gleichfalls in der Gesellschaft.
Die ganze Fühl-Kultur und Aufmerksamkeitsindustrie wurde lange Zeit von uns Männern als spiritueller Quatsch belächelt. Als Gefühlsanalphabet gehörte ich auch lange Zeit zu den Belächelnden. Bis ich meine persönliche Weiterentwicklung in meinem Leben zuließ und diese bis dahin schlummernden Potenziale für meinen Weg in eine erfüllende Zukunft akzeptieren konnte. Endlich beschreiten wir Männer gemeinsam neue Pfade. Das ist Selbstermächtigung in ihrer reinsten Form. Wir warten nicht mehr auf die Zeichen vom Außen. Wir sind keine Schafe (mehr), wir sind Männer im 21. Jahrhundert!
Wichtige Teile, die unser menschliches Sein ausmachen, wurden in den vergangenen Zeiten nicht gefördert. Sie erschienen nicht wichtig. Es geht mir in diesem Buch nicht darum, jemanden oder irgendetwas zu verurteilen. Denn mit genau diesen negativen Prozessen werden Gefühlsanteile in uns abgespaltet, die wir endlich zurücknehmen dürfen. Das Verurteilen anderer Menschen, deren Verhaltensweisen oder Entscheidungen wurde in unserer Gesellschaft zum Volkssport. Es ist ein mächtiges anti-soziales Werkzeug, mit dem sich nicht nur Männer gegenseitig klein halten. Indem wir dieses Werkzeug bereitwillig nutzten, behalten Institutionen wie Kirche, Politik und Wirtschaft ihre Macht über unser Handeln und Sein. Auch heute ist das teilweise noch der Fall. Das wird so lange weitergehen, bis wir Männer uns selbst ermächtigen, uns als Schöpfer eigener Handlungen, Entscheidungen und Gefühle anzuerkennen. Wenn wir das tun, wird Großartiges entstehen.
Wir Männer dürfen hier und jetzt zusammenrücken und gemeinsam in Beziehung treten. Wir dürfen uns gegenseitig fördern und damit beginnen, mit unseren Herzen hinzuschauen und zu vergeben. Tiefe und vertraute Gespräche zwischen Männern entlasten nicht nur unsere Partnerschaften, sondern die gesamte Gesellschaft. Unsere Aufgabe ist es, aktiv solche Verbindung herzustellen und zu pflegen. Alles Leid, was uns Menschen widerfahren ist und was zu viel Misstrauen untern Männern geführt hat, ist bereits geschehen und kann nicht ungeschehen gemacht werden. Seine Wirkung und der oft damit verbundene Schmerz können wiederum gelindert werden, indem wir uns selbst und unseren Brüdern vergeben. Wenn das für dich albern oder gar lächerlich klingt, lade ich dich ganz besonders ein, dieses Buch zu lesen.
Wir Männer dürfen uns von der Pflicht befreien, irgendetwas von irgendjemandem wieder gut machen zu müssen. Du und ich, wir sind nicht für den Weltschmerz und für das Leid verantwortlich. Wir Männer von heute schauen nach vorne, denn alles andere blockiert uns in unserer bewussten Schöpfermacht. Wir stehen auf und schauen hin. Auch wenn es verdammt unangenehm wird. Das ist unsere Aufgabe. Die Aufgabe der Könige.
Gedanken und Gefühle durchfahren uns, wir haben Vorfahren und eine prägende Kindheit durchlebt, wir gehen Beziehungen mit unseren Lebenspartnern und Arbeitgebern ein und wir haben eine unerfüllte Sexualität und Sehnsüchte, die wir oftmals gar nicht klar beschreiben können. All diese Themenknoten können wir mit einer einzigen Komponente auflösen: Liebe.
Die Liebe bringt Bewusstsein. Sie sendet Licht dahin, wo es bisher dunkel war. Liebe ist in jeder einzelnen Zelle des Universums vorhanden. Wir können mithilfe der Wahrnehmung von Liebe beginnen, unsere bisher unbewussten Anteile Stück für Stück zurück in unser Bewusstsein zu holen.
Damit dieser Prozess erst möglich wird, muss jeder Mann zulassen, sich selbst näher zu kommen. Ein Mann muss eine schöne, wertschätzende Beziehung mit sich selbst kultivieren. Zuneigung, Aufmerksamkeit, schöne Gedanken, liebe Worte oder nährende Berührungen sind Verhaltensweisen, die wir hungrig von anderen Menschen erwarten. All das können wir uns selbst schenken. Diese Form der Liebe nennen wir Selbstliebe. Von ihr hast du sicherlich schon einmal gehört. Selbstliebe ist nicht direkt die Lösung aller Probleme. Sie ist eher der Schlüssel zu verschiedenen Schlössern in uns, die Schloss um Schloss neue Gefühle in uns freilegen. Selbstliebe ist das Vertrauen darin, die Angst vor dem Öffnen dieser Schlösser zu überwinden.
Je mehr Schlösser wir öffnen, desto deutlicher erkennen wir die bisher gelebte Konditionierung. Mit jeder weiteren Schlüsselumdrehung können wir den Kontakt zu uns selbst wiederaufnehmen. Unnötige gesellschaftliche Anforderungen wie Mannsein durch Starksein, beruflicher Erfolg mittels Präsenzkultur oder das Weiterleben christlicher Bräuche und Sitten aus unserer Kindheit prallen an uns ab. Wir können versuchen, unseren Kindern und den nachfolgenden Generationen eine neue Vergangenheit zu schenken.
Die Selbstsabotage wird ohne den Schlüssel zur Selbstliebe niemals aufgelöst. Wir verteidigen sie im Alltag mit unseren Masken und erkennen nicht, dass wir uns auf diese Weise selbst im Würgegriff halten. Wie anfangs beschrieben, nennen wir diese Masken Identität. Eine lieblose Identität, emotionslose Beziehungen mit unseren Mitmenschen und eine unerfüllte Sexualität sind das Ergebnis jahrelanger Selbstsabotage. Wie soll ein Mann einen anderen Menschen spüren, wenn er sich selbst nicht spüren kann? Erschöpfung und Frustration sind die einzigen logischen Antworten auf diesen Werdegang.
Immer mehr Männer wissen von ihren anerzogenen Defiziten und machen sich auf den Weg, ihre abgespaltenen Anteile zurückzuerobern. Wir haben die Mittel, es jetzt anders als unser Vorfahren zu machen. Unsere Generation hat das große Glück, sich selbstbestimmt zu entfalten. Viele Eltern haben gesagt: „Du sollst es mal besser haben als wir“. Nun, da stehen wir. Wir müssen heute nicht mehr in den Krieg ziehen und eine zehnköpfige Familie mit Haus, Hof und kranken Großeltern versorgen. Wir müssen keine Rollen der Gesellschaft mehr besetzten. Wir dürfen das Geschenk dankend annehmen und aus der Liebe unseres Herzens bewusste Entscheidungen für uns selbst und unsere Liebsten treffen. Wir schreiben die Geschichte von uns Männern neu.