Читать книгу Das Hashimoto-Programm - Izabella Wentz - Страница 17
Kapitel 1 Meine Hashimoto-Erfolgsgeschichte – und Ihre eigene
ОглавлениеAls ich 2009 die Diagnose Hashimoto erhielt, arbeitete ich als beratende Apothekerin in einer Einrichtung, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, Menschen mit Behinderungen dabei zu unterstützen, ein möglichst eigenständiges Leben zu führen.
Ich gehörte zu einem Team, das aus Ärzten, Krankenschwestern, Psychologen sowie Fall-Managern bestand und zu dem oft auch ein Verhaltensforscher oder ein Psychiater hinzugezogen wurde. Unser Team hatte die Aufgabe herauszufinden, ob es medizinische, situationsbezogene, verhaltensbedingte, pharmakologische oder psychische Probleme gab, die den gesundheitlichen Belangen unserer Klienten zugrunde lagen beziehungsweise dazu beitrugen.
Die meisten unserer Klienten waren aufgrund ihrer Behinderung nicht in der Lage zu äußern, was mit ihnen los war, sodass wir oftmals nur dann erfuhren, dass sie Schmerzen hatten, wenn sie aggressiv wurden, dies lautstark kundtaten oder sich unkooperativ verhielten. Ich war die einzige Apothekerin im Team und führte während meiner Zeit in der Einrichtung die Fallbeurteilungen für eine sehr große Anzahl von Klienten durch.
Die offizielle Bezeichnung meiner Tätigkeit lautete zwar „Beratende Apothekerin“, doch ich hatte in Wirklichkeit das Gefühl, dass der wichtigste Teil meiner Arbeit darin bestand, für die Menschen mit Behinderung einzutreten, die ihre gesundheitlichen Belange selbst nicht äußern konnten. Ich sorgte dafür, dass sie den größtmöglichen Nutzen von ihren Medikamenten hatten, dass sie nicht zu viele schluckten, dass sie die Präparate bekamen, die ihnen potenziell helfen konnten und dass sie bestmöglich betreut wurden.
Viele meiner Klienten wurden auf schwere Psychopharmaka gesetzt, wenn das Pflegepersonal sie für unkooperativ, aggressiv oder laut hielt. Unsere Aufgabe war es, das zu verhindern.
Ich liebte meine Arbeit und ging jeden Morgen dorthin. Mein Lebensziel, für andere einzutreten, die im Stillen litten, hatte sich erfüllt, doch wie meine Klienten litt auch ich auf meine Weise.
Ich hatte Probleme, die mir peinlich waren und wollte nicht, dass irgendjemand davon erfuhr: Ein Säurereflux, der sich bei den unmöglichen Gelegenheiten (während Zusammenkünften mit Klienten, Vorträgen usw.) als chronischer Husten äußerte, ein Reizdarmsyndrom (RDS), das die Toilette zu meinem „zweiten Büro“ machte, schreckliche Angstzustände, die mich in kalten Schweiß ausbrechen ließen, wenn ich bei Teambesprechungen das Wort ergreifen musste, ständige Krämpfe in den Beinen und Muskelschmerzen – und dass ich jedes Mal von meinem Stuhl aufsprang, wenn jemand an meine Bürotür klopfte. Und damit nicht genug, ich litt in beiden Händen an einem Karpaltunnelsyndrom, das meine Arme plötzlich hochschnellen ließ und so schlimm war, dass ich meine Aufgaben nur mithilfe von Handgelenkschienen erledigen konnte und schließlich alle meine E-Mails und Berichte mithilfe einer Diktiersoftware verfassen musste.
Außerdem fühlte ich mich durch meine 44-Stundenwoche und das Pendeln zwischen Arbeitsplatz und zu Hause erschöpft. Ich träumte davon, mit meinem Mann zum Tanzen zu gehen, mich mit Freunden an den angesagten Orten von Los Angeles zu treffen, eine neue Sprache zu lernen und in meiner Freizeit zu schreiben, doch wenn ich nach Hause kam, konnte ich nur noch essen, fernsehen und auf der Couch einschlafen.
Ich konnte es nicht fassen, dass unsere behinderten Klienten Tagesprogramme absolvieren oder jede Woche 40 Stunden arbeiten konnten. Im Vergleich zu ihnen war ich eine „diensttaugliche“ junge Frau – und musste jeden Abend um 21 Uhr ins Bett gehen, damit ich morgens um 8 Uhr überhaupt aufstehen und von 9 bis 17 Uhr arbeiten konnte.
Und trotzdem sah ich nicht krank aus. Obwohl ich mich aufgebläht und aus der Form geraten fühlte, war ich aus fachlicher Sicht weder über- noch untergewichtig und ich brauchte auch keine Krücken. Ich hatte Haare auf dem Kopf, weder sichtbare Narben, noch Ausschläge oder Verbände, sodass man hätte Schmerzen vermuten können.
Durch die Arbeit mit behinderten Menschen lernte ich die Gesundheit, die ich hatte, zu schätzen, doch gleichzeitig bagatellisierte ich mein eigenes Leiden durch das Mitgefühl, das ich ihnen entgegenbrachte. Ich war schon immer ein Mensch, der seine eigenen Bedürfnisse zugunsten derer von anderen zurückstellte, sodass ich mich natürlich von Heilberufen angezogen fühlte, doch leider führte meine Fürsorge für andere dazu, dass ich die Fürsorge für mich selbst auf die lange Bank schob.
Doch so sehr ich auch versuchte, meine eigenen gesundheitlichen Probleme zu ignorieren, es war eine Tatsache, dass ich täglich Schmerzen hatte, was sich allmählich negativ auf die Arbeit auswirkte, die ich liebte, auf meinen lebenslangen Traum, die Welt positiv zu verändern, und darauf, dass ich nicht die Ehefrau sein konnte, die ich gerne sein wollte.
Meine Symptome nahmen weiter zu. Ich reagierte auf alles allergisch, auch auf meinen niedlichen Hund und alle in Kalifornien heimischen Bäume und Sträucher. Ich fror ständig. Ich ertappte mich dabei, dass ich alle möglichen Medikamente nahm – Hustenstiller, Säureblocker, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) – die allesamt natürlich viele Nebenwirkungen hatten!
Und was am schlimmsten war, mein Gedächtnis ließ mich im Stich. Während meiner Schul- und Studienzeit witzelte ich immer, ich bräuchte nur einen Blick auf ein Stück Papier zu werfen, um mir alles zu merken, was darauf notiert war. Ich war immer flink, hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis und konnte mir Einzelheiten von Gesprächen merken, die Jahre zurücklagen.
Aber jetzt war ich furchtbar vergesslich (das berüchtigte „benebelte“ Gehirn). Wenn ich in ein Zimmer ging, hatte ich vergessen, was ich dort wollte. Ich wusste mitten im Satz nicht mehr weiter („Du weißt schon, das Tier mit dem Fell? Ja, eine Katze!“). Das war ein wirklich unheimliches Gefühl und es wurde so schlimm, dass ich mich untersuchen ließ, um eine Demenz auszuschließen. Es war außerdem anstrengend, meine blamablen Gedächtnisprobleme vor den Menschen in meinem Umfeld zu verbergen. Das gelang mir recht gut, bis mein Mann eines Tages einen Kommentar abgab: „Schatz, ich weiß, was mit deinem Gedächtnis los ist, also habe ich beschlossen, dir Dinge aufzuschreiben, damit du sie später anschauen kannst.“ Ich war am Boden zerstört. Ich fühlte mich, als würde ich mich selbst und meinen Verstand verlieren und nun bemerkten das auch andere.