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II

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Gegen zwei Uhr morgens stellten die Tanzenden, die jetzt hungrig geworden waren, den Tanz auf eine halbe Stunde ein. Und in diesem Augenblick schlug Jack Kearns einen Poker vor. Jack Kearns war ein großer Mann mit gutmütigem Gesicht, der, gemeinsam mit Bettles, den verhängnisvollen Versuch gemacht hatte, eine Station an der Quelle des Koyokuk, weit jenseits des Polarkreises, anzulegen. Darauf war er nach Forty Mile und Sixty Mile zurückgekehrt und hatte, um seinen Unternehmungen eine andere Richtung zu geben, eine kleine Sägemühle und einen Flußdampfer in den Staaten bestellt. Erstere wurde jetzt gerade durch Indianer mit Hunden über den Chilkoot-Pass geschafft und sollte im Vorsommer nach der Eisschmelze den Yukon herunterschwimmen. Im Spätsommer, wenn die Beringsee und die Mündung des Yukon eisfrei waren, sollte dann der Dampfer, der in St. Michaels gebaut wurde, bis an die Reling mit Proviant beladen, flussaufwärts fahren.

Jack Kearns schlug also einen Poker vor. Der Franzosen-Louis, Dan MacDonald und Hai Campbell (der einen Goldfund bei Moosehide gemacht hatte) tanzten nicht, weil nicht genug Mädchen da waren, und so gingen sie auf den Vorschlag ein. Sie sahen sich gerade nach einem fünften Mann um, als Burning Daylight mit der Jungfrau am Arm und allen Tanzenden hinter sich aus dem Hinterzimmer kam. Die Pokerspieler riefen ihn, und er trat an ihren Tisch.

»Willst du mitmachen?« fragte Campbell. »Vielleicht hast du Glück?«

»Heute sicher«, antwortete Burning Daylight mit Begeisterung und fühlte im selben Augenblick, wie die Jungfrau warnend seinen Arm drückte. Sie wollte mit ihm tanzen.

»Heute hätte ich sicher Glück, aber ich will lieber tanzen, denn ich möchte euch nicht alles Geld abnehmen.«

Niemand redete ihm zu. Sie nahmen seine Ablehnung als endgültig hin. Die Jungfrau presste seinen Arm von neuem, damit er den hungrigen Tänzern folgte, aber da wurde er plötzlich anderen Sinnes. Nicht dass er keine Lust zum Tanzen gehabt oder ihr hätte weh tun wollen, aber der wiederholte mahnende Armdruck der Jungfrau reizte seine freie männliche Natur zum Widerstand. Der Wille, sich nichts von einem Weibe vorschreiben zu lassen, gewann die Oberhand in ihm. War er auch ein Liebling der Frauen, so machte er sich doch nicht viel aus ihnen. Sie waren Spielzeug, Tand, eine Erholung in dem großen Spiel des Lebens. Weiber, Whisky und Spiel standen für ihn auf einer Stufe, aber es war seiner Beobachtung nach leichter, mit Trinken und Kartenspielen zu brechen als mit einem Weibe, das einen Mann erst richtig eingefangen hatte.

Sein eigener Sklave sein, das war für seine gesunde Natur selbstverständlich, aber ehe er der Sklave eines andern wurde, war er zu blutiger Rebellion bereit. Die süße Knechtschaft der Liebe war etwas, das er überhaupt nicht verstand. Verliebte Männer waren ihm stets wie Verrückte erschienen, und Verrücktheit zu analysieren, lohnte sich nicht. Kameradschaft zwischen Männern – ja, das war etwas anderes. Die hatte nichts mit Sklaverei zu tun. Sie war eine geschäftliche Vereinbarung, ein Handel zwischen Männern, die einander nicht verfolgten, sondern im Kampf für Leben und Reichtum die Gefahren von Schlittenreisen, von Strömen und Bergen teilten. Männer und Frauen verfolgten sich, und eines musste sich notgedrungen dem Willen des andern beugen. Kameradschaft war anders. Sich tagelang über stürmische Pässe oder durch Sümpfe, die durch Moskitos verseucht waren, abzuschleppen und doppelt soviel zu tragen wie der Kamerad, das hatte weder etwas mit Unbilligkeit noch mit Zwang zu tun. Jeder tat sein Bestes, und nur darauf kam es an. Allerdings: der eine war stärker als der andere, aber so lange jeder nur tat, was er konnte, so lange war es ehrliches Spiel, gegen das es nichts einzuwenden gab.

Aber mit Weibern – nein – Weiber gaben wenig und forderten alles. Weiber besaßen Schürzenbänder und hatten die Neigung, jeden Mann, der sich mit ihnen einließ, damit zu umschlingen. Man brauchte nur an die Jungfrau zu denken. Als er kam, hatte sie beinahe einen Gähnkrampf gehabt, und jetzt war sie vor Freude außer sich, nur weil er tanzen wollte.

Ein Tanz, das wäre ja noch gegangen, aber nun drückte sie auch noch seinen Arm, um ihn vom Pokern abzuhalten. Das waren die verhassten Schürzenbänder, der erste Zwang von den vielen, die sie gegen ihn ausüben würde, wenn er jetzt nachgäbe. Sie war sicher ein netter Kerl, gesund, stark und hübsch, dazu eine ausgezeichnete Tänzerin, aber sie war nun einmal ein Weib mit der ganzen Neigung des Weibes, den Mann mit ihren Schürzenbändern einzufangen und an Händen und Füßen zu binden, um ihm sein Brandzeichen aufzudrücken. Lieber pokern.

Außerdem mochte er mindestens ebenso gern pokern wie tanzen.

Sein ganzes Ich widersetzte sich diesem Druck auf den Arm, und er sagte:

»Ich hätte übrigens doch nicht übel Lust, mit euch zu spielen.«

Wieder fühlte er den Druck auf seinen Arm. Sie erprobte die Schürzenbänder an ihm. Für den Bruchteil einer Sekunde war er ein Wilder, von aufwallender Furcht und Mordlust beherrscht. In dieser unmessbar kurzen Zeitspanne war er zu allem fähig; ein gereizter Tiger, den der Gedanke an die Falle mit Wut und Entsetzen erfüllte. Wäre er wirklich nichts als ein Wilder gewesen, so würde er wie ein Rasender über sie hergefallen sein und sie vernichtet haben. Aber im selben Augenblick kamen in ihm Generationen von Zivilisation zum Durchbruch, die ihn zu einem den Verhältnissen angepassten Gesellschaftstier machten. Takt und Sympathie stritten mit ihm, und mit einem lächelnden Blick in die Augen der Jungfrau sagte er: »Geh nur, und lasse dir etwas zu essen geben. Ich bin nicht hungrig. Später können wir wieder tanzen. Es ist ja noch früh. Geh, Mädel!«

Er machte seinen Arm frei, klopfte ihr gemütlich auf die Schulter und wandte sich zu den Pokernden.

»Wie hoch wollt ihr gehen? Ich mache alles mit.«

»Bis in die Wolken«, sagte Jack Kearns.

»Also schön.«

Die Spieler blickten sich froh an, und Kearns wiederholte: »Bis in die Wolken!«

Elam Harnish ließ sich auf den leeren Stuhl nieder und holte seinen Goldbeutel heraus. Die Jungfrau schmollte einen Augenblick, dann wandte sie sich nach dem Tanzboden.

»Ich bring' dir ein Butterbrot, Daylight«, rief sie über die Schulter zurück.

Er nickte, und sie lächelte ihm Verzeihung zu. Er war den Schürzenbändern entronnen und hatte obendrein ihre Gefühle nicht allzu sehr verletzt.

»Lasst uns mit Chips spielen«, schlug Daylight vor.

»Jetons machen immer solch Durcheinander auf dem Tische ... Wenn's euch allen recht ist?«

»Ich habe nichts dagegen«, antwortete Hal Campbell.

»Meine lauten auf fünfhundert.«

»Meine auch«, sagte Harnish, und die andern erklärten ebenfalls, wie hoch ihre Chips gelten sollten. Der Franzosen-Louis, der Bescheidenste, bewertete die seinen mit hundert Dollar.

In jenen Tagen gab es in Alaska weder Betrüger noch Falschspieler. Es wurde ehrlich gespielt, und einer verließ sich auf den andern. Das Wort eines Mannes wog ebenso viel wie sein Gold. Ein Chip war ein flaches, längliches Blechstück, vielleicht einen Cent wert. Setzte aber ein Mann im Spiel einen Chip und sagte ihn mit fünfhundert Dollar an, so wurde er zum Werte von fünfhundert Dollar angenommen. Wer ihn gewann, wusste, dass der Aussteller ihn mit genau abgewogenem Goldstaub zurückkaufte. Da die Chips von verschiedener Farbe waren, war es nicht schwer, den Eigentümer herauszufinden. In jenen frühen Tagen am Yukon fiel es niemand auch nur im Traum ein, mit Bargeld zu spielen. Beim Spiel war ein Mann gut für alles, was er besaß, einerlei, wo seine Besitzungen lagen und welcher Art sie waren.

Harnish zog die höchste Karte. Bei diesem guten Anzeichen rief er dem Kellner zu, dass er eine Runde für die ganze Gesellschaft ausgäbe. Als er Dan Mac Donald, der links von ihm saß, die ersten Karten austeilte, rief er:

»Los, ihr Gauner! Alle Mann an Deck! Krempelt die Ärmel auf! Hoppla! Ich sage euch, es gibt 'ne steife Brise. Passt auf, dass ihr nicht über Bord fliegt.« Dann ging es los. Es war ein ruhiges Spiel, bei dem wenig oder gar nicht gesprochen wurde, obwohl rings um die Spieler die ganze Stube toste. Elam hatte den Tunken entzündet. Immer mehr Gäste kamen ins Tivoli und blieben. Wenn Burning Daylight losgelassen war, blieb keiner zu Hause. Der Tanzboden war voll. Da es zu wenig Damen gab, banden sich mehrere Männer ein Taschentuch um den Arm, wurden nun zum weiblichen Geschlecht gerechnet und tanzten mit anderen Männern. Alle Spieltische waren dicht besetzt, und die Stimmen der Männer an den langen Schanktischen und um den Ofen wurden von dem ständigen Klirren der Jetons und dem scharfen, steigenden und wieder ersterbenden Schnurren des Roulettes begleitet. Ein echter Yukon-Abend war im Gange.

Das Spiel der fünf Männer war einförmig, das Glück wechselte, es gab keine großen Karten. Die Folge war, dass hoch gespielt wurde, dass aber keines der Spiele lange dauerte. Eine »volle Hand« gab dem Franzosen-Louis einen Pot von fünftausend gegen zwei »Dreiständer« von Campbell und Kearns. In einem Spiel, das schon geworfen werden sollte, wurde ein Pot von achthundert Dollar auf ein Paar Asse gewonnen. Und einmal »brachte« Harnish und bluffte Kearns für zweitausend Dollar. Als Kearns die Karten auflegte, zeigte es sich, dass er einen »flush royal« hatte, während Harnish die Frechheit besessen hatte, auf zwei Zehnen zu melden.

Um drei Uhr morgens aber kam die richtige Konstellation, der große Augenblick, auf den Pokerspieler wochenlang warten können. Im Augenblick durchlief das Gerücht das Tivoli. Die Zuschauer verstummten. Entfernter Sitzende ließen die Unterhaltung und scharten sich um den Tisch, der Tanzboden leerte sich, und schließlich standen alle in einer dichten schweigenden Gruppe um den Pokertisch. Ehe gekauft wurde, hatte das hohe Wetten schon begonnen und wurde fortgesetzt, obwohl noch nicht »gebracht« war. Kearns hatte gegeben, und der Franzosen-Louis machte den Anfang zum Pot mit einem Chip – was für ihn hundert Dollar bedeutete. Campbell hatte gerade »gebracht«, doch Elam Harnish, der nach ihm daran war, überschlug seine hundert mit vierhundert besser, indem er zu MacDonald bemerkte, dass er ihn billig heranließe.

MacDonald sah wieder in seine Karten und legte tausend Dollar in Chips in den Pot. Kearns grübelte lange und »brachte« schließlich. Nun musste der Franzosen-Louis neunhundert einschießen, um weiter mitzumachen, und er tat es denn auch nach einigem Bedenken. Campbell kostete das Weiterspielen und Kaufen ebenfalls neunhundert, aber zum allgemeinen Erstaunen »brachte« er sie und überschlug noch einmal mit fünfhundert Dollar.

»Endlich kommt Fahrt in die Sache«, bemerkte Harnish, »brachte« die fünfzehnhundert und noch tausend. »Der Sturm beginnt.«

»Ich bin zu allen Schandtaten bereit«, begleitete Mac Donalds Chips auf zweitausend und noch eine Tausenddollareinlage.

Die Männer setzten sich zurecht, denn jetzt wussten sie bestimmt, dass große Karten im Spiel waren. Obwohl ihre Gesichter nichts verrieten, strafften sich ihre Züge doch unbewusst. Jeder suchte gleichmütig auszusehen – und jeder nach seiner Art. Hal Campheil zeigte seine gewöhnliche Vorsicht. Franzosen-Louis verriet sein Interesse. MacDonald spielte sein herzliches Wohlwollen, das allerdings ein bisschen übertrieben wirkte. Kearns gab sich kaltblütig und zuversichtlich, während Elam Harnish munter und lustig wie nur je zu sein schien. Elftausend Dollar lagen schon im Pot, und die Chips häuften sich in der Mitte des Tisches.

»Ich habe keine Chips mehr«, bedauerte Kearns. »Wir geben jetzt am besten Gutscheine.«

»Es freut mich, dass du nicht schlapp machst«, lautete MacDonalds leutselige Antwort.

»Ich bin noch nicht fertig. Ich habe schon tausend Dollar darin. Wie steht es jetzt?«

»›Bringen‹ kostet dreitausend, aber es wird dich niemand hindern, mit mehr hineinzugehen.«

»Den Deubel will ich mehr! Du meinst wohl, ich bin gerade solch leichtsinniger Hund wie du.« Kearns guckte in seine Karten. »Aber ich will dir was sagen, Mac. Ich hab' 'ne feine Karte, die dreitausend möcht' ich doch gerade noch mal ›bringen‹.«

Er schrieb eine Summe auf ein Stück Papier, setzte seinen Namen drunter und schob es in die Mitte des Tisches.

Alle Augen richteten sich jetzt auf den Franzosen-Louis. Der zupfte einen Augenblick nervös an seinen Karten. Dann warf er mit einem ärgerlichen »Zum Kuckuck! Nichts zu machen« die Karten auf den Tisch.

Im nächsten Augenblick suchten die mehr als hundert Augenpaare Campbell.

»Ich will dicht nicht überbieten, Jack«, sagte er und begnügte sich, die nötigen zweitausend zu ›bringen‹. Jetzt richteten sich die Augen auf Harnish, der etwas auf ein Stück Papier schrieb, das er in die Mitte schob.

»Ich möchte nur bemerken, dass wir kein Wohlfahrtsverein für arme Kinder sind«, sagte er. »Ich ›bringe‹ und noch tausend. Jetzt bist du dran, Mac.«

»Darauf habe ich gerade gewartet, und ich geh' noch tausend weiter«, war MacDonalds Entgegnung. »Gehst du immer noch mit, Jack?«

»Aber sicher.« Kearns beschäftigte sich lange mit seinen Karten. »Ich will's darauf ankommen lassen, aber erst sollt ihr wissen, wie ich stehe. Da ist mein Dampfer ›Bella‹ – der ist wenigstens zwanzigtausend wert. Dann Sixty Mile mit einem Warenkontor für fünftausend. Und ihr wisst, dass ich eine Sägemühle erwarte. Sie ist jetzt in Linderman, und das Boot ist im Bau. Bin ich euch gut?«

»Los, du bist gut«, antwortete Daylight. »Und weil wir gerade dabei sind, so will ich auch gleich sagen, dass ich zwanzigtausend in Macs Geldschrank und noch zwanzigtausend im Boden von Moosehide stecken habe. Du kennst ihn, Campbell. Steckt soviel drinnen?«

»Sicher, Daylight.«

»Wieviel kostet es jetzt?« fragte Kearns.

»›Bringen‹: zweitausend.«

»Wir überbieten dich doch nur, wenn du hineingehst«, warnte Daylight ihn.

»Ich hab' 'ne mächtige Chance«, sagte Kearns und fügte seinen Gutschein über zweitausend zu dem wachsenden Haufen. »Sie krabbelt mir ordentlich den Rücken herauf.«

»Ich hab' zwar keine große Chance, aber anständige Karten«, erklärte Campbell, indem er seinen Gutschein hinschob; »aber ich kann nicht mehr überschlagen.«

»Das gehört mir«, Daylight machte eine Pause und schrieb. »Ich ›bringe‹ die tausend und noch so einen strammen Tausender.«

In diesem Augenblick tat die Jungfrau, die hinter ihm stand, etwas, das selbst der beste Freund eines Mannes nicht tun darf. Sie langte über Daylights Schulter, nahm die fünf Karten vom Tische und besah sie sich, indem sie sie dicht vor ihre Brust hielt. Was sie sah, waren drei Damen und zwei Achten, aber niemand konnte es aus ihren Zügen erraten. Aller Augen waren auf sie gerichtet, aber sie verzog keine Miene. Ihr Gesicht hätte in Eis ausgehauen sein können. Nicht ein Muskel verzog sich; weder bebten ihre Nasenflügel noch kam ein stärkerer Glanz in ihre Augen. Sie legte die Karten wieder auf den Tisch, und die forschenden Augen der Männer ließen von ihr ab, ohne etwas erfahren zu haben.

Mac Donald lächelte wohlwollend. »Ich ›bringe‹ noch zweitausend. Daylight. Wie steht es mit deiner Chance, Jack?«

»Immer noch da, Mac. Ihr habt mich jetzt fest, aber es ist ne Chance von der richtigen Sorte, und es ist meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, nicht lockerzulassen. Ich ›bringe‹ dreitausend. Und zudem hab' ich noch eine Chance: Daylight muss ja auch ›bringen‹.«

»Aber sicher«, stimmte Daylight zu, nachdem Campbell seine Karten hingeworfen hatte. »Er weiß, wann es darauf ankommt und spielt danach. Ich ›bringe‹ die zweitausend, und dann wollen wir kaufen.«

Und in der Totenstille, die nur von den leisen Stimmen der drei Spieler unterbrochen wurde, kauften sie. Vierunddreißigtausend Dollar lagen schon im Pot. und das Spiel war vielleicht noch nicht halb zu Ende. Zum Erstaunen der Jungfrau behielt Daylight seine drei Damen, warf seine Achten und zog zwei neue Karten. Und diesmal wagte nicht einmal sie zu sehen, was er gekauft hatte. Sie kannte die Grenzen ihrer Selbstbeherrschung. Auch er sah nicht nach. Die beiden neuen Karten lagen mit der Bildseite nach unten auf dem Tische, wie er sie bekommen hatte.

»Karten?« fragte Kearns MacDonald.

»Hab' genug«, war die Antwort.

»Du kannst kaufen, wenn du willst.«

»Danke, ich hab' genug.«

Kearns kaufte selbst zwei Karten, sah sie sich aber nicht an. Harnish ließ seine Karten immer noch auf dem Tisch liegen.

»Ich wette nie gegen eine Karte, die nicht zugekauft ist«, sagte er langsam und sah den Wirt an.

»Los Mac!«

Mac Donald zählte seine Karten sorgfältig, um sich noch einmal zu vergewissern, dass sie nicht schlecht waren, schrieb eine Summe auf ein Stück Papier und legte es mit der einfachen Bemerkung »Fünftausend« in den Pot.

Kearns, auf den sich jetzt alle Augen richteten, sah auf seine beiden zuletzt gezogenen Karten, zählte die drei anderen, um jeden Zweifel auszuschließen, dass er nicht mehr als fünf Karten hätte, und schrieb auch etwas auf.

»Ich ›bringe‹, Mac,« sagte er, »und noch ein kleines Tausend, nur damit Daylight weitergehen kann.«

Die Aufmerksamkeit sammelte sich wieder um Daylight. Er untersuchte ebenfalls seine Karten und zählte seine fünf Karten.

»Ich ›bringe‹ die sechstausend und noch fünftausend ... nur um zu versuchen, dich rauszubringen, Jack.«

»Und ich setze fünftausend, um dir dabei zu helfen«, meinte MacDonald.

Seine Stimme war ein ganz klein wenig heiser und angestrengt, und ein nervöses Zittern um die Mundwinkel begleitete seine Worte.

Kearns war blass, und die Zuschauer bemerkten, dass seine Hand zitterte, als er den Gutschein schrieb. Seine Stimme war jedoch unverändert.

»Ich halte die fünftausend«, sagte er.

Jetzt war Daylight wieder an der Reihe. Das Licht der von der Decke herabhängenden Petroleumlampen spielte in den Schweißtropfen auf seiner Stirn. Die Bronzefarbe seiner Wangen war durch das emporsteigende Blut dunkler geworden. Seine schwarzen Augen funkelten, und seine Nasenflügel bebten vor Erregung. Gerade sie bezeugten seine Abstammung von Wilden, deren Rasse sich dank ihrer tiefen Lungen und üppigen Luftzufuhr erhalten hatte.

Doch im Gegensatz zu MacDonald war seine Stimme fest wie immer, und seine Hand zitterte nicht wie die Kearns, als er schrieb.

»Ich ›bringe‹ zehntausend«, sagte er. »Ich bin nicht bange vor dir, Mac, es ist wegen Jacks Chance.«

»Ich setze nun gerade fünftausend gegen diese Chance«, sagte MacDonald. »Ich hatte die beste Karte, ehe wir kauften, und ich nehme an, dass ich sie noch immer habe.«

»Es kommt ja vor, dass eine Chance nach dem Kaufen besser ist als vorher«, bemerkte Kearns. »Und da sagt mir die Pflicht: Immer 'ran, Jack, immer 'ran, und ich sage: noch fünftausend.«

Daylight legte sich zurück und betrachtete sich die Petroleumlampe, während er laut rechnete.

»Ich habe neuntausend gesetzt, ehe gekauft wurde, und ich habe elftausend ›gebracht‹ und erhöht – das macht dreißig. Ich bin nur noch für zehn gut.« Er beugte sich vor und sah Kearns an. »Also ich ›bringe‹ die zehntausend.«

»Du kannst gut höher hineingehen«, antwortete Kearns. »Deine Hunde rechnen gut für fünf.«

»Nicht einen Hund. Du kannst all meinen Goldstaub und das andere Zeug gewinnen, aber nicht einen von meinen Hunden. Ich ›bringe‹ nur.«

MacDonald bedachte sich lange. Keiner rührte sich oder flüsterte. Kein Muskel erschlaffte in den Gesichtern der Zuschauer. Nicht einer trat auch nur von einem Fuß auf den andern. Es herrschte feierliches Schweigen. Nichts war zu hören als das Prasseln in dem großen Ofen und das Heulen der Hunde, das gedämpft durch die Holzwände hereintönte. Nicht jede Nacht wurde am Yukon so hoch gespielt, und dieses Spiel war das höchste, das die Geschichte des Landes aufzuweisen hatte. Endlich sagte der Wirt:

»Wenn einer von euch gewinnt, muss ich eine Hypothek auf das Tivoli nehmen.«

Die beiden anderen Spieler nickten.

»Dann ›bringe‹ ich auch.«

MacDonald fügte seinen Gutschein über fünftausend zu den anderen.

Nicht einer von ihnen forderte den Pot für sich, und nicht einer nannte seine Karte. Gleichzeitig legten sie ihre Karten offen auf den Tisch, während die Zuschauer auf den Zehenspitzen standen und sich die Hälse ausreckten, um besser zu sehen.

Daylight hatte vier Damen und ein As; MacDonald vier Buben und ein As; und Kearns vier Könige und eine Drei. Kearns langte aus und zog den Pot zu sich, aber sein Arm zitterte dabei.

Daylight nahm sein As, warf es neben das Mac Donalds und sagte:

»Das hat mich die ganze Zeit hochgehalten, Mac. Ich wusste, dass nur die Könige mich schlagen konnten, und richtig, er hatte sie.«

»Was hattest du denn?« wandte er sich eifrig an Campbell.

»Flush royal von beiden Enden zu kaufen – eine gute Karte.«

»Das sollte ich meinen! Du hättest einen ›straight‹ einen ›straight flush‹ oder einen gewöhnlichen ›flush‹ bekommen können.«

»Das Rausgehen kostet mich sechstausend«, meinte Campbell betrübt.

»Ich wünschte, du hättest gekauft«, lachte Daylight, »dann hätte ich nicht die vierte Dame gekriegt. Nun muss ich Billy Rawlins Post besorgen und machen, dass ich nach Dyea komme. – Wie groß ist die Beute, Jack?«

Kearns versuchte den Pot zu zählen, war aber zu erregt. Daylight zog ihn zu sich herüber, sortierte Chips und Gutscheine und rechnete ruhig zusammen. »Hundertsiebenundzwanzigtausend!« meldete er.

»Jetzt kannst du Ausverkauf halten und nach Hause reisen, Jack.«

Der Gewinner lächelte und nickte, konnte aber kein Wort herausbringen.

»Ich möchte etwas zu trinken bestellen,« sagte Mac Donald, »die Bude gehört mir nun nicht mehr.«

»Doch!« antwortete Kearns, nachdem er seine Lippen mit der Zunge angefeuchtet hatte. »Deine Gutscheine gelten, solange du willst. Aber für Getränke zu sorgen ist meine Sache.«

»Sagt, was ihr haben wollt, Leute – der Gewinner bezahlt!« rief Daylight den Umstehenden laut zu, und zugleich erhob er sich und fasste die Jungfrau am Arm. »Kommt alle mit, wir tanzen einen Reel. Es ist noch früh am Tage, und morgen muss ich mit der Post los. He, Rawlins – ich verpflichte mich, die Post hin und zurück zu besorgen, und morgen früh um neun geht's los – savvy? Alle her! Wo ist die Musik?«

Lockruf des Goldes

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