Читать книгу Die letzten Farben - Jan Corvin Schneyder - Страница 5

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Praefatio

Nur ein Hauch, eine schwere Stille, ein süßer Duft. Trotz allen Lärms spüren sie, dort draußen ist mehr. Über, unter und neben uns. Teil der Welt, doch nicht in ihr. Sie wollen leben, um zu erfahren, was es ist.

Ich sehe Dinge, die ich nicht sehen will. Wenn ich aber nicht hinsehe, werden sie sich nicht ändern. Werden sie sich ändern, nur weil ich hinsehe? Nein. Vielleicht. Kommt auf die Art des Blickes an.

Ich sehe, doch ich will gar nichts sehen. Ich setze mich in meine leuchtenden Farben und schaue in die Nacht. Schadet niemandem. Nicht mal mir. Dunkle Propheten gibt es mehr als genug.

Dennoch, so geht es nicht. Nicht ohne etwas dazu zu sagen. Wohlüberlegte Kommentare. Kein schneller Hieb auf digitalem Parkett. Zu diesem Buch und den Farbnamen: Die Farben der Kapitel sind aus einer Pyramide gefallen. Aus einer gläsernen Pyramide. Sie können schon bei der nächsten Ziehung der Zahlen anders ausfallen. Sie werden erwähnt, weil sie noch dort sind. Nennen sie die Pyramide Prisma. Das ändert nichts. Das Böse beispielsweise hat andere Farben als die eine, ebenso das Herz. Wen schert es? Es sind die letzten Farben, und sie wandern über den Erdball, durch unsere komplexen Gehirne, die allzu oft wenig Komplexes ausschütten. Beherrscht von Social Media, von Schwarmtheorien, von Massenpanik. Nichts ist so heiß wie unsere Finger, wenn wir uns verbrennen. Nicht einmal die Sonne. Die Sonne. Weiß, gelb, orange, rot. Und sie verbrennt. Der Himmel, von dem wir fallen, kann alle Farben zeigen, und doch ist der Regenbogen nicht mehr das Maß aller Dinge. Er ist ein Geschenk, nach wie vor, aber das Licht bricht sich dort nicht so diffus wie in unseren Seelen und Herzen. Nun mögen viele die Existenz einer Seele bestreiten, doch das ist an dieser und an anderer Stelle erst einmal unerheblich. Dies Büchlein ist kein missionarisches. Es kann es werden, wenn Gedanken arbeiten, wenn sie wüten, wenn sie graben wie eine Maulwurfmaschine, doch es muss nicht. Nichts muss. Oder wenig. Am Ende hat alles einen Namen, und wenn es das Nichts ist. Kommen wir also schnell in die Gänge. Das Warum und die Wege werden uns einleiten. Es hat eine Farbe verdient - im Gegensatz zu Casting Shows und den allermeisten Social-Media-Beiträgen. Ich ernähre mich nicht von Zustimmung. Dieses Buch ebenso wenig. Auch Du, lieber Leser, solltest das nicht.

Du hast lange genug geschlafen, hast geträumt, die Welt wäre in Ordnung, hast gedacht, Du kennst Dich aus. Falsch gedacht. Nun, wie wir alle. Was blendet mehr? Die Erkenntnis oder die Lüge? Am Horizont ein fernes Flackern. Es dämmert schon der Untergang. Dergleichen wurde schon oft prophezeit und missbraucht. Was für ein Untergang? Für wen?

Wer Fragen stellt, muss auch akzeptieren, dass er Antworten bekommt. Wir halten uns eine Spiegelflotte vor den Ozean unserer Augen. Und dann entscheiden wir, ob und wie wir urteilen möchten.

Direkt vor Deiner Nase existiert eine andere Welt. Versuche, sie zu berühren. Man nehme von allem das Beste, fertig ist die verbesserte Version der Welt, und sei es nur in einem Buch. Die Kunst ist nur, es als das Beste zu erkennen. Das vermögen nicht viele. Ich ganz sicher nicht. Die Welt dreht sich nicht für alle. Für manche hampelt sie im Viereck, für andere knödelt sie im Dreieck, für die Spannendsten klingelt sie im Fünfeck. Von Oktagon und Co. gar nicht erst zu sprechen.

Was lehrt uns die Geometrie: Jede Form hat ihre Regeln. Keine ist besser als die andere. Nur anders. Das gilt auch für Gedanken.

Die letzten Farben

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