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I

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Der Strahl, der in kurzen Intervallen auf den Kiesweg trifft, ist überraschend durchsichtig, das Fleisch ihrer Schenkel viel zu weiß angesichts der Tatsache, dass der Sommer nicht erst gestern begonnen hat. Ich sehe ihr zu, verfolge das Schauspiel mit starrem Blick, wohl wissend, dass Offenbarungen dieser Art viel zu selten vorkommen, und ziehe wie blöd an meiner Kippe.

Sie hockt da, keine zwei Meter von mir entfernt, den Rock über die Hüften, den Slip den entscheidenden Zentimeter zur Seite geschoben. Und während der Inhalt ihrer Blase aus ihr herausströmt, sieht sie mich unverwandt an, wobei ihre Lippen von einem Lächeln umspielt werden, das ebenso unschuldig wie aufreizend wirkt. Und genau diese Mischung ist es, die mich schwach werden lässt, dieser Sprengsatz aus Hilflosigkeit und Verheißung. Noch bevor sie sich wieder erhoben hat, bin ich bei ihr, gehe ebenfalls in die Hocke und lasse meine rechte Hand aus geringer Entfernung von den letzten Tropfen benetzen. Als ich ihr dann zwischen die Beine greife, ist es für meine Finger ein Leichtes, in ihre Spalte zu schlüpfen.

»Komm, fick mich«, flüstert sie, bevor sie mein Gesicht in beide Hände nimmt und anfängt, mich zu küssen.

Aber so geil ich auch bin, aufs Vögeln werden wir verzichten müssen. Ich habe mir zwölf Stunden lang Bier und Schnaps in den Hals gegossen, kann also das Risiko nicht ausschließen, dass sich mein Schwanz nur bedingt bis gar nicht mit Blut füllen wird. Den Zustand rauschbedingter Selbstüberschätzung, in dem derlei Sorgen keine Rolle spielen, habe ich bereits weit hinter mir gelassen. Dafür bin ich wieder bei Bewusstsein, was zwischenzeitlich nicht immer der Fall gewesen sein mag. Daran, wie wir hierher geraten sind, fehlt mir zum Beispiel jede Erinnerung.

Ich war mit Freunden unterwegs gewesen, sie ebenfalls, und in irgendeinem Club waren wir dann aufeinandergetroffen, hatten getanzt, und da hatte das mit dem Küssen wohl angefangen. Im fahlen Licht der Morgendämmerung waren wir schließlich in diesem Park gelandet, hatten uns auf einer Bank breitgemacht und uns eine Flasche Bier geteilt, die einer von uns beiden an den Türstehern vorbeigeschmuggelt haben musste.

»Warte, ich geh mal pissen«, hatte sie irgendwann gesagt, und ich hatte halb im Scherz entgegnet, dass sie mich zusehen lassen sollte.

Das feuchte, geschwollene Fleisch, der Schmierfilm, die Wärme, die Beschleunigung ihres Atems – ungeachtet der Erkenntnis, dass die Lust, die mein Hirn beherrscht wie ein Tumor, keine körperliche Befriedigung finden wird, können meine Hände nicht damit aufhören, sich kundig zu machen. Ich muss das hier ohnehin zu Ende bringen, muss zusehen, dass ich aus der Geschichte halbwegs ansehnlich herauskomme. Also verändere ich den Druck, verändere die Geschwindigkeit, versuche um jeden Preis Wirkung zu erzeugen. Und dann stöhnt sie plötzlich laut auf, und dieses Geräusch lässt aus der trüben Suppe, die in meinem Denkapparat nach wie vor herumschwappt, einen Brocken Information an die Oberfläche steigen, der sich besser in den Grund gekrallt hätte: Das Mädchen, das sich da gerade an den Fertigkeiten meiner Finger erfreut, hat einen Freund, einen Freund, der dummerweise auch mein Freund ist.

Jonas. Jonas und Rike. Ihn kenne ich aus einer Zeit, in der der Begriff Zukunft noch keinerlei Bedeutung besaß, sie seit dem Tag, an dem er sie mir vorgestellt hat, seit ungefähr fünf Jahren also – und genauso lange begehre ich sie auch. Ein stilles Verlangen, immer wieder beiseite gedrückt von der Unmöglichkeit, die Folgen eines derartigen Verrats ohne bitteren Beigeschmack zu ertragen. Und auch jetzt will das Über-Ich sein Schandmaul nicht halten, flüstert mir mit belegter Stimme Verhaltensregeln ins aufgepeitschte Hirn. Also löse ich mich von ihr, bringe mein Gesicht aus der Reichweite ihres Mundes.

»Ich muss nach Hause. Meine Freundin …«

Sie sieht mich eindringlich an.

»Das meinst du nicht ernst, oder?!«

»Ich bin ohnehin zu breit für was Sinnstiftendes.«

»Okay.« Sie erhebt sich überraschend leichtfüßig und beginnt, ihre Kleidung in Ordnung zu bringen.

Ich kauere noch immer am Boden, nun aber mit einem Gefühl, das dem eines besiegten Faustkämpfers gleichkommt. Gier und Übermut sind der Scham gewichen. Und ein Zurück gibt es nicht mehr. Rikes Gesichtsausdruck verrät allzu deutlich, dass sie für weitere Mätzchen nicht zu haben ist.

»Na, dann los. Lass uns abhau’n«, sagt sie und hat bereits eine Kippe in der nichts als Herablassung signalisierenden Madonnenschnute.

Ein Stück des Heimwegs müssen wir uns teilen, und ich will das schon als zusätzliche Prüfung begreifen, aber dann sagt sie etwas, das mich die Niederlage in einem ganz anderen Licht sehen lässt.

»Hör mal, ich bin mit Jonas jetzt fünf Jahre zusammen. Da läuft sexuell nicht mehr viel. Jedenfalls nichts Spannendes. Es würde einfach albern wirken, wenn er mich fesseln würde, oder irgendwas in der Art.«

»Ja, und?«

Sie lacht.

»Du hast keine Ahnung, worauf ich hinauswill, oder?«

»Doch«, sage ich, weil mir bereits dämmert, welchen Köder sie mir gleich ins Fangeisen schmeißen wird.

Als sich unsere Wege trennen, habe ich nicht nur die Nummer ihres Ateliers in der Tasche, sondern auch das Versprechen abgegeben, mich so schnell wie möglich bei ihr zu melden.

Zu Hause angekommen, robbe ich an den warmen Arsch meiner Freundin und verabreiche mir die nötige Überdosis Schlaf. Aber das heilsame Vergessen währt gerade mal bis zum Aufwachen. Noch bevor ich mir die erste Kippe angesteckt habe, drängt sich bereits die Erkenntnis in mein Bewusstsein, dass irgendwo in meinen Klamotten ein verheißungsvoller Zettel steckt.

Die nächsten zwei Nächte schlafe ich schlecht bis gar nicht. Wieder und wieder läuft das, was im Park geschehen ist, auf meiner inneren Leinwand ab. Wieder und wieder male ich mir aus, was sonst noch möglich wäre. Und irgendwann ist klar: Ich muss da anrufen.

»Wir treffen uns am Zoo«, sagt Rike. Und ich weiß, dass ich meiner Freundin gleich eine Lüge auftischen werde.

Zum verabredeten Zeitpunkt ist sie tatsächlich da, sieht mit ihren Dreadlocks, dem kurzen Rock und den Armeestiefeln nicht minder überirdisch aus, als in jeder der ungezählten Rollen, die ihr mein persönlicher Pornoproduzent in den letzten Tagen zugewiesen hat.

Wir fahren raus aus der Stadt und ich rede mich um Kopf und Kragen, will ihr wortreich klarmachen, dass das, was wir vorhaben, niemals, noch nicht mal ansatzweise stattfinden darf, fasele von Freundschaft und anderen moralischen Verpflichtungen und weiß doch, dass sie mich nur berühren muss, um jeden meiner Sätze als gequirlte Scheiße zu entlarven.

Seltsamerweise versucht sie nicht, mir zu widersprechen.

»Fahr da rein«, sagt sie stattdessen, als mir endgültig nichts mehr einfällt, und zeigt auf einen Waldweg rechts vor uns.

»Hör mal, wir sollten …«, versuche ich ein letztes Mal zu protestieren, nachdem ich den Wagen von der Straße gesteuert und nach circa zweihundert Metern zum Stehen gebracht habe. Aber sie legt mir einen Finger auf die Lippen und bringt mich zum Schweigen.

Und dann ist sie draußen, läuft nach vorn zur Motorhaube, dreht sich zu mir und lässt den Saum ihres Rocks langsam in Richtung Bauchnabel wandern. Dass sie kein Höschen trägt, hatte ich fast erwartet, dennoch melkt mir der Anblick ihres bloßen Geschlechts augenblicklich die Hirnschale leer. Vollständig rasiert bietet es sich dar, unschuldig und vulgär zugleich. Ich versuche ihren Gesichtsausdruck zu deuten, will herausfinden, was sie jetzt von mir erwartet. Aber ihre Lider sind so weit geschlossen, dass ich ihre Pupillen nicht erkennen kann. Zum Glück hält die Irritation nicht lange vor, denn plötzlich dreht sie sich um, stützt sich mit beiden Händen auf dem Blech ab und schiebt ihren Hintern so weit nach oben, dass sie bequem die Beine anwinkeln kann. Zeit, ebenfalls auszusteigen.

Mit ein paar Schritten bin ich bei ihr, lege ihr die Hände auf die Unterschenkel, in Gedanken schon bei ihren Schamlippen, ihrem flachen Bauch, ihren Brüsten. Aber sie will noch nicht berührt werden.

»Warte«, sagt sie.

Also trete ich einen Schritt zurück, während sie langsam zu masturbieren beginnt. Es ist eher die Peepshow-Nummer, sicher nicht das Programm, das sie sich gönnt, wenn sie mit sich allein ist. Trotzdem ist es intim genug, um diesen Moment mit etwas Heiligem aufzuladen – eine Privatvorstellung; eine Gottesgabe; eine Gnade, für die nicht Wenige ihren Monatslohn hergeben würden. Und, hell yeah, ich habe noch nicht mal darum gebeten.

Während ich den willigen Spanner gebe, drängt meine Erektion unablässig gegen den rauen Stoff meiner Jeans, bis ich gar nicht mehr anders kann, als Knopf und Reißverschluss zu öffnen und meinen Schwanz herauszuzerren. Das Wichsen lindert den durch das Verlangen hervorgerufenen Schmerz, während das Verlangen selbst eine beinahe schmerzhafte Steigerung erfährt. Dennoch koste ich es aus, bewege die Rechte mal schneller, mal langsamer, während mein Langzeitgedächtnis damit beschäftigt ist, das, was ich sehe, unter der Rubrik für stille Abende im Seniorenstift abzuheften. Rike, die irgendwann den Kopf hebt, fixiert mich ebenfalls. Und so geilen wir uns gegenseitig auf, geben der Gier auf den anderen die jeweilige Bühne. Der Wunsch, sie zu vögeln, wird übermächtig, aber noch muss ich mich beherrschen. Denn bei all ihrer Bereitschaft zur Hingabe scheint das hier auch ein Kampf, mindestens eine Prüfung zu sein. Mein Instinkt sagt mir, dass es ein unverzeihlicher Fehler wäre, irgendetwas an der Situation zu verändern. Schwäche ist definitiv nicht das, was hier von mir erwartet wird. Vielmehr muss ich es so aussehen lassen, als ob ich jederzeit in der Lage wäre, mich kurzerhand umzudrehen und mir im Weggehen eine Kippe anzustecken.

Es ist dann tatsächlich Rike, die das Patt auflöst. Sie gleitet vom Blech, tritt an mich heran und fordert mit leicht geöffneten Lippen einen Kuss ein, während sich ihre linke Hand unter meine Hoden schiebt, als ob sie deren Gewicht prüfen wolle. Ich würde sie lieber sofort ficken, aber jetzt führt kein Weg mehr daran vorbei, dass sie mir vorher einen bläst. Denn Rike ist ein modernes Mädchen und will das auch zeigen.

Immerhin bietet auch die Führerperspektive was fürs Auge: Rikes fein geschnittenes Gesicht verleiht meinem Schwanz etwas Bösartiges. Ich greife ihr in die Haare, habe dabei aber weder die Absicht, ihren Rhythmus zu verändern, noch ihren Kopf näher heranzuziehen. Ich will einfach nur einen leichten Schmerz erzeugen. Müßig darüber nachzudenken, ob gerade dieser Impuls dafür verantwortlich ist, dass sie plötzlich den Blick hebt. Als sie mich ansieht, ist da jedenfalls nichts Echtes mehr in ihren Augen, und ich muss unweigerlich an eine Frau denken, mit der ich ein paar Jahre zuvor zu tun hatte. Dieser einstudierte Gesichtsausdruck; dieses Kuhäugige; das komplette Wegblenden der eigenen Persönlichkeit; der Ingrid-Steeger-Schmollmund des aktuellen Jahrzehnts, abgekupfert aus den Videocharts irgendeines Musikkanals. Ich sehe Sequenzen aus schlüpfrigen Siebzigerjahre-Streifen, sehe fleischfarbene Unterwäsche, sehe alte Quelle-Kataloge vor mir, während diese nervtötende Stimme aus meiner Vergangenheit in einer Tour komm mach’s mir, Baby greint. Und dann schiebt sich mit einem Mal Jonas’ Gesicht hinter meine Pupillen, und ich weiß, dass das hier nicht funktionieren wird. Ich ziehe meinen Schwanz aus Rikes Mund, verstaue ihn wieder in der Hose und greife dann tatsächlich nach einer Kippe.

Die Rückfahrt dehnt sich ins Unendliche; eine zermürbende Patrouille durch den feindlichen Stacheldrahtverhau. Zu sagen gibt es nichts mehr. Rike bläst ihre Verachtung in lang gezogenen Schwaden gegen die Windschutzscheibe, will nur noch nach Hause, meine Existenz am liebsten vergessen. Ich lasse immer mal wieder Verlegenheit aufblitzen und muss dafür noch nicht mal Schauspieltalent aufbieten. Hauptsächlich aber halte ich an der lachhaften Tarnung als konzentrierter Fahrer fest. Wieder beim Zoo, als sie endlich aussteigen darf, ist nichts mehr übrig, jeder Regler zurückgefahren. Es reicht noch nicht mal mehr für ein Knallen der Tür.

Mir bleiben ein halbseidenes Gefühl moralischer Unbescholtenheit und eine anhaltende Unruhe. Längst vergessen geglaubte Bilder tauchen auf, beherrschen meinen Alltag, beherrschen die allabendlichen Stunden der Zweisamkeit, stetig gefüttert von der Macht der Möglichkeiten.

Keine drei Wochen später habe ich meine Freundin verlassen.

Unzucht

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