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III

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Sie sieht besser aus als auf dem verschwommenen Phantombild, das mein Gedächtnis im Club angefertigt hat. Deutlich besser. Braungebrannt, barfuß, komplett in Weiß gekleidet – als wäre sie in der Sommerfrische; als wäre der Ort, an dem wir uns befinden, keine der zahllosen Großstadtwaben, sondern ein Apartment mit Blick auf den Strand. Zusätzliche Nahrung erhält diese Sinnestäuschung durch die weingefüllten Gläser und das zur Gänze geöffnete Fenster.

Wir sitzen uns an einem Tisch im Wohnzimmer gegenüber und tauschen unsere geschönten Biographien aus. Sie erzählt von der abwechslungsreichen und spannenden Arbeit in einem – wie ich bald heraushöre – ganz gewöhnlichen Fotostudio; ich steuere ein paar Anekdoten aus der Welt der Aushilfsliteraten bei. Sie trinkt nicht langsamer als ich, und so ist es unausweichlich, dass sie irgendwann das einzige Thema anschneidet, das bei Zusammenkünften dieser Art wirklich von Bedeutung ist: die gescheiterten Versuche, mit Angehörigen des anderen (oder eigenen) Geschlechts eine dauerhafte Bindung einzugehen. Ich bin ganz Ohr, bekomme aber nicht sonderlich viel Aufregendes zu hören: austauschbare Geschichten, die vom langsamen Auseinanderdriften, von mehr oder minder banalen Interessenkonflikten und enttäuschten Erwartungshaltungen handeln – guter deutscher Durchschnitt eben.

Gelangweilt bin ich trotzdem nicht. Im Gegenteil: Je länger sie erzählt, desto mehr verstärkt sich das Gefühl, dass sie mir nur einen Teil ihrer Persönlichkeit präsentiert. Ihrer biederen Frisur, ihren biederen Geschichten, ihrer vergleichsweise biederen Wohnungseinrichtung zum Trotz blitzt da immer wieder etwas Abenteuerlustiges, etwas Lebenshungriges in ihren Augen auf. Sie gibt sich abgeklärt und tough, wirkt zwischendurch beinahe hochmütig. Aber dieses Image kaufe ich ihr nicht ab. Nicht zuletzt wegen dieses seltsamen Fotos, das die Tapete ihres Badezimmers schmückt. Es zeigt einen kahlköpfigen Jüngling, dessen Brust von zahlreichen Schnitten durchzogen ist. Nur mit einem geöffneten weißen Hemd bekleidet hält er in der Linken eine Rasierklinge, während er mit der Rechten seinen halbsteifen Schwanz umfasst. Keine Ahnung, ob sie das selbst gemacht hat. Keine Ahnung, was genau sie den Besuchern ihrer Toilette damit vermitteln möchte. Aber es wird wohl niemanden geben, der sich ein derartiges Motiv an die Wand pinnt, ohne vorher über dessen Wirkung nachzudenken. Möglich, dass es sich um schlichtes Posertum handelt, eine kleine Provokation, um die eigene armselige Persönlichkeit aufzuwerten, aber das glaube ich nicht, nicht in diesem Fall. Dafür kommt der Rest der Wohnung zu unaufgeregt daher. Nein, da muss mehr sein, etwas Abgründiges, etwas, das mir gefallen könnte.

Ich beschließe, es darauf ankommen zu lassen, also so lange zu bleiben, bis sie mich entweder rausschmeißt oder mich wenigstens einen kurzen Blick in die unaufgeräumten Winkel werfen lässt, die ich hinter ihrer Fit for fun-Fassade vermute.

Bis dahin gibt es für mich nichts zu tun, als weiterzutrinken, noch mehr zu rauchen und hin und wieder einen aufmunternden Kommentar abzulassen. Äußerlich ändert sich also nichts an meiner Rolle als interessierter Besucher, in meinem Inneren dagegen wird ein Mechanismus wirksam, der sich bereits bei ähnlichen Gelegenheiten als hilfreich erwiesen hat. Meine Begierde verkriecht sich hinter einer Fassade distanzierter Förmlichkeit. Nichts in meiner Haltung wird ab sofort darauf hindeuten, nichts von dem, was ich sage, verraten, was mich wirklich umtreibt.

Als sie irgendwann Hildegard Knef auflegt, scheint das Manöver aufzugehen. Abgedroschener kann der versteckte Wunsch nach Nähe kaum formuliert werden. Trotzdem gebe ich meine Zurückhaltung nicht auf, treibe sie vielmehr auf die Spitze, indem ich mich, noch bevor wir die letzte Flasche angebrochen haben, zu verabschieden beginne.

»Ich denke, ich werd’ dann langsam abhau’n.«

Sie zögert, sieht mich kurz an. Dann sagt sie genau die Worte, die ich hören möchte. »Du kannst auch hier schlafen, wenn du willst.«

Um die Form zu wahren, zögere ich ebenfalls, bevor ich die Einladung annehme.

Die Frage nach der Couch verkneife ich mir. (Irgendwann muss jede Scharade ein Ende haben.) Stattdessen entkorke ich die letzte Flasche und fülle uns beiden noch einmal die Gläser.

Zu reden gibt es jetzt nichts mehr. Es bleibt dem Plattenspieler überlassen, der Stille die Stirn zu bieten. Während ein Chanson den nächsten ablöst, mustern wir uns, und zu meiner Überraschung ist da keinerlei Befangenheit in ihrem Blick. Ich stelle mir vor, was gleich geschehen wird, male mir aus, wie sich die Wölbung ihres Bauches anfühlen könnte, als mir mit einem Mal einfällt, dass ich es trotz zahlloser Gelegenheiten immer noch nicht geschafft habe, sie nach ihrem Namen zu fragen.

»Sag mal, wie heißt du eigentlich?«

»Das ist jetzt nicht wahr, oder?« Ungläubiges Lachen.

Ich breite übertrieben reumütig die Arme aus und ernte einen verzeihenden Blick.

»Tanja.«

Da es darauf nichts wirklich Sinniges zu entgegnen gibt, leere ich mein Glas. Als ich es absetze, steht sie neben mir.

»Na, dann komm.« Sie nimmt meine Hand und führt mich ins Schlafzimmer.

Erste Küsse im Stehen, Hände, die sich ungelenk den Weg Richtung Haut bahnen, hastiges, zum Teil gegenseitiges Entkleiden. Als wir schließlich auf dem Bett landen, verschwindet auch die Unterwäsche. Kleine, feste Brüste, fleischige Schenkel, ausladender Hintern. Ich nehme das alles mit den Fingern wahr, während unsere Zungen die Mundhöhle des anderen erkunden. In mir keimt der Wunsch auf, ihrem drallen Arsch ein paar Schläge mit der flachen Hand zu versetzen. Am besten, während ich sie von hinten nehme. Aber soweit sind wir noch nicht. Fürs erste bestimmen konventionelle Zärtlichkeiten das Geschehen. Dass sie sich ihr Schamhaar noch nicht mal ansatzweise rasiert, überrascht mich zwar, noch größer allerdings ist meine Verwunderung darüber, dass mich dieses Versäumnis kein bisschen stört. Sie ist so feucht, dass ich ihr sogar behaarte Achseln durchgehen lassen würde. Ich koste die Nässe weidlich aus, lasse meine Finger an der Beschleunigung ihres Atems arbeiten. Fehlt nur noch eins, um den Moment perfekt zu machen: »Fass meinen Schwanz an!«

Ihr Griff ist fest, ihre Technik routiniert. Keine Scheu, keine Unsicherheit. Ich hätte keine Probleme zu kommen – auch wenn das alles wäre, was sie mir anbieten würde. Aber ich will sie unbedingt ficken. Ich will hören, wie sie aufstöhnt, wenn ich in sie eindringe. Also entwinde ich mich ihr und bringe meinen Körper in eine Position, die es mir erlaubt, meinen Steifen fordernd über ihre Schamlippen gleiten zu lassen.

Ihr zurückgeworfener Kopf, ihr gespannter Bauch signalisieren nichts als Bereitschaft. Aber sie besitzt noch genügend Vernunft, um das vorgeschriebene Protokoll einzuhalten.

»Hast du ’nen Gummi dabei?«

Ich kenne den Inhalt meiner Klamotten, muss also nicht lange überlegen.

»Nein.«

»Warte, ich glaub, ich hab noch einen in meiner Tasche.« Sie klettert aus dem Bett und läuft auf den Flur.

Als sie zurückkommt, muss sie lachen.

»Tut mir leid, keinen gefunden.«

»Nicht so schlimm«, entgegne ich und lache ebenfalls.

Und dann ist ihr nackter Leib wieder neben dem meinen und wir beginnen, uns erneut zu küssen. Dieses Mal greift sie mir gleich an den Schwanz und als sie ein paar Minuten später ihre Zunge zur Hilfe nimmt, geschieht das ebenfalls ohne Anweisung. Während sie mir die Eichel leckt, verstärken sich der Druck ihrer Hand und die Geschwindigkeit, mit der sie den Arm auf und ab bewegt. Anscheinend will sie mir einen Abgang verschaffen, ohne dabei an sich selbst zu denken. Denn obwohl meine Finger nichts unversucht lassen, ist sie von einem Höhepunkt noch weit entfernt. Aber gerade beim ersten Mal ist es absolut inakzeptabel, dass ich vor ihr komme.

»Warte, ich will heute nicht abspritzen.«

Sie hält inne, sieht mich überrascht an. Offenbar ist sie eine derartige Programmunterbrechung nicht gewohnt.

Ich ignoriere ihre Verblüffung, bringe mein Gesicht ganz nah an das ihre heran und lasse die Kuppen von Daumen und Zeigefinger ein letztes Mal ihren Kitzler massieren.

»Komm morgen Abend zu mir.«

Ihr okay klingt zögerlich, und da ist immer noch ein leichter Ausdruck des Befremdens in ihren Augen. Aber als ich mich – nachdem ich mich angezogen habe – zu ihr herabbeuge, um ihr einen letzten Kuss zu geben, schenkt sie mir die Andeutung eines Lächelns.

Zu Hause gelingt es mir nur mit Mühe, mich davon abzuhalten, es mir selbst zu machen. Die Bilder, die mir im Hirn herumschwappen, sind einfach zu stark, lösen zu viele Phantasien aus, um mich nicht in Versuchung zu bringen. Dennoch gelingt es mir, dem Drang die Stirn zu bieten. Wenn Tanja bei mir einläuft, will ich so geil sein, dass es einer körperlichen Qual gleichkommt.

Unzucht

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