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IV
ОглавлениеUnmotiviert räume ich eine Weile in meiner Wohnung herum. Abwaschen und Staubsaugen wären angebracht. Aber dazu kann ich mich nicht aufraffen. Zum Schreiben ebenfalls nicht. Dabei halten sich die Folgen des gestrigen Alkoholkonsums einigermaßen in Grenzen. Es ist eher die Unlust am Alltäglichen, die mich lähmt.
Für heute wird natürlich auch wieder Wein benötigt. Also stiefle ich kurz vor sechs zum nächsten Discounter, fülle dabei gleich meine Lebensmittelvorräte auf. Danach fällt mir nichts Besseres ein, als mich aufs Bett zu legen und darauf zu warten, dass die Türklingel anschlägt. Für neun sind wir verabredet – anderthalb Stunden, die in einem seltsamen Wechsel von Unruhe und Schläfrigkeit vergehen. Ich lasse die letzte Nacht Revue passieren, grüble darüber nach, wie mögliche Drehbücher für die heutige aussehen könnten, drifte aber zwischendurch immer mal wieder weg, in diesen Vorhof der Traumproduktion, der nichts als Prototypen bereithält. Kurz vor neun schrecke ich plötzlich hoch (offenbar bin ich doch noch eingeschlafen). Und während ich im Halbdunkel nach meinen Zigaretten taste, weiß ich plötzlich, was ich tun muss: Ich werde Tanja fesseln und ihr die Augen verbinden. Zugegebenermaßen ziemlich abgeschmackt; nicht zuletzt, weil es ausreichend im Kino strapaziert worden ist. Aber irgendwie muss ich herausfinden, ob meine Einschätzung ihrer Persönlichkeit der Wirklichkeit standhält. Und das am besten auf eine Weise, die so geringfügig von der Norm abweicht, dass sie eine Abfuhr nicht zu schwer wiegen lässt. Wenn Tanja das, was ich vorhabe, peinlich findet (wenn sie also mich peinlich findet), können wir immer noch zur Tagesordnung übergehen, sprich: den Wein trinken, Konversation machen und später einen Standardfick hinlegen.
Ich durchwühle mein Klamotten-Regal nach etwas, das sich für meine Zwecke eignet, und finde einen langen, dunkelblauen Schal, der gerade noch breit genug ist, um die Augenpartie zu bedecken. Wenn ich nicht völlig danebenliege, hat Nadine den hier irgendwann vergessen. Während ich überprüfe, ob das Stück Stoff auch blickdicht ist, komme ich um ein Lächeln nicht herum. Sollte sich sein Einsatz bezahlt machen, wäre das wenigstens eine positive Folgeerscheinung unserer närrischen Bekanntschaft.
Die Leuchtanzeige des Weckers lässt mich die Suche fortsetzen. Fünf nach. Ich muss voranmachen, brauche noch einen zweiten Schal oder etwas in der Richtung.
Bevor ich allerdings fündig werde, stoppt mich die Klingel. Für einen kurzen Moment bin ich verärgert, finde es mindestens unverschämt, dass meine Besucherin meine Vorbereitungen stört. Dann wird mir bewusst, dass es ohne Besucherin gar keine Vorbereitungen bräuchte, und ich entspanne mich wieder. Ich werde mit dem auskommen müssen, was ich habe.
Während ich durch den Flur gehe, stopfe ich mir den Schal in die Hosentasche. Dann drücke ich den Summer für die Haustür. Die Wohnungstür öffne ich erst, als ich Tanjas Schritte auf der Treppe höre.
»Hey.« Sie ist ein wenig außer Atem, aber sie strahlt mich an. Mit ihrer knallengen Jeans, ihrem bauchfreien Shirt und Absätzen, die ich ihr gar nicht zugetraut hätte, sieht sie fast schon verwegen aus – zumindest für ihre Verhältnisse.
Ich nehme ihr den Wein aus der Hand und stelle die Flasche, ohne einen Blick aufs Etikett zu werfen, beiseite. Dann schiebe ich mit der Linken die Tür zu, während meine Rechte ihre Hüfte umfasst. Ihre Lippen wollen geküsst werden, aber bevor ich mein Gesicht dem ihren nähere, lasse ich meine Finger so weit über ihren Hintern wandern, bis sie die Stelle knapp über den Schenkeln zu packen bekommen. Zeitgleich greife ich ihr mit der anderen Hand von vorn zwischen die Beine. Als ich sie dann küsse, kann sie ein Stöhnen nicht unterdrücken. Sie hat in den letzten Stunden anscheinend nicht weniger an Sex denken müssen als ich. Umso besser.
Ich lasse abrupt von ihr ab, trete einen Schritt zurück und bringe den Schal zum Vorschein. Während ich sie unverwandt ansehe, versuche ich möglichst sachlich zu klingen.
»Ich werde dir jetzt die Augen verbinden.«
Sie zögert. Sie zögert so lange, dass ich ihr Nein schon fast hören kann; ihr Nein oder einen schalen Witz der Marke Wieso? Ist deine Wohnung so hässlich? Ich sehe bereits den dazu passenden Ausdruck auf ihrem Gesicht, sehe das spöttische Funkeln ihrer Pupillen, aber als sie schließlich antwortet, liegt keinerlei Ironie in ihrer Stimme.
»Gut.«
Gut – leicht gedehnt, auf keinen Fall frei von Unsicherheit, aber doch schlicht und eindeutig.
»Dreh dich um.«
Wieder ein Zögern (kürzer diesmal), dann kehrt sie mir den Rücken zu. Ich lege ihr den Schal über Stirn und Nasenrücken, verknote die Enden so fest, wie es mir gerade noch angemessen erscheint.
Danach gehe ich in die Hocke, ziehe ihr vorsichtig die Schuhe aus und öffne den Reißverschluss ihrer Jeans. Ich bin innerlich ganz ruhig, weiß jetzt, dass das hier laufen wird. Tanja scheint das ebenfalls zu spüren, stöhnt ungeniert auf, als ich ihr Hose und Slip in einem Rutsch herunterreiße. Während sie ihre Füße von dem so entstandenen Knäuel befreit, stehe ich auf und mustere ihren Hintern, auf dem sich der weiße Abdruck eines Bikini-Höschens abzeichnet. Die Tatsache, dass sie immer noch ihr Shirt anhat, verstärkt ihre Blöße nur. Ich überlege kurz, ob ich sie gleich hier vögeln soll, entscheide mich dann aber dagegen. Der ursprüngliche Plan verspricht größeren Erfolg. Also nehme ich sie bei der Hand und lotse sie hinter mir her durch den Flur.
Im Schlafzimmer führe ich sie ans Bett, bis ihre Schienbeine den Rand berühren.
»Knie dich hin.«
Sie lässt sich, die Hände voran, auf die Matratze fallen und robbt auf allen Vieren so weit vor, dass ich gerade noch ihren Bauch erreichen kann. Aber ihr Bauch interessiert mich nicht. Mich interessieren nur ihr Arsch und ihre Fotze. Während ich ihr mit der einen Hand die Backen knete, lasse ich die andere prüfend zwischen ihre Schamlippen gleiten. Das Ergebnis übertrifft meine Erwartungen: Sie ist bereits so feucht, als ob wir uns ein ausgedehntes Vorspiel gegönnt hätten. Auch ihr Atem geht hörbar schneller. Das löst erneut den Impuls aus, sie sofort zu ficken – Kondome liegen in Griffweite neben dem Bett –, aber der Wunsch, sie zappeln zu lassen, ist stärker.
Tanja allerdings darf ruhig glauben, dass es mit meiner Selbstbeherrschung demnächst vorbei sein wird. Ich schiebe mich hinter sie, dränge mich zwischen ihre Beine und drücke ihre Schenkel so weit wie möglich auseinander. Das soll natürlich den Eindruck erwecken, als ob ich gleich in sie eindringen wolle. Anstatt mir nun aber die Hose zu öffnen, gebe ich ihr mit einem leichten Druck der rechten Hand zu verstehen, dass sie sich ausstrecken soll. Nachdem sie das getan hat, fahre ich ihr mit den Fingern zärtlich über Schultern und Hals, streichle den Ansatz ihres Haares. Allerdings nur so lange, bis sie sich zu entspannen beginnt. Das ist der Moment, meine Hände langsam ihre Flanken hinabgleiten zu lassen und mich wieder ihrer Spalte zu widmen. Dieses Programm wiederhole ich ein paar Mal, und bei jeder Abwärtsbewegung meiner Fingerkuppen streckt sich mir Tanjas Hintern fordernder entgegen, zappelt sie heftiger mit dem Unterleib.
Als ich zum letzten Mal bei ihren Hüften angelangt bin, habe ich bereits vorsichtig meinen Gürtel gelöst und meinen Reißverschluss nach unten gezogen. Eine Bewegung, um meinen Schwanz hervorzuholen; ein fester Griff in ihren Nacken, dann dringe ich mit einem tiefen Stoß in sie ein. Tanja quittiert das mit einem derart befreiten Stöhnen, dass ich gar nicht anders kann, als sie schnell und hart zu ficken. Selbst wenn ich etwas anderes vorgehabt hätte: Ihr Mund diktiert mir den Rhythmus. Sie keucht, sie jault, sie schreit. Sie gebärdet sich wilder als alle Mädchen, mit denen ich es vor ihr getrieben habe. Und als sie kommt, macht sie einen derartigen Lärm, dass ich schon damit rechne, gleich einen meiner Nachbarn vor der Tür stehen zu haben.
Ich verharre einen Moment, will ihr eine Pause gönnen und sie dann weitervögeln. Aber sie entwindet sich mir mit einer schnellen Drehung und wirft sich auf den Rücken. Sie gibt wimmernde Laute von sich, und ich weiß nicht, ob sie weint oder lacht. Aber ich bin mittlerweile meinerseits so geil, dass ich nur noch an den eigenen Abgang denken kann. Also mache ich es mir kurzerhand selbst und spritze ihr, während sie noch nach Luft ringt, auf den Bauch.
Nachdem wir beide zu Atem gekommen sind, nehme ich ihr die Binde ab, dann gehe ich in die Küche, um den Wein zu holen. Ohne Zweifel ist es immer berauschend, eine Frau dazu zu bringen, alle Hemmungen über Bord zu werfen und sich gehen zu lassen. Das allein allerdings erklärt das dümmliche Grinsen, das mich überkommt, während ich den Korken aus der Flasche ziehe, nur unzureichend. Neben dem unvermeidlichen Mackerstolz ob der erfüllten Norm und der schlichten Zufriedenheit angesichts der Befriedigung eigener körperlicher Bedürfnisse, ist da noch etwas anderes. Ein Gefühl, das weniger mit der Gegenwart als mit der Zukunft zu tun hat. Mit Tanja scheint alles möglich. Vor meinem inneren Auge öffnet sich ein Korridor, der die Verwirklichung zahlloser sexueller Wünsche verheißt. Es ist allein an mir, dafür zu sorgen, dass sich die Dinge in die richtige Richtung entwickeln.
»Ich werde mich nicht in dich verlieben«, beginne ich, während ich ihr – scheinbar gedankenverloren – über den Unterschenkel streiche.
Wir sitzen uns im Bett gegenüber – sie an die Wand gelehnt, die Beine ausgestreckt; ich im Schneidersitz.
»Ich weiß«, sagt sie, vollkommen frei von Enttäuschung, und ein Blick in ihre Augen verrät, dass diese Gefühlslage nicht aufgesetzt ist.
»Aber wir werden uns wiedersehen und ich werde dich wieder ficken.«
Diesmal sagt sie nichts. Ich forsche in ihrem Gesicht nach einem Anzeichen von Ablehnung, kann aber keins finden. Also gehe ich in die Vollen, lehne mich richtig aus dem Fenster.
»Wir werden uns niemals gemeinsam in der Öffentlichkeit zeigen. Und wenn wir uns doch mal über den Weg laufen, werden wir mit keiner Geste zu erkennen geben, dass wir uns je zuvor begegnet sind. Wir werden die Existenz des anderen vollständig verschweigen. Und wenn die Notwendigkeit besteht, dass wir miteinander telefonieren oder sonst wie Kontakt aufnehmen müssen, werden wir uns so kurz wie möglich fassen.«
Sie greift nach ihren Zigaretten, und ich warte bis sie sich eine angezündet hat.
»Wenn wir uns treffen, dann in einem realitätsfreien Raum, in dem alles, was geschieht oder gesprochen wird, allein uns gehört.« Ich sehe sie an und fühle mich, als würden wir den Letzten Tango von Paris nachspielen.
Jetzt hängt alles von ihrer Antwort ab. Aber sie antwortet nicht. Sie starrt an mir vorbei und konzentriert sich aufs Rauchen.
Ich verändere meine Position, um das Tape zu wechseln, und fülle bei dieser Gelegenheit unsere Gläser auf. Als sie ihrs entgegennimmt, gönnt sie mir die Andeutung eines Lächelns.
»Hör zu«, sagt sie, »lass uns die Flasche noch austrinken. Dann hau ich ab.«
Auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass ihr Desinteresse nur vorgeschoben ist, hat diese Strategie Erfolg. Ich hänge in der Luft, muss meine gesamte Selbstkontrolle aufbringen, um mein Innerstes nicht vor ihr auszubreiten. Nichts würde ich jetzt lieber tun, als mit der Frage herauszuplatzen, was sie von alldem hält, das ich ihr da gerade vorgeschlagen habe. Stattdessen zwinge ich mich zu einem lässigen ja, klar.
Die nächsten dreißig Minuten kommen mir vor wie eine Pokerpartie, in der sich schlagartig das große Zögern breitgemacht hat. Der Pot ist bereits gut gefüllt, aber keiner will ihn weiter anfüttern. Wir trinken und rauchen und reden über Belanglosigkeiten, wobei es Tanja ist, die dem Gespräch die Richtung vorgibt.
Als sie sich schließlich anzuziehen beginnt, strecke ich die Waffen. Ich kann meine Ungeduld einfach nicht länger im Zaum halten.
»Und? Was passiert jetzt?«
Sie lässt sich Zeit, knöpft sich erst die Jeans zu, bevor sie den Blick hebt.
»Du wirst mich anrufen. Und dann werden wir weitersehen.« Sie steigt in die Schuhe und gibt mir einen Kuss auf die Wange. »Danke für den Abend.«
Ich müsste mich jetzt eigentlich erheben und ihr anbieten, sie hinauszubegleiten, zumindest sollte ich meinerseits etwas zum Abschied sagen. Aber ich bin zu perplex ob der Gradlinigkeit, mit der sie ihre Vorstellung durchzieht. Und so bleibe ich auf dem Bett sitzen, bis ich die Tür ins Schloss fallen höre. Dann gehe ich in die Küche, um eine neue Flasche zu öffnen. Eigentlich hatte ich den Zeitpunkt bestimmen wollen, an dem Tanja meine Wohnung verlässt. Außerdem hätte ich sie vorher gern noch mal gevögelt. Kein Wunder, dass ich mir wie ein Greenhorn vorkomme.