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1Was ist Kraft?

Das Hauptziel eines Krafttrainings, so geht es aus dem Wort hervor, ist in der Regel die Entwicklung der Muskelkraft. Während Kraft im physikalischen Sinne als Masse x Beschleunigung beschrieben ist, kann als sportwissenschaftliche Definition die folgende dienen:

Kraft ist die Fähigkeit des Nerv-Muskel-Systems Widerstände zu überwinden oder ihnen entgegenzuwirken.

Hierfür nutzen wir die Fähigkeit unserer Muskeln sich zusammenzuziehen und durch diese so genannte Kontraktion die Stellung und Bewegung unserer Knochen zu bestimmen. Wir können unseren Körper oder Gegenstände gezielt bewegen oder in bestimmten Stellungen gegen die Wirkung der Schwerkraft stabilisieren. Man unterscheidet dabei eine konzentrische, isometrische (= statische) und exzentrische Muskelarbeit. Bei der konzentrischen Muskelarbeit verkürzt sich der Muskel kontinuierlich, um eine Bewegung zu erzeugen. Dabei nähern sich die Knochen, an denen er befestigt ist, einander an. Ein Beispiel ist das Hochheben einer Trinkflasche zum Mund wobei Armbeuger und Schultermuskeln sich verkürzen. Bei der isometrischen Muskelarbeit findet eine Kontraktion ohne Bewegung der Knochen statt. Die Knochenstellung wird durch die Muskelkraft fixiert. In unserem Beispiel entspricht dies dem Halten der Flasche am Mund während des Trinkens. Bei der exzentrischen Muskelarbeit gibt der Muskel einer von außen wirkenden Kraft kontinuierlich nach. Die Knochen, an denen er befestigt ist, entfernen sich voneinander. In unserem Beispiel entspricht dies dem Absetzen der Flasche nach dem Trinken.

Was wir an Kraftleistungen im Alltag oder im Sport beobachten, ist das Ergebnis eines Zusammenwirkens der inter- und intramuskulären Koordination, der Muskelmasse und ihrer Binnenstruktur (Myofibrillendichte, Muskelfasertypen) sowie der psychischen Mobilisationsprozesse (Motivation und Leistungswillen) des Menschen, der die Kraftleistung vollbringt.

In der Wissenschaft spricht man allerdings erst von Kraftbeanspruchungen im eigentlichen Sinne, wenn mindestens 30% der höchstmöglichen Kraft eines Muskels notwendig sind, um einen Gegenstand bzw. den Körper zu bewegen [20, 148]. Erst ab dieser Belastungsintensität spielt auch die Maximalkraft, also die höchstmögliche Kraft, die ein Muskel willkürlich zu erzeugen vermag, eine Rolle. Aufgrund der besonderen Stoffwechselsituation und der speziellen Anpassungserscheinungen kann man es allerdings auch für angemessen halten, erst ab einem Krafteinsatz von über 50% der maximalen Kraft der Muskulatur von Kraftleistungen zu sprechen [83].

Man unterscheidet in der Trainingslehre verschiedene Arten der Kraft: die Maximalkraft, die Kraftausdauer, die Schnellkraft und die Reaktivkraft. Die Maximalkraft ist gefordert, wenn man sehr schwere Gewichte bewegen muss. Man kann sie vielleicht vereinfacht als die »grobe Kraft« bezeichnen. Es geht darum, wenige Sekunden lang eine große Anstrengung einzugehen. Typische Maximalkraftbelastungen sind das Olympische Gewichtheben oder das Anheben sehr schwerer Lasten im Alltag, z.B. Waschmaschinen, Möbelstücke oder ähnliches. Die Maximalkraft ist abhängig von der Dicke des Muskels (Querschnitt) und von der Fähigkeit die vorhandenen Muskelfasern optimal anzuspannen. Ein untrainierter Mensch kann nur etwa 70% seines Kraftpotentials willentlich nutzen, ein speziell trainierter Sportler dagegen bis zu 95% [83]. Die Maximalkraft wird als »zentrale Basisgröße« der Kraft bezeichnet, da sie maßgeblich die Ausprägung von Kraftausdauer und Schnellkraft beeinflusst [190]. So zieht eine Verbesserung der Maximalkraft in der Regel auch Steigerungen in Kraftausdauer und Schnellkraft nach sich.

In Abgrenzung zur Maximalkraft ist die Kraftausdauer gefordert, wenn mittlere Widerstände eine längere Zeit bewegt oder gehalten werden müssen. Bei Kraftausdauerleistungen im Sport geht es meist darum, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes möglichst viele Kraftstöße, also Bewegungsimpulse, erzeugen zu können, ohne dass die Intensität dieser Kraftstöße nennenswert nachlässt. Beispiele für solche dynamischen Kraftausdauerbeanspruchungen sind Rudern, Kanu fahren und Schwimmen. Häufig geht es allerdings auch darum, bestimmte Körperhaltungen und Gelenkwinkelstellungen über eine längere Zeit zu fixieren. Dies beansprucht die isometrische Kraftausdauer. Beispiele hierfür sind im Alpinski, im Kunstturnen und in der Akrobatik zu finden. Im Alltag erfordert beispielsweise das Tragen schwerer Gegenstände, intensives Treppe steigen oder das Fahrradfahren bergauf eine gut entwickelte Kraftausdauer. Bei intensiven Kraftausdauerleistungen spürt man, wie der Muskel mit zunehmender Dauer der Belastung müder wird bzw. anfängt schmerzhaft zu ziehen und zu brennen. Dies geschieht, wenn der Muskel sehr schnell Energie bilden muss und in einen glykolytischen Stoffwechsel schaltet, bei dem sich Milchsäure (Laktat) bildet. Mit zunehmender Belastung steigt die Milchsäurekonzentration stetig an und verursacht diese unangenehmen aber ungefährlichen Begleiterscheinungen. Wenn ein Muskel mit über 50% seiner Kraft arbeiten muss, ist die Blutzufuhr von außen fast vollständig unterbrochen. Daher kommt es bei intensiven Belastungen schnell zu einem Sauerstoffmangel und zu einer Laktatbildung. Die Kraftausdauer ist also abhängig von der Fähigkeit der Muskulatur auch ohne Sauerstoff und unter starker Laktatanhäufung effektiv arbeiten zu können. Dies wird durch eine Steigerung bestimmter Enzymaktivitäten und durch eine verbesserte Energiespeicherung sowie durch eine erhöhte Toleranz hoher Milchsäurekonzentrationen in der Muskelzelle erreicht [83].

Die Schnellkraft ist eine Fähigkeit, die vor allem bei sportlichen Bewegungen relevant ist. Es bedeutet, dass der Muskel in kurzer Zeit eine sehr hohe Kraft entwickeln muss, um den Körper, Körperteile oder Gegenstände zu beschleunigen, z.B. beim Kugelstoßen, beim Abwurf des Speers oder beim Boxen. Auch das Gewichtheben ist eine Schnellkraftsportart. Die Schnellkraft ist abhängig von der Maximalkraft der Muskulatur, insbesondere von der Fähigkeit des Nervensystems, möglichst viele Muskelfasern synchron und in kurzer bzw. kürzester Zeit zu aktivieren.

Je nach Zielbewegung steht für die Kraftentwicklung unterschiedlich viel Zeit zur Verfügung. Kommt es auf die blitzschnelle Einleitung eines Kraftstoßes an (z.B. Ausstoß des Armes beim Boxen) spielt die so genannte Startkraft eine entscheidende Rolle. Muss eine möglichst hohe Kraft in kurzer Zeit (< 200 Millisekunden) realisiert werden, ist als Teilbereich der Schnellkraft vor allem die so genannte Explosivkraft gefordert. Diese zeigt sich in einem steilen Kraftanstieg in den ersten 150–200 Millisekunden einer Beschleunigungsbewegung (83). So macht es einen wichtigen Unterschied für den Verlauf der optimalen Kraftentwicklung, ob eine hohe Anfangsgeschwindigkeit (Boxen) oder eine hohe Endgeschwindigkeit (Kugelstoßen) das Ziel ist.

Eine besondere Kraftfähigkeit ist die so genannte Reaktivkraft. Hierbei geht der konzentrischen Muskelkontraktion eine exzentrische Phase voraus, durch die durch ein Zusammenwirken einer Voraktivierung der Muskeln, von Reflexmechanismen und elastischen Faktoren in der nachfolgenden konzentrischen Phase eine höhere Kraftentwicklung erfolgen kann, als sie ohne exzentrische Phase möglich wäre. Diesen Vorgang nennt man auch Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus. Die Reaktivkraft ist für zahlreiche Sportarten relevant, z.B. bei Laufbewegungen, Sprüngen und Sprints. Rund 90% aller sportlichen Bewegungen sollen Reaktivkraftanteile aufweisen [83]. Es gibt langsame Dehnungs-Verkürzungs-Zyklen und schnelle. Die Grenze liegt bei einer Aktionsdauer von etwa 200 Millisekunden (ms). Beim Absprung im Weit- oder Hochsprung kommt es zu Bodenkontaktzeiten, die unter 200 ms liegen [230]. In dieser kurzen Zeit muss möglichst viel Kraft produziert werden, um den Körper hoch hinaus zu »katapultieren«. Beim Absprung im Volleyball mit vorausgehender Abwärtsbewegung des Körpers sind die Bodenreaktionszeiten mit über 250 ms deutlich länger. Entsprechend diesen unterschiedlichen Anforderungen muss das Reaktivkrafttraining entsprechend gestaltet werden (Kap. 6.3.2).

1.1Wie wird Muskelkraft gemessen?

Die Messung der Muskelkraft kann aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein, z.B. zur Festlegung der geeigneten Last für ein effektives Training (Trainingssteuerung), zum Aufdecken muskulärer Schwächen und Ungleichgewichte oder zum Vergleich der Leistungsfähigkeit von Personen oder Personengruppen.

Physikalisch gesehen ist Kraft das Produkt aus Masse und Beschleunigung (F = m × a) und wird in der Einheit Newton bestimmt.

Für die Messung der Muskelkraft stehen in Forschung, Medizin, Fitnesscentern und im Leistungssport unterschiedliche Apparaturen zur Verfügung. Oft sind Messsysteme direkt in ein Trainingsgerät integriert, so dass durch Drücken gegen das fixierte Widerstandspolster oder eine Kraftmessplatte die Kraft in Newton oder Newtonmeter gemessen werden kann. Das Ergebnis wird häufig in Form einer Kraft-Zeit-Kurve auf einem Computer sichtbar. Da hierbei keine Bewegung stattfindet spricht man von einer isometrischen Kraftmessung. Soll die Kraft in verschiedenen Winkelstellungen während einer Bewegung bestimmt werden, kann man so genannte isokinetische Messsysteme verwenden, die vorwiegend im medizinischen und rehabilitativen Bereich im Einsatz sind.

Meist wird in einem Krafttest die Maximalkraft ermittelt. Es gibt aber auch apparative Messverfahren für die Bestimmung der Kraftausdauer (z.B. Messung der möglichen Kontraktionsdauer gegen einen bestimmten Widerstand) oder der Schnellkraft (z.B. Analyse des Kurvenverlaufs einer computergesteuerten Messung oder die Bestimmung der Sprunghöhe eines Sportlers mittels einer Kontaktmatte).

Man kann Muskelkraft natürlich auch ohne aufwendige Apparate messen, z.B. durch das standardisierte Heben oder Halten eines Gewichts, dessen Masse in Kilogramm bekannt ist. Diese Methode wird z.B. in der Ermittlung des Siegers im Gewichtheben oder im Kraft-Dreikampf angewendet. Man setzt aber auch andere einfache motorische Aufgaben ein, um die Kraft, insbesondere die Kraftausdauer, im Vergleich mit anderen zu ermitteln: So kann anhand von Liegestütz die Kraftausdauer der Arm- und Schultermuskulatur erhoben werden. Entweder zählt man die maximal mögliche Anzahl ohne Unterbrechung oder die Anzahl Liegestütz, die in 30 Sekunden absolviert werden können. Ähnlich wendet man Kniebeugen für die Bestimmung der Kraftausdauer der Beinmuskeln und Sit-Ups für die der Bauch- und Hüftbeugemuskeln an. Die Schnellkraft der Beinmuskeln kann durch Standweitsprünge ermittelt werden, die der Arm- und Schultermuskeln durch einen beidarmigen Medizinballstoß. Zu diesem Zweck misst man jeweils die erzielte Weite [23]. Bei all diesen Verfahren ist natürlich immer ein gewisser Anteil des Messergebnisses auf die Bewegungstechnik, also nicht auf die reine Kraftfähigkeit des Muskels, zurückzuführen. Daher werden im wissenschaftlichen Kontext meist die oben beschriebenen (isometrischen oder isokinetischen) Messungen an technisch aufwendigen Apparaten vorgezogen.

Hier exemplarisch einige Möglichkeiten, die Kraft zu testen und zu messen:

A)Standweitsprung

Beim Standweitsprung versucht die Testperson aus dem Parallelstand heraus bei 90° angebeugten Knien und nach hinten gestreckten Armen so weit wie möglich nach vorn zu springen. Dabei werden die Arme zur Schwungunterstützung nach vorn gerissen. Die Landung erfolgt beidbeinig. Die Strecke von der Absprunglinie (Fußspitzen) bis zum hinteren Fersenrand der Landung wird gemessen. Das Ergebnis wird in Zentimetern erfasst. Wird in eine Sprunggrube gesprungen, kann die Strecke ohne Probleme gemessen werden. Beim Standweitsprung in der Halle können die Fersen zur Bestimmung des Fersenabdrucks mit Kreide oder Magnesia bestrichen werden [169]. Der Test wird häufig bei Schülern oder Senioren zur Ermittlung der horizontalen Sprungkraft eingesetzt. Da der Armeinsatz maßgeblich zur Sprungweite beiträgt, ist diese bewegungstechnische Komponente ein gewisser Störfaktor bei der Beurteilung der Sprungkraft. Nach einigen Probeversuchen nimmt man den besten aus drei Sprüngen.

Tab. 1: Orientierungswerte zum Leistungsvergleich von Sportlern im Standweitsprung (modifiziert nach Pampus 2001):


Anmerkung: Neuere Daten zur Bewertung der Leistungsfähigkeit im Standweitsprung von Schülern und Schülerinnen (Sportler und Nichtsportler) von Bös und Kollegen (2008) zeigen deutlich niedrigere Werte. 8–11-jährige Jungen lagen bei durchschnittlich 128–155 cm, die Mädchen bei 120–145. Die 12–15-jährigen Jungen lagen bei durchschnittlich 164–191 cm, die Mädchen bei 152 [25].


Abb. 1: 14-jähriger Schüler beim Standweitsprung

Orientierungswerte für die Bewertung des Standweitsprungs von Sportlern zeigt Tabelle 1.

B)Isometrischer Maximalkrafttest der Rückenstreckmuskulatur

Bei diesem Test sitzt die Testperson gut fixiert im Gerät. Ein Ausweichen des Beckens nach hinten (Beckenpolster) oder vorn (Kniepolster) wird verhindert. Das Widerstandspolster wird in einem gewünschten Winkelgrad festgestellt und liegt mittig auf den Schulterblättern. Die Testperson versucht mit höchster Kraft gegen das Widerstandspolster zu drücken. Die Messvorrichtung überträgt die Kraft auf einen Rechner, der Maximalkraftwert und Kraft-Zeit-Kurve anzeigt. Der Test wird häufig in präventiven Rückentrainingsprogrammen, bei chronischen Rückenschmerzpatienten oder in der Leistungsdiagnostik von Sportlern durchgeführt. In Verbindung mit weiteren Tests für die Bauchmuskulatur sollen Kraftdefizite und muskuläre Dysbalancen aufgedeckt werden. Um Defizite der Rückenkraft innerhalb bestimmter Beugewinkel der Wirbelsäule aufzudecken, werden bis zu 7 Messpositionen getestet [79]. Es liegen Normdaten von unterschiedlichen Forschungsgruppen vor, in die das Messergebnis zur Beurteilung der individuellen Rückenkraft eingeordnet werden kann. Nach einem Probeversuch nimmt man den besten aus drei Versuchen. In leichter Beugestellung der Wirbelsäule sollten Männer zwischen 20 und 50 Jahren etwa 3,4–4,0 Newtonmeter (Nm) pro Kilogramm Körpergewicht drücken können, Frauen etwa 2,5–3,2 Nm. Bei chronischen Rückenschmerzpatienten liegen die Werte durchschnittlich um etwa 15% niedriger.


Abb. 2: Isometrischer Krafttest am Rückenstrecker

C)Dynamischer Maximalkrafttest an der Beinpresse

Bei diesem Test befindet sich die Testperson in sitzender, liegender oder halbliegender Position im Gerät. Die Schulterpolster sitzen fest auf, um ein Ausweichen zu verhindern. Zur Rückenentlastung kann die halbliegende bzw. sitzende Position gewählt werden. Der Kniewinkelbereich, in dem getestet wird, muss vor dem Test festgelegt werden (z.B. Startposition bei 90°). Soll der Test zur Bestimmung einer geeigneten Trainingslast durchgeführt werden, empfiehlt es sich, den tiefsten Winkel des im Training gewünschten Bewegungsradius zu wählen (= geringste Kraftentwicklung). Soll die Leistungsfähigkeit von Sportlern beurteilt werden, muss in dem Knie- und Hüftwinkel getestet werden, welcher der sportartspezifischen Beanspruchung entspricht. Nach einigen Wiederholungen mit geringem Gewicht zum Aufwärmen ermittelt man durch Versuch und Irrtum (Auflegen immer höherer Gewichte) dasjenige Gewicht, das die Testperson gerade einmal im vollen Bewegungsradius wegdrücken kann. Dieses gilt als Maximalkraftwert der Beinstemmkraft im vorgegebenen Setting. Nach 4–5 Versuchen sollte das Gewicht gefunden sein, da sonst die fortschreitende Ermüdung das Ergebnis verfälscht. Nach jedem Versuch ist eine Pause von mindestens 30 Sekunden einzulegen. Dieser Test kann für alle Alters- und Leistungsgruppen durchgeführt werden, sofern keine medizinischen Bedenken vorliegen. Er kann zur Ermittlung der Trainingslast eingesetzt werden, im einbeinigen Test auch zur Aufdeckung muskulärer Ungleichgewichte (Rechts-Links-Vergleich) oder als Erfolgskontrolle für ein Trainingsprogramm (Vorher-Nachher-Vergleich). Da häufig keine Normdaten vorliegen, ist eine objektive Einschätzung der individuellen Leistungsfähigkeit schwierig.


Abb. 3: Ein einbeiniger Krafttest an der Beinpresse ermittelt die dynamische Maximalkraft der Knie- und Hüftstrecker.

D)Dynamischer Kraftausdauertest der horizontalen Armstoßkraft (Bankdrücken)

Bei diesem Test liegt die Testperson in Rückenlage auf einer Drückerbank. Die Füße stehen fest auf dem Boden. Das Hantelgewicht wird vor dem Test auf einen bestimmten Anteil des Körpergewichts der Testperson festgelegt (z.B. 60% bei 80 kg Körpergewicht = gerundet 47,5 kg). Dann wird die Hantel aus der Ablage gehoben, zügig aber kontrolliert auf die Brust hinuntergelassen und dann wieder hoch gedrückt, bis die Arme gestreckt sind.

Dies wird sooft wiederholt, wie es der Testperson möglich ist. Die Hantel darf nicht auf der Brust abgefedert werden und Wirbelsäule und Becken dürfen nicht die Bank verlassen (keine »Brücke« bauen!). Dieser Test wird für die Kraftausdauer der Funktionseinheit Brustmuskel-Trizeps-Schultermuskeln eingesetzt, vorwiegend im Fitnessbereich. Bei Strenflex-Wettkämpfen (Kap. 4.4) ist Bankdrücken als Kraftausdauerleistung eine Wettkampfdisziplin [E 20].


Abb. 4: Das Bankdrücken kann als Kraftausdauertest für die Schulter-Arm-Kraft dienen.

Welche Leistungen in diesem Test zum Erwerb des Deutschen Sportabzeichens (Anforderung Gruppe 4) bis 2013 zu erbringen waren, zeigt Tabelle 2.

Tab. 2: Geforderte Leistungen in der Kraftausdauer beim Bankdrücken für das Deutsche Sportabzeichen bis 2013. (aktuell nicht mehr im Programm) [E 19].


** BW = Bodyweight (Körpergewicht)

** Wdh = Wiederholungen

E)Weitere Messmethoden

Ob ein Muskel arbeitet oder nicht, kann man nicht nur an seiner Kontraktion erkennen. Da ein Muskel über elektrische Impulse aktiviert wird, kann man Muskelaktivität auch mittels der Elektromyographie darstellen. Hierfür werden Elektroden auf dem Muskel angebracht und diese mit einer Messstation und einem Rechner verbunden. Am Ausschlag der Messkurve kann man die Muskelaktivität erkennen. Allerdings wird die Muskelaktivität hierdurch nur relativ – nicht absolut erfasst, d.h. man kann sagen, ob der Bizeps bei der Übung Armbeugen mehr arbeitet als beim Bankdrücken, nicht jedoch wie viel Newton bzw. Newtonmeter produziert werden. Dennoch lassen diese Messungen wichtige Rückschlüsse auf die Effektivität von Kraftübungen für bestimmte Muskeln zu, wodurch Ranglisten von Übungen erstellt werden können. Dies haben z.B. Wolfgang Buskies und Wendt-Uwe Boeckh-Behrens (Universität Bayreuth) wegweisend vorgestellt [20].

Durch Umfangsmessungen der Muskulatur an den Gliedmaßen (ungenau!) bzw. Muskelquerschnittsmessungen durch Ultraschalluntersuchungen kann das Kraftpotential eines Muskels zwar abgeschätzt werden [97], nie jedoch die Fähigkeit des Probanden, dieses Potential zu nutzen. Daher sind diese Methoden als Krafttest im eigentlichen Sinne ebenso wenig anwendbar wie die Elektromyographie.

Zuletzt noch ein kurzer Blick auf eine im medizinisch-therapeutischen Bereich übliche Einteilung der Kraftfähigkeiten eines bestimmten Muskels bzw. einer Muskelgruppe.

Es handelt sich hierbei um einen Test, der vom Arzt oder Physiotherapeuten am Patienten vorgenommen wird und eine grobe Orientierung über die Muskelkraft erlaubt. Das Ergebnis wird in Kraftgraden notiert, die von 0–5 reichen. Soll z.B. der Patient den Arm anbeugen, ist aber nicht in der Lage, eine sichtbare oder (durch Anfassen) spürbare Muskelkontraktion in der Armbeugemuskulatur zu produzieren, entspricht dies dem Kraftgrad »0«. Ist eine Kontraktion gegen starken oder maximalen Widerstand erfolgreich, spricht man vom Kraftgrad »5«. Beim Kraftgrad »5« geht man von einem normalen Kraftniveau des Muskels aus. Die verschiedenen Stufen mit einer kurzen Beschreibung der Bewertungskriterien finden sich in Tab. 3. Dieser Test eignet sich natürlich nur für Patienten, bei denen erhebliche Muskeldefizite vermutet werden. Im Sport und bei Gesunden sind die weiter oben ausgeführten Testmöglichkeiten (A–D) relevant.

Tab. 3: Kraftgrade und Darstellung der Einteilungskriterien (in Anlehnung an Janda 1994)

KraftgradKriterien der Einteilung% der normalen Muskelkraft
0Beim Bewegungsversuch des Patienten ist kein Anzeichen einer Muskelkontraktion zu erkennen.0%
1Der Muskel spannt sich beim Bewegungsversuch spürbar an, kann den Körperteil aber nicht bewegen.10%
2Der Muskel kann eine Bewegung des Körperteils durchführen, aber nicht gegen dessen volles Eigengewicht, sondern nur unter Reduktion der Schwerkraft.25%
3Der Muskel kann den Körperteil in vollem Bewegungsausmaß gegen die Schwerkraft, d.h. das volle Eigengewicht, bewegen.50%
4Der Muskel kann die Bewegung in vollem Ausmaß durchführen und dabei noch einen mittelgroßen äußeren Widerstand überwinden.75%
5Der Muskel kann die Bewegung in vollem Ausmaß durchführen und dabei einen sehr großen äußeren Widerstand überwinden.100%

Zum Teil wird noch ein 7. Kraftgrad (Kraftgrad 6) verwendet, der das mehrmalige Kontrahieren (mind. 10 Wiederholungen) gegen einen maximalen (vom Therapeuten gesetzten) Widerstand ermöglicht. Der Sinn des 7. Kraftgrads wird mancherorts angezweifelt [176]. In der Praxis überwiegt die Anwendung der »klassischen« 6er-Einteilung nach Vladimir Janda [102].

1.2Ermittlung der Kraftfähigkeit zur Festlegung der Trainingslast

In der Praxis ist es häufig notwendig einen Krafttest durchzuführen, um die optimale Trainingslast festzulegen. Geeignet und ohne größeren Geräteaufwand durchführbar sind folgende Tests:

Dynamischer Maximalkrafttest (= 1-RM)

Dynamischer Wiederholungen-Maximum-Test (= X-RM)

Beim dynamischen Maximalkrafttest wird dasjenige Gewicht ermittelt, das bei der Zielbewegung, die trainiert werden soll (z.B. Beinstrecken an der Beinpresse) gerade ein einziges Mal in der gewünschten Bewegungsamplitude bewältigt werden kann.

Dieses Gewicht gilt als »One-Repetition-Maximum« (1-RM), also als das Höchstgewicht (100%) der Einer-Wiederholung. In den Vorgaben für die Belastungshöhe wird in der Trainingslehre häufig das empfohlene Gewicht in Prozent der dynamischen Maximalkraft angegeben. Diese wird in der wissenschaftlichen Literatur meist mit MVC (= Maximal Voluntary Contraction = höchstmögliche willentliche Muskelanspannung) bezeichnet. Liegt ein Testergebnis vor, z.B. 100% 1-RM = 80 Kilogramm, dann wird eine Vorgabe von 80% MVC wie folgt errechnet:

Trainingslast = 1-RM : 100 × 80% Im Beispiel: 80 kg : 100 × 80% = 64 kg Somit würde das Training mit 64 kg Gewichtslast durchgeführt werden.

Beim dynamischen Wiederholungen-Maximum-Test wird dasjenige Gewicht ermittelt, das in der jeweiligen Kraftübung gerade noch die Durchführung der gewünschten, gemäß dem Trainingsziel festgelegten Wiederholungszahl ermöglicht. Soll z.B. Muskelaufbau mit 10 Wiederholungen pro Serie trainiert werden, so wird das Gewicht ermittelt, mit dem der Trainierende 10 saubere Wiederholungen durchführen kann (die elfte aber nicht mehr). Dieses Gewicht gilt als »10-Repetition-Maximum«, d.h. als Höchstgewicht bei zehn Wiederholungen. Es gilt als 100% 10-RM.

Beide Tests funktionieren nach dem Prinzip »Versuch-und-Irrtum«, d.h. Trainer und Trainierender suchen durch Ausprobieren das entsprechende Gewicht.

Von einem Wiederholungen-Maximum aus die Maximalkraft zu berechnen – wie manchmal vorgeschlagen wird – ist unzulässig. Ebenso problematisch ist es, von der Maximalkraft auf die maximale Wiederholungszahl in niedrigeren Intensitätsbereichen zu schließen. Zusammenhänge sind zwar vorhanden, jedoch zu ungenau, um als exakte Berechnungsgrundlage zu dienen [34, 146]. Für eine korrekte Analyse muss der jeweilige spezifische Test durchgeführt werden.

Neben diesen Krafttests ist es in der Praxis häufig üblich, das Trainingsgewicht nach dem subjektiven Belastungsempfinden festzulegen. So soll der Trainierende am Ende einer Übung sein subjektives Belastungsempfinden in der letzten Übungswiederholung (z.B. 10. Wiederholung in der letzten von zwei Serien) auf einer Skala einschätzen. Es gibt zahlreiche dieser Bewertungsskalen, die man als RPE-Skala (RPE = »Rate of Perceived Exertion« = Grad der empfundenen Anstrengung) bezeichnet. Die »Urskala« dieser Bewertungsskalen ist die Borg-Skala mit ursprünglich 20 Stufen, die für die bessere Anwendbarkeit auf 15 reduziert wurden (Tab. 4). Zur weiteren Vereinfachung werden 6er [60], 7er [20] oder auch 10er Skalen [170] eingesetzt. Entscheidend ist dabei weniger, welche Skala verwendet wird, als vielmehr, dass der Trainierende den Sinn und die Bedeutung der Einschätzung verstanden hat.

Tab. 4: Borg-Skala zur Einschätzung des subjektiven Belastungsempfindens (nach Löllgen 2004).

6
7Sehr, sehr leicht
8
9Sehr leicht
10
11Recht leicht
12
13Etwas anstrengender
14
15Anstrengend
16
17Sehr anstrengend
18
19Sehr, sehr anstrengend
20

Das subjektive Belastungsempfinden ist ein effektives Mittel zur Belastungssteuerung. Es gibt jedoch Studien, die bei einem Vergleich verschiedener Verfahren der Belastungsbestimmung eine leichte Überlegenheit von Leistungstests (z.B. 1-RM oder Wiederholungen-Maximum-Test) gegenüber einer subjektiven Selbsteinschätzung feststellten, insbesondere bei wenig erfahrenen Trainierenden [110].

Die folgende Tabelle zeigt die Zielsetzung des Trainings und die jeweils geeigneten Methoden zur Ermittlung der Trainingslast:

Tab. 5: Geeignete Testverfahren gemäß der Zielsetzung des Krafttrainings

Trainingsziel / MethodeGeeignete Steuerungsverfahren
MuskelaufbautrainingWiederholungen-Maximum-Test (Dynamischer Maximalkrafttest) RPE-Skala
Innervationstraining (Maximalkraft)Dynamischer Maximalkrafttest
Schnellkrafttraining an KraftmaschinenDynamischer Maximalkrafttest
KraftausdauertrainingWiederholungen-Maximum-Test (Dynamischer Maximalkrafttest) RPE-Skala
Reaktivkrafttraining (Sprungkraft)Maximale Sprunghöhe*
Rehabilitatives Training nach Verletzungen und OperationenWiederholungen-Maximum-Test RPE-Skala

* Hierbei geht es nicht um die Trainingslast, sondern die Sprunghöhe, die im Training vorgeben werden soll (Kap. 6.3.2: Reaktivkraftmethoden)


Abb. 5: In der physiotherapeutischen Diagnostik wird die Muskelkraft eines Patienten nach Kraftgraden beurteilt. Der hier gezeigte Test wird für die Kraftgrade 4 und 5 der Kniestreckmuskulatur (M. quadriceps femoris) verwendet.

Das große Buch vom Krafttraining

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