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2.3.2 Situation und Lektüre der Inschrift

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Die Inschrift vermittelt einen Einblick in die Gepflogenheiten der MystaiMystai1, die dem Zeus (DionysosDionysos Gongylos)2 anhängen. Grundlage für ihre Vereinigung ist eine Aktivität des Gaius JuliusJulius [Besartes]3. Dieser offeriert der Gottheit (Z. 3) und ihren Anhängern einen Weinberg (Z. 5) in der Ortslage Perdylia, dessen Maße und Aufteilung die Inschrift konkret benennt (Z. 6–7). Diese Widmung geschieht einerseits für die aktuellen und zukünftigen Anhänger (Z. 4–5) und andererseits zweckgebunden durch die Beschreibung des Verwendungszwecks eines Teils des Ertrags (Z. 7–14): Zu drei regelmäßigen, terminlich festgelegten Zeitpunkten (vgl. Z. 10–11) sollen κ̣ατὰ τὸ παραδεδομένον (Z. 9), also entsprechend der Tradition der Vereinigung, Festmähler stattfinden, an denen die ThrepsantesThrepsantes4 teilnehmen (Z. 8). Ungeklärt bleibt, wer zu dieser Gruppe gerechnet wird.5 Zunächst sind, von einer wörtlichen Übersetzung des Begriffs ausgehend, konsequenterweise die MitgliederMitglied der Vereinigung, d.h. die MystaiMystai, in den Blick zu nehmen, die z. T. namentlich genannt werden (vgl. col. I; II) und die ihren Schwur auf das beschriebene Verhalten geben (Z. 11), was weitere Teilnehmer aber nicht per se ausschließt. Alle Teilnehmer an den MahlzeitenMahlzeiten der Vereinigung sind somit letztlich als ThrepsantesThrepsantes zu verstehen. Die Ausgestaltung dieser Festmähler richtet sich nach der vorgegebenen Tradition (Z. 9) und wird gespeist aus den Erträgen eines Drittels des gestifteten Weinberges (καὶ τὴν δόσιν, Z. 10). Verbunden mit der Stiftung des Weinberges ist ein Schwur (Z. 11) und die Verpflichtung der aktuellen und zukünftigen VereinigungsmitgliederVereinigungsmitglied (Z. 11–12), das durch die Inschrift dargestellte Ritual der Festmähler zu bewahren und fortzuführen (Z. 13). Die Inschrift stellt also den Versuch dar, die Rituale für kommende Generationen festzuhalten und zu etablieren. Um diesem Schwur gerecht zu werden, kann die Zustimmung zur genannten Verordnung als Voraussetzung für den Beitritt neuer MitgliederMitglied verstanden werden, die innerhalb der Inschrift als zukünftige Bewahrer und Träger der etablierten Rituale erscheinen (Z. 11–14). Zu diesen Ritualen ist auch das in Z. 13 genannte τὸ μεσανύκτιον ἄρτου zu zählen, dessen Bedeutung nicht letztgültig erschlossen werden kann. Im Kontext der Inschrift ist davon auszugehen, dass es sich um ein Ritual handelte, bei dem Brot (ἄρτου, Z. 13) und Wein eine wichtige Rolle spielten, wie sich durch die Erwähnung des Weinberges und dessen Ertrag (τὴν καρπήαν, Z. 7) sowie die Zuordnung der Vereinigung zu DionysosDionysos (Z. 2) ergibt.

An die Ausführung zu den verpflichtenden MahlzeitenMahlzeiten, deren Durchführung und Bewahrung schließen sich weitere Verpflichtungen für die MystaiMystai an, die sich aus dem Besitz des Weinberges ergeben: Die Erträge von zwei Dritteln des gestifteten Geländes sollen unter den jeweiligen MitgliedernMitglied der Vereinigung zu gleichen Teilen aufgeteilt (Z. 15–19) werden, unabhängig von der jeweiligen Länge der Zugehörigkeit zur Vereinigung (Z. 16–18). Im weiteren Sinne kann die Bedeutung des Verbs μετέχω (Z. 16) neben „teilnehmen“ und „partizipieren“6 auch mit „mitgenießen“7 wiedergegeben werden. Insbesondere die zweite Variante korreliert mit der gesellig-kultischen Ausrichtung der Vereinigung, die sich aus der Verbindung mit DionysosDionysos (vgl. Z. 2) ergibt. Die Inschrift sieht vor, dass die Partizipation der MystaiMystai auf Lebenszeit angelegt ist (Z. 16) und die Einhaltung der in der Inschrift genannten Verpflichtungen erfordert. Alle neu hinzukommenden MitgliederMitglied sind ebenfalls zur Teilhabe und zur Einhaltung der Verpflichtungen angehalten (Z. 12.17). Eine Grundlage für den langfristigen Erfolg der Vereinigung wird in Z. 19 formuliert. Darin wird festgehalten, dass der eingangs erwähnte Weinberg beständig unverkauft, d.h. im Besitz der Vereinigung bleiben soll. Mit dieser Bestimmung besiegelt die Inschrift das Anliegen, dass zu Lebzeiten der zur Aufstellung der Inschrift aktiven MystaiMystai und darüber hinaus hinzukommende MitgliederMitglied Anteil haben sollen am Ertrag der Schenkung. Deutlich hervorzuheben ist nicht zuletzt die Aufteilung des gestifteten Landes: Während Z. 6–7 einen Teil des Ertrags des Landes für die gemeinsamen Festmähler vorsieht, sind nach Z. 18–19 zwei Teile des Ertrags für die Aufteilung unter den aktuellen und zukünftigen MystaiMystai vorgesehen. Damit fällt der für die MitgliederMitglied allgemein verfügbare Anteil des Ertrags deutlich höher aus als der für die Ausstattung der vorgeschriebenen Mahlzeiten vorgesehene Anteil. Daraus ist die Frage abzuleiten, ob die kultischen Vollzüge der Vereinigung eher sekundärer Natur sind, während demgegenüber gesellschaftliche Vollzüge eine größere Rolle spielten. Darauf könnte auch die Anzahl der vorgeschriebenen Festmähler hindeuten, die deutlich geringer ausfällt als in anderen Vereinigungen.8

Abgeschlossen wird die Inschrift durch eine zweispaltige Namensliste (vgl. col. I u. II), die einen Eindruck der MitgliederMitglied zur Zeit der Aufstellung der Inschrift vermittelt. Anhand der Liste wird zunächst deutlich, dass augenscheinlich nur Männer MitgliederMitglied der Vereinigung waren, da weibliche Namen fehlen. Demgegenüber bietet IG X/2.1 260IG X/2.1 260 die Würdigung einer Priesterin des DionysosDionysos dar, weswegen dieser Befund schwerlich verallgemeinert werden kann. Darüber hinaus identifiziert Nigdelis die Mitgliederliste als Indiz für eine Vereinigung, die sowohl Bürger als auch Nicht-Bürger zu vereinen weiß.9 Keinen Hinweis bietet die Mitgliederliste auf Sklaven. Sollte sich als richtig erweisen, dass IG X/2.1 244IG X/2.1 244, datiert in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts, aufgrund der Ähnlichkeiten in der Mitgliederliste, derselben Vereinigung zuzuschreiben ist wie die vorliegende Inschrift, wäre dieser Umstand einerseits als ein Indiz für die zeitliche Beständigkeit der Vereinigung anzusehen10. Andererseits wäre dann der Erweis erbracht, dass sich die Mitgliedschaft in der Vereinigung innerhalb ähnlicher Abstammungen und Herkunftsorte fortsetzte, wie die ähnlichen Namen nahelegen.11

Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl

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