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Kapitel 3 In dem Wiebkes Mutter sich höchst verdächtig verhält, wir einen Tatort untersuchen und unser erstes Beweisstück finden.

Ich stellte das Fahrrad ab und wollte Trix zum Deich hinterherrennen. Doch ein zweistimmiges »Miau-hau!« hielt mich davon ab. Schnell hob ich den Katzenkorb vom Gepäckträger, öffnete das Gitter und ließ Miss Moneypenny heraus. Dann folgte ich Trix.

Die Schafe grasten vor sich hin und wirkten gänzlich unbeeindruckt. Wahrscheinlich hatten sie heute noch nicht in den Spiegel geschaut.

»Da ist ja Schnucki MäcGaffin«, sagte Trix. »Oh nein, es hat auch was abbekommen.«

Was abbekommen war leicht untertrieben. Das Fell des Schafs zierten zahlreiche grüne Totenköpfe. Sogar die Wolle auf seinem Kopf war grün gezeichnet. Ehrlich gesagt stand ihm das Totenkopf-Muster richtig gut. Schnucki sah aus wie ein lässiges Punker-Schaf. Fast erwartete ich, dass es mich gleich um einen Euro anschnorren würde.


»Harald, Trix!« Wiebke rannte auf uns zu. »Ist das nicht schrecklich?«

Hinter ihr stapfte ihre Mutter den Deich herunter. Frau Jansen wirkte ziemlich wütend.

Als die beiden bei uns ankamen, umarmte Wiebke erst mich und dann Trix. »Herzlichen Glückwunsch, Harald. Schön, dass du da bist, Trix.« Dann wanderte ihr Blick zu den Schafen. Sie schüttelte traurig den Kopf. »Wer macht denn so was? Die armen Tiere.« Ihr standen Tränen in den Augen.

Frau Jansen strich ihr sanft über den Rücken.

»Totenköpfe«, murmelte Wiebke. »Meint ihr, jemand hat was gegen uns? Vielleicht ist es eine Drohung oder so.«

»Das können wir zu diesem Zeitpunkt leider nicht ausschließen«, stimmte ich zu. »Aber möglicherweise richtet sich die Drohung nicht an euch persönlich. Die grüne Farbe der Totenköpfe legt vielmehr einen Zusammenhang mit dem grünen Leitungswasser nahe.«

Wiebke sah mich erstaunt an. »Grünes Leitungswasser?«

»Ja, und Hähnchenaroma hat es außerdem.« Ich holte mein Mobiltelefon heraus und spielte das Video ab, das ich von dem grünen Wasser in unserem Bad gemacht hatte.

Frau Jansen blickte auf den Handybildschirm, atmete hörbar ein und fing an zu husten.

»Alles okay bei dir, Mama?«, erkundigte sich Wiebke.

»Ja, alles in Ordnung.« Frau Jansen keuchte. »Hab mich nur verschluckt.« Sie räusperte sich ein paarmal. »Bist du sicher, dass das Wasser Hähnchenaroma hat, Harald?«

Ich bestätigte das.

»Hm. Das passt eigentlich nicht dazu«, murmelte Frau Jansen vor sich hin.

Ich studierte aufmerksam ihr Gesicht. Sie presste die Lippen aufeinander, und ihre Augen wanderten unruhig hin und her. Es sah aus, als würde sie angestrengt über etwas nachdenken.

»Bei uns ist das Wasser ganz normal«, sagte Wiebke. »Ist es nur bei euch grün, Harald? Oder auch bei anderen Leuten?«

Ich steckte das Telefon zurück in die Manteltasche. »Nach aktuellem Ermittlungsstand sind gleichzeitig circa zehn andere Haushalte betroffen.« Konzentriert betrachtete ich die angesprühten Schafe. »Hm. Totenköpfe sind ein allgemein bekanntes Symbol für Toxikalität.«

»Blök!«, machte Schnucki MäcGaffin.

»Stimmt«, pflichtete auch Trix mir bei, »der Totenkopf bedeutet so viel wie: Vorsicht, giftig!«

Wiebke streichelte Schnucki über den grün bemalten Kopf. »Also meint ihr, dass die Totenköpfe sich auf das grüne Wasser beziehen und zum Ausdruck bringen sollen, dass es giftig ist?«

Ich trommelte mit den Fingern einen langsamen Rhythmus auf meinem Hut. Das erhöht stets meine Kombinierfähigkeit. »Möglicherweise. Allerdings muss das Wasser deshalb nicht tatsächlich giftig sein. Vielleicht will der Täter nur, dass wir dies annehmen.«

»Du, Mama?« Wiebke zupfte ihre Mutter an der Jacke. »Kommst du hier alleine klar? Ich glaube, das ist ein Fall für uns.«

Frau Jansen schüttelte den Kopf. »Nein, Wiebke, das ist kein Fall für euch. Die Sache ist kein Spaß. Da können Kinder nichts ausrichten.«

Wiebke wurde unter ihren Sommersprossen rot. »Wir sind keine Kinder!«

»Oh doch, keine Diskussion!« Frau Jansen verschränkte die Arme vor der Brust.

»Wollen Sie wegen der Schafe die Polizei rufen?«, erkundigte ich mich.

Jetzt bildeten sich auch in Frau Jansens Gesicht rote Flecken. »Nein, das werde ich nicht tun. Ich vermute, dass es sich um Viehkennzeichnungsfarbe handelt, die lässt sich in ein paar Wochen auswaschen. Es gibt also keinen Sachschaden. Wiebke, du fährst nach Hause und hilfst Oma, den Stall sauber zu machen. Hier können wir sowieso nichts ausrichten. Und ich muss jetzt kurz zum Tierfutterhandel. Hab was Dringendes vergessen.«

»Da kann ich dich doch begleiten.«

»Nein, kannst du nicht, Wiebke, sonst werden wir mit dem Stall nie fertig. Ab mit dir!«

»Na gut, ich komme dann später in die Detektei nach.« Wiebke warf uns noch einen genervten Blick zu, dann stieg sie auf ihr Rad und fuhr los.

Ihre Mutter dampfte in die entgegengesetzte Richtung davon.

Als sie außer Hörweite waren, sagte Trix: »Das passt eigentlich nicht dazu.« Sie klang fast wie Frau Jansen.

Mir war sofort klar, was Trix meinte. »Ja, das ist mir auch aufgefallen. Sowohl Frau Jansen als auch Aurora Schwartz haben gesagt, etwas passe nicht dazu. Die Frage ist nur: Was passt nicht wozu

Trix zupfte an ihrer Fliege. »Hm. Das Hähnchenaroma passt nicht zu dem grünen Leitungswasser, würde ich sagen. Es klingt fast, als wüssten sie etwas darüber.«

Das sah ich genauso. »Ja, es wirkt ganz so, als ob grünes Leitungswasser ihnen als Idee nicht unbekannt wäre – nur eben ohne Hähnchenaroma. Wobei es schon sehr merkwürdig ist, dass beide ähnlich reagiert haben. Sie kennen sich ja nicht mal, oder? Aber wir sollten jetzt erst mal den Tatort untersuchen.«

Wir fotografierten die Schafe von allen Seiten. Mit der Schere meines Taschenmessers schnitt ich bei Schnucki MäcGaffin eine Locke des grün gefärbten Fells ab. Ich steckte sie in eine der durchsichtigen Plastiktüten, die ich stets zur Verwahrung von Beweismitteln mit mir führe. Anschließend untersuchten wir das Gras Zentimeter für Zentimeter auf Spuren. Leider war zunächst außer jeder Menge Schafsköttel nichts zu finden. Die Schafe sahen uns gelangweilt kauend zu. Ja, Detektivarbeit kann verdammt dröge sein. Ich unterdrückte gerade ein Gähnen, da rief Trix plötzlich: »Huch, was ist das denn?«

Ich rannte zu ihr.

»Ich bin auf irgendwas getreten.« Trix holte ein Taschentuch hervor und hob damit etwas auf. »Hier.« Sie hielt ein kleines, silbrig schimmerndes Döschen in der Hand. Grashalme klebten daran. Trix zeigte auf den Deckel. »Da ist ein Monogramm eingraviert. Die Buchstaben M. und S.« Sie schüttelte das Döschen. »Vermutlich sind Tabletten drin. Das könnte eine Spur zum Täter sein. Andererseits kann es natürlich auch eine vollkommen unbeteiligte Person hier verloren haben.«

Ich entnahm meiner Manteltasche eine weitere Plastiktüte. »Frau Jansen kann das Döschen schon mal nicht gehören. Sie heißt Jeske mit Vornamen, ihre Initialen sind also J. J. Vielleicht weiß Wiebke, ob die Buchstaben M. S. zu irgendwem passen, der sich auf diesem Deich um die Schafe kümmert.«

Trix ließ das Beweisstück vorsichtig in die Tüte gleiten. »Wir sollten das Döschen nachher in der Detektei genauestens auf Fingerabdrücke untersuchen.«

Ich steckte die Tüte ein. »Und um das grüne Leitungswasser müssen wir uns auch kümmern.« Es wurde Zeit, dass wir eine echte Spur fanden. Meine Detektiv-Regel Nummer 25 lautet: Sei dem Täter stets eine Nasenlänge voraus. Davon konnte gerade keine Rede sein. Wir kannten weder den Täter noch seine Nase und hatten keine Ahnung, was er als Nächstes plante.

Als wir an meinem Fahrrad ankamen, sah Trix sich suchend um. »Wo ist denn Miss Moneypenny? Der Katzenkorb steht ja leer auf dem Boden. Hast du sie etwa rausgelassen?«

Ich winkte beruhigend ab. »Fräulein Karnelia hat sie abgeholt, und die beiden sind zusammen losgezogen.«

Trix grinste. »Alle Katzen sind Einzelgänger.« Sie klang exakt wie Klara. »Von wegen!«

Wir nahmen den Weg auf der Seeseite des Deiches. Erstens ging das am schnellsten, und zweitens konnte Trix so gleich mal das Meer bewundern. Theoretisch jedenfalls. Praktisch war gerade Ebbe und statt blauem Wasser nur brauner Schlick zu sehen. Er stank heute mal wieder besonders exquisit. Ich schaute Trix von der Seite an. Rümpfte sie die Nase? Aber sie schien den Gestank gar nicht zu bemerken.

Ich schob mein Fahrrad mit dem Koffer und dem leeren Katzenkorb neben mir her und dachte angestrengt nach. Warum waren Frau Jansen und Aurora Schwartz beide der Meinung, Hähnchenaroma passe nicht zu grünem Wasser? Kannten sie sich? Oder war ihre ähnliche Reaktion Zufall? Wem gehörte das Pillendöschen? Und gab es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen dem grünen Wasser und den grünen Totenköpfen?

Nach einer Weile überquerten wir den Deich und bogen rechts in Richtung Ortszentrum ab. Langsam wurde die Bebauung dichter, und schließlich kamen wir in Ruckelnsen-City an, wenn man das so sagen kann. Hier reihte sich Fisch-Imbiss an Fisch-Imbiss, mit ein paar Cafés und Souvenirgeschäften dazwischen.

Plötzlich blieb Trix stehen und hielt mich am Mantel fest. Sie flüsterte: »Schau mal unauffällig da rüber.«

Ich folgte mit den Augen ihrem Blick. Und sah gerade noch Frau Jansen im Eingang des Ruckelnser Teestübchens verschwinden.

Zusammen mit Klara und Aurora Schwartz.

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