Читать книгу Stolz und Vorurteil & Emma - Jane Austen - Страница 24
Einundzwanzigstes Kapitel
ОглавлениеMr. Collins’ Antrag erwies sich als ein ergiebiger Gesprächsstoff, aber allmählich war auch darüber alles gesagt, was gesagt werden konnte; zurück blieben nur das unangenehme Gefühl, das Elisabeth erklärlicherweise darüber empfand, und dann gelegentliche bissige Bemerkungen ihrer Mutter. Was die Hauptperson betraf, so gab Mr. Collins seinen Gefühlen weniger durch Verlegenheit oder Niedergeschlagenheit Ausdruck oder dadurch, dass er Elisabeth aus dem Wege zu gehen suchte, als durch vorwurfsvolles Schweigen und eine übertrieben würdevolle Haltung. Er sprach kaum ein Wort mit ihr; dafür bedachte er jetzt Charlotte Lucas mit den vielen kleinen Aufmerksamkeiten, von denen er sich bisher so viel versprochen hatte, und Elisabeth tat es sehr wohl, dass ihre Freundin bereitwillig darauf einzugehen schien.
Der folgende Tag besänftigte weder Mrs. Bennets schlechte Laune, noch beruhigte er ihre Nerven. Auch Mr. Collins verharrte in seinem beleidigten Stolz. Elisabeth hatte gehofft, sein Missmut würde ihn wenigstens veranlassen, seinen Besuch abzukürzen, aber seine Pläne schienen merkwürdigerweise keineswegs davon betroffen zu werden: den kommenden Sonnabend hatte er von vornherein für seine Abreise vorgesehen, und bis zum kommenden Sonnabend gedachte er nach wie vor zu bleiben.
Nach dem Frühstück machten die Schwestern sich auf den Weg nach Meryton, um in Erfahrung zu bringen, ob Mr. Wickham schon zurück sei. Sie trafen ihn gleich, nachdem sie in der Stadt angelangt waren, und er begleitete sie zu ihrer Tante, wo er sein Bedauern und die anderen ihre Enttäuschung über sein Fernbleiben von dem Ball auf das lebhafteste zum Ausdruck brachten.
Elisabeth gegenüber jedoch gab er ungefragt zu, dass das ganz aus freien Stücken erfolgt sei.
»Ich hielt es für besser«, sagte er, »Mr. Darcy nicht zu begegnen. Einen ganzen Abend lang mit ihm im selben Haus, in derselben Gesellschaft zu sein, das wäre mehr gewesen, als ich hätte ertragen können; es hätte nur zu einem Auftritt geführt, der nicht nur mir unangenehm gewesen wäre.«
Elisabeth billigte durchaus sein Verhalten, und sie hatten Musse, darüber und noch über verschiedenes andere zu sprechen, da Wickham und noch ein Offizier die Schwestern nach Longbourn zurückbegleiteten und Wickham nicht von Elisabeths Seite wich. Dass er sie nach Hause brachte, bot ihr überdies die willkommene Gelegenheit, ihn ihren Eltern vorzustellen.
Kaum waren sie wieder zu Hause eingetroffen, als ein Schreiben aus Netherfield für Jane abgegeben wurde. Elisabeth beobachtete ihre Schwester, wie sie die von Frauenhand weitzügig hingeworfenen Zeilen überflog, und sah ihre Miene sich verändern und ihren Blick an einzelnen Stellen haften bleiben. Jane beherrschte sich jedoch sogleich wieder, steckte den Brief weg und bemühte sich, mit ihrer gewöhnlichen Heiterkeit an der Unterhaltung teilzunehmen. Aber Elisabeth fühlte eine Unruhe, die sie sogar von Wickham ablenkte, und kaum hatten er und sein Begleiter sich verabschiedet, folgte sie einem Wink ihrer Schwester, der sie bat, nach oben zu kommen.
In ihrem Zimmer nahm Jane den Brief hervor und sagte: »Er kommt von Caroline. Sein Inhalt hat mich sehr überrascht. Sie haben alle Netherfield verlassen und sind jetzt schon auf dem Weg nach London. Sie wollen überhaupt nicht wieder hierher zurückkommen. Hör’ zu, was sie schreibt.«
Sie las dann den ersten Satz vor, in dem Caroline den Entschluss mitteilte, ihrem Bruder nach London zu folgen, und von einer Einladung für denselben Abend im Hause Mr. Hursts in der Grosvenor Street sprach. Der Brief ging dann weiter:
›Ich will nicht behaupten, dass mich etwas Besonderes in Hertfordshire zurückhalten könnte; nur Ihre Gesellschaft, meine liebste Freundin, werde ich vermissen; aber wir dürfen hoffen, dass wir in nicht zu ferner Zukunft mit einer Erneuerung unseres reizenden Zusammenseins werden rechnen dürfen. Bis dahin müssen wir unseren Schmerz durch einen regen und herzlichen Briefwechsel zu unterdrücken suchen. Ich darf doch darauf rechnen‹
Elisabeth hörte diese übertriebenen Phrasen ungerührt und misstrauisch an; die unvermittelte Abreise überraschte auch sie, aber soweit sie sehen konnte, lag kein Anlass vor, bekümmert darüber zu sein. Es war ja nicht anzunehmen, dass die Abwesenheit seiner Schwestern Mr. Bingley hindern würde, auf Netherfield zu wohnen.
»Es ist ja schade«, sagte sie nach kurzer Überlegung, »dass du deine Freundinnen nicht mehr vor ihrer Abreise hast treffen können, aber vielleicht liegt das Wiedersehen, auf das Miss Bingley sich so freut, in noch näherer Zukunft, als sie hofft, und das Zusammensein, das ihr als Freundin so reizvoll erschienen ist, wird nur gewinnen, wenn ihr es als Schwägerinnen erneuern könnt. Mr. Bingley wird sich ja durch seine Schwestern nicht in London zurückhalten lassen.«
»Aber Caroline sagt hier auf das bestimmteste, dass keins von ihnen in diesem Winter nach Hertfordshire zurückkommen wird. Hör’ selbst:
›Als mein Bruder uns gestern verließ, nahm er an, dass das Geschäft, um dessentwillen er nach London fahren musste, in drei, vier Tagen zum Abschluss gebracht werden könne. Da wir aber überzeugt sind, dass es längere Zeit dauern wird, und wir außerdem aus Erfahrung wissen, dass Charles London nicht so leicht wieder verlässt, wenn er erst einmal dort ist, haben wir uns entschlossen, ihm zu folgen, damit er seine freie Zeit nicht in einem ungemütlichen Hotel zubringen muss. Viele meiner Bekannten sind schon zur Saison nach London gekommen; wie sehr würde es mich freuen, zu hören, dass Sie, meine liebste Freundin, auch zu diesen zu zählen wären — aber ich hoffe wohl vergebens. Ich wünsche Ihnen jedoch auf das aufrichtigste, dass die Geselligkeiten und Vergnügungen, die die Weihnachtszeit mit sich bringt, in Hertfordshire einander jagen werden und dass Ihre Verehrer zahlreich genug sein mögen, um Sie den Verlust der drei überwinden zu lassen, deren wir Sie berauben!‹
»Da siehst du«, unterbrach sich Jane, »diesen Winter kommt Mr. Bingley nicht wieder!«
»Ich sehe nur, dass seine Schwester die Absicht hat, ihn davon abzuhalten.«
»Wieso denkst du das? Er muss es doch selber wollen, er ist doch sein eigener Herr. Aber du hast noch nicht alles gehört; ich will dir die Stellen vorlesen, die mich besonders getroffen haben:
›Mr. Darcy brennt vor Ungeduld, seine Schwester wiederzusehen, und ich muss gestehen, wir freuen uns alle nicht weniger als er darauf. Ich glaube wirklich nicht, dass Georgiana Darcy ihresgleichen hat an Schönheit, Haltung und Bildung. Und die Zuneigung, die sie in mir und Louisa erweckt hat, erhält ihren besonderen Reiz von der Hoffnung, die wir alle hegen, dass sie dereinst unsere Schwägerin werden wird. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen je meine Gefühle über diese Angelegenheit offenbart habe, aber ich will auf jeden Fall nicht von hier fortgehen, ohne sie Ihnen anzuvertrauen, und ich denke, Sie werden sie berechtigt finden. Mein Bruder bringt ihr schon jetzt eine große Bewunderung entgegen; er wird von nun an häufig Gelegenheit haben, sie im Familienkreise zu treffen. Ihre Verwandten finden eine Verbindung ebenso wünschenswert wie wir alle, und ich glaube nicht, die Voreingenommenheit einer Schwester zum Ausdruck zu bringen, wenn ich behaupte, dass Charles wohl fähig ist, das Herz einer jeden Frau zu begeistern. Wo alle diese Umstände dafür sprechen und keiner dagegen, ist es da nicht zu verstehen, meine liebste Jane, dass ich mich einer Hoffnung hingebe, deren Erfüllung das Glück so vieler Menschen verbürgen würde?‹
»Und was hältst du von diesem Abschnitt, Lizzy?« fragte Jane, als sie geendet hatte. »Ist es jetzt nicht klar genug? Sagt Caroline hier nicht rund heraus, dass sie keinen Wert darauf legt, mich zur Schwägerin zu haben? Dass sie sich über die Gleichgültigkeit ihres Bruders gegen mich im klaren ist? Und dass sie wie gütig von ihr! — darauf bedacht ist, mich zu warnen, da sie mein Gefühl für ihn entdeckt zu haben glaubt? Kann man darüber noch anderer Ansicht sein?«
»Ja, man kann! Ich bin durchaus anderer Ansicht. Ich denke mir, Miss Bingley ahnt, dass du ihren Bruder liebst, und wünscht, dass er Miss Darcy heiraten soll. Sie folgt ihm in die Stadt, um ihn dort festzuhalten, und versucht gleichzeitig, dich davon zu überzeugen, dass er sich nichts aus dir macht.«
Jane schüttelte nur den Kopf.
»Glaub’ mir, Jane, ich bitte dich! Niemand, der euch beide zusammen gesehen hat, kann an seiner Zuneigung zu dir zweifeln. Miss Bingley kann es am allerwenigsten. So dumm ist sie nicht. Hätte sie nur halb soviel Liebe in Mr. Darcys Augen lesen können, wäre ihr Brautkleid schon längst beim Schneider bestellt. Die Sache ist ganz einfach die: wir sind nicht reich und nicht vornehm genug; und sie bemüht sich um so mehr, Miss Darcy für ihren Bruder zu gewinnen, als sie denkt, dass eine Heirat sehr leicht die zweite nach sich ziehen wird. Gar nicht dumm gerechnet. Aber kurzum, meine liebe Jane, du meinst doch nicht ernstlich, dass nur, weil Miss Bingley behauptet hat, ihr Bruder bewundere Miss Darcy, er jetzt wirklich anders von dir denkt als am letzten Dienstag, oder dass es in ihrer Hand liegt, ihn dazu zu überreden, dass er nicht dich, sondern ihre Freundin liebt!«
»Wenn wir beide derselben Ansicht über Caroline wären«, sagte Jane, »dann würde mich deine Erklärung sehr beruhigen können. Aber ich weiß, dass du von einer falschen Voraussetzung ausgehst. Caroline ist völlig unfähig, einen Menschen absichtlich zu hintergehen; ich kann nur hoffen, dass sie sich selbst in diesem Fall getäuscht hat.«
»Gut so! Du hättest keine bessere Erklärung haben können, da du ja nicht auf mich hören willst. Glaub’ du nur, dass sie sich getäuscht hat. Damit hast du getan, was du tun konntest und brauchst dich nicht mehr zu sorgen!«
»Aber, liebe Lizzy, wie sollte ich glücklich werden können, wenn ich — falls es überhaupt dazu kommt — einen Mann heiraten würde, dessen Freunde und Schwestern ihm alle eine andere wünschen?«
»Das musst du selbst entscheiden«, sagte Elisabeth, »und wenn du nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss kommen solltest, dass die Enttäuschung seiner Schwestern schwerer wiegt als dein eigenes Glück als seine Frau, dann rate ich dir, ihn um Himmels willen laufen zu lassen!«
»Aber wenn er diesen Winter nicht wieder zurückkommt, werde ich vielleicht gar nicht die Möglichkeit haben, eine Wahl zu treffen. In sechs Monaten kann doch vieles dazwischenkommen!«
Doch Elisabeth wollte nichts davon hören, dass Mr. Bingley nicht zurückkehren werde. Der Gedanke sei nur Carolines eigennützigen Wünschen entsprungen; und ob sie nun offen oder hintenherum mit ihrem Bruder gesprochen habe, sie, Elisabeth, nehme nicht für einen Augenblick an, dass ein so unabhängiger Mensch wie Mr. Bingley sich danach richten würde.
Sie versuchte auf alle erdenkliche Weise, Jane zu ihrem Standpunkt zu bekehren, und durfte bald zu ihrer Freude feststellen, dass ihre Bemühungen nicht vergeblich gewesen waren. Jane neigte von Natur nicht dazu, den Kopf hängen zu lassen, und allmählich schöpfte sie neue Hoffnung, die nur noch selten von Zweifeln überschattet wurde, ob Mr. Bingley wohl wirklich nach Netherfield zurückkehren werde, um ihre Träume und Herzenswünsche zu erfüllen.
Sie beschlossen, ihrer Mutter nur mitzuteilen, die Netherfields seien nach London gereist; sie solle sich nicht unnötig wegen Bingleys Verhalten beunruhigen. Aber auch das versetzte sie schon in große Erregung, und sie war außer sich, dass die netten Damen gerade zu dem Zeitpunkt fortgereist seien, wo man sich doch so nahegekommen war. Als sie sich jedoch genügend ausgejammert hatte, tröstete sie sich mit dem Gedanken, dass ja Bingley bald wieder zurückkehren und mit ihnen speisen werde, und ihre ganze Besorgnis löste sich in der Erklärung auf, sie habe ihn zwar nur zu einem einfachen Essen im Familienkreise geladen, aber sie werde dafür sorgen, dass es trotzdem zwei warme Gänge gebe.