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2.4 Plastische Verformung der Metalle

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Die größtmögliche elastische Verformung liegt für die meisten Materialien weit unter 1 % Dehnung. Bei höherer Belastung brechen spröde Werkstoffe. Bei Metallen beginnt bei Überschreiten einer kritischen Last die plastische Verformung durch Versetzungsgleiten. Atome wechseln dabei irreversibel ihre Position. Die zur plastischen Verformung benötigte kritische mechanische Spannung wird je nach Werkstoff als ,,Fließgrenze“, ,,Streckgrenze“ oder ,,0.2 %-Dehngrenze“ bezeichnet. Sie ist ein Festigkeitskennwert und wird in MPa angegeben. Festigkeiten sind ein Maß für die Widerstandsfähigkeit eines Werkstoffes gegen plastische (d. h. bleibende, irreversible) Verformung oder gegen Bruch (bei spröden Werkstoffen ohne plastische Verformung).

Die plastische Verformung in Metallen erfolgt bei Raumtemperatur in der Regel durch Versetzungsgleiten. Versetzungen können unter der Einwirkung einer parallelen (tangentialen) Kraft auf einer Gleitebene durch den Kristall wandern. Bei hypothetisch völlig versetzungsfreien Kristallen geschieht das Abgleiten in einer Gleitebene nur unter sehr hoher Schubspannung (Tangentialspannung), da sämtliche Atome in der Ebene den Gleitschritt synchron vollziehen müssten. Sind hingegen Versetzungen vorhanden, so genügt eine weitaus geringere Schubspannung, um ein Abgleiten zu erreichen. Der Grund liegt darin, dass im Kristall mit Versetzungen das Abgleiten wegen der Versetzungsbewegung stufenweise erfolgt. Die für das Abgleiten erforderliche kritische Schubspannung ist dabei um das 100- bis 1000-Fache geringer als im ungestörten Kristall.

Aber nur für eine einfache Stufenversetzung wie in Abb.2.13 gezeigt stimmen Bewegungsrichtung der Versetzungslinie und Sprungrichtung der Atome an der Versetzungslinie überein. Neben Versetzungssegmenten mit Stufencharakter gibt es auch Segmente mit Schraubencharakter (Abb. 2.14) oder gemischtem Charakter, wo sich die Atome bei der plastischen Verformung in eine andere Richtung bewegen als die Versetzungslinie, wenn diese über sie hinweggeht.

Abb. 2.13 Vereinfachtes Modell der plastischen Verformung durch Versetzungsgleiten: Wanderung einer Stufenversetzung durch einen Kristall. Die Versetzung kann dabei als eingeschobene Halbebene beschrieben werden, deren untere Begrenzung die Versetzungslinie ist, die in der Gleitebene liegt und sich dort weiterbewegt (hier: von links nach rechts). Diese Darstellung reicht für ein vereinfachtes Verständnis der plastischen Verformung in Metallen durch Versetzungsgleiten vollkommen aus.


Abb. 2.14 Bei einer Schraubenversetzung ist die Sprungrichtung der Atome (Burgersvektor) parallel zur Versetzungslinie, anders als bei einer Stufenversetzung. Die Schraubenversetzung spielt beim Ziehen nahezu perfekter Halbleiter-Einkristalle aus der Schmelze als Energiezentrum des Keimkristalls beim Kristallisationsprozess eine Rolle. Dazu wird der Keimkristall langsam aus der Schmelze gezogen und um die eigene Achse gedreht. Die Atome aus der hochreinen Schmelze lagern sich an die Schraubenversetzung wie an eine Wendeltreppe an.

Bei der plastischen Deformation von Kristallen werden fortlaufend neue Verset-zungen gebildet. Diese Versetzungsneubildung führt dazu, dass sich die Versetzungen immer stärker gegenseitig behindern, die Versetzungsbewegung immer schwieriger wird und schließlich ganz zum Stillstand kommt. Die Folge ist eine Verfestigung des Materials aufgrund von Kaltumformung. Anhand einer Analogie lässt sich das Phänomen erklären. Wenn in einem Raum wenig Personen vorhanden sind, so ist die Personenzirkulation einfach. Sind aber sehr viele Personen vorhanden, so ist die Zirkulation erschwert bzw. unmöglich.

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