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Hochzeitsreise um die Welt – aber bitte vor der Hochzeit


Flitterwochen: Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Eine Hochzeitsreise ist an sich ja nichts Ungewöhnliches, eine sechswöchige rund um den Globus schon.

Die konkrete Route hieß in diesem Fall:

Frankfurt → Acapulco → Französisch-Polynesien mit Nuku Hiva/Marquesas-Inseln → Tahiti → und Bora-Bora → Tonga → Auckland/Neuseeland → Sidney und Cairns/Australien → Papua-Neuguinea → Borneo/Indonesien → Singapur → Frankfurt.

Der eigentliche Clou der kombinierten Flug-Schiffs-Reise aber war, daß wir – mein „Mann-in-spe“ und ich – die Reise schon drei Monate vor der Hochzeit gemacht haben. Der Grund lag auf der Hand: Diese Tour war ein einmaliges Angebot, und nach der Hochzeit würden wir aufgrund des Studium-Abschlusses beide Vollzeitstellen antreten. An einen längeren Urlaub war dann für lange Zeit nicht mehr zu denken. Ein halbes Jahr hatten wir also Zeit, uns den Reisepreis zusammenzusparen. Als das immer noch nicht reichte, haben wir schließlich unsere Autos verkauft.

Während der Reise fiebert man von Station zu Station, von Hafen zu Hafen. Erst im Nachhinein wurde uns klar, was für ein unbeschreiblicher Trip mit vielen Höhepunkten es war. Um nur einige aufzuzählen: die Felsenspringer von La Quebrada in Mexiko, die riesigen Tiki-Statuen der Marquesas-Inseln, die bunte Fischwelt von Bora-Bora, die Maori-Kultur in Neuseeland, das Opernhaus von Sidney, der Königspalast von Tonga in Nuku‘alofa, das entlegene Hochland von Goroka auf Papua-Neuguinea, die Pfefferplantagen von Borneo, das Raffles in Singapur. En Detail wäre das ein Buch für sich.

Aber ganz besondere Schmankerl hält auch das Bordleben parat. Unser Schiff, die MS Kasachstan (die heutige MS Delphin) war gemessen an den über 10 000 Seemeilen (rund 18 500 Kilometern) die wir damit zurück gelegt haben, mit knapp 20 000 BRT und 157 Meter Länge eher ein Schiffchen. Und das war vielleicht auch gut so, denn zwischen Tonga und Neuseeland, also mitten auf dem Pazifik, kämpfte sich unser schwimmendes Zuhause zwei Tage lang tapfer durch ein mächtiges Sturmtief. Windstärke 11 und Seestärke 10 bis 11 (Maximalstärke 12) sind kein Pappenstiel und es gab zeitversetzt einige SOS-Meldungen anderer Frachtschiffe.

Obwohl der Kapitän versuchte, dem Zentrum des Sturms etwas auszuweichen, sind die Entfernungen einfach zu riesig, um darauf reagieren zu können. Die Nieten krachten beim Schlag in die Wellentäler nur so und der Rumpf grollte, als es sich wieder aufbäumte. Es gibt Videoaufnahmen vom Promenadendeck aus, da scheint die nächste Welle das Schiff längsseits auf gleicher Höhe zu erfassen. Dies bedeutet eine Wellenhöhe von zirka acht bis neun Metern, bei einer Wellenlänge von bis zu 200 Metern. Sicher haben alle Kreuzfahrtschiffe Stabilisatoren, um den Seegang etwas abzumildern, respektive auszugleichen. Diese aber müssen ab Seestärke 5 meist eingezogen werden, damit sie nicht abbrechen. Suppe gibt es dann zwar keine mehr, aber einige Unentwegte haben dennoch den Speisesaal, und vor allem die Bar bevölkert. Mir war da mehr nach meiner Kabine ziemlich weit unten im Schiff. Ein weiser Ratschlag meines Vaters, denn bei Seegang ist der stabilste Punkt des Schiffes stets unten mittschiffs und nicht in den teuren Oberdeck- oder Vorschiffkabinen. Da schaukelt und schlingert es am meisten. Soweit dieser kleine Exkurs.

Seine Mitreisenden kann man sich natürlich nicht aussuchen, aber mit einiger Erfahrung und guter Schiffskenntnis kann man anderen Gästen bei Bedarf gut aus dem Weg gehen. Nämlich dann, wenn man neuralgische Punkte wie die Bar am Lido-Deck meidet oder diese nur außerhalb der Stoßzeiten aufsucht. Dann lieber den kleineren Pool Achtern nehmen oder sich auf Höhe der Brücke Richtung Bug aufhalten. All das war damals noch gestattet. Oft war ich nach dem Abendessen, wenn im Gala-Saal das Abendprogramm lief, lieber auf der Brücke. Stundenlang konnte ich in einer hellen Mondnacht aufs Wasser blicken und der Gischt der Wellen lauschen. Blickt man dann auf den Radarschirm und erkennt in einem Radius von 500 Seemeilen kein weiteres Schiff, fühlt man sich der Natur entweder sehr ausgeliefert oder wie ein König. Seltsamerweise machte außer mir kaum jemand der Passagiere davon Gebrauch. Zudem ist es viel interessanter sich mit den russischen Offizieren über ihren Werdegang, das Familienleben und Erlebnisse zu unterhalten, als jippy, jappy, juppy „Bingo“ immer dieselben Schlager oder Humoresken der mitreisenden Unterhaltungskünstler zu hören.

Einer der nautischen Offiziere mit Namen Artur K., der aus Wladiwostok stammte, erzählte mir eines Tages, daß sein größter Schatz ein altes deutsches Liederbuch sei. Außerdem klängen ihm noch die Worte seiner Großmutter im Ohr, die immer in Deutsch gerufen habe “Ardur, mach‘ die Dier uff“. Als er daraufhin wissen wollte, aus welchem deutschen Landstrich seine Vorfahren mütterlicherseits wohl ursprünglich stammten, konnten wir ziemlich gut Auskunft geben; nämlich vermutlich aus der Pfalz.

Die zuvor getroffene Einstufung des Unterhaltungsprogramms soll übrigens keineswegs despektierlich klingen, sie entspricht in der Regel vielmehr dem Geschmack bzw. Durchschnittsalter der Passagiere. Dafür schätze ich den klassischen Pianisten umso mehr, aber das ist und bleibt natürlich Geschmacksache.

Ein Tag mehr oder weniger?

Nach einem Vortrag über die Reiseroute bzw. die anstehenden Landausflüge stehe ich an der Reling und genieße bei mildem Fahrtwind das unendliche Blau. Ich warte auf meinen „Noch-Nicht-Ehemann“, als ich folgendes Gespräch zweier mitreisender Damen aufschnappe. Die eine: „Ach, nach Bora-Bora kommen wir auch?“ Darauf die andere: „Ja, ja … aber wie war das gleich nochmal mit der Datumsgrenze, passiert das jedes Jahr?“

Es hätte nur noch gefehlt, daß sie sich fragen, ob das Personal auch an Bord schläft. Ich weiß es nicht mehr genau, aber wahrscheinlich habe ich schallend laut losgelacht. Sicher, „nobody is perfect“, aber die Eckpunkte einer so langen und teuren Seereise nicht zu kennen, zeugt schon von einer gewissen Naivität. Und ja, die Datumsgrenze verläuft entlang der Linie Tonga und Neuseeland, aber das ist unverrückbar und passiert natürlich jeden Tag. Die Dame hat das wohl mit dem Schaltjahr verwechselt. Witzig ist das Thema Datumsgrenze aber trotzdem, denn auf unserer Reise hat es den 2. Februar einfach nicht gegeben. Wir überquerten den Pazifik in west-östlicher Richtung, waren also die letzten, die die Sonne am 1. Februar untergehen sahen und nach „Grenzübertritt“ in der Nacht die ersten, die am nächsten Tag bei Tonga die Sonne aufgehen sahen, nämlich am 3. Februar. Nun waren wir der Zeit also wieder voraus. Anders gesagt: während die Uhren an Bord bisher jeden Tag eine Stunde zurück gedreht wurden, werden sie ab sofort (im Schnitt und je nach Routenverlauf) täglich eine Stunde vorgestellt.

Wie auch immer, spätestens nach vier Wochen auf See, verliert man jegliches Zeitgefühl und trotz TV-Programm, Nachrichten und Bordzeitung lebt man weit ab von jeglichem Geschehen in der realen Welt. Nach gut zwei Drittel der Seereise laufen wir schließlich in den Hafen von Madang auf Papua-Neuguinea ein.

Fliegen einmal anders

Angeboten werden zwei Tagestouren: einmal eine Bootsfahrt auf dem Sepik (besser Hände rein, Vorsicht Krokodile), die andere in das Hochland (1550 Meter) zu den Schlamm-Menschen von Goroka. Über einige diese indigenen Völker erzählt man sich, daß sie bis vor ein, zwei Jahrzehnten noch unvorstellbare Stammesriten bis hin zum Kannibalismus praktiziert hätten. Das wollte ich mir näher ansehen.

Der Ausflug ist recht teuer, da er auf wenige Teilnehmer begrenzt ist und nur mittels eines kleinen Flugzeuges stattfinden kann. An diesem Morgen hängen die Wolken sehr tief und die nur wenig entfernte Hügelkette scheint regelrecht zu dampfen. Umso angenehmer sind wir überrascht, als da auf der Piste ein schicker weißer Düsenjet steht. An seinem Heck befinden sich das rot-bunte Logo eines Tropenvogels und der Schriftzug „Air New Guinea“. Nach nur wenigen Metern heben wir ab, stoßen durch die Nebelschwaden und landen nach nur 12 Minuten auf dem „Goroka-Airport“. Die kleine Provinzhauptstadt zählt immerhin 19 000 Einwohner und die wenigen (Sand)Straßen wirken gepflegt. Gärten und Häuser tragen tatsächlich noch koloniale Züge. Kein Wunder, waren hier Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts doch die Holländer und Briten zugange und auch die Deutschen. Als Deutsch-Neuguinea war ab 1899 das von der deutschen Neuguinea-Kompagnie verwaltete kaiserliche Schutzgebiet in Ozeanien ein Teil des Deutschen Reiches. Zu Deutsch-Neuguinea gehörten außer Deutsch-Samoa alle im Südpazifik gelegenen deutschen Kolonien bzw. Schutzgebiete. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs endete die deutsche Verwaltung.

Ich kann es kaum glauben. Noch während wir im Bus Richtung „Tropenwald-Schlamm-Menschen“ sitzen, passieren wir eine ordentlich mit weißen Steinen abgesetzte Kreuzung, an der ein zierlicher Mann steht, der noch eine Gardemütze und eine rotblaue Uniformjacke mit goldenen Knöpfen des Kaiserreiches trägt. Fast stolz steht er etwas verlassen da. Ob diese Kleidungsstücke tatsächlich von seinen Vorfahren stammten? Der Versuch einer Unterhaltung mit ihm wäre sicher ein kulturelles Highlight gewesen.

Nun, die Schlamm-Krieger, das Volk der Asaro Mudmen, wirkte inzwischen ziemlich gezähmt, und sie leben offensichtlich vom Preisgeben ihres Dorflebens und dem Aufführen von Volks- und Stammestänzen. Besagte Mudmen leben im östlichen Hochland. Ihre Haut ist bei Zeremonien meist mit weißem Lehm bedeckt, auf dem Kopf sitzt eine tönerne Fratzenmaske und die Finger zieren spitze Bambusröhrchen. Mit diesem Furcht einflößenden Aussehen sollten die Feinde in die Flucht geschlagen werden. Die Frauen sind meist wohlproportioniert und einige der Kinder trugen an bunten Lederriemchen befestigte Lendenschurze und wurden mit jedem Bonbon „zutraulicher“. Wie schwer es diesen Völkern fallen wird, in den nächsten Jahren ihren Platz in der Weltgemeinschaft zu finden, vermag ich mir kaum auszumalen. Sie haben daher meine Bewunderung, wie sie um den Erhalt ihrer Kultur kämpfen bzw. den Spagat zwischen Tradition und Moderne zu schaffen versuchen.

Die ursprünglich 750 Volksgruppen der Papua haben sich völlig abgeschieden voneinander entwickelt, obwohl sie teils nur 50 Kilometer voneinander entfernt im nächsten Tal siedelten. Ebenso getrennt erfolgte ihre Sprachentwicklung. Aber die kleine Story wäre weniger berichtenswert, wäre da nicht der Rückweg zum Schiff gewesen. Punkt 16.00 Uhr sind wir wieder an der Landepiste von Goroka und warten, und warten, und warten. Hmm, um 18.00 Uhr soll unser Schiff ablegen. Gott sei Dank ist dies kein von uns privat gebuchter Ausflug, wie wir ihn auf Tahiti und Neuseeland organisiert hatten. Im Falle einer Verspätung legt das Schiff nämlich ohne uns ab und wir hätten das kostspielige Nachsehen, es einzuholen bzw. beim nächsten entfernten Halt wieder zuzusteigen. Hier stehen nun 20 Kreuzfahrtgäste und der örtliche Reiseleiter kommt ins Schwitzen. Als er schließlich vom kleinen Terminal zurückkehrt, informiert er uns, daß das einzige Flugzeug der Linie (mit dem wir heute früh gekommen waren) einen Defekt habe. Wie lange die Reparatur oder Nichtverfügbarkeit dauern würde, sei ungewiß. Rückfahrt mit dem Bus klingt logisch und nach einer Lösung. Dieses Unterfangen aber würde durch das Urwaldgebiet selbst bergab bei schlechten Straßenverhältnissen bis zu 12 Stunden dauern. Inzwischen ist gut eine Stunde vergangen, als wir plötzlich wummernden Propellerlärm vernehmen. Auf dem Rollfeld bewegt sich eine riesige Militärmaschine direkt auf uns zu.

Die große Heckklappe geht auf und zwei Soldaten deuten uns über die Rampe einzusteigen. Ähh? Das Innenleben des Flugzeuges besteht nur aus ein paar Kisten, Netzen und Haltegurten, von Sitzen keine Spur. Wir bekommen also die Anweisung, uns einfach rechts oder links auf den Boden zu setzen, nach Sicherheitsgurten fragen wir erst gar nicht. Schnell reicht man uns noch Kopfhörer als Gehörschutz; festhalten könne man sich an den Netzen. Die Heckklappe schließt sich und wir sitzen quasi im Dunklen, denn die Frachtmaschine hat gerade mal zwei winzige Bullaugen-Fenster. Wie pikierte Micky Mäuse hocken wir auf dem nackten Boden, als die Maschine auch schon die knatternden Propeller-Triebwerke anlässt. Wozu Kopfhörer gut sind, wissen wir spätestens jetzt. Sie startet und sie fliegt und ist in 15 Minuten wieder in Madang. Dennoch bleibt ein ungutes Gefühl, wenn man nicht sieht, was draußen vor sich geht. Fast komme ich mir vor wie ein Kriegsberichterstatter, der in letzter Sekunde ausgeflogen wird oder Entführern in die Hände gefallen ist. Was soll’s, jetzt weiß ich wenigstens, wie sich ein Flug mit einer Frachtmaschine ohne Ausstattung anfühlt, nämlich sehr rudimentär.

Noch ein Wort zur Tierwelt des Pazifiks. Insbesondere die Welt der Fische ist wirklich unglaublich schön. Zur Beobachtung braucht man nicht einmal eine Schnorchelausrüstung. Auf Bora-Bora genügt es, im flachen Wasser am Strand einfach stehen zu bleiben und schon nach wenigen Sekunden sind die Knöchel umschwärmt von etlichen bunten Fischlein. Gelbe, lilafarbene oder orangegestreifte wie „Nemo“. Man könnte stundenlang zusehen, einige scheinen sogar an den Hautschüppchen zu knabbern.

Fest steht, daß man nach sechs Wochen Kreuzfahrt mit Vollservice den Bezug zur realen Welt ziemlich verloren hat, um nicht zu sagen, man sich an die „Pestilenz des Alltags“ erst wieder schmerzlich gewöhnen muß.

In Singapur habe ich dann schließlich meine Brautschuhe gekauft. Eigentlich wollte ich dafür ja das Sparschweinchen einsetzen, das ich über 12 Monate hinweg mit Glückspfennigstücken gefüttert hatte; man kann halt nicht alles haben. Das Schweinchen hat dafür bis heute überlebt, und ich bin inzwischen 35 Jahre verheiratet.

Meine Tipps:

1. Telefonieren nach Europa ist in Französisch-Polynesien günstig, denn für das Übersee-Département gilt ein subventionierter EU-Tarif.

2. Vorsicht bei der Nutzung von öffentlichen Bussen auf Tahiti. So mancher entpuppt sich als Schulbus und bleibt über die Mittagszeit gerne mal drei Stunden abseits stehen. Besser vorher gezielt (in Französisch) nachfragen.

3. Sicher Bora-Bora mit seinen weißen Korallensandstränden, der schwarze Sand von Tahiti oder Bondy-Beach in der Bucht von Sidney sind Traumstrände wie man sie auch auf Mauritius, in der Karibik oder der Isla Mujeres im Golf von Mexiko findet. Aber der schönste Strand der Welt bleibt für mich die Bucht von „Beau Vallon“ auf den Seychellen.

Mittendrin statt nur dabei

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