Читать книгу Mittendrin statt nur dabei - Jantra Friedrich - Страница 8

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Auf dem Indischen Subkontinent


16.00 Uhr, kleine Teepause. Ich schaue aus dem Bürofenster über eine tropische Gartenanlage hinweg und sehe zwischen einigen Autos ein Kamel die staubige Ausfallstraße entlang traben. Täglich zieht es um diese Zeit, angetrieben von einem Fuhrmann, stoisch einen Wagen mit Gerümpel hinter sich her. Die Tochtergesellschaft der Pharmafirma, für die ich tätig bin, liegt etwas außerhalb von Karachi, das heute rund 15 Millionen Einwohner zählt. Beruflich bin ich bereits zum zweiten Mal für mehrere Tage in Pakistans größter Stadt.

Das Leben ist hier für Europäer Fluch und Segen zugleich. Einerseits genießt man gewisse Privilegien wie ein großes Haus mit Personal und Pool, andererseits ist die Hygiene- und Sicherheitslage stets kritisch. Als Transportmittel benutzt man daher ein starkes, teils gepanzertes Fahrzeug und ist stets von Wachpersonal umgeben. Bin ich hier auf Dienstreise, übernachte ich aus Sicherheitsgründen lieber im Haus des lokalen Geschäftsführers, weil es auf internationale Hotels immer wieder Anschläge mit Schußwechsel gibt. Das besagte Privatgebäude ist nach europäischen Maßstäben riesig. Vor allem aber ist es von einem gemauerten Sicherheitsring mit 24-Stunden-Wachdienst umgeben. Das Wachpersonal hält sich stets innerhalb und außerhalb des Hauses auf. Gleiches gilt natürlich auch für das Firmengelände.

Ich bin erst gegen 1.00 Uhr nachts mit Lufthansa gelandet, war nach Abholung gegen 2.30 Uhr im Bett, höre aber um 4.30 Uhr durch das geschlossene Fenster schon den Muezzin rufen. Wie immer war es eine kurze Nacht und als ich das Rollo meines Gästezimmers im ersten Stock hochziehe, dreht unter mir gerade ein bärtiger Typ in Armeekleidung und einer Art Kalaschnikow über der Schulter seine Runde. Alles wie immer. Um 8.30 Uhr geht es in Richtung Firma, da um 9.00 Uhr schon zehn Herren auf meinen Vortrag zum Thema „Value Based Management“ warten.

Trotz allem bin ich gerne hier, denn ich schätze neben dem schottischen Geschäftsführer die lokalen Mitarbeiter sehr und sie bringen mir als nicht-muslimische Frau den größtmöglichen Respekt entgegen. Nach der Arbeit wird auch mal ein sehr persönliches Wort über das Privatleben gewechselt und die Weltlage diskutiert.

Der Weiterflug auf die Philippinen sollte nicht so stressig werden, da dieser erst gegen 12.00 Uhr Mittag stattfindet. Aber bei Reisen innerhalb Asiens kann der Flug schon mal ein Abenteuer sein. Dabei ist es egal, ob man Touristen- oder Business-Class fliegt. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir besagter Flug mit PIA International, der nationalen Fluggesellschaft Pakistans, von Karachi nach Manila. Ich bin gewiss nicht ängstlich und habe schon so manches erlebt. Eine alternative Fluglinie gab es auf dieser Strecke seinerzeit ohnehin nicht.

Inschallah

Was ich meine? Nachdem mich eine charmante Hostess mit Schleier am Hütchen zu meinem Sitz in der geräumigen Business-Class geleitet und mir zum Erfrischungsgetränk den Menu-Plan zur Auswahl gereicht hatte, heißt es wie üblich „All doors in flight“ und die Maschine rollt über die holprige Piste langsam zur Startbahn. Das Anschnallzeichen leuchtet auf und normalerweise sitzt dann auch das Flugpersonal angegurtet auf seinen Plätzen. Ein Crewmitglied bleibt jedoch mit ausgebreiteten Armen unmittelbar vor mir stehen. Aus dem Lautsprecher meldet sich der Kapitän zu Wort. Er erklärt kurz die Flugroute und beendet seine Ansprache mit den Worten (übersetzt) „… und wenn Allah es will, werden wir gegen 17.00 Uhr Ortszeit sicher in Manila landen. Lasst uns beten“. Unvermittelt ertönt eine Koransure vom Band. Kaum ist diese verklungen, drückt er den Schubhebel durch und die Maschine rattert die endlos erscheinende Rollbahn des Jinnah International Airport entlang, bis sie endlich abhebt. Dabei ist das in die Jahre gekommene Inventar wie die Handgepäckfächer über den Köpfen der Passagiere derartigen Vibrationen ausgesetzt, daß sie von besagter Stewardess mit erhobenen Armen bzw. Händen rechts und links zugehalten werden müssen, weil die Schließriegel nicht mehr funktionieren. Die bildhübsche Stewardess hält während des gesamten Startvorganges mit einem leicht gequälten Lächeln durch, bis die Maschine in den Gleitflug geht. Dann eilt sie unvermittelt in Richtung Pantry-Küche, um routiniert mit dem Bordservice zu beginnen. Das Mittagessen war jedenfalls vorzüglich.

Wem immer sei Dank, daß auch diese Maschine schließlich heil und pünktlich in Manila gelandet ist. Manchmal haben „Home- office“ und „Videokonferenz“ eben auch etwas Gutes.

Nepal von unten

Bei einer privaten Nepalreise, die wir mit der Fluglinie Biman Bangladesh gebucht hatten, war das Fluggerät der Airline durchaus in Ordnung. Allerdings gab es nur eine Musikkassette an Bord, die über die gesamte Flugzeit von 12 Stunden rauf und runter lief. Wer sich unter dem immer gleichen, zumindest für europäische Ohren sehr gewöhnungsbedürftigen Gedudel ähnlich Gamelan und Bollywood etwas vorstellen kann, weiß, wovon ich spreche. Kurz vor einem gefühlten Nervenzusammenbruch endlich die Zwischenlandung in der Landeshauptstadt Dhaka. Eigentlich hätte der Flug zwei Stunden später nach Kathmandu weitergehen sollen, aber die einzig verfügbare Großraummaschine schien defekt und es steht nur eine kleinere Ersatzmaschine bereit. Bis wir das realisieren (scheint eher der Regelfall, als die Ausnahme), haben die mitreisenden indischen Geschäftsleute schon alle Plätze belegt und wir haben das Nachsehen.

Was jetzt? Kurzerhand nimmt das Airline-Personal den restlichen Passagieren mit Nachdruck einfach die Pässe ab, eine durchaus ungute Erfahrung. Anschließend werden wir für 24 Stunden in ein Airline-Hotel in die Mitte der Zehnmillionenstadt verfrachtet. Zwar haben wir keine Pässe mehr, nehmen aber dennoch die Chance war, diesen Teil der sogenannten Dritten Welt einmal für einen Nachmittag zu erleben. Also persönlich dahin zu schauen, wo die Nachrichtensender ansonsten nur von Überschwemmungen zur Monsunzeit, Hungersnöten und ausgebeuteten Textilarbeiterinnen berichten. Der Himmel ist bedeckt, die Luftfeuchtigkeit unangenehm hoch und die Teppichböden im Hotel scheinen trotz Klimaanlage stellenweise moderig und angeschimmelt.

Eine dreistündige Taxifahrt durch die City und der Blick aus unserem Fenster im 10. Stock bestätigen die Armut und Bedürftigkeit dieser Menschen. Abgesehen vom Präsidentenpalast aus rosa Sandstein und seinen gepflegten Gärten, die öffentlich zugänglich sind, wirken die überfüllten Straßen schmutzig-schwarz. Und ja, es gibt sie tatsächlich: Unfallopfer bzw. körperbehinderte Menschen ohne Unterkörper oder verkrüppelten Extremitäten, die sich einzig auf einer Art Rollbrett mitten im Verkehr fortbewegen und aufs Betteln angewiesen sind. Die näheren Umstände und Lebensweisen der Bangladescher wären ein Thema für sich und würden den Rahmen sprengen.

Unser Ziel bleibt Nepal bzw. Kathmandu, das rund eine Million Einwohner zählt. Obwohl wir mit einem Tag Verspätung in unserem Hotel eintreffen, werden wir herzlich mit Tee und Schnaps zur Nervenstärkung empfangen. Die Übernachtung im „Rara“ kostet gerade mal 9.- US-Dollar am Tag inklusive Frühstück. Die Steinböden werden täglich mit Essig geschrubbt und von der Dachterrasse aus haben wir einen grandiosen Blick auf den Himalaja bis hin zum König der Achttausender, dem Mount Everest. Der November ist einer der besten Reisemonate, da bei geringer Luftfeuchte gute Sichtverhältnisse herrschen. Nachts ist es auf 1400 Metern Höhe freilich empfindlich kalt und wir scherzen mit der Erkenntnis: Morgens um 9.00 Uhr Gefrierbrand, um 10.00 Uhr Sonnenbrand – so krass sind die Temperaturunterschiede. Will heißen, den „Morning-Tea“ kann man auf der Terrasse bei 7 Grad nicht ohne Anorak nehmen, das folgende Frühstücksei bei Sonnenschein dann bereits im T-Shirt bei 18 Grad.

Zwar ziehen die Achttausender Bergsteiger magisch an, wir aber begnügen uns im Hinblick auf die begrenzten Kletterkenntnisse mit dem Blick auf die weißen Gipfel und wollen Nepal lieber vom Boden aus entdecken.

Dafür haben wir einen privaten englischsprachigen Fahrer samt Auto gemietet, der uns die nächsten acht Tage durch das Land zu bestimmten Highlights fahren soll. Wie zum Beispiel zu den Leichenverbrennungen im Pashupatinath oder zum Dakhshinkali Tempel, wo täglich hunderte von Tieropfer-Zeremonien stattfinden. Hier rinnt das Blut nur so durch die Abflußrinnen. Vor allem aber wollen wir bis an die indische Grenze zum Chitwan-National Park gelangen, der sich über rund 1000 Quadratkilometer erstreckt. Die Fahrt dorthin dauert bis in den Nachmittag und auf abenteuerlicher Strecke konkurrieren wir mit bunten Überlandbussen und vollgepackten Lastwagen. Manche sind so überladen, daß die Restware in einem Netz noch hinten heraushängt. Das kann auch mal ein ganzes (lebendes) Rind sein. Die Straßenqualität tut ein Übriges, und wir sind froh, ohne Reifenschaden an Ort und Stelle zu sein. Am Eingang des Nationalparks, einer Rangerhütte, steigen wir aus, denn nun wird unser Gepäck auf bereitstehende Elefanten verladen. Hinüber zum Camp gibt es keine Straße, der Weg führt einzig über den Fluß. Unser Fahrer bleibt dort für die nächsten zwei Tage zurück. So schaukeln wir denn auf dem Rücken eines Dickhäuters ans andere Ufer. Dort stehen Helfer bereit, die unsere Taschen weiter zu einer Sammelstelle schaffen, die offensichtlich Camp-Mittelpunkt und Openair-Restaurant zugleich ist.

Gebucht haben wir zwei Übernachtungen mit unterschiedlichem Ambiente. Wir entscheiden uns spontan dafür, zunächst die Primitivere im Dschungel-Camp zu nehmen und am Folgetag diejenige in der Bambushütte mit Dusche. Nach dem Abendessen in internationaler Gesellschaft ist es bereits dämmrig und ein Guide macht sich mit uns auf den knapp einen Kilometer langen Weg zum „Hängematten-Resort“.

Unterwegs begegnet uns diverses Rotwild, weil diese Zone einmal zum königlichen Jagdrevier gehörte. Als wir schließlich ankommen, brennt bereits ein großes Lagerfeuer und wir empfinden das Zeltdach über den Schlafpritschen ganz Safari-Like. Ansonsten kein menschliches Geräusch, nur der Urwald läßt uns aufhorchen. Ich blicke in das große Rund, um das zehn weitere Zeltdächer platziert sind. Auf meine Frage, wann denn die anderen Gäste kommen würden, meint der Guide schmunzelnd:“Gestern waren hier noch 20 Japaner, heute sind wir ganz alleine.“ Okay, auch gut, aber mit alleine meinte er wirklich alleine. Schon zehn Minuten später wünschte er uns eine gute Nacht und verschwand im Dunkeln. Das Feuer würde bis in die Morgendämmerung brennen und sollte ungebetene Gäste aller Art abschrecken.

Wohl wissend, dass es in diesem Gebiet wild lebende Nashörner und sogar Tiger gibt, wird uns gerade etwas mulmig. Aber gut, wir wollten es ja so. Noch lange lauschen wir in die Nacht und versuchen jedes Knacken zu definieren. Es ist schon hell, als wir erwachen und die Reste des Feuers nur noch vor sich hin schwelen.

Unser Guide ist schon dabei, das Frühstück für uns zu machen. Was zunächst wie eine Suppe mit Eieinlage, um nicht zu sagen wie Spermafäden aussieht, entpuppt sich als undefinierbare (Tofu?)Masse. Lieber nicht. Stattdessen bevorzugen wir Kekse und Tee. Ohne möglicherweise verdorbenen Magen starten wir zur Elefantensafari, genauer gesagt zur Nashorn-Sichtung.

Mehrere Jumbos stehen bzw. sitzen schon bereit, jeweils mit Sitzkörben rechts und links auf Genickhöhe ausgestattet. Als der Mahut das Zeichen zum Aufbruch gibt und mein Reittier beim ausladenden Aufstehen kräftig mit den Ohren wedelt, berühren sie mit Schwung gar meine Knie.

Das Schutzgebiet ist eines der wenigen, wo noch Panzernashörner leben. Schätzungsweise 500 bis 600 Exemplare sollen hier geschützt leben, und tatsächlich brauchen wir nicht lange zu suchen. Zu Fuß, ohne den erhöhten Ausblick, wären wir in dem unwegsamen dichtbewachsenen Waldgelände chancenlos. Zudem können diese Kolosse recht schnell laufen, dabei wiegen sie bis zu zweieinhalb Tonnen. Unnötig zu erwähnen, wie gefährlich sie im Angriffsfall für den Menschen sein können. Im Grün raschelt es und kurz darauf kommt Bewegung in eine ganze Gruppe von Rhinozerossen. Elefant und Rhino respektieren sich gegenseitig und so traben sie nun gut sichtbar ziemlich gelassen vor uns her. Deutlich kann man jetzt die auf Rücken und Schultern verteilten Plattenpanzer sehen. Die Gruppe biegt unvermittelt ab und bald darauf stoßen wir auf ein Muttertier mit seinem Kalb. Hier ist doppelte Vorsicht geboten. Wir bleiben etwas zurück, um nicht zu stören.

Letztendlich steht diese Spezies nur deshalb auf der Liste gefährdeter Tierarten, weil es immer noch Menschen gibt, die sich von dem aus Keratin bestehenden Horn (in granulierter Form) laut TCM/Traditioneller Chinesischer Medizin) eine Potenzförderung versprechen. Was für ein Nonsens.

Einmal steigt unser Mahut ab und deutet auf Tatzenspuren im Sandboden um eine Pfütze. In der Tat Tigerspuren. Den König des Dschungels haben wir aber leider nicht zu Gesicht bekommen.

Nach einer Tour im Einbaumkanu kehren wir am späten Nachmittag zurück in das Camp und beziehen, vorbei an einer handtellergroßen, im Netz hängenden fleischigen Spinne, unsere Bambus-Doppelhütte. In diesen Breiten wird es schnell dunkel und kaum haben unsere schon vorausgegangenen Hüttennachbarn das Schlafzimmer betreten, ertönt ein gellender Schrei. Während ich lausche, setzte ich mich aufs Bett und halte inne. Da wölbt sich etwas Rundes unter der Bettdecke, daß sich seltsam weich anfühlt. Mein Mann greift die Taschenlampe und ich reiße in Erwartung einer Schlange am langen Arm mutig die Bettdecke zurück. Da liegt eine … Wärmflasche. Was für eine schöne Geste, aber wer denkt denn an so etwas. Ohne die zu Recht erschrockene Frau Nachbarin, wäre es mir sicher ebenso gegangen. Nun aber müssen wir herzlich lachen. Geschlafen haben wir jedenfalls hervorragend.

Meine Tipps:

1. Einzelvisa von Nepal nach Tibet sind so gut wie nie zu bekommen. Die Tour zum Basislager des Mount Everest mußte also entfallen. Ein kleiner Ersatz bei schönem Wetter ist jedoch ein Himalaja-Rundflug. Hier kommt man der Kette der Achtausender sehr nahe. Gute Sicht ist garantiert, denn es werden nur Fensterplätze vergeben.

2. Die Nepalesen sind sehr geschickte Handwerker und Schneider. Fast über Nacht fertigen sie ganze Maßanzüge zu kleinem Preis. Lassen Sie sich von den etwas finster und schmuddelig anmutenden Werkstätten und der archaischen Stromversorgung nicht abschrecken. Da hängt ein Bügeleisen schon mal an zwei zusammengeknoteten Drähten, von Ummantelung des Kabels keine Spur. Mein Mann ließ sich einen hell-beigen Gehrock anfertigen, der ohne Flecken ausgehändigt wurde. Alles Handarbeit.

3. Unser privater Fahrer war stets pünktlich und zuverlässig an jedem vereinbarten Treffpunkt und sein Auto gut gepflegt. Überdies sprach er passabel Englisch, war hinsichtlich unserer Wünsche stets flexibel und auch anderen Personen gegenüber hilfsbereit. Ich kann diese Art des individuellen Transports und der Reisebegleitung nur empfehlen, da man sich so ganz auf das Ambiente konzentrieren kann und extrem viel über Land und Leute erfährt.

Mittendrin statt nur dabei

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