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Im noblen Restaurant

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Wir kamen eine halbe Stunde zu spät, auf der Promenade zu Tony gab es neue Informationen zu verarbeiten, nicht nur an Baumstämmen, sondern auch im Erleben wahrhaftiger Begegnung mit Hunden und dem Mensch.

Steve hatte bereits den Ober gefragt, wie lange man so auf die Dame mit Hündchen warten müsse. „Na ja, eine halbe Stunde könnte es dauern, ist die Strecke länger als üblich“, beruhigte er ihn. Ich bedankte mich dafür. beim Ober. „Ich bin in Gera geboren“, lautete sein erster Satz. Ich dachte sofort an meinen Vater. „Mein Vater hatte in Gera seine Jugend verbracht, seine Stiefmutter war dort geboren.“ „Ja, waren Sie denn mal da?“ „Kein einziges Mal bisher. Mein Früherer, ihr sagt Bekannter, stammt aus Jena. Da kauften wir seine Standardjeans, ich habe von Jena nur ein Kaufhaus gesehen.“ „Ja, Gera ist ne halbe Autostunde von Jena entfernt.“ „Er wäre keinen Umweg für mich gefahren oder hätte angehalten, selbst wenn mir

die Blase geplatzt wäre.“ „So sind Sie auf den Hund gekommen?“ „Nicht ganz, ein bissl.“ „Es hört sich bayrisch an. Ich muss heute Nacht mit dem ICC nach Ulm fahren, neuer Auftrag. Baupläne abliefern und besprechen.“ Der Ober machte darauf aufmerksam, dass an Nachbars Tisch ein anderer kleiner Hund saß und ich die Leine über die Stuhllehne legen sollte, damit sie sich nicht selbständig mache. Bonny zeigte mehr Interesse für Steve als für den anderen Hund. Sie lag wie auf der Lauer direkt unter seinem Stuhl und nahm alles wahr, was hier nun geschah.

Als wir uns mit den Speisekarten gegenüber saßen, konzentrierte ich mich auf die Weinkarten, die offenen Weine im 0,3 l Glas vor den Flaschen und Steve auf Fischspezialitäten des Atlantik. Ich entschied mich für Risotto a la casa, ein Sahne-Curry-Gemüse Risotto, das ich im Schaukasten vor der Eingangstür erpicht hatte und einen Rosé. Es war meine Unsicherheit.

Steve wählte den Atlantik-Fisch, der vom Ober am Tisch entgrätet wurde, was ich vorher nicht wusste. Sonst hätte ich mich auch über Fisch gefreut, der zart und saftig aussah, schneeweiß, als er enthüllt war. Der Ober hatte zwei Fische geholt, weil er mein Risotto als kleine Vorspeise betrachtete. Ich traute mich nicht zu sagen, dass ich jetzt auch Fisch essen möchte, als er lachte, dass er ihn selbst essen würde. „Leben Sie von Vorspeise sowie Nachtisch?“ „Wie es kommt, ab und zu gibt’ s größere Zwischenmahlzeit.“ „Alles andere isst Ihre Hündin mit?“ Bonny gab mir zu verstehen, dass sie ihn mag, was ich nicht gleich merkte, da ich einfach zu aufgeregt war und mich auf Steve und das Essen konzentrierte. Sie war unsichtbar geworden

unter seiner Sitzfläche. Er erzählte von seinem Berner Sennen, der ihm mal die Jacke zerrissen hatte in einer stürmischen Begrüßung, und dass

er ihn in keine Restaurants mitnehmen konnte.

Er hatte Zimmermann gelernt in Gera sowie sein Vater. Ich musste dabei an Jesus Chr. denken. Schon während dieses Telefonats fragte er mich in überraschender Weise: „Glauben Sie an Gott?“

Ich reagiere äußerst empfindsam auf jede Art von Ketzerei und Zynismus in diesem Sinn und fragte ihn: „Glauben Sie an Gott?“ Er besaß eine sehr direkte Art. Ich wollte heraus finden, wie ich seine Frage verstehen sollte. War es eine Provokation, Fangfrage, Satire und Spaß? Nach kurzer Pause, in der er tief Luft holte, antwortete er im Brustton der Überzeugung: „Jah,

ich glaube an Gott!“ Jetzt wusste ich, schon im Wechsel des Tonfalls zum Vorangegangenen, dass es ehrlich gemeint war. Ich fühlte mich wie klein beigegeben, als ich sagte: „Jah, ich glaube auch an Gott!“ Es war wie die Gegenwärtigkeit, die mich daran erinnern sollte, am Punkt angekommen, der sich in unteren Gefilden befand. Ich war voller Angst, alles wird gut.

Davor hatte er geflunkert, sonst wäre er nicht an mich heran gekommen. Es ärgerte ihn, dass er vor einer verschlossenen Tür stand. Was sagte mir ein befreundeter Kollege? „Herzelein, merke dir ein für allemal. Es gibt keine verschlossenen Türen, es gibt einfach nur geschlossene Türen. Ich bringe dir jetzt einmal bei, wie man so jede Tür aus den Angeln nimmt.“

„Was kennen Sie sonst aus dem Ostgebiet?“ „Rügen.“ Er musste herzlich lachen. „Ja, Rügen?“ „Na, auch Brandenburg natürlich.“ Wir kamen dem Thema unseres Zusammentreffens näher.

„Im Telefonbuch stand eine Nummer unter meinem Namen für Zepernick, also Kreis Barnim. Ich wohne da nicht mehr, sondern im Prenzlauer Berg.“ Ich nickte stumm und schaute schuldbewusst wie fragend zu ihm hinüber. „Sie versuchten, mich dort in zeitlichen Abständen zu erreichen?“ Ich hob und senkte ausdrucksstark meinen Kopf wie in einem Ja-ha. „Ich bin dort nicht mehr.“ Er hatte seit einer letzten Begegnung etwas verursacht, dass ich ihn wieder sprechen wollte. Doch meldete sich ein anderer Name, der mich irritierte. In Muschelhöhe des Hörers kam mal ein zirka vierjähriges Mädchen zu Wort: „Mama?“ Spontan war es, als hätte es mir die Sprache verschlagen. Ich versuchte es erneut. Aber wen ich sprechen wollte, jener hob nicht ab. Jetzt war mir das klar. Im Prinzip ging dies Missverständnis auch von ihm aus. Wie sollte ich auf die Idee kommen, dass ein Mann mit Kindern nicht mehr zuhause wohnt, den Kindern hatte er ein Haus gebaut.

Er war beruflich eingespannt, wohnte nicht bei der Mutter der Kinder, ein

Bauingenieur, der deutschlandweit baute und oft woanders schlief, über Nacht musste er nach Süddeutschland im ICC-Zug. Dafür sind die Foto-Handys entstanden: „Schau’ mal Lukas, dein Papa will dir „Gute Nacht“ sagen.“ Jetzt aßen wir im Südosten von Berlin. Danach musste er in den Nordwesten, einen Freund im Krankenhaus besuchen, immer auf Achse sozusagen. Bonny lauschte in heller Wachsamkeit, sie verstand zwar die Worte nicht, nahm aber unsere Stimmen mit Tonlage wahr. Steve nannte unsere Verbindung mystisch. Sie wurde wie unsichtbar gelenkt von dem ersten Moment, dem Tag der Wohnungsübergabe, als er sich mit seinem kräftigem Händedruck verabschiedete: „Alles Gute für Sie, Frau S.!“ Er schaute mir forsch in die Augen, und ich verlor kurz mein Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, hielt er meine Hand immer noch fest. Dabei

lachte er und fing mich auf. Zum Glück, sonst wäre ich rücklings in das französische Fenster gefallen. Es war zweieinhalb Jahre her. Steve ging zum Klo und ergriff im Vorübergehen meine Stuhllehne, dass ich genau solch innere Kraft merkte wie am Tag der Wohnungsübergabe, ein Licht ging von ihm aus. Als er wieder Platz nahm, fädelte er überraschend ein Thema ein, es mir nicht. Steve provozierte gern. „Na, dann erben Sie ja

ein Haus?“ Er lehnte sich zurück. „Nein!“, war meine Antwort. „Nein? Ach ja, Sie sprachen bei jenem Foto, das ich von Ihnen habe, von Ihrer Zwillingsschwester.“ „Das ist Wahlverwandtschaft.“ Er verstand sofort, ohne es von Goethe gelesen zu haben. „Tja, wenn Ihre Mutter in einem Haus in Bayern lebt?“„Trotzdem werde ich kein Haus erben.“ Steve im

Inbegriff der Provokation, er wusste nichts von meinen älteren Brüdern:

„Nein, ist Familie nicht wichtig?“ „Nein“, antwortete ich kurz, wie jetzt

ist Schluss. Ich hatte dabei das Gefühl, dass er mehr wusste, als er sagte.

Kraus-Falten lagen auf seiner Stirn, als ich abrupt das Thema wechselte:

„Was für ein schöner Abend! Wie schade, dass er zu Ende gehen muss!“

Mein Weinglas war zu einem Drittel voll. Ich schaffte es nicht, Alkohol schnell auszutrinken, auch nicht zum Essen. Steve rief den Kellner und bestellte zwei Espresso. Der Kellner brachte sie mit der Rechnung, die

er mir hinlegte. Steve gluckste, zog die Visa-Karte und unterschrieb sie.

Dann sprang er auf, suchte an der Garderobe meine Jacke, warf sie mir über, und ich schlüpfte hinein. Er war echter Gentleman ohne Schleim,

kein Spießer-Typ. Ich mochte ihn mehr, als ich mir eingestehen konnte.

Kein Jeanstyp, kein Anzugtyp, auch sein Outfit hatte individuellen Stil,

was man seltener sah. Bonny ging voraus, im typischen Watschelgang, gleich eines Panda-Bär, als wollte sie vor ihm kokettieren. Sie hatte die Atmosphäre und Anspannung bemerkt. Ich sagte, auf Wiedersehen und hoffte im Stillen ein Wiederhören. In drei Wochen hatte ich Geburtstag.

„Ja, die ist aber schön!“ Sie steckte dieses dicke Kompliment weg. Alle meine Tiere fielen durch besonderes Aussehen auf, vorher war das eine Katze, eine gesprenkelte, getigerte Perser-Katze mit weißem Mäulchen.

Die Zwergkaninchen, eine Braune und ihr weißer Junge mit viel Braun.

Bildschön, dass sie Tierärzten auffielen: „Hast du ein hübsches Gesicht!“

Steve eilte zum blauen Caravan und kramte in dem Handschuhfach nach einer Visitenkarte. Im Zweifel, ob ich sie annehmen sollte, steckte er sie

mir mit einem Lächeln schnell zu. „Aber ja doch!“ Ich blieb stehen, und Bonny mit erhobener Nase. Wir sahen dem Auto noch lange nach. Als er außer Sichtweite war, setzten wir unseren Weg fort zu diesem Haus, das von ihm erbaut worden war. Bonny hatte es sich ausgesucht oder geahnt, was für ein geheimer Zauber von ihm ausging. Im Aberglauben heißt es:

„Man sieht sich oft zweimal im Leben.“ Unser Wiedersehen blieb offen.

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