Читать книгу Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk - Ярослав Гашек, Ярослав Гашек, Jaroslav Hasek - Страница 21
Schwejk als Offiziersdiener bei Oberleutnant Lukasch
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Schwejks Glück sollte nicht lange währen. Das unerbittliche Schicksal zerriß das freundschaftliche Verhältnis zwischen ihm und dem Feldkuraten. War der Feldkurat bis zu dieser Begebenheit eine sympathische Gestalt, so ist das, was er jetzt tat, geeignet, ihm die sympathische Maske vom Gesicht zu reißen. Der Feldkurat verkaufte Schwejk an Oberleutnant Lukasch oder, besser gesagt, er verspielte ihn beim Kartenspiel. So hat man früher in Rußland die Leibeigenen verkauft. Es kam so unverhofft. In einer netten Gesellschaft bei Oberleutnant Lukasch spielte man »Einundzwanzig«.
Der Feldkurat verspielte alles, und zu guter Letzt sagte er: »Wieviel borgen Sie mir auf meinen Burschen? Ein kolossaler Trottel und eine interessante Figur, etwas Nonplusultra. So einen Burschen hat noch niemand gehabt.«
»Ich borg dir hundert Kronen«, machte sich Oberleutnant Lukasch erbötig, »wenn ich sie bis übermorgen nicht bekomme, schickst du mir diese Rarität. Mein Putzfleck ist ein ekelhafter Mensch. Fortwährend seufzt er, schreibt nach Hause Briefe, und dabei stiehlt er, was ihm unter die Hand kommt. Ich hab ihn schon geschlagen, aber es nützt nichts. Ich ohrfeige ihn, sooft ich ihn sehe, aber es hilft nichts. Ich hab ihm ein paar Vorderzähne herausgehaut, aber der Kerl bessert sich nicht.«
»Also es gilt«, sagte der Feldkurat leichtsinnig, »entweder übermorgen hundert Kronen oder den Schwejk.«
Er verlor auch die hundert Kronen und ging traurig nach Hause. Er wußte bestimmt und zweifelte in keiner Weise daran, daß er bis übermorgen die hundert Kronen nicht auftreiben werde und Schwejk eigentlich elend und miserabel verkauft hatte.
Ich hätt mir um zweihundert Kronen sagen solln, sagte er sich ärgerlich, aber als er in den »Einser« der elektrischen Straßenbahn stieg, die ihn binnen kurzem nach Hause bringen sollte, wurde er von Sentimentalität und Vorwürfen befallen.
Es ist nicht hübsch von mir, dachte er, als er an der Tür seiner Wohnung klingelte, wie werde ich in seine dummen, gutmütigen Augen blicken können.
»Lieber Schwejk«, sagte er, als er zu Hause war, »heute hat sich etwas Ungewöhnliches ereignet. Ich hab ein schreckliches Pech im Kartenspiel gehabt. Ich hab alles hopgenommen und das As in der Hand gehabt, dann ist ein Zehner gekommen, und der Bankhalter hat den Buben in der Hand gehabt und hats auch auf einundzwanzig gebracht. Ich hab paarmal aufs As oder den Zehner gezogen, und immer hab ich das gleiche Blatt wie der Bankhalter gehabt. Ich hab alles Geld verspielt.«
Er verstummte.
»Und zum Schluß hab ich Sie verspielt. Ich hab mir auf Sie hundert Kronen ausgeborgt, und wenn ich sie bis übermorgen nicht zurückgebe, werden Sie nicht mehr mir, sondern Oberleutnant Lukasch gehören. Mir tut es wirklich leid …«
»Hundert Kronen hab ich noch«, sagte Schwejk, »ich kann sie Ihnen borgen.«
»Geben Sie her«, sagte der Feldkurat neu belebt, »ich trag sie gleich zu Lukasch. Ich möcht mich wirklich ungern von Ihnen trennen.«
Lukasch war sehr überrascht, als er den Feldkuraten abermals erblickte.
»Ich komm dir die Schuld bezahlen«, sagte der Feldkurat, siegesbewußt umherblickend, »laßt mich mitspielen.«
»Hop«, ließ sich der Feldkurat vernehmen, als die Reihe an ihn kam. »Um ein Aug«, rief er aus, »ich hab zuviel gezogen.«
»Also hop«, sagte er bei der zweiten Runde, »hop … blind.«
»Zwanzig nimmt«, verkündete der Bankier.
»Ich hab ganze neunzehn«, sagte der Feldkurat leise, während er die letzten vierzig Kronen von dem Hunderter in die Bank legte, den Schwejk ihm geborgt hatte, um sich von der neuen Leibeigenschaft loszukaufen.
Auf dem Heimwege gelangte der Feldkurat zu der Überzeugung, daß Schluß sei, daß nichts mehr Schwejk retten könne und daß es Schwejks Verhängnis sei, bei Oberleutnant Lukasch dienen zu müssen.
Und als Schwejk öffnete, sagte er ihm: »Alles vergeblich, Schwejk. Dem Schicksal kann niemand entrinnen. Ich hab Sie samt Ihren hundert Kronen verspielt. Ich hab alles getan, was in meiner Macht stand, aber das Schicksal ist stärker als ich. Es hat Sie Oberleutnant Lukasch in die Klauen geworfen, und wir müssen Abschied nehmen.«
»Und war viel in der Bank?« fragte Schwejk ruhig, »oder ham Sie selbst Vorhand gehabt? Wenn die Karte schlecht fällt, is es sehr schlecht, aber manchmal is es ein Malör, wenns gar zu gut geht. Am Zderaz hat ein gewisser Klempner Wejwoda gelebt, und der hat immer Mariage in einem Wirtshaus hinter dem ›Hundertjährigen Kaffeehaus‹ gespielt. Einmal, der Teufel hats ihm eingeblasen, sagt er auch: ›Wie wärs, wenn wir Einundzwanzig um ein Fünferl schmeißen möchten.‹ Sie ham also Einundzwanzig um ein Fünferl gespielt, und er hat die Bank gehalten. Alle sind trop geworden, und so is es bis auf einen Zehner angewachsen. Der alte Wejwoda wollt auch den andern was gönnen und hat immerfort gesagt: ›Die Kleine zieht.‹ Sie können sich aber nicht vorstelln, was für ein Pech er gehabt hat. Die Kleine is nicht und nicht gekommen, die Bank is gewachsen, und es war schon ein Hunderter drin. Von den Spielern hat niemand so viel gehabt, daß ers hätt hopnehmen können, und der Wejwoda war schon ganz verschwitzt. Man hat nichts anderes gehört als: ›Die Kleine zieht‹, sie ham zu fünft gesetzt und sind alle hineingefallen. Ein Schornsteinfegermeister hat Wut gekriegt, is sich nach Haus um Geld gegangen, wie schon über anderthalb Hundert drin war, und hats hopgenommen. Der Wejwoda wollts los sein, und wie er später gesagt hat, wollt er sogar bis dreißig ziehn, nur damit ers nicht gewinnt, und hat derweil zwei As gekriegt. Er hat gemacht, wie wenn nichts, und hat absichtlich gesagt: ›Sechzehn nimmt‹, und der Schornsteinfeger hat alles in allem fünfzehn gehabt. Is das nicht Pech? Der alte Wejwoda war ganz blaß und unglücklich, ringsherum hat man schon geschimpft und geflüstert, daß er schwindelt, daß er schon einmal wegen Falschspielen Dresch bekommen hat, obzwar er der ehrlichste Spieler war, und alle ham eine Krone nach der andern geblecht. Es waren schon fünfhundert Kronen drin. Der Wirt hats nicht ausgehalten. Er hat grad Geld fürs Bräuhaus vorbereitet gehabt, so hat ers genommen, hat sich zu ihnen gesetzt, hat zuerst zu zwei Hunderten hineingesteckt, dann hat er die Augen zugemacht, den Sessel umgedreht, damits ihm Glück bringt, und hat gesagt, daß er das alles, was in der Bank is, hopnimmt. ›Wir spieln mit offenen Karten‹, hat er gesagt. Der alte Wejwoda hätt, ich weiß nicht was, dafür gegeben, daß er jetzt verliert. Alle ham sich gewundert, wie er aufgedeckt hat und sich ein Siebner gezeigt hat und er sich ihn gelassen hat. Der Wirt hat sich in den Bart gelacht, weil er einundzwanzig gehabt hat. Der alte Wejwoda hat einen zweiten Siebner gekriegt und hat sich ihn auch gelassen. Jetzt kommt ein As oder ein Zehner‹, hat der Wirt giftig gesagt, ›ich wett meinen Hals, Herr Wejwoda, daß Sie trop sein wern.‹ Es war unglaublich still. Wejwoda deckt auf, und der dritte Siebner zeigt sich. Der Wirt is bleich wie Kreide worden, es war sein letztes Geld, is in die Küche gegangen, und in einer Weile kommt der Junge gelaufen, was bei ihm gelernt hat, wir solln den Herrn Wirt abschneiden kommen, daß er herich an der Klinke am Fenster hängt. Wir ham ihn also abgeschnitten, zu sich gebracht, und man hat weitergespielt. Niemand hat mehr Geld gehabt, alles war in der Bank vorm Wejwoda, der nur gesagt hat: ›Die Kleine zieht‹ und um alles in der Welt nur trop sein wollt, aber weil er seine Karten umdrehn und aufn Tisch hat legen müssen, hat er keinen Betrug machen und nicht absichtlich zuviel ziehn können. Alle waren schon ganz blöd von seinem Glück und ham beschlossen, daß sie, weil sie schon kein Geld mehr gehabt ham, Schuldverschreibungen geben wern. Es dauerte mehrere Stunden, und vor Wejwoda wuchsen Tausende und Tausende. Der Schornsteinfegermeister war der Bank schon über anderthalb Millionen schuldig, der Kohlenmann vom Zderaz ungefähr eine Million, der Hausmeister aus dem ›Hundertjährigen Kaffeehaus‹ achthunderttausend Kronen, ein Mediziner über zwei Millionen. In der Geldschüssel allein waren über dreihunderttausend auf lauter Papierschnitzeln. Der alte Wejwoda hats verschieden probiert. Er is fort aufn Abort gegangen und hats Blatt immer einem andern gegeben, daß ers für ihn nimmt, und wenn er zurückgekommen is, hat der ihm gemeldet, daß er gewonnen hat, daß er einundzwanzig gezogen hat. Sie ham um neue Karten geschickt, und es hat wieder nichts genützt. Wenn der Wejwoda auf fünfzehn stehngeblieben is, so hat der andere vierzehn gehabt. Alle ham den alten Wejwoda wütend angeschaut, und am meisten hat ein Pflasterer geschimpft, der alles in allem bare acht Kronen hineingegeben hat. Der hat offen erklärt, daß so ein Mensch, wie der Wejwoda, nicht in der Welt herumlaufen sollt und daß man ihn verdreschen, herauswerfen und wie einen jungen Hund ersäufen sollt. Sie können sich nicht die Verzweiflung vom alten Wejwoda vorstelln. Schließlich is er auf einen Einfall gekommen. ›Ich geh aufn Abort‹, sagt er zum Schornsteinfeger, ›nehmen Sie für mich, Herr Meister.‹ Und nur so, ohne Hut, is er auf die Gasse gelaufen, direkt in die Myslikgasse um die Polizei. Er hat eine Patrouille gefunden und hat ihr angezeigt, daß man in dem und dem Gasthaus Hasard spielt. Die Polizisten ham ihn aufgefordert, er soll vorausgehn, daß sie ihm gleich nachkommen. Er is also zurückgekommen, und man hat ihm gemeldet, daß der Mediziner indessen über zwei Millionen verspielt hat und der Hausmeister über drei. Und daß sie in die Bank eine Gutschrift auf fünfhunderttausend Kronen gegeben ham. In einer Weile sind die Polizisten hineingestürzt, der Pflasterer hat aufgeschrien: ›Rette sich, wer kann!‹, aber es hat nichts genützt. Sie ham die Bank beschlagnahmt und alle auf die Polizei geführt. Der Kohlenmann von Zderaz hat sich widersetzt, so hat man ihn in der Gemeindetruhe hingeschafft. In der Bank war in Schuldverschreibungen über eine halbe Milliarde und an barem Geld fünfzehnhundert.
›So was hab ich noch nie gefressen‹, hat der Polizeiinspektor gesagt, wie er diese schwindelhaften Summen gesehen hat, ›das da is ärger als in Monte Carlo.‹
Alle, bis auf den alten Wejwoda, sind bis früh dort geblieben. Den Wejwoda als Angeber ham sie freigelassen und ham ihm versprochen, daß er ein gesetzliches Drittel als Belohnung für die beschlagnahmte Bank kriegen wird, ungefähr über hundertsechzig Millionen, er is aber bis früh davon verrückt geworn, is in Prag herumgegangen und hat feuerfeste Kassen aufs Dutzend bestellt. Das nennt man Glück in den Karten.«
Dann kochte Schwejk Grog, und die Szene endete damit, daß der Feldkurat, als es Schwejk in der Nacht gelang, ihn mit Anstrengung ins Bett zu schaffen, Tränen vergoß und weinte.
»Ich hab dich verkauft, Kamerad, schändlich verkauft, verfluch mich, prügel mich, ich halte still. Ich hab dich den Bestien vorgeworfen. Ich kann dir nicht in die Augen schauen. Kratz mich, beiß mich, bring mich um. Ich verdien nichts Besseres. Weißt du, was ich bin?«
Und der Feldkurat, das verweinte Gesicht in die Kissen pressend, sagte leise, mit zarter, weicher Stimme: »Ich bin ein charakterloser Schuft«, und schlief ein, als hätte man ihn ins Wasser geworfen.
Am nächsten Tag ging der Feldkurat, Schwejks Blicken ausweichend, zeitig früh fort und kehrte erst in der Nacht mit einem dicken Infanteristen zurück.
»Zeigen Sie ihm, Schwejk«, sagte er, wiederum Schwejks Blicken ausweichend, »wo was liegt, damit er orientiert ist, und bringen Sie ihm bei, wie man Grog kocht. Früh melden Sie sich bei Oberleutnant Lukasch.«
Schwejk und der neue Mann verbrachten die Nacht angenehm mit dem Kochen von Grog. Gegen früh konnte sich der dicke Infanterist kaum auf den Füßen halten und summte nur ein merkwürdiges Durcheinander von verschiedenen Nationalliedern vor sich hin, die er miteinander vermengte: »An Chodow vorbei fließt ein Wässerlein, meine Liebste schenkt dort rotes Bier, Berg, Berg, wie bist du hoch, Jungfern gingen übern Steg, am Weißen Berge ackert der Bauer.«
»Um dich hab ich keine Angst«, sagte Schwejk, »mit so einer Begabung wirst du dich beim Feldkuraten halten.«
So geschah es, daß an diesem Vormittag Oberleutnant Lukasch zum erstenmal das ehrliche und aufrichtige Gesicht des braven Soldaten Schwejk erblickte, der ihm meldete: »Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, ich bin der Schwejk, den, was der Herr Feldkurat in den Karten verspielt hat.«
II
Die Institution der Offiziersdiener ist uralten Ursprungs. Es scheint, daß schon Alexander von Mazedonien seinen »Putzfleck« hatte. Sicher jedoch ist, daß zur Zeit des Feudalismus die Söldner der Ritter diese Rolle spielten. Was war der Sancho Pansa des Don Quijote? Es wundert mich, daß die Geschichte der Offiziersdiener bisher nicht geschrieben wurde. Sie würde uns darüber aufklären, daß der Herzog von Almavira seinen Soldatendiener bei der Belagerung Toledos ohne Salz aufgegessen hat, worüber der Herzog selbst in seinen Memoiren schreibt, wobei er erzählt, daß sein Diener ein zartes, mürbes, sehniges Fleisch hatte, das im Geschmack an etwas zwischen Huhn und Esel erinnerte.
In einem alten schwäbischen Buch über die Kriegskunst finden wir auch Winke für Offiziersdiener. Der Putzfleck alter Zeiten sollte fromm, tugendhaft, wahrheitsliebend, bescheiden, tapfer, kühn, ehrlich, arbeitsam sein. Kurz, das Muster eines Menschen. Die Neuzeit hat an diesem Typus viel geändert. Der moderne »Pfeifendeckel« pflegt für gewöhnlich weder fromm noch tugendhaft und auch nicht wahrheitsliebend zu sein. Der moderne Putzfleck lügt, betrügt seinen Herrn und verwandelt dessen Leben häufig in eine wahre Hölle. Er ist ein schlauer Sklave, der die mannigfachsten Tricks ersinnt, um seinem Herrn das Leben zu verbittern.
In dieser neuen Generation von Offiziersdienern gibt es nicht so opferwillige Geschöpfe, die sich von ihren Herren ohne Salz auffressen lassen würden wie der edle Fernando des Herzogs von Almavira. Anderseits sehen wir, daß die mit ihren Dienern der Neuzeit auf Tod und Leben kämpfenden Gebieter die mannigfachsten Mittel anwenden, um ihre Autorität zu wahren. Es pflegt dies eine Art der Schreckensherrschaft zu sein.
Im Jahre 1912 fand in Graz ein Prozeß statt, in dem ein Hauptmann, der seinen Putzfleck mit Fußtritten zu Tode gemartert hatte, eine bedeutende Rolle spielte. Der Hauptmann wurde damals freigesprochen, weil er es erst zum zweitenmal getan hatte. Nach den Ansichten dieser Herren hat das Leben eines Putzflecks keinen Wert. Er ist bloß ein Gegenstand, in vielen Fällen ein Watschenmann, ein Sklave, ein Mädchen für alles. Es ist daher kein Wunder, daß eine solche Stellung vom Sklaven Pfiffigkeit und Schlauheit verlangt. Seine Stellung auf unserem Planeten kann man nur mit den Leiden der Pikkolos aus alten Zeiten vergleichen, die durch Ohrfeigen und Martern zur Gewissenhaftigkeit erzogen wurden.
Es gibt jedoch Fälle, in denen sich ein Putzfleck zum Favoriten aufschwingt, und dann wird er zum Schrecken der Kompanie, des Bataillons. Alle Unteroffiziere bemühen sich, ihn zu bestechen. Er entscheidet über den Urlaub, er kann sich dafür einsetzen, daß es beim Rapport gut ausfällt…
Diese Favoriten pflegten während des Kriegs mit den großen und kleinen silbernen Tapferkeitsmedaillen belohnt zu werden.
Beim 91. Regiment habe ich einige gekannt. Ein Putzfleck bekam die Große Silberne, weil er fabelhaft Gänse zu braten verstand, die er stahl. Ein zweiter bekam die Kleine Silberne, weil man ihm von zu Hause wunderbare Lebensmittelpakete schickte, an denen sich sein Herr zur Zeit der größten Not so überstopfte, daß er nicht gehen konnte.
Und den Vorschlag zur Auszeichnung stilisierte sein Gebieter folgendermaßen: »Dafür, daß er in den Kämpfen eine ungewöhnliche Tapferkeit und Kühnheit an den Tag legte, sein Leben aufs Spiel setzte und seinen Offizier unter dem scharfen Feuer des vorrückenden Feindes keinen Augenblick verließ.«
Und inzwischen plünderte der zur Auszeichnung Vorgeschlagene irgendwo im Hinterland die Hühnerhöfe aus. Der Krieg veränderte das Verhältnis des Putzflecks zu seinem Herrn und machte ihn zum verhaßtesten Geschöpf der Mannschaft. Der Putzfleck bekam immer eine ganze Konserve, wenn eine für je fünf Mann verabreicht wurde. Seine Feldflasche war immer voll Rum oder Kognak. Den ganzen Tag kaute ein solches Geschöpf Schokolade und süßen Offizierszwieback. Es rauchte die Zigaretten seines Offiziers, schmorte und kochte stundenlang und trug eine Extrabluse.
Der Offiziersdiener stand mit der Ordonnanz in vertraulichstem Verkehr und schanzte ihr reiche Abfälle von seinem Tisch und all die Vorteile zu, die er genoß. In das Triumvirat nahm er auch noch den Rechnungsfeldwebel mit auf. Dieses Trio, im unmittelbaren Verkehr mit dem Offizier lebend, kannte alle Operationen und Kriegspläne.
Der Schwarm, dessen Korporal mit dem Offiziersdiener verkehrte, war immer am besten informiert, wann es losgehen sollte.
Wenn er sagte: »Um zwei Uhr fünfunddreißig nehmen wir Reißaus«, so fingen die österreichischen Soldaten Punkt zwei Uhr fünfunddreißig an, sich vom Feinde loszulösen.
Der Offiziersdiener stand im intimsten Verkehr mit der Feldküche, trieb sich sehr gern beim Kessel herum und erteilte Befehle, als wäre er in einem Restaurant und hätte die Speisekarte vor sich.
»Ich möcht Rippenfleisch«, sagte er zum Koch, »gestern hast du mir Ochsenschwanz gegeben. Gib mir auch ein Stück Leber in die Suppe zu, du weißt, daß ich Milz nicht eß.«
Aber am großartigsten war der Putzfleck im Arrangieren einer Panik. Beim Bombardement der Schützengräben fiel ihm das Herz in die Hosen. Er befand sich dann stets mit seinem und seines Herrn Gepäck in der sichersten Deckung, steckte den Kopf unter die Decke, damit ihn keine Granate entdecke, und hatte keinen anderen Wunsch, als daß sein Herr verwundet werden möge, damit er mit ihm recht weit in die Etappe, ins Hinterland gelangen könne.
Die Panik pflegte er systematisch mit einer gewissen Geheimnistuerei herbeizuführen: »Mir scheint, sie legen das Telefon zusammen«, teilte er vertraulich den Schwärmen mit. Und war glücklich, wenn er sagen konnte: »Sie hams schon zusammgelegt.«
Niemand ergriff so gern die Flucht wie er. In so einem Augenblick vergaß er, daß über seinem Kopf Granaten und Schrapnells schwirrten, und bahnte sich unermüdlich mit dem Gepäck einen Weg zum Stab, wo der Train stand. Er liebte den österreichischen Train und liebte es außerordentlich, sich fahren zu lassen. Schlimmstenfalls benutzte er die Sanitätskarren. Mußte er zu Fuß gehen, machte er den Eindruck eines völlig vernichteten Menschen. In so einem Fall ließ er das Gepäck seines Herrn im Schützengraben und schleppte bloß seinen eigenen Besitz.
Kam es vor, daß der Offizier sich durch Flucht vor der Gefangenschaft rettete und der Offiziersdiener nicht, vergaß dieser unter keinen Umständen, auch das Gepäck seines Herrn in die Gefangenschaft mitzunehmen. Es ging in seinen Besitz über, an dem er mit ganzer Seele hing!
Ich habe einen in Kriegsgefangenschaft geratenen Offiziersdiener gesehen, der von Dubno mit den anderen zu Fuß bis nach Darnic hinter Kiew gegangen war. Er hatte nebst seinem Rucksack und dem Rucksack seines Offiziers, der der Gefangennahme entronnen war, fünf Handkoffer verschiedener Größe, zwei Decken und ein Polster nebst einem Gepäckstück, das er auf dem Kopf trug, bei sich. Er beschwerte sich, die Kosaken hätten ihm zwei Koffer gestohlen.
Nie werde ich diesen Menschen vergessen, der sich so durch die ganze Ukraine schleppte. Er war ein lebendiger Spediteurwagen, und ich kann mir nicht erklären, wie er das alles ertragen, so viele Hundert Kilometer weit schleppen, damit nach Taschkent fahren und es behüten konnte, um dann auf seinem Gepäck im Gefangenenlager an Flecktyphus zu sterben.
Heute sind die Offiziersdiener über unsere ganze Republik verstreut und erzählen von ihren Heldentaten. Sie haben Sokal, Dubno, Nisch, die Piave gestürmt. Jeder von ihnen ist ein Napoleon.
»Ich hab unserm Oberst gesagt, er soll dem Stab telefonieren, daß es schon losgehn kann.«
Größtenteils waren es Reaktionäre, und die Mannschaft haßte sie. Einige waren Angeber, und es war eine besondere Freude für sie, wenn sie zuschauen konnten, wie man jemanden anband.
Sie entwickelten sich zu einer besonderen Kaste. Ihr Egoismus kannte keine Grenzen.
III
Oberleutnant Lukasch war der Typus eines aktiven Offiziers der morschen österreichischen Monarchie. Die Kadettenschule hatte ihn zu einer Amphibie erzogen. Er sprach in Gesellschaft deutsch, schrieb deutsch, las tschechische Bücher, und wenn er in der Einjährigfreiwilligenschule vor lauter Tschechen unterrichtete, sagte er ihnen vertraulich: »Seien wir Tschechen, aber es muß niemand davon wissen. Ich bin auch Tscheche.«
Er betrachtete das Tschechentum als eine Art Geheimorganisation, der man besser von weitem ausweicht.
Sonst war er ein braver Mensch, fürchtete sich nicht vor seinen Vorgesetzten und kümmerte sich bei den Manövern um seinen Zug, wie sichs gebührt und gehört. Er wußte ihn stets bequem in Scheunen unterzubringen und ließ häufig von seiner bescheidenen Gage seinen Soldaten ein Faß Bier anzapfen.
Er hörte es gern, wenn die Soldaten während des Marsches Lieder sangen. Sie mußten auch singen, wenn sie von der Übung und zu der Übung gingen. Und neben seinem Zug gehend, sang er mit ihm:
Und als die Mitternacht kam heran,
aus dem Sack der Hafer sprang.
Bumatrija bum!
Er erfreute sich bei den Soldaten einer großen Beliebtheit, denn er war ungewöhnlich gerecht und hatte nicht die Gewohnheit, jemanden zu sekkieren.
Die Unteroffiziere zitterten vor ihm, und aus dem rohsten Feldwebel machte er binnen vier Wochen ein wahres Schäfchen.
Er konnte schreien, das ist wahr, aber niemals schimpfte er. Er gebrauchte gewählte Worte und Sätze: »Sehen Sie«, sagte er, »ich strafe Sie wirklich ungern, Junge, aber ich kann mir nicht helfen, denn von der Disziplin hängt die Fähigkeit, die Tapferkeit des Militärs ab, und ohne Disziplin ist die Armee ein im Wind schwankendes Schilfrohr. Wenn Sie Ihre Montur nicht in Ordnung haben und die Knöpfe nicht gut angenäht sind und fehlen, sieht man, daß Sie die Pflichten vergessen, die Sie gegen die Armee haben. Es kann sein, daß es Ihnen unbegreiflich scheint, daß Sie eingesperrt werden sollen, weil Ihnen gestern bei der Ausrückung ein Knopf an der Bluse gefehlt hat, eine kleine, geringfügige Sache, die man in Zivil vollständig übersieht. Aber Sie sehen, daß so eine Vernachlässigung Ihres Äußeren beim Militär eine Strafe zur Folge haben muß. Und warum? Hier handelt es sich nicht darum, daß Ihnen ein Knopf fehlt, sondern darum, daß Sie sich an Ordnung gewöhnen müssen. Heute nähen Sie nicht den Knopf an und fangen an, sich zu vernachlässigen. Morgen wird es Ihnen schon beschwerlich scheinen, das Gewehr auseinanderzunehmen und zu putzen, übermorgen werden Sie irgendwo im Wirtshaus das Bajonett vergessen, und zu guter Letzt werden Sie auf dem Posten einschlafen, weil Sie mit diesem unglückseligen Knopf das Leben eines Schlampen begonnen haben. So ist es, Junge, und deshalb bestrafe ich Sie, um Sie vor einer noch ärgeren Strafe für Dinge zu bewahren, die Sie anstellen könnten, wenn Sie langsam, aber sicher Ihre Pflichten vergessen würden. Ich sperre Sie auf fünf Tage ein und möchte, daß Sie bei Brot und Wasser darüber nachdenken, daß eine Strafe keine Rache ist, sondern nur ein Erziehungsmittel, das eine Änderung und Besserung des bestraften Soldaten bezweckt.«
Er hätte bereits längst Hauptmann sein sollen, wurde es aber trotz seiner Vorsicht in nationaler Hinsicht nicht, weil er seinen Vorgesetzten gegenüber mit wahrhafter Offenheit auftrat und im Dienstverhältnis keine Kriecherei kannte.
Etwas in seinem Charakter erinnerte an einen Bauern aus Südböhmen, wo er in einem Dorf zwischen schwarzen Wäldern und Teichen geboren worden war.
Wenn er aber auch den Soldaten gegenüber gerecht war und sie nicht quälte, so wies sein Charakter dennoch einen besonderen Zug auf. Er haßte seine Putzer, weil er immer das Glück hatte, den unausstehlichsten und niederträchtigsten Putzfleck zu bekommen.
Er schlug sie über den Mund, ohrfeigte sie und bemühte sich, sie durch Verweise und Taten zu erziehen, ohne sie für Soldaten zu halten. Er kämpfte mit ihnen hoffnungslos durch eine Reihe von Jahren, hatte unaufhörlich neue und seufzte zum Schluß: »Wieder hab ich so ein gemeines Rindvieh bekommen!« Seine Diener betrachtete er als eine niedrigere Sorte von Lebewesen.
Außerordentlich groß war seine Liebe zu Tieren. Er besaß einen Harzer Kanarienvogel, eine Angorakatze und einen Stallpinscher. Diese Tiere wurden von den Dienern, die Oberleutnant Lukasch bereits gehabt hatte, nicht schlechter behandelt, als er sie selbst behandelte, wenn sie eine Gemeinheit anstellten.
Den Kanarienvogel quälten sie, indem sie ihn hungern ließen, ein Diener schlug der Angorakatze ein Auge aus, der Stallpinscher wurde von ihnen auf Schritt und Tritt geprügelt, und zum Schluß führte einer der Vorgänger Schwejks den Armen nach Pankrác zum Schinder, wo er ihn umbringen ließ, ohne sichs verdrießen zu lassen, aus eigener Tasche zehn Kronen zu zahlen. Dann meldete er einfach dem Oberleutnant, der Hund sei ihm auf dem Spaziergang weggelaufen, und am folgenden Tag marschierte er bereits mit dem Schwarm auf dem Exerzierplatz.
Als Schwejk kam, um Lukasch seinen Dienstantritt zu melden, führte ihn dieser ins Zimmer und sagte ihm: »Der Herr Feldkurat Katz hat mir Sie empfohlen, und ich wünsche, daß Sie seiner Empfehlung keine Schande machen. Ich habe bereits ein Dutzend Putzer gehabt, und keiner davon ist bei mir warm geworden. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich streng bin und jede Gemeinheit und Lüge schrecklich strafe. Ich wünsche, daß Sie immer die Wahrheit sprechen und ohne Widerrede alle meine Befehle ausführen. Wenn ich sage: Springen Sie ins Feuer, so müssen Sie ins Feuer springen, auch wenn Sie keine Lust dazu haben. Wohin schaun Sie?«
Schwejk blickte mit Interesse zur Seite auf die Wand, wo der Käfig mit dem Kanarienvogel hing, und antwortete, seine gutmütigen Augen nunmehr auf den Oberleutnant heftend, in freundlichem, gutmütigem Ton: »Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, dort is ein Harzer Kanarienvogel.«
Und den Strom der Rede des Oberleutnants auf diese Weise unterbrechend, stand Schwejk militärisch da und blickte ihm ohne zu zwinkern geradewegs in die Augen.
Der Oberleutnant wollte etwas Scharfes erwidern, allein als er den unschuldigen Ausdruck in Schwejks Gesicht bemerkte, sagte er: »Der Herr Feldkurat hat Sie als ungeheuren Blödian empfohlen, ich glaube, er hat sich nicht geirrt.«
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, der Herr Feldkurat hat sich wirklich nicht geirrt. Wie ich aktiv gedient hab, bin ich wegen Blödheit superarbitriert worn und noch dazu wegen notorischer. Sie ham unser deswegen zwei vom Regiment entlassen, mich und einen Herrn Hauptmann von Kaunitz. Wenn der, mit Erlaubnis, Herr Oberlajtnant, auf der Gasse gegangen is, hat er sich gleichzeitig fort mit einem Finger der linken Hand im linken Nasenloch gebohrt und mit der andern im rechten Loch, und wenn er mit uns zur Übung gegangen is, so hat er uns immer antreten lassen wie bei der Defilierung und hat gesagt: ›Soldaten, eh, merkts euch, eh, daß heut Mittwoch is, weil morgen Donnerstag sein wird, eh.‹«
Oberleutnant Lukasch zuckte die Achseln wie ein Mensch, der keine Worte hat, um einen bestimmten Gedanken auszudrücken und vergeblich nach ihnen sucht.
Er ging an Schwejk vorbei von der Tür bis zum gegenüberliegenden Fenster und wieder zurück, wobei Schwejk, je nachdem, wo sich der Oberleutnant gerade befand, mit einem so intensiv unschuldigen Gesicht »rechtsschaut« und »linksschaut« machte, daß der Oberleutnant die Augen senkte, auf den Teppich blickte und etwas sagte, was keinerlei Zusammenhang mit Schwejks Bemerkung über den blöden Hauptmann hatte: »Ja, bei mir muß Ordnung und Sauberkeit sein, und man darf mich nicht belügen. Ich liebe Ehrlichkeit. Ich hasse die Lüge und strafe sie unbarmherzig, verstehn Sie mich gut?«
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, ich versteh. Nix is ärger, wie wenn jemand lügt. Wie er sich zu verwickeln anfängt, is er verloren. In einem Dorf hinter Pilgram war ein gewisser Lehrer Marek, und der is der Tochter vom Heger Schpera nachgestiegen, und der hat ihm sagen lassen, daß er ihm, bis er ihn trifft, ausm Gewehr Borsten mit Salz in Hintern schießen wird. Der Lehrer hat ihm sagen lassen, daß es nicht wahr is, aber einmal, wie er sich mit dem Mädel hat treffen solln, hat ihn der Heger abgefangen und hat schon an ihm diese Operation machen wolln, aber er hat sich ausgeredet, daß er herich Blumen pflücken wollt, daß er Käfer fangen gegangen is, und hat sich je weiter desto mehr verwickelt, bis er zum Schluß beschworen hat, daß er Schlingen auf Hasen legen gegangen is. So hat ihn also der liebe Heger zusammengepackt und auf die Gendarmeriestation geführt, von dort is es zum Gericht gegangen, und es hat nicht viel gefehlt, so wär der Lehrer eingesperrt worn. Wenn er die Wahrheit gesagt hätt, so hätt er nur die Borsten mit Salz gekriegt. Ich bin der Meinung, daß es immer am besten is, zu gestehn, aufrichtig zu sein, und wenn ich schon was anstell, zu kommen und zu sagen: ›Melde gehorsamst, ich hab das und das angestellt.‹ Und was die Ehrlichkeit betrifft, is es immer eine sehr hübsche Sache, weil man mit ihr immer am weitesten kommt. So wie wenn diese Wettgehen sind. Wie einer zu fixeln anfängt und lauft, is er schon distanziert. Das is meinem Vetter passiert. Ein ehrlicher Mensch is überall geschätzt, geehrt, mit sich selbst zufrieden und fühlt sich wie neugeboren, wenn er sich abends ins Bett legt und sagen kann: ›Heut war ich wieder ehrlich.‹«
Während dieser Rede saß Oberleutnant Lukasch schon lange auf einem Stuhl, blickte Schwejk auf die Stiefel und dachte: Mein Gott, ich rede ja auch manchmal solche Blödheiten, und der Unterschied liegt nur in der Form, in der ich sie vorbringe.
Nichtsdestoweniger sagte er, da er seine Autorität nicht verlieren wollte, als Schwejk geendet hatte: »Bei mir müssen Sie Stiefel putzen, Ihre Uniform in Ordnung halten, die Knöpfe ordentlich angenäht haben und müssen den Eindruck eines Soldaten und nicht irgendeines Zivilisten machen. Es ist merkwürdig, daß sich keiner von euch militärisch benehmen kann. Nur einer von allen meinen Dienern hat ein kriegerisches Äußeres gehabt, und zum Schluß hat er mir meine Paradeuniform gestohlen und in der Judenstadt verkauft.«
Er brach ab und fuhr fort, Schwejk alle seine Pflichten zu erklären, wobei er nicht vergaß, nachdrücklich zu betonen, daß Schwejk treu sein müsse und nirgends erzählen dürfe, was zu Hause geschehe.
»Zu mir kommen Damen zu Besuch«, bemerkte er, »manchmal bleibt eine über Nacht hier, wenn ich am Morgen keinen Dienst habe. In so einem Fall bringen Sie uns den Kaffee zum Bett, wenn ich läute, verstehn Sie?«
»Melde gehorsamst, daß ich versteh, Herr Oberlajtnant, wenn ich unverhofft zum Bett kommen möcht, könnt es vielleicht mancher Dame unangenehm sein. Ich hab mir mal ein Fräulein nach Haus genommen, und meine Bedienerin hat uns, grad wie wir uns sehr gut unterhalten ham, den Kaffee ans Bett gebracht. Sie is erschrocken und hat mir den ganzen Rücken begossen und hat noch gesagt: ›Guten Morgen winsch ich.‹ Ich weiß, was sich schickt und gehört, wenn irgendwo eine Dame schläft.«
»Gut, Schwejk, Damen gegenüber müssen wir immer einen ungewöhnlichen Takt bewahren«, sagte der Oberleutnant, dessen Laune sich besserte, weil das Gespräch auf einen Gegenstand gekommen war, der seine freie Zeit zwischen Kaserne, Exerzierplatz und Karten ausfüllte.
Die Frauen waren die Seele seiner Wohnung. Sie schufen ihm ein Heim. Es waren ihrer ein paar Dutzend, und viele von ihnen bemühten sich während ihres Aufenthaltes, seine Wohnung mit verschiedenen Kleinigkeiten auszuschmücken.
Eine, die Frau eines Kaffeehausbesitzers, die volle vierzehn Tage bei ihm gelebt hatte, bis der Herr Gemahl sie abholte, hatte ihm einen reizenden Überwurf auf den Tisch gestickt, hatte seine ganze Wäsche mit Monogrammen versehen und hätte vielleicht noch einen Wandteppich zu Ende gestickt, wenn der Gatte die Idylle nicht zerstört hätte.
Eine Dame, die nach drei Wochen von ihren Eltern abgeholt wurde, wollte sein Schlafzimmer in ein Damenboudoir umwandeln, stellte überall allerlei Krimskrams und kleine Vasen auf und hängte das Bild eines Schutzengels über sein Bett.
In allen Winkeln des Schlafzimmers und Speisezimmers war eine Frauenhand merkbar. Sogar in der Küche, wo die mannigfachsten Küchengeräte und Gefäße vorhanden waren, das großartige Geschenk einer verliebten Fabrikantenfrau, die außer ihrer Leidenschaft ein Instrument zum Zerschneiden von sämtlichem Gemüse und Kraut, ein Instrument zum Semmelreiben, eine Hackmaschine für Fleisch, Kasserollen, Pfannen, Schüsseln, Kochlöffel und weiß Gott was noch mitgebracht hatte.
Sie verließ Lukasch jedoch nach einer Woche, weil sie sich nicht mit dem Gedanken abfinden konnte, daß er neben ihr noch beiläufig zwanzig andere Geliebte hatte, was gewisse Spuren an der Leistungsfähigkeit des edlen Männchens in Uniform hinterließ.
Oberleutnant Lukasch führte auch eine umfangreiche Korrespondenz, besaß ein Album seiner Geliebten und eine Sammlung verschiedener Reliquien, denn in den letzten zwei Jahren zeigte er eine gewisse Neigung zum Fetischismus. So besaß er verschiedene Damenstrumpfbänder, vier reizende gestickte Damenhöschen, dünne Hemdchen, Batisttaschentücher und sogar ein Korsett und einige Strümpfe.
»Ich habe heute Dienst«, sagte er, »ich komme erst in der Nacht, passen Sie auf alles auf und bringen Sie die Wohnung in Ordnung. Der letzte Putzfleck ist wegen seiner Niedertracht heute mit dem Marschbataillon an die Front abgegangen.«
Nachdem er noch Anordnungen betreffs des Kanarienvogels und der Angorakatze getroffen hatte, ging er fort, nicht ohne noch in der Türe einige Worte über Ehrlichkeit und Ordnung zu sagen.