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Das Eingreifen des braven Soldaten Schwejk in den Weltkrieg

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»Also sie ham uns den Ferdinand erschlagen«, sagte die Bedienerin zu Herrn Schwejk, der vor Jahren den Militärdienst quittiert hatte, nachdem er von der militärärztlichen Kommission endgültig für blöd erklärt worden war, und der sich nun durch den Verkauf von Hunden, häßlichen, schlechtrassigen Scheusälern, ernährte, deren Stammbäume er fälschte.

Neben dieser Beschäftigung war er vom Rheumatismus heimgesucht und rieb sich gerade die Knie mit Opodeldok ein.

»Was für einen Ferdinand, Frau Müller?« fragte Schwejk, ohne aufzuhören, sich die Knie zu massieren. »Ich kenn zwei Ferdinande. Einen, der is Diener beim Drogisten Pruscha und hat dort mal aus Versehn eine Flasche mit irgendeiner Haartinktur ausgetrunken, und dann kenn ich noch den Ferdinand Kokoschka, der, was den Hundedreck sammelt. Um beide is kein Schad.«

»Aber gnä’ Herr, den Herrn Erzherzog Ferdinand, den aus Konopischt, den dicken frommen.«

»Jesus Maria«, schrie Schwejk auf. »Das is aber gelungen. Und wo is ihm denn das passiert, dem Herrn Erzherzog?«

»In Sarajevo ham sie ihn mit einem Revolver niedergeschossen, gnä’ Herr. Er ist dort mit seiner Erzherzogin im Automobil gefahren.«

»Da schau her, im Automobil, Frau Müller, ja, so ein Herr kann sich das erlauben und denkt gar nicht dran, wie so eine Fahrt im Automobil unglücklich ausgehn kann. Und noch dazu in Sarajevo, das is in Bosnien, Frau Müller. Das ham sicher die Türken gemacht. Wir hätten ihnen halt dieses Bosnien und Herzegowina nich nehmen solln. No also, Frau Müller. Der Herr Erzherzog ruht also schon in Gottes Schoß. Hat er sich lang geplagt?«

»Der Herr Erzherzog war gleich weg, gnä’ Herr, Sie wissen ja, so ein Revolver is kein Spaß. Unlängst hat auch ein Herr bei uns in Nusle mit einem Revolver gespielt und die ganze Familie erschossen, mitsamt dem Hausmeister, der nachschaun gekommen is, wer dort im dritten Stock schießt.«

»Mancher Revolver geht nicht los, Frau Müller, wenn Sie sich aufn Kopf stelln. Solche Systeme gibts viel. Aber auf den Herrn Erzherzog ham sie sich gewiß was Besseres gekauft, und ich möcht wetten, Frau Müller, daß sich der Mann, der das getan hat, dazu schön angezogen hat. Nämlich auf einen Herrn Erzherzog schießen is eine sehr schwere Arbeit. Das is nicht so, wie wenn ein Wilddieb auf einen Förster schießt. Da handelt sichs darum, wie man an ihn herankommt, auf so einen Herrn kann man nicht in Hadern kommen. Da müssen Sie im Zylinder kommen, damit Sie nicht ein Polizist schon vorher abfaßt.«

»Es waren ihrer herich mehr, gnä’ Herr.«

»No, das versteht sich doch von selbst, Frau Müller«, sagte Schwejk, seine Kniemassage beendend. »Wenn Sie einen Erzherzog oder den Kaiser erschlagen wollten, möchten Sie sich sicher auch mit jemandem beraten. Mehr Leute haben mehr Verstand. Der eine rät das, der andere wieder was anderes, und so wird das Schwerste leicht vollbracht, wies in unsrer Volkshymne heißt. Die Hauptsache is, den Moment abpassen, wenn so ein hoher Herr vorübergeht. Wie zum Beispiel, wenn Sie sich noch an den Herrn Luccheni erinnern, der, was unsre selige Elisabeth mit der Feile erstochen hat. Er is mit ihr spazierengegangen. Dann traun Sie noch jemandem. Seit der Zeit geht keine Kaiserin mehr spazieren. Und dasselbe Schicksal wartet noch auf viele Leute. Sie wern sehn, Frau Müller, daß auch noch der Zar und die Zarin an die Reihe kommen und, was Gott verhüten mög, auch unser Kaiser, wenn sie schon mit seinem Onkel angefangen ham. Er hat viele Feinde, der alte Herr. Noch mehr als der Ferdinand. Wies da unlängs ein Herr im Wirtshaus gesagt hat, daß eine Zeit kommen wird, wo die Kaiser einer nach dem andern abdampfen wern und wo sie nicht einmal die Staatsanwaltschaft herausreißen wird. Dann hat er die Zeche nicht bezahlen können, und der Wirt hat ihn hopnehmen lassen müssen. Und er hat ihm eine Watschen hinuntergehaut und dem Wachmann zwei. Dann ham sie ihn in der Gemeindetruhe abgeführt, damit er zu sich kommt. Ja, Frau Müller, heutzutag geschehn Dinge! Das is wieder ein Verlust für Österreich. Wie ich noch beim Militär war, hat dort ein Infanterist einen Hauptmann erschossen. Er hat seine Flinte geladen und is in die Kanzlei gegangen. Dort hat man ihm gesagt, daß er dort nichts zu suchen hat, aber er is fort drauf bestanden, daß er mit dem Herrn Hauptmann sprechen muß. Der Hauptmann is hinausgegangen und hat ihm gleich einen Kasernarrest aufgebrummt. Er hat die Flinte genommen und hat ihn direkt ins Herz getroffen. Die Kugel is dem Herrn Hauptmann durch den Rücken hinausgefahren und hat noch in der Kanzlei Schaden angerichtet. Sie hat eine Flasche Tinte zerschlagen, und die hat die Amtsakten begossen.

»Und was is mit dem Soldaten geschehn?« fragte nach einer Weile Frau Müller, während Schwejk sich ankleidete.

»Er hat sich an den Hosenträgern aufgehängt«, sagte Schwejk, seinen harten Hut putzend. »Und die Hosenträger waren nicht mal sein. Die hat er sich vom Profosen ausgeborgt, weil ihm herich die Hosen rutschten. Hätt er warten solln, bis sie ihn erschießen? Das wissen Sie, Frau Müller, in so einer Situation geht einem der Kopf herum wie ein Mühlrad. Den Profosen haben sie dafür degradiert und ihm sechs Monate aufgepelzt. Aber er hat sie sich nicht abgesessen. Er is nach der Schweiz durchgebrannt und is dort heut Prediger in irgendeiner Kirchengemeinde. Heutzutage gibts wenig anständige Leute, Frau Müller. Ich stell mir halt vor, daß sich der Herr Erzherzog Ferdinand in Sarajevo auch in dem Mann getäuscht hat, der ihn erschossen hat. Er hat irgendeinen Herrn gesehn und sich gedacht: Das is sicher ein anständiger Mensch, wenn er mir ›Heil‹ zuruft. Und dabei knallt ihn der Herr nieder. Hat er nur einmal oder öfter geschossen?«

»Die Zeitungen schreiben, gnä’ Herr, daß der Herr Erzherzog wie ein Sieb war. Er hat alle Patronen auf ihn verschossen.«

»Ja, das geht ungeheuer rasch, Frau Müller, furchtbar rasch. Ich möcht mir für so was einen Browning kaufen. Der schaut aus wie ein Spielzeug, aber Sie können damit in zwei Minuten zwanzig Erzherzöge niederschießen, magere oder dicke. Obgleich man, unter uns gesagt, Frau Müller, einen dicken Erzherzog besser trifft als einen magern. Erinnern Sie sich noch, wie sie damals in Portugal ihren König erschossen ham? Der war auch so dick. No, selbstverständlich wird ein König nicht mager sein. – Also ich geh jetzt ins Wirtshaus ›Zum Kelch‹, und wenn jemand herkäm um den Rattler, auf den ich mir die Anzahlung genommen hab, dann sagen Sie ihm, daß ich ihn in meinem Hundezwinger am Land hab, daß ich ihm unlängs die Ohren kupiert hab und daß man ihn jetzt nicht transportieren kann, solang die Ohren nicht zuheiln, damit er sie sich nicht verkühlt. Den Schlüssel geben Sie zur Hausmeisterin.«

Im Wirtshaus »Zum Kelch« saß ein einsamer Gast. Es war der Zivilpolizist Bretschneider, der im Dienste der Staatspolizei stand. Der Wirt Palivec spülte die Bieruntersätze ab, und Bretschneider bemühte sich vergeblich, mit ihm ein ernstes Gespräch anzuknüpfen.

Palivec war als ordinärer Mensch bekannt, jedes zweite Wort von ihm war ›Dreck‹ oder ›Hinterer‹. Dabei war er aber belesen und verwies jedermann darauf, was Victor Hugo in seiner Schilderung der Antwort der alten Garde Napoleons an die Engländer in der Schlacht von Waterloo über diesen Gegenstand schreibt.

»Einen feinen Sommer ham wir«, knüpfte Bretschneider sein ernstes Gespräch an.

»Steht alles für einen Dreck«, antwortete Palivec, die Untersätze in die Kredenz einordnend.

»Die haben uns in Sarajevo was Schönes eingebrockt«, ließ sich mit schwacher Hoffnung wieder Bretschneider vernehmen.

»In welchem Sarajevo?« fragte Palivec. »In der Nusler Weinstube? Dort rauft man sich jeden Tag. Sie wissen ja, Nusle!«

»Im bosnischen Sarajevo, Herr Wirt. Man hat dort den Herrn Erzherzog Ferdinand erschossen. Was sagen Sie dazu?«

»Ich misch mich in solche Sachen nicht hinein. Damit kann mich jeder im Arsch lecken«, antwortete höflich Herr Palivec und zündete sich seine Pfeife an. »Sich heutzutage in so was hineinmischen, das kann jeden den Kopf kosten. Ich bin Gewerbetreibender, wenn jemand kommt und sich ein Bier bestellt, schenk ichs ihm ein. Aber so ein Sarajevo, Politik oder der selige Erzherzog, das is nix für uns. Draus schaut nix heraus als Pankrác1.«

Bretschneider verstummte und blickte enttäuscht in der leeren Gaststube umher.

»Da ist mal ein Bild vom Kaiser gehangen«, ließ er sich nach einer Weile von neuem vernehmen. »Gerade dort, wo jetzt der Spiegel hängt.«

»Ja, da ham Sie recht«, antwortete Herr Palivec. »Er is dort gehangen, und die Fliegen ham auf ihn geschissen, so hab ich ihn auf den Boden gegeben. Sie wissen ja, jemand könnt sich irgendeine Bemerkung erlauben, und man könnt davon noch Unannehmlichkeiten haben. Hab ich das nötig?«

»In Sarajevo hat es aber bös aussehn müssen, Herr Wirt.«

Auf diese heimtückisch direkte Frage antwortete Herr Palivec ungewöhnlich vorsichtig: »Um diese Zeit is es in Bosnien verflucht heiß. Wie ich gedient hab, mußten wir unserm Oberlajtnant Eis aufn Kopf geben.«

»Bei welchem Regiment haben Sie gedient, Herr Wirt?«

»An solche Kleinigkeiten erinner ich mich nicht, ich hab mich nie um so einen Dreck gekümmert und war auch nie drauf neugierig«, antwortete Herr Palivec, »allzu große Neugier schadet.«

Der Zivilpolizist Bretschneider verstummte endgültig, und sein betrübter Ausdruck heiterte sich erst bei der Ankunft Schwejks auf, der bei seinem Eintritt in das Wirtshaus ein schwarzes Bier mit folgender Bemerkung bestellte: »In Wien ham sie heut auch Trauer.«

Bretschneiders Augen leuchteten voller Hoffnung auf. Er sagte kurz: »Auf Konopischt hängen zehn schwarze Fahnen.«

»Es sollten zwölf dort sein«, sagte Schwejk nach einem Schluck.

»Warum meinen Sie zwölf?« fragte Bretschneider.

»Damits eine runde Zahl gibt. Aufs Dutzend rechnet sichs besser, und im Dutzend kommt auch alles billiger«, antwortete Schwejk.

Es herrschte Schweigen, das Schwejk selbst durch folgenden Stoßseufzer unterbrach: »Also er ruht schon in Gottes Schoß. Gott geb ihm ewigen Frieden. Er hats nicht mal erlebt, daß er Kaiser worden is. Wie ich beim Militär gedient hab, is einmal ein General vom Pferd gefalln und hat sich in aller Seelenruh erschlagen. Man wollte ihm wieder aufs Pferd helfen, ihn hinaufheben, da sieht man zu seiner Verwunderung, daß er mausetot is. Und er hat auch zum Feldmarschall avancieren solln. Das is bei einer Parade geschehn. Diese Paraden führen nie zu was Gutem. In Sarajevo war auch so eine Parade. Ich erinner mich, daß mir bei so einer Parade einmal zwanzig Knöpfe bei der Montur gefehlt ham und daß ich dafür vierzehn Tage Einzel gefaßt hab. Zwei Tage bin ich krummgeschlossen gelegen wie Lazarus. Aber Disziplin muß beim Militär sein. Sonst möcht sich niemand aus jemandem was machen. Unser Oberlajtnant Makovec hat uns immer gesagt: ›Disziplin, ihr Heuochsen, muß sein, sonst möchtet ihr wie die Affen auf den Bäumen klettern. Aber das Militär wird aus euch Menschen machen, ihr Trotteln.‹ Und is das nicht wahr? Stellen Sie sich einen Park vor, sag mr aufm Karlsplatz, und auf jedem Baum einen Soldaten ohne Disziplin. Davor hab ich immer die größte Angst gehabt.«

»Das in Sarajevo«, knüpfte Bretschneider an, »haben die Serben gemacht.«

»Da irren Sie sich aber sehr«, antwortete Schwejk. »Das ham die Türken gemacht, wegen Bosnien und Herzegowina.«

Und Schwejk legte seine Ansichten über die internationale Politik Österreichs auf dem Balkan dar. Die Türken hätten im Jahre 1912 den Krieg mit Serbien, Bulgarien und Griechenland verloren. Sie hatten damals wollen, Österreich solle ihnen helfen, und als dies nicht geschah, schossen sie Ferdinand nieder.

»Hast du die Türken gern?« wandte sich Schwejk an Palivec. »Hast du diese heidnischen Hunde gern? Nicht wahr, das nicht.«

»Ein Gast wie der andere«, sagte Palivec, »und wenns auch ein Türke is. Für uns Gewerbetreibende gibts keine Politik. Bezahl dein Bier und setz dich hin und quatsch, was du willst. Das is mein Grundsatz. Ob unsern Ferdinand ein Türke oder Serbe, ein Katholik oder Mohammedaner, ein Anarchist oder Jungtscheche umgebracht hat, is mir ganz powidel.«

»Gut, Herr Wirt«, ließ sich Bretschneider vernehmen, der wiederum die Hoffnung aufgab, einen von den beiden in die Enge treiben zu können. »Aber Sie werden zugeben, daß das ein großer Verlust für Österreich ist.«

Statt des Wirtes antwortete Schwejk: »Ein Verlust is es, das läßt sich nicht leugnen. Ein furchtbarer Verlust. Der Ferdinand läßt sich nicht durch jeden beliebigen Trottel ersetzen. Nur noch dicker hätt er sein solln.«

»Wie meinen Sie das?« fragte Bretschneider lebhaft.

»Wie ich das mein?« antwortete Schwejk friedlich, »no, nur so: wenn er dicker gewesen wär, dann hätt ihn sicher schon früher der Schlag getroffen, wie er die alten Weiber in Konopischt gejagt hat, wenn sie in seinem Revier Reisig und Schwämme gesammelt ham, und er hätt nicht eines so schmählichen Todes sterben müssen. Wenn ich mir das so überleg, ein Onkel Seiner Majestät des Kaisers, und sie erschießen ihn! Das is ja ein Schkandal, die ganzen Zeitungen sind voll damit. Bei uns in Budweis hat man vor Jahren auf dem Markt bei irgendeinem kleinen Streit einen Viehhändler erstochen, einen gewissen Břetislav Ludwig, der hatte einen Sohn namens Bohuslav, und wenn der seine Schweine verkaufen kam, wollt niemand was von ihm kaufen, und jeder hat gesagt: ›Das ist der Sohn von diesem Erstochenen. Das wird gewiß auch ein feiner Lump sein.‹ Er hat in Krummau von der Brücke in die Moldau springen müssen, und man hat ihn wieder zu Bewußtsein bringen müssen, und man hat aus ihm das Wasser herauspumpen müssen, und er hat in den Armen des Arztes seinen Geist aufgeben müssen, wie der ihm irgendeine Injektion gemacht hat.«

»Sie ziehen aber merkwürdige Vergleiche«, sagte Bretschneider bedeutungsvoll, »zuerst sprechen Sie von Ferdinand und dann von einem Viehhändler.«

»I wo«, verteidigte sich Schwejk. »Gott bewahre, daß ich jemand mit jemandem vergleichen möcht. Der Herr Wirt kennt mich. Nicht wahr, ich hab nie jemanden mit jemandem verglichen? Ich möcht nur nicht in der Haut der Frau Erzherzogin stecken. Was wird die jetzt machen? Die Kinder sind Waisen, die Herrschaft in Konopischt ohne Herrn. Soll sie sich wieder mit irgendeinem Erzherzog verheiraten? Was hätt sie davon? Sie wird mit ihm wieder nach Sarajevo fahren und zum zweitenmal Witwe wern. Da hat vor Jahren in Zliw bei Hluboká ein Heger gelebt, der hat den häßlichen Namen Pinscher gehabt. Die Wilddiebe ham ihn erschossen, und er hat eine Witwe mit zwei Kindern hinterlassen, und sie hat nach einem Jahr wieder einen Heger genommen, den Schewla-Pepi aus Mydlowar. Und den ham sie ihr auch erschossen. Dann hat sie sich zum drittenmal verheiratet und hat wieder einen Heger genommen und hat gesagt: ›Aller guten Dinge sind drei. Wenns diesmal nicht glückt, dann weiß ich schon nicht, was ich machen soll.‹ Natürlich hat man ihr ihn wieder erschossen, und da hat sie mit diesen Hegern zusammen schon sechs Kinder gehabt. Sie is bis in die Kanzlei vom Herrn Fürsten in Hluboká gegangen und hat sich beschwert, daß sie mit diesen Hegern so ein Malör hat. Dort hat man ihr den Teichwächter Jaresch vom Ražitzer Teich empfohlen. Und was sagen Sie dazu: den ham sie ihr wieder beim Fischfang im Teich ertränkt, und dabei hat sie mit ihm schon zwei Kinder gehabt. Da hat sie sich einen Schweinschneider aus Vodňany genommen, und er hat sie eines Abends mit der Hacke erschlagen und is sich dann freiwillig anzeigen gegangen. Wie man ihn dann beim Kreisgericht in Pisek gehängt hat, hat er dem Priester die Nase abgebissen und hat gesagt, daß er überhaupt nichts bereut, und hat auch noch was sehr Häßliches über unsern Kaiser gesagt.«

»Und wissen Sie nicht, was er gesagt hat?« fragte mit hoffnungsvoller Stimme Bretschneider.

»Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil sich niemand getraut hat, es zu wiederholen. Aber es war herich etwas so Furchtbares und Schreckliches, daß ein Rat vom Gericht, der dabei war, davon verrückt geworn is, und noch heut hält man ihn in der Isolierzelle, damit nix ans Licht kommt. Es war nicht nur eine gewöhnliche Majestätsbeleidigung, wie man sie begeht, wenn man betrunken is.«

»Und welche Majestätsbeleidigung begeht man denn da?« fragte Bretschneider.

»Meine Herren, ich bitt Sie, sprechen Sie von was andrem«, ließ sich der Wirt Palivec vernehmen. »Wissen Sie, ich hab so was nicht gern. Man läßt was fallen, und das kann einen manchmal verdrießen.«

»Welche Majestätsbeleidigungen man begeht, wenn man betrunken ist?« wiederholte Schwejk. »Verschiedene. Betrinken Sie sich, lassen Sie sich die österreichische Hymne aufspieln, und Sie wern sehn, was Sie anfangen wern zu sprechen. Sie wern sich so viel über Seine Majestät ausdenken, daß es, wenn nur die Hälfte davon wahr wär, genügen möcht, um ihn für sein ganzes Leben unmöglich zu machen. Aber der alte Herr verdient sichs wirklich nicht. Bedenken Sie: Seinen Sohn Rudolf hat er im zarten Alter in voller Manneskraft verloren. Seine Gemahlin Elisabeth hat man mit einem Dolch durchbohrt, dann is ihm der Johann Orth verlorengegangen; seinen Bruder, den Kaiser von Mexiko, hat man ihm in irgendeiner Festung, an irgendeiner Mauer erschossen. Jetzt ham sie ihm wieder auf seine alten Tage den Onkel abgemurkst. Da müßte man wirklich eiserne Nerven haben. Und dann fängt irgendein besoffener Kerl an, ihm aufzuheißen. Wenns heute zum Krieg kommt, geh ich freiwillig und wer unserm Kaiser dienen, bis man mich in Stücke reißt.«

Schwejk tat einen tüchtigen Schluck und fuhr fort: »Sie glauben, unser Kaiser wird das so lassen? Da kennen Sie ihn schlecht. Krieg mit den Türken muß sein. Ihr habt meinen Onkel erschlagen, da habt ihr dafür eins über die Kuschen. Es gibt bestimmt Krieg. Serbien und Rußland wern uns in diesem Krieg helfen. Sakra, wird man sich dreschen!«

Schwejk sah in diesem prophetischen Augenblick herrlich aus. Sein einfältiges Gesicht, das lächelte wie der Vollmond, glänzte vor Begeisterung. Ihm war alles so klar.

»Kann sein«, fuhr er in seiner Schilderung der Zukunft Österreichs fort, »daß uns, wenn wir mit den Türken Krieg führen, die Deutschen in den Rücken falln, weil die Deutschen und die Türken zusammenhalten. Wir können uns aber mit Frankreich verbünden, das seit dem Jahr einundsiebzig auf Deutschland schlecht zu sprechen is. Und schon wirds gehn. Es wird Krieg geben, mehr sag ich euch nicht.«

Bretschneider stand auf und sagte feierlich: »Mehr müssen Sie auch nicht sagen. Kommen Sie mit mir auf den Gang, dort werde ich Ihnen etwas sagen.«

Schwejk folgte dem Zivilpolizisten auf den Gang, wo seiner eine kleine Überraschung harrte, als ihm sein Biernachbar den Adler2 zeigte und erklärte, daß er ihn verhafte und sofort zur Polizeidirektion führen werde. Schwejk bemühte sich, ihm klarzumachen, daß der Herr sich vielleicht irre, er sei vollständig unschuldig und habe nicht ein Wort gesagt, das jemanden beleidigen könne.

Bretschneider sagte ihm jedoch, er habe sich einer Reihe strafbarer Handlungen schuldig gemacht, unter denen auch das Verbrechen des Hochverrats eine Rolle spiele.

Dann kehrten sie in die Gaststube zurück, und Schwejk sagte zu Herrn Palivec: »Ich hab fünf Biere und ein Kipfel mit einem Würstl. Jetzt gib mir noch einen Sliwowitz, und dann muß ich schon gehn, weil ich verhaftet bin.«

Bretschneider zeigte Herrn Palivec den Adler, blickte Herrn Palivec eine Weile an und fragte dann: »Sind Sie verheiratet?«

»Ja.«

»Und kann Ihre Frau während Ihrer Abwesenheit das Geschäft führen?«

»Ja.«

»Dann ist alles in Ordnung, Herr Wirt«, sagte Bretschneider heiter, »rufen Sie Ihre Frau herein, übergeben Sie ihr alles, und abends werden wir Sie abholen.«

»Mach dir nichts draus«, tröstete ihn Schwejk, »ich geh nur wegen Hochverrat hin.«

»Aber wofür ich?« stöhnte Herr Palivec. »Ich war doch so vorsichtig.«

Bretschneider lächelte und sagte siegesfroh: »Dafür, daß Sie gesagt haben, daß die Fliegen auf unsern Kaiser geschissen haben. Man wird Ihnen schon unsern Kaiser aus dem Kopf treiben.«

Und Schwejk verließ das Gasthaus »Zum Kelch« in Begleitung des Zivilpolizisten, den er mit seinem freundlichen Lächeln fragte, als sie auf die Straße traten: »Soll ich vom Trottoir heruntergehn?«

»Warum?«

»Ich denk, wenn ich verhaftet bin, hab ich kein Recht mehr, auf dem Trottoir zu gehn.«

Als sie in das Tor der Polizeidirektion traten, sagte Schwejk: »Wie rasch uns die Zeit verlaufen is! Gehn Sie oft zum ›Kelch‹?«

Und während man Schwejk in die Aufnahmekanzlei führte, übergab Herr Palivec beim »Kelch« die Gastwirtschaft seiner weinenden Frau, wobei er sie in seiner sonderbaren Art tröstete: »Wein nicht, heul nicht, was können sie mir wegen einem beschissenen Kaiserbild machen?«

Und so griff der brave Soldat Schwejk in seiner freundlichen, liebenswürdigen Weise in den Weltkrieg ein.

Die Historiker wird es interessieren, daß er weit in die Zukunft voraussah. Wenn sich die Situation später anders entwickelte, als er beim »Kelch« auseinandergesetzt hatte, dann müssen wir berücksichtigen, daß er keine diplomatische Vorbildung besaß.

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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

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