Читать книгу Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk - Ярослав Гашек, Ярослав Гашек, Jaroslav Hasek - Страница 22

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Nachdem er gegangen war, brachte Schwejk alles in der Wohnung in beste Ordnung, so daß er Oberleutnant Lukasch, als dieser in der Nacht nach Hause kam, melden konnte: »Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, alles is in Ordnung, nur die Katze hat Unfug getrieben und den Kanari aufgefressen.«

»Wieso?« donnerte der Oberleutnant.

»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, so. Ich hab gewußt, daß Katzen Kanaris nicht gern ham und ihnen gern was zuleid tun. So hab ich sie zusamm bekannt machen wolln, und im Fall, daß die Bestie was unternommen hätt, wollt ich ihr den Pelz verbleuen, damit sie ihr Leben lang nicht dran vergißt, wie sie sich zum Kanari benehmen soll, weil ich Tiere sehr gern hab. Bei uns im Haus is ein Hutmacher, und der hat eine Katze so dressiert, daß sie ihm zuerst drei Kanaris aufgefressen hat und jetzt nicht einen, und der Kanari kann sich meinetwegen auf sie setzen. Ich wollts also auch versuchen und hab den Kanari ausn Käfig genommen und ihr ihn zu beschnuppern gegeben, und sie, der Aff, hat ihm, eh ich mich versehn hab, den Kopf abgebissen. Ich hab wirklich so eine Gemeinheit nicht von ihr erwartet. Wenns ein Spatz wär, Herr Oberlajtnant, möcht ich noch nichts sagen, aber so ein hübscher Harzer Kanari. Und wie gierig sie ihn samt den Federn aufgefressen hat, und dabei hat sie vor lauter Freude geknurrt. Katzen sind herich nicht musikalisch gebildet und können nicht ausstehn, wenn ein Kanari singt, weils die Bestien nicht verstehn. Ich hab die Katze ausgeschimpft, aber Gott behüte, ich hab ihr nichts gemacht und auf Sie gewartet, was Sie entscheiden wern, was ihr dafür geschehn soll, dem Biest, dem räudigen.«

Bei dieser Erzählung schaute Schwejk dem Oberleutnant so aufrichtig in die Augen, daß dieser, der sich Schwejk anfangs in roher Absicht genähert hatte, von seinem Vorhaben abließ, sich auf einen Stuhl setzte und fragte: »Hören Sie, Schwejk, sind Sie wirklich so ein Rindvieh Gottes?«

»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant«, erwiderte Schwejk feierlich, »ja! – Von klein auf hab ich so ein Pech, immer will ich was besser machen, gut machen, und nie kommt was heraus als eine Unannehmlichkeit für mich und die Umgebung. Ich hab die zwei wirklich bekannt machen wolln, damit sie sich verstehn, und kann nicht dafür, daß sie ihn aufgefressen hat und es aus war mit der Bekanntschaft. In einem Haus beim Stupart hat vor Jahren eine Katze sogar einen Papagei aufgefressen, weil er sie ausgelacht und ihr nachmiaut hat. Katzen ham aber ein zähes Leben. Wenn Sie befehln, Herr Oberlajtnant, daß ich sie umbring, wer ich sie zwischen der Tür zerquetschen müssen, anders geht sie nicht drauf.«

Und Schwejk erklärte dem Oberleutnant mit der unschuldvollsten Miene und seinem lieben gutmütigen Lächeln, wie man Katzen tötet, und brachte Einzelheiten vor, die einen Tierschutzverein sicherlich ins Irrenhaus hätten bringen müssen.

Er legte dabei fachmännische Kenntnisse an den Tag, so daß Oberleutnant Lukasch, seinen Ärger vergessend, fragte: »Sie können mit Tieren umgehen? Haben Sie Gefühl für Tiere?«

»Ich hab am liebsten Hunde«, sagte Schwejk, »weil das für einen, der sie verkaufen kann, ein einträgliches Geschäft is. Ich hab mich nicht drauf verstanden, weil ich immer ehrlich war; aber doch sind noch Leute zu mir gekommen, ich hab ihnen herich ein Krepierl statt einem reinrassigen und gesunden Hund verkauft, wie wenn alle Hunde reinrassig und gesund sein müßten. Und jeder wollt gleich einen Stammbaum haben, so hab ich mir Stammbäume drucken lassen müssen und aus einem Košířer Köter, was in einer Ziegelei geboren worden is, den reinrassigsten adeligen aus dem Bayrischen Hundezwinger Arnim von Barheim machen müssen. Und wirklich, die Leute waren froh, daß sie es so gut getroffen ham und ein reinrassiges Tier zu Haus ham, und ich hab ihnen meintwegen einen Wrschowitzer Spitz als Dachshund anbieten können, und sie ham sich nur gewundert, warum so ein seltener Hund, der bis aus Deutschland is, struppig is und keine krummen Beine hat. Das macht man so in allen Hundezwingern, da möchten Sie erst Augen machen, Herr Oberlajtnant, was für Betrügereien mit Stammbäumen man in den großen Hundezwingern macht. Hunde, die von sich sagen können: ›Ich bin eine reinrassige Bestie‹, gibts wirklich wenig. Entweder hat sich die Mutter mit einem Scheusal vergessen oder seine Großmutter, oder hat er mehrere Väter gehabt und von jedem was geerbt. Von einem die Ohren, vom zweiten den Schwanz, vom dritten die Haare am Maul, vom vierten die Schnauze und vom fünften die Gestalt, und wenn er zwölf Väter gehabt hat, so können Sie sich denken, Herr Oberlajtnant, wie so ein Hund ausschaut. Ich hab mal so einen Hund gekauft, einen Hühnerhund, der war nach seinen Vätern so häßlich, daß ihm alle Hunde ausgewichen sind, und ich hab ihn aus Mitleid gekauft, weil er so verlassen war. Und er is fort zu Haus im Winkel gesessen und war so traurig, daß ich ihn hab als Stallpinscher verkaufen müssen. Am meisten Arbeit hats mir gegeben, ihn zu färben, damit er die Farbe von Pfeffer und Salz hat. Er is mit seinem Herrn bis nach Mähren gekommen, und seit der Zeit hab ich ihn nicht gesehn.«

Den Oberleutnant begann diese kynologische Ausführung sehr zu interessieren, und so konnte Schwejk ohne Hindernis fortfahren: »Hunde können sich nicht selbst das Haar färben, wies die Damen machen, das muß immer der besorgen, der sie verkaufen will. Wenn ein Hund schon so ein Greis is, daß er ganz grau is, und Sie wolln ihn als einjähriges Junges verkaufen, oder Sie geben ihn, den Großvater, sogar für neun Monate alt aus, so müssen Sie Rabensilber kaufen, es auflösen und ihn schwarz anmaln, daß er ausschaut wie neu. Damit er an Kraft zunimmt, füttern Sie ihn wie ein Pferd mit Arsenik, und die Zähne putzen Sie ihm mit Schmirgelpapier, mit so einem, was man rostige Messer putzt. Und vorher, bevor Sie ihn zu einem Käufer führen, gießen Sie ihm Sliwowitz ins Maul, damit sich der Hund bißl besauft, und gleich is er munter, lustig, bellt freudig und freundet sich mit jedem an wie ein betrunkener Stadtrat. Aber was die Hauptsache is, is das: In die Leute, Herr Oberlajtnant, muß man hineinreden, so lang hineinreden, bis der Käufer davon ganz plemplem is. Wenn sich jemand von Ihnen einen Rattler kaufen will, und Sie ham nichts anderes zu Haus wie irgendeinen Jagdhund, so müssen Sie diesen Menschen so zu überreden verstehn, daß er sich statt dem Rattler diesen Jagdhund wegführt, und wenn Sie zufällig nur einen Rattler zu Haus ham und jemand kommt sich eine böse deutsche Dogge zum Hüten kaufen, so können Sie ihn so verwirren, daß er sich in der Tasche den Zwergrattler statt der Dogge wegträgt. Wie ich früher mit Tieren gehandelt hab, so is mal eine Dame gekommen, daß ihr herich ein Papagei in den Garten weggeflogen is und daß dort grad kleine Buben vor der Villa Indianer gespielt ham und daß sie ihr ihn gefangen ham und ihm alle Federn ausm Schwanz ausgerissen ham und sich mit ihnen geschmückt ham wie unsere Polizeimänner. Und daß der Papagei wegen der Schande, weil er ohne Schwanz is, krank geworn is und daß ihm der Tierarzt mit Pulvern den Rest gegeben hat. Sie will sich also einen neuen Papagei kaufen, einen anständigen, keinen ordinären, der nur aufheißen kann. Was hab ich machen solln, wenn ich keinen Papagei zu Haus gehabt hab und von keinem gewußt hab. Ich hab nur eine böse, ganz blinde Bulldogge zu Haus gehabt. So hab ich, Herr Oberlajtnant, in die Frau von vier Uhr nachmittags bis sieben Uhr hineinreden müssen, bevor sie statt dem Papagei die blinde Bulldogge gekauft hat. Das war ärger als eine diplomatische Situation, und wie sie weggegangen is, hab ich gesagt: Jetzt sollns die Buben mal probieren, ihm auch den Schwanz auszureißen‹, und weiter hab ich mit der Frau nicht gesprochen, weil sie wegen dieser Bulldogge von Prag hat wegziehen müssen, weil sie das ganze Haus gebissen hat. Wern Sies glauben, Herr Oberlajtnant, daß es sehr schwer is, ein ordentliches Tier zu bekommen?«

»Ich hab Hunde sehr gern«, sagte der Oberleutnant, »einige von meinen Kameraden, die an der Front sind, haben Hunde mit und haben mir geschrieben, daß ihnen der Krieg in Gesellschaft so eines treuen und ergebenen Tieres nicht so schlimm erscheint. Sie kennen also alle Hunderassen, und ich hoffe, wenn ich einen Hund hätte, würden Sie ihn ordentlich pflegen. Welche Rasse ist Ihrer Meinung nach die beste? Ich meine nämlich einen Hund als Gesellschafter. Ich hab einmal einen Stallpinscher gehabt, aber ich weiß nicht …«

»Meiner Meinung nach, Herr Oberlajtnant, is ein Stallpinscher ein sehr lieber Hund. Jedem, das is wahr, gefällt er nicht, weil er Borsten hat und so einen harten Bart am Maul, daß er wie ein entlassener Sträfling aussieht. Er is so häßlich, daß er schon wieder schön is und dabei sehr klug. Wie solls so ein blöder Bernhardiner mit ihm aufnehmen? Er is noch gescheiter wie ein Foxterrier. Ich hab einen gekannt …«

Oberleutnant Lukasch schaute auf die Uhr und unterbrach Schwejks Rede: »Es ist schon spät, ich muß mich ausschlafen. Morgen hab ich wieder Dienst. Sie können den ganzen Tag damit verbringen, einen Stallpinscher zu finden.«

Er ging schlafen, und Schwejk legte sich in der Küche aufs Kanapee und las noch die Zeitungen, die der Oberleutnant aus der Kaserne mitgebracht hatte.

Da schau her, sagte sich Schwejk, den Sultan hat Kaiser Wilhelm mit der Kriegsmedaille ausgezeichnet, und ich hab noch nicht mal die Kleine Silberne.

Er wurde nachdenklich und sprang in die Höh. »Fast hätt ich vergessen …«

Schwejk ging ins Zimmer, wo der Oberleutnant bereits fest schlief und weckte ihn: »Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, ich hab keinen Befehl wegen der Katze.«

Und der verschlafene Oberleutnant drehte sich im Halbtraum auf die andere Seite, brummte: »Drei Tage Kasernenarrest!« und schlief weiter.

Schwejk verließ still das Zimmer, zog die unglückliche Katze unter dem Kanapee hervor und sagte ihr: »Hast drei Tage Kasernenarrest, abtreten!«

Und die Angorakatze kroch wieder unter das Kanapee.

IV

Schwejk schickte sich gerade an auszugehen, um nach einem Stallpinscher Umschau zu halten, als eine junge Dame klingelte und Oberleutnant Lukasch zu sprechen wünschte. Neben ihr standen zwei große Koffer, und Schwejk sah noch auf der Treppe die Mütze eines Dienstmannes, der die Stiege hinunterschritt.

»Er is nicht zu Haus«, sagte Schwejk hart, aber die junge Dame stand bereits im Vorzimmer und gebot Schwejk kategorisch: »Tragen Sie die Koffer ins Zimmer!«

»Ohne die Erlaubnis vom Herrn Oberlajtnant gehts nicht«, sagte Schwejk, »der Herr Oberlajtnant hat befohlen, daß ich nie was ohne ihn machen soll.«

»Sie sind verrückt«, rief die junge Dame, »ich bin zum Herrn Oberleutnant zu Besuch gekommen.«

»Davon is mir nichts bekannt«, antwortete Schwejk, »der Herr Oberlajtnant is im Dienst, er kommt erst in der Nacht zurück, und ich hab den Befehl bekommen, einen Stallpinscher zu finden. Von keinen Koffern und von keiner Dame weiß ich nichts. Jetzt sperr ich die Wohnung zu, ich möcht also bitten, daß Sie freundlichst weggehn. Mir is nichts gemeldet worn, und keine fremde Person, die ich nicht kenn, kann ich hier nicht in der Wohnung lassen. So wie einmal, wie sie bei uns in der Gasse beim Zuckerbäcker Beltschizky einen Menschen eingelassen ham, und er hat den Kleiderkasten aufgebrochen und is weggelaufen.

Ich mein damit nichts Schlimmes von Ihnen«, fuhr Schwejk fort, als er sah, daß die junge Dame ein verzweifeltes Gesicht machte und weinte, »aber auf keinen Fall können Sie hierbleiben, das sehn Sie doch ein, weil mir die ganze Wohnung anvertraut is und ich für jede Kleinigkeit verantwortlich bin. Deshalb forder ich Sie nochmals in aller Liebenswürdigkeit auf, Sie solln sich nicht anstrengen. Solang ich keinen Befehl vom Herrn Oberlajtnant bekomm, kenn ich nicht mal meinen Bruder. Es tut mir wirklich leid, daß ich mit Ihnen so sprechen muß, aber beim Militär muß Ordnung sein.«

Inzwischen hatte sich die junge Dame ein wenig erholt. Sie entnahm ihrem Täschchen eine Visitkarte, schrieb mit einem Bleistift ein paar Zeilen, legte die Karte in ein reizendes kleines Kuvert und sagte niedergeschlagen: »Tragen Sie das zum Herrn Oberleutnant, ich werde hier inzwischen auf Antwort warten. Hier haben Sie fünf Kronen für den Weg.«

»Draus schaut nichts heraus«, sagte Schwejk, durch die Unnachgiebigkeit des unverhofften Gastes beleidigt, »lassen Sie sich die fünf Kronen, sie liegen hier am Sessel, und wenn Sie wolln, kommen Sie mit zur Kaserne, warten Sie auf mich, ich geb Ihren Brief ab und bring Antwort. Aber daß Sie derweil hier warten, geht auf keinen Fall.«

Nach diesen Worten zog er die Koffer ins Vorzimmer, und mit den Schlüsseln rasselnd, wie der Beschließer eines Schlosses, sagte er bedeutungsvoll bei der Tür: »Wir sperren!

Die junge Dame trat hoffnungslos auf den Gang, Schwejk versperrte die Tür und ging voraus. Die Besucherin trippelte wie ein Hund hinter ihm her und holte ihn erst ein, als Schwejk sich in einer Trafik Zigaretten kaufte.

Sie ging nun neben ihm und bemühte sich, ein Gespräch anzuknüpfen: »Werden Sies sicher abgeben?«

»Natürlich, wenn ichs gesagt hab.«

»Und werden Sie den Herrn Oberleutnant finden?«

»Das weiß ich nicht.«

Sie gingen wieder schweigend nebeneinander, bis Schwejks Begleiterin nach langer Weile wieder das Wort ergriff: »Sie glauben also, daß Sie den Herrn Oberleutnant nicht finden werden?«

»Das glaub ich nicht.«

»Und wo, glauben Sie, könnte er sein?«

»Das weiß ich nicht.«

Damit war das Gespräch für eine Weile beendet, bis es wieder durch eine Frage der jungen Dame in Schwung gebracht wurde.

»Haben Sie den Brief nicht verloren?«

»Bis jetzt hab ich ihn nicht verloren.«

»Sie werden ihn also bestimmt dem Herrn Oberleutnant abgeben?«

»Ja.«

»Und werden Sie ihn finden?«

»Ich hab schon gesagt, ich weiß nicht«, entgegnete Schwejk, »ich wunder mich, daß Leute so neugierig sein können und immerfort dieselbe Sache fragen. Das is so, wie wenn ich auf der Straße jeden zweiten anhalten und fragen möcht, der wievielte is.«

Damit war der Versuch, sich mit Schwejk zu verständigen, endgültig beendet, und der weitere Weg in die Kaserne verlief in völligem Schweigen. Erst als sie bei der Kaserne standen, forderte Schwejk die junge Dame auf zu warten und knüpfte mit den Soldaten im Tor ein Gespräch über den Krieg an. Die junge Dame schien darüber eine ungeheure Freude zu haben, denn sie ging nervös auf dem Trottoir auf und ab und blickte recht unglücklich drein, als sie sah, daß Schwejk seine Erörterungen mit einem Gesicht fortsetzte, das so dumm war wie jenes, das man auf einer Photographie sehen konnte, die in dieser Zeit in der »Chronik des Weltkriegs« veröffentlicht wurde: »Der österreichische Thronfolger im Gespräch mit zwei Fliegern, die einen russischen Aeroplan abgeschossen haben.«

Schwejk setzte sich auf eine Bank beim Tor und legte dar, daß an der Front in den Karpaten die Angriffe des Heeres gescheitert seien, daß jedoch auf der anderen Seite der Kommandant von Przemyśl, General Kusmanek, nach Kiew gekommen sei, daß wir in Serbien elf Stützpunkte aufgegeben hätten und daß die Serben es nicht lange aushalten würden, unseren Soldaten nachzulaufen.

Dann verstrickte er sich in eine Kritik der einzelnen bekannten Schlachten und machte die großartige Entdeckung, daß sich eine von allen Seiten umschlossene Abteilung ergeben müsse.

Als er genug gesprochen hatte, schien es ihm angezeigt, herauszugehen und der verzweifelten Dame zu sagen, daß er gleich kommen werde, sie solle warten. Dann ging er hinauf in die Kanzlei, wo er den Oberleutnant Lukasch fand, der gerade einem Leutnant eine Aufgabe aus der Schützengrabentechnik löste und ihm auseinandersetzte, er könne nicht zeichnen und habe keine Ahnung von Geometrie.

»Sehn Sie, so soll man das zeichnen. Wenn wir zu einer gegebenen geraden Linie eine senkrechte Linie skizzieren sollen, müssen wir sie so fällen, daß sie mit ihr einen rechten Winkel bildet. Verstehn Sie? So werden Sie die Schützengräben richtig und nicht zum Feind führen. Sie bleiben sechshundert Meter von ihm entfernt. Aber wie Sie es gezeichnet haben, stoßen Sie unsere Position in die feindliche Linie und stehen mit Ihrem Schützengraben senkrecht über dem Feind, und Sie brauchen einen großen Winkel. Das ist doch ganz einfach, nicht wahr?«

Und der Leutnant in Reserve, in Zivil Kassierer einer Bank, stand ganz verzweifelt über diesen Plänen, verstand nicht das geringste und atmete erleichtert auf, als Schwejk an den Oberleutnant herantrat.

»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, eine Dame schickt Ihnen diesen Brief und wartet auf Antwort.« Dabei zwinkerte er bedeutungsvoll und vertraulich.

Was er da las, machte auf den Oberleutnant keinen günstigen Eindruck.

»Lieber Heinrich! Mein Mann verfolgt mich. Ich muß unbedingt bei Dir ein paar Tage gastieren. Dein Bursch ist ein großes Rindvieh. Ich bin unglücklich. Deine Kati!«

Oberleutnant Lukasch seufzte, führte Schwejk in die anstoßende leere Kanzlei, schloß die Tür und fing an, zwischen den Tischen auf und ab zu gehen. Als er schließlich vor Schwejk stehenblieb, sagte er: »Die Dame schreibt, daß Sie ein Rindvieh sind. Was haben Sie ihr denn gemacht?«

»Ich hab ihr nichts gemacht, melde gehorsamst. Herr Oberlajtnant, ich hab mich sehr anständig benommen, aber sie hat sich gleich in der Wohnung niederlassen wolln. Und weil ich von Ihnen keinen Befehl bekommen hab, so hab ich sie nicht in der Wohnung gelassen. Noch zu allem is sie mit zwei Koffern gekommen wie nach Haus.«

Der Oberleutnant seufzte nochmals laut, was Schwejk ihm nachmachte.

»Was heißt das?« schrie der Oberleutnant drohend.

»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, es is ein schwerer Fall. In der Vojtĕchgasse is vor zwei Jahren zu einem Tapezierer ein Fräulein gezogen, und er hat sie nicht aus der Wohnung loswern können und hat sie und sich mit Leuchtgas vergiften müssen, und aus wars mit der Hetz. Mit den Weibern hats halt seine liebe Not. Ich seh in sie hinein.«

Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

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