Читать книгу LOTTA und das Böse dieser Welt - Jasmina Marks - Страница 5
Die sieben Todsünden
ОглавлениеZum Beispiel was die Teufelsaustreibungen betrifft. Menschen, die angeblich von Dämonen besessen waren oder die „sieben Todsünden“, die genau genommen keine waren. Jedenfalls keine „Todsünden“ im eigentlichen Sinne sondern eher schlechte Charaktereigenschaften, die man aber trotzdem nicht unbedingt haben sollte. Besser wäre es nämlich, wenn keine dieser Verhaltensweisen als Kennzeichen eines bestimmten Menschen gelten würden – schon gar nicht von einem selbst! Wäre wohl heilsamer, ganz klar und doch gibt es sie: gierige Menschen, von Neid zerfressene, eitel und stolz Daherkommende, maßlos unter Umständen. Es gibt sie überall unter uns. Aber nehmen wir das noch als „Todsünde“ war? Wohl kaum. Obwohl vielleicht die Folgen dessen doch erkennbar waren. Es tut einem nicht gut, wenn man so ist, keine Frage!
Denn eben die gerade beschriebenen Eigenschaften gelten ja als „Todsünde“. Da waren nämlich:
Superbia: der Hochmut, mit anderen Worten Eitelkeit, Stolz und Übermut
Alles keine Fremdwörter in der heutigen Zeit, gerade auch so etwas wie manchmal übermütig sein zu dürfen, konnte etwas hochgradig Positives in sich bergen, fand Lotta. Allerdings, das musste sie schon zugeben, kam es auf den Umstand, die Voraussetzung an.
Wer zu festgefahren war, was seine Lebensbedingungen betraf, stets diszipliniert, sich selbst vollkommen vergessend und gezielt ausblendend, seinen Alltag bestritt, dem würde eine Packung „Übermut“ wohl zu etwas mehr Lebensfreude verhelfen können! Mal alles außer Acht lassen, sich lösen von der Norm, den Erwartungen anderer, mal „alle Fünfe grade sein lassen“ – herrlich! Das würde so manchem sein Leben wirklich erleichtern und es nachhaltig bereichern, ganz sicher sogar. Weil es hilft, zu sich selbst zu stehen, sich zu erden, dem Druck der sogenannten Umwelt gerecht werden zu können, ohne sich dabei zu verlieren. Vielleicht sogar in das Bewusstsein zu kommen, Stress als solchen nicht mehr empfinden zu müssen, weil man gelernt hat, ein Gleichgewicht zu erlangen und dieses zu bewahren!
Im Gegensatz natürlich zu denjenigen, die ständig auf der Überholspur verweilten. Die bräuchten eher eine Bremse, schadeten sich durch „zu viel“ davon. Wer zu hochmütig durch die Weltgeschichte trabte, der traf, früher oder später, auf eine Persönlichkeit, die einem solchen Verhalten schnell und unkompliziert ein Ende setzen konnte. Wer zu weit oben schwebt, der fällt, früher oder später, garantiert. Das ist der Lauf der Dinge, der geschieht von ganz allein. Auch wenn man hin und wieder ziemlich lange darauf warten muss, scheinbar, bis ein überheblicher Mensch auf den Boden der Tatsachen zurückkehrt – aber „nur“ manchmal. Und häufig auch dann, wenn man so gar nicht damit rechnet. Macht ja auch Sinn!
Wobei Lotta gerade durch den Kopf schoss, wie viele Beispiele es dafür gibt, in denen Menschen, die in der Tat hohe Positionen innehatten, durch letztendlich total dämliche Dinge alles verlieren. Die ein Verhalten an den Tag legten, das ihrer Stellung überhaupt nicht gerecht zu werden schien, man solchen Leuten mehr „Verstand“ zugetraut hätte. Mit nachhaltiger Wirkung meistenteils. Der Sturz, den sie sich in einem solchen Fall dann selbst zuzuschreiben haben, hat üblicherweise erhebliche Konsequenzen. Beruflich sowieso, mal ganz abgesehen von dem öffentlichen Spott und Hohn. Es braucht eben nicht immer einen „Lehrmeister“ in persona eines anderen Menschen. Der ein oder andere schafft es von ganz allein, sich ein Bein zu stellen. Kommt vor, weit häufiger, als man glauben will.
Das passiert gewissermaßen Menschen, die doch intelligent sind, studiert haben, promoviert unter Umständen und doch niederen Instinkten erliegen quasi. Womit sich klar herausstellt, dass geistige Bildung allein, nicht über den Wert eines Menschen entscheidet, sondern das Wesen und sein Charakter! Viel zu wissen schützt nicht vor Dummheit! Das Leben bestätigt es andauernd. Individuen, die sich dabei erwischen lassen, wie sie die „einfachen“ Dinge über die Maßen ausleben oder beispielsweise, unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln oder Alkohol stehend, Dinge tun, die man mit „normalem“ Verstand nicht tun würde. Oder nicht tun sollte? Manchmal sogar nicht tun darf, wie Autofahren, wenn man was intus hat. Auch wenn man schon eine ganze Weile ungeschoren davon gekommen sein mag, irgendwann kommt der Moment, an dem aus einem ungünstigen Zufall heraus doch alles ans Licht kommt. Wer soll denn dann glauben, dass man just an diesem Tag, zu dieser Stunde, das aller, wirklich allererste Mal so einen Bock geschossen hat? Eher keiner! Denn wenn man sich über Regeln hinwegsetzt, dann sollte man so clever sein, sich dessen nicht überführen zu lassen. Wobei das die Sache auch nicht besser macht, wenn ich hinter verschlossener Tür unter dem Deckmantel der Heimlichkeit, Dinge tue, von denen niemand wissen darf, weil er sonst an Respekt verliert. Aber das ist ein anderes Thema!
Diese Leute entgleisen aus ihrer Vorbildfunktion und ein unbedachter Moment zerstört steil gen Himmel geraste Karrieren in Windeseile. Da könnte man ja schon mal das Spekulieren anfangen, dachte Lotta sofort. Wenn nämlich ein Leut eine überaus große Machtstellung innehat und sich oben angekommen solche Fehler leistet, dass alles dahin ist, was er sich zuvor mühsam erkämpft hat, dann war dieses Leut unfähig, mit der Macht umzugehen! Vielleicht sogar was doof - böse formuliert. Denn wenn all die Intelligenz, der Arbeitseinsatz und das sich intensiv angeeignete Wissen nicht dafür genutzt werden können, durch besonnenes Verhalten der Aufgabe gerecht zu werden, dann beweist das in Lottas Augen, dass es nicht der gesellschaftliche Rang ist, auf den es ankommt, sondern viel entscheidender das Wesen als auch die Charakterbildung eines Menschen zu sein scheinen, ob dieser einem gehobenen Posten gewachsen ist oder nicht! Macht begründet sich nicht auf Wissen allein. Sie kann dadurch aufgebaut werden und doch ist es am Ende der Mensch, der zählt! Oder etwa nicht? Dann weiß ich doch den Wert nicht wirklich zu schätzen, wenn ich es leichtfertig aufs Spiel setze. Oder bin halt so weit drüber, dass ich dazu neige, unter Größenwahn zu leiden – scheinbar der Annahme verfalle, unantastbar zu sein (ich hochmütig bin). In solchen Situationen ist der Schlag, der dann kommt und den gnadenlosen Fall bringt, meistens auch von verheerendem Ausmaß, dachte Lotta.
Es gibt natürlich auch diejenigen, welche sich ihrer Machtstellung bewusst sind und diese schamlos auszunutzen versuchen aus der Überzeugung heraus, unantastbar zu sein. Besonders auffallend daran, dass es sich oftmals um Vergehen oder Ausschweifungen auf sexuellem Gebiet handelt. Wo Macht derartig missbraucht wird, dass Opfer mit Geld oder vernichtenden Lügen im Zaum gehalten werden sollen. Weil – ja wer kann denn schon so einer Position ernsthaft Schaden zufügen? Niemand! Das Blöde an der Sache jedoch ist, dass es sich zwar durchaus um eine gesellschaftlich oder politisch hohe „Stellung“ handeln mag, diese aber immer noch von Menschen ausgefüllt wird! Der Mensch, der sie innehat, ist ausschlaggebend für die Anerkennung der Position. Ist so und war schon immer so!
Das Thema „Eitelkeit“ ist ja auch so eines, das man genauer betrachten muss. HM – setzt man es mit Selbstzufriedenheit oder Seelenfrieden gleich, also mit dem Gedanken dahinter, dieses erwerben und dann auch für sich erhalten zu wollen, ist eine gewisse Form von Eitelkeit sehr wohl gesund. Leider aber hat der Begriff an sich schon einen negativen Touch. Wer eitel ist, gilt als selbstverliebt, was doof klingt! Naja – auch da muss man differenzieren, fand Lotta. Sich selbst zu lieben, so wie man ist, ist eine hohe Kunst und gelingt längst nicht jedem. Unendlich tragisch, wenn man drüber nachdenkt! Und doch so wichtig, mit sich selbst im Reinen zu sein, denn anders erlangt man ein zufriedenes Dasein nicht!
Wird Eitelkeit jedoch eingesetzt, um sich von anderen abzuheben und eine Arroganz zu rechtfertigen allem „Niederen“ gegenüber, dann ist das etwas Schlechtes, keine Frage.
Gleiches gilt für den Stolz. Es gibt so zahlreiche Dinge, auf die Menschen zu Recht „stolz“ sein können. Wenn sie etwas anstrengendes bewältigt haben, nachhaltiges leisteten oder auf etwas blicken können, von dem sie lange nicht glauben konnten, es jemals zu meistern, dann ist „Stolz“ sogar angebracht!
Wer hingegen einfach mal die Nase gen Himmel hebt, aus welchen Gründen auch immer, und sich Wunder was einbildet, worauf auch immer, na gut, der gehört zweifelsohne in jene Kategorie „schreit freiwillig nach Sturz“ und löst sich den steil abwärts führenden Fahrschein ganz von allein!
Was Lotta daran aber auffiel, war eines: In dem richtigen Maß ist sowohl Übermut als auch Eitelkeit oder auch Stolz etwas sehr gutes. Wird es übertrieben ausgelebt, kippt es um in was richtig schlechtes. Wobei man dann auch nicht vergessen darf, dass die Träger dieser Eigenschaft in sich nicht stabil sind. Wer auch immer es nötig hat, eine davon zur Schau zu stellen, tut dieses, weil er von sich selbst ablenken möchte. Wer einem oder allen anderen permanent unter die Nase reiben muss, wie toll er ist, wird wohl von sich selbst nicht einmal glauben, „gut“ oder „in Ordnung“ zu sein, eine Achtung verdient zu haben. Es gibt Menschen, die dann unentwegt mit erstaunlichem Einsatz auf ihren gesonderten Stellenwert hinweisen, weil es sie innerlich nach aufrichtiger Anerkennung dürstet. Was könnte man eben diesen Seelen doch für eine Last abnehmen, gelänge es, ihnen klar zu machen, wie sehr sie vom Weg abgekommen sind. Sie ihr Ziel auf diese Weise nicht erreichen werden, sondern eher das Gegenteil in Kraft tritt, nämlich nun gar nicht mehr ernst genommen zu werden – sehr ärgerlich!
Die Einzigen, die man komplett aus dieser Betrachtung herausnehmen sollte, sind all diejenigen, die ganz selbstverständlich 10 Meter über dem Boden laufen. Mit anderen Worten, die weit über allen anderen stehen. Die müssen dann anders ausgebremst werden und schaffen das, interessanterweise, sogar ganz allein – schon spannend!
Aber eine „Todsünde“? Lotta schüttelte den Kopf. Nein, das konnte sie so nicht unterschreiben!
Avaritia: der Geiz oder eben halt die Habgier
Hm – ist wohl eher bei jenen zu finden, die auch viel haben. Wer nix hat, der gibt gerne von dem wenigen, weil er gelernt hat, materielle Dinge anders einzuschätzen als menschliche Nähe beispielsweise. Es ihm überhaupt nichts ausmacht, wenn er glaubt, einem anderen eine Freude machen zu können. In der Not lernt man die Dinge mit anderen Augen zu betrachten, wenn nicht alles für selbstverständlich erachtet wird. Man gibt leichter, wenn man denn kann.
Je mehr Wohlstand, umso gieriger werden die Menschen, scheint zumindest so. Umso weniger sind sie bereit zu teilen oder abzugeben, an jene, die es dringender benötigen würden. Wer richtig viel hat, der verfällt einem Instinkt. Vielleicht ist es auch ein Gen oder so was in der Art? Das immer dann ausbricht, sich bemerkbar macht, wenn die Gedanken in die Richtung wandern, alles bereits vorhandene noch in möglichst großen Rahmen zu vervielfachen?! Bei manch einem drängt sich der Verdacht auf, dass er innerlich total durchtickt und den Bezug zum eigentlich Wichtigem komplett aus den Augen verliert. Denn gerade diejenigen, die weit mehr haben, als sie jemals ausgeben können, schaffen ihr Geld beiseite und raffen an sich, was nur geht. Steuersünder – so was haben wir ja nicht. NÖ! Die Kleinen werden bei geringster Verfehlung hart bestraft, bei den anderen – naja. Wenn ein Leut mehrere Millionen hinterzieht, obwohl er weit davon entfernt ist, am Hungertuch zu nagen, dann hat die Habgier wohl Besitz ergriffen von so jemandes Seele. Verstand Lotta nicht, warum Menschen so handelten und sich dann noch mächtig darüber aufregten, wenn dieser Umstand öffentlich bekannt und logischerweise diskutiert wurde. Dann fiel ihnen wieder ihre „Privatsphäre“ ein, ihr Persönlichkeitsrecht. Bis dato war der ihnen zuerkannte gesonderte Stellenwert aber sehr willkommen. Die Kehrseite der Medaille wollen sie dann aber nicht aushalten. Soso!
Und dann sind ja noch die geizigen Vertreter dieser Welt zu bedenken. „Geiz“ ist ja nicht zwangsläufig mit „Habgier“ gleichzusetzen. Wer krankhaft geizig ist, ist in sich ein äußerst unzufriedener Mensch. Denn die gibt es auch, unzufriedene Menschen, die alles an sich raffen, aus lauter Angst, etwas zu verlieren. Vielleicht haben sie schon mal einen schmerzlichen Verlust erlitten, weshalb sie das Leben gelehrt hat, lieber vorsichtiger zu sein und zu horten, was auch immer. Oder sie wurden ausgenutzt, dann wäre es ja auch dämlich, nicht bewusster vorzugehen in Zukunft. Nur weil es einem Menschen gelungen ist, etwas anzusammeln, ist er nicht automatisch dazu verpflichtet, sein Hab und Gut an andere salomonisch zu verteilen, so ’n Quatsch! Ihm deshalb „Geiz“ zu unterstellen, wäre auch nicht angebracht. Diejenigen, die wirklich von Herzen geben, ihren Wohlstand genießen und das, was über ist, jenen zukommen lassen, denen es ihre Umstände erleichtert, die tun das im Stillen und ohne auf die öffentliche Anerkennung ihrer „guten Tat“ zu bestehen!
Wie auch immer man es betrachtet, die Frage ist, ob das noch als etwas gelten kann, was dem Begriff „Todsünde“ wirklich gerecht wird - fraglich.
Luxuria: auch Wollust genannt, Ausschweifung, Genusssucht als auch Begehren
Das war ja so was von klar, dass auch die Sexualität in die Riege der „Todsünden“ ihren Einzug gefunden hat. An dieser Stelle konnte Lotta nichts anderes tun, als mit dem Kopf zu schütteln, ganz ehrlich.
Eine Seele zu begehren, die man aus tiefstem Herzen liebt, war alles andere als eine Sünde. Dabei ist es völlig egal, wer wen liebt, ob nun hetero oder homosexuell - völlig Banane. Entscheidend war, die aufrichtige Empfindung des Herzens zu einem anderen Menschen und die wünschenswerte Erwiderung dieser einen Seele. Nur darum geht es! Und was sich liebt, begehrt sich auch, sehnt sich nach körperliche Nähe und dementsprechend nach dem Ausleben der Wollust – so soll es sein und nicht anders!
Ohne Zweifel gibt es allerdings auch jene, die den eigentlichen Bezug dazu verloren hatten und sich am meisten durch Ausschweifungen selbst schadeten. Was ihnen früher oder später auch bewusst werden würde. Man könnte, fand Lotta, natürlich auch auf die Idee kommen, wenn man denn ziemlich verschroben war, dass gerade weil die Sexualität permanent und ständig wiederkehrend als etwas „Schlechtes, Abartiges oder überaus Verwerfliches“ propagiert wurde, es zu Verwirrungen kam. Diese Sichtweise mit aufrechtem Zeigefinger von den Mächtigen gefordert wurde, jenen, die das ethische Sagen hatten und die ihr eigenes moralisches Verständnis allen anderen aufzwängten. Diese trugen letztendlich auch die Verantwortung dafür, dass so vielen Menschen einfach nicht klar werden konnte, worauf es denn eigentlich wirklich ankam. Weil zu sehr eingepfercht in Regeln und Normen! Indem man den Menschen Fesseln angelegt hatte, diesen kein Raum zur Orientierung bleiben kann. Wer bitte soll sich da denn noch selbst finden, das, was er liebt und begehrt?
Lotta schnaubte deutlich hörbar vor sich hin. Unfassbar, wieder einmal. Was alles dabei herauskommen kann, wenn man die Dinge verfälscht. Negativ darstellt, was doch im Grunde wundervoll war! Wenn es denn getragen wurde von ehrlicher Liebe. So etwas konnte Lotta richtig wütend machen, wenn sie länger darüber nachdachte.
Und das ausgerechnet von jenen, die sich selbst das enthaltsame Leben auferlegt hatten. Es ist deren freie Entscheidung gewesen, auf etwas zu verzichten, das in den richtigen Bahnen gelenkt, unendlich viel Spaß machen kann. Ich kann doch nicht daher gehen und allen anderen derartig die Sinne verwirren, dass diese sich etwas verbieten, was sie gerne tun, nur weil es die Obrigkeiten so wollen. Man könnte, ginge es nach Lotta, dem Ganzen noch eins draufsetzen. Wer behauptet, Sex an sich sei etwas „Schmutziges“ (muss er ja wissen, weil er tut ja selber nicht – ähm, wenn ich es nicht tue, wie genau kann ich mir dann ein Urteil darüber erlauben, ob es „unrein“ ist oder nicht?!), der darf auch mal daherkommen und dieser Behauptung den Stempel des Allgemeingültigen aufsetzen. Frei nach dem Motto „wenn ich nicht, dann alle anderen auch nicht“, außer zum Kinderkriegen erlaubt, wenn man denn verheiratet ist, wohlgemerkt – klar!
Auf die Spitze getrieben wird das alles noch dadurch, dass auch ganz klar festgesetzt wird, wer mit wem und warum die einen mit den anderen halt nicht! Interessant wird die Geschichte aber erst dann, wenn man gezwungen ist, hinter verborgen Gehaltenes blicken zu müssen. Nach außen ehrbar sich selbst darstellen und hinter verschlossenen Türen alles angraben, was man in die Finger kriegen kann, sogar das, was in der Tat verwerflich ist, nämlich sich an Kindern zu vergehen – sehr glaubwürdig!
Übrig bleibt, „Wollust“ oder auch „Begehren“ als eine „Todsünde“ zu betrachten, kann Lotta definitiv nicht anerkennen. „Ausschweifung“ und „Genussucht“ führt ins Verderben der Seele, wohl wahr, im übertriebenen Maße ausgelebt führt alles ins menschliche Elend, aber eine „Todsünde“? Eher nicht!
Ira: der Zorn, die Wut und die Rachsucht
Naja, kennen wir alle. Wir waren alle schon mal richtig wütend auf wen auch immer. In den seltensten Fällen ist Wut zu empfinden „falsch“. Eigentlich ist es gut, wenn man mal so richtig sauer ist, auf denjenigen, der einem was angetan hat. Lotta war sogar der Meinung, dass Wut an sich ein guter Antreiber war. Wenn sie denn in den richtigen Bahnen gelenkt dazu führt, dass eben derjenige, der gebrochen wurde durch die Worte oder Taten eines anderen, aufsteht, für sich selbst, sich auflehnt und den vermeintlich Stärkeren entmachtet! Für all diejenigen ist Zorn sogar unersetzlich. Sie brauchen ihn, um zu sich finden zu können. Verheerend, wenn man dieses Gefühl komplett vereitelt und als etwas Negatives darstellt! Dann nämlich brodelt es unterschwellig weiter, was einen viel gravierenden Schaden in uns anrichtet. Permanent unterdrückt führt es dazu, dass sein Träger sich Stück für Stück selbst verliert.
Wut kann ein Teil des Weges sein. Wenn man leiden musste durch Menschen Hand, sollte sie es auch, unbedingt sogar. Bis man an dem Punkt angekommen ist, dass man sich ihrer entledigen kann. Nur wer sich ihr stellt, kann sie hinter sich lassen und dann, und zwar nur dann, für sich selbst, mit gefestigtem Rückgrat dauerhaft bestehen und vor wiederkehrenden Verletzungen selbiger Art gewappnet sein!
Wer sich eben nicht damit auseinandersetzt und sich weigert, an sich zu arbeiten, tja, der mag wohl in so etwas wie Rachsucht verfallen können. Ohne Frage ist Rache genau der falsche Weg, das sah auch Lotta so. Wer andere für durchlittene Qualen nachhaltig verantwortlich macht und nicht erkennt, dass es auch in ihm begründet ist, Verwundungen welcher Art auch immer, abzuarbeiten und hinter sich zu lassen, der wird getrieben von einer wachsenden Unzufriedenheit, die nach „Gerechtigkeit“ verlangt. Dummerweise ist nichts so sehr an der tatsächlichen Bedeutung vorbeigleitend und weit davon abgedriftet, wie man in etlichen Fällen zu sagen geneigt ist, wie die Gerechtigkeit an sich. Um dem nicht ausgeliefert sein zu müssen, mag so manch einer sich verrennen und der Rachsucht hingeben. Bezahlen wird er allerdings mehr dafür als ihm lieb sein dürfte. Aber ist das deswegen einer „Todsünde“ würdig, weil man den richtigen Weg nicht gefunden hat?
Gula: Völlerei, Gefräßigkeit und Maßlosigkeit, oder auch Selbstsucht
Jaja, das sind so Sachen, die kennen wir auch alle. Wir sind alle hin und wieder maßlos, neigen zur Gefräßigkeit (bei Familienfeierlichkeiten, in der kuschligen Adventszeit oder so) und denken an uns selbst. Genau genommen müssen wir auch an uns selbst denken dürfen. Denn wenn es nicht wir selbst tun, wer soll es denn dann für uns erledigen und auch nachweisbar „gut“ mit uns meinen? Auch das ist etwas, dass jeder von uns in seinem Innern finden muss: was ihm gut tut, wo er steht und wofür er einzutreten bereit ist. Niemand sonst kann uns das abnehmen! Aufrichtigkeit diesen Punkt betreffend, darf man wohl nur von eben jenen erwarten, die uns am Herzen liegen und die wir aufrichtig in Wechselseitigkeit lieben!
Eine Obrigkeit ist es mit Sicherheit eben nicht, denn die fordert nur etwas von uns, weil sie davon profitiert und nichts anderes. Allein schon der Umstand, dass eine über allen anderen stehende Macht mit der Erwartungshaltung ihren Untertanen gegenübertritt, bedingungslosen Gehorsam als auch Glauben einzufordern, bestätigt, dass sie es um ihrer selbst willen tut und nicht am Wohl des Einzelnen in der Gesamtheit interessiert ist. Sie tut das im Wesentlichen aus Selbstsucht heraus, um die eigene Stärke zu demonstrieren und behaupten zu können. Ansonsten würde es gar keinen Sinn ergeben, wenn ich dastehe, blinde Gefolgschaft erstreben möchte und gleichzeitig eben selbiger Anhängerschaft eigenes Denken erlaube oder gar, noch viel weitreichender, deren Meinungsäußerungen, unter Umständen sogar Kritik, zulasse. Das passt nicht zusammen, kann nicht funktionieren. Also bin ich, wenn ich über ein ausgeprägtes Geltungsbedürfnis verfüge, quasi schon dazu genötigt, alle anderen so in Grund und Boden zu stampfen, dass sie schweigend billigen, was immer ich ihnen vorhalte und zu anstandslos einzuhaltenden Regeln manifestiere!
Es ist eine grundsätzliche Angelegenheit, das richtige Maß zu finden, von was auch immer. Ausgewogen ist es nur dann, wenn man eben immer für ein Gegengewicht, eine Balance Sorge trägt und auch das kann nur jeder für sich selbst entscheiden, herausfinden und einschätzen, womit es ihm gut geht und er sich wohlfühlt!
HM – „Todsünde“? Vielleicht – käme auf die Größenordnung als auch auf die Umstände an …
Auch eine böse Sache, Invidia: der Neid, die Eifersucht, Missgunst im Allgemeinen
Herrje - ziemlich weit verbreitet, wenn man es recht bedenkt. Wenn nicht sogar das größte Übel unserer Welt schlechthin, im Kleinen wie auch im Großen betrachtet. Auslöser für diese Gefühle ist stets eine individuelle Unzufriedenheit, aus welchen Gründen auch immer. Auf welchen Bereich auch immer bezogen, ob persönlich oder beruflich, familiär oder einfach im Ganzen. Wer mit seinem Dasein hadert, sollte sich auf den Weg machen und sein Leben überdenken. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, um so fiese Gefühle wie den Neid loszuwerden, egal ob unterschwellig brodelnd oder offen vor sich hergetragen.
Eines der grausamsten Gefühle, dachte Lotta, und erst recht, wenn man eingeimpft bekommt, das eigene Schicksal zwingend zu tragen, weil es von Gott so befohlen wurde. Etwas Schlimmeres kann man den Menschen wohl nicht antun, als ihnen so etwas als unantastbare Wahrheit aufzuerlegen. Aber darüber hatte sich Lotta schon oft genug aufgeregt, geärgert.
Dennoch eine Schande, dass so etliche Mitmenschen unter uns es einfach nicht raffen. Fairerweise muss man aber hinzufügen, dass es auch nicht einfach zu verstehen ist, wenn man mir vorpredigt, dass Gott das so gewollt hat und ich armes Wurst es zu schlucken habe! HM – so eine massive Beeinflussung der menschlichen Seele fand Lotta fast schon böse!
Wer nämlich mutig genug ist, das eigene Spiegelbild zu ertragen, dem eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten. Hingegen wer einem anderen etwas nicht gönnt, es ihm neidet, der sollte sich mal geschwind an die eigene Nase packen, die Beine in die Hand nehmen und sein Leben sortieren – aber ganz schnell. Als wenn der andere etwas dafürkann, dass ich mein Leben nicht auf die Kette kriege! Dämlich eigentlich, wenn man drüber nachdenkt! Was könnte man doch glücklich sein, müsste man sich nicht ständig grämen. Aus der Gram wird Wut, die man ja auch nicht haben darf, daraus wächst dann die Rachsucht, weil zerfressen von Neid – holla! Wie wäre es an dieser Stelle, mal über eine Therapie nachzusinnen? Könnte hilfreich sein!
Rechtfertigt das alles denn die Einreihung in die „Todsünden“? Naja, naja … die Folgen, die Invidia dann so hat, würden das entscheiden. Sprich: leide bloß ich selbst darunter, dann ist die Zuordnung grundsätzlich falsch, nimmt es überhand und artet aus mit lebensgefährdenden Konsequenzen für einen andern, dann könnte es angebracht sein …
Und als Letztes
Acedia: die Faulheit, auch Feigheit, Ignoranz und als Trägheit des Herzens umschrieben
Jetzt erstmal Widerspruch einlegen, schoss es Lotta durch den Kopf, denn Feigheit ist wohl etwas ganz anderes als Faulheit. Der Feigheit liegt Angst, blanke Angst zugrunde, der Faulheit wohl eher „träge“ oder zu „bequem“ für etwas zu sein, es als zu „mühsam“ zu betrachten. Unmöglich, das so in einen Topf zu werfen. Wer macht denn so was? Einfach mal alles bunt durcheinanderwürfeln, passt schon, oder wie?
Denn sowohl Faulheit als auch Feigheit unterschieden sich erheblich von Ignoranz!
Ignoranz ist etwas, das so vorherrschend in unserer Welt ist, wie der Neid letztendlich, mit ebenso gravierenden Konsequenzen für die Menschen. Egal, ob als Individuum gesehen oder im Großen. Nicht zu erkennen, was ein anderer braucht, ist die eine Sache. Es aber nicht wissen zu wollen, macht die Sache jedoch viel schlimmer für denjenigen, der leidet.
Alle anderen sind so sehr damit beschäftigt, ihre Augen zu verschließen, dass sie es nicht wahrnehmen können, eben weil sie es auch nicht wollen! Ganz feste die Lider zudrücken und alle vorhandenen Sinne abschalten, lautet die allgemeine Devise. Denn eben nicht mit dem Herzen zu sehen, bedeutet massive Beschneidungen der Seele, der eigenen(!) und weicht gravierend von dem ab, was doch eigentlich das Ziel sein sollte, nämlich menschenwürdig miteinander umzugehen!
Wer träge im Herzen ist, kann aber auch deswegen so schwerfällig daherkommen, weil es ihm niemand vorher gezeigt hat. Ihn noch keiner auf die Idee brachte, mal genauer hinzuschauen. Da war doch was. Lotta runzelte ihre Stirn. Das war doch eben das, was die Leute auch nicht tun sollten – selber denken und daraufhin handeln … das ist ja jetzt schon fast lächerlich, wenn es nicht so ernst wäre. Erst alles unterbinden, einschränken, in Fesseln eng zusammenschnüren und sich dann wundern, dass eine „Trägheit des Herzens“ einsetzt! Wie das wohl kann?
Tja, und wieder die Frage aller Fragen: „Todsünde“? Nicht wirklich!
So gesehen hat die Aufstellung dieser Charaktereigenschaften, die als „Todsünde“ gelten, doch wunderbar funktioniert. Na klar, so was von! Sie funktionieren eben nicht, wenn man es genauer betrachtet. Die Menschen haben sich diese Attribute nicht abgewöhnt, sondern leben sie tagtäglich aufs Neue unbeirrbar aus. Sollte einem doch zu denken geben, wenn man an der Stelle der Mächtigen steht, ihre Position innehat, oder nicht? Spätestens jetzt muss auch jedem noch so sehr von seiner These überzeugtem Mensch klar werden, dass es so was von überflüssig ist, den Leuten derartige Regeln vor die Nase zu setzen.
Alles, was einen massiv in seiner persönlichen Entwicklung einschränkt, war ohnehin nichts für Lotta, sondern gehörte wohl zu den Dingen, die sie verurteilte, wegen ihrer offensichtlichen Sinnlosigkeit!
Und wenn man jetzt einen Schritt weiter geht und das Erkennen der deutlichen Missachtung der Regeln ins Denken miteinbezieht, dann kommen als Folge, diese Missachtung irgendwie und mit aller Macht doch noch eindämmen zu wollen, irrsinnige Auswüchse des Verstandes dabei heraus, die höchst dramatische Konsequenzen für einzelne Leute hatten. Nämlich den Tod! Das aber war in Lottas Augen mit Sicherheit eine Sünde, eine wirkliche „Todsünde“. Menschen aufgrund ihres Wissens oder ihrer Lebenseinstellung rechtmäßig(!) ermorden zu können, war absolut verwerflich! Und daran hielt sie auch fest - unbeirrbar!
Man denke an dieser Stelle nur an die Hexenverbrennungen, das „Malleus Maleficarum“ beispielsweise, der Hexenhammer. Was für ein Werk! Von welch haarsträubenden Vorurteilen gespickt, die zu grausamsten Taten geführt hatten. Welche wohlgemerkt eine Rechtfertigung vor Gott zu haben scheinen und sie als etwas deklarierte, das in seinem Namen und zu seinen Diensten zu geschehen hat. Man ihm seine Ehrerbietung bewies, wenn man diese Menschen folterte und verbrannte!
Schlussendlich auf einem gewaltigen Irrsinn basierend, hervorgebracht von einem Mönch, der fest an das geglaubt hat, was er da bis ins Kleinste detailliert beschrieb. Was vor allem eine Anklage der weiblichen Sexualität darstellt. HM – was genau hat ein Mönch mit dem weiblichen Körper zu tun? Mal scharf nachdenken! Als Geburtshelfer? Wohl eher weniger! Und dann auch noch mit der Sexualität einer Frau? Die dem Mönch auferlegte Enthaltsamkeit verbietet doch schon die Fragestellung – eigentlich! Hat er doch nichts mit am Hut. Gleich zwei Komponenten, die als abstoßend gelten: Frau und Sexualität. Zumal das in den biologischen Bereich fällt, Abläufe sind, die auch so schon nicht jedem klar sind und nicht greifbar bleiben werden. Die soviel mit Gefühl, Zuneigung und Liebe in Verbindung stehen, all dem, was einem Ordensbruder ein Buch mit sieben Siegeln bleiben sollte, ihn nicht zu interessieren hat aufgrund seiner eigenen Zustimmung zum Zölibat.
Man mag sich an dieser Stelle ja fragen, zumindest Lotta tat das, was in einem solchen Geist wohl vor sich gehen mag, dass man sich trotzdem damit so sehr auseinandersetzt. Was ist es, das einen so sehr im Bann hält und dazu veranlasst, dieses noch akribisch niederzuschreiben? Moment mal! Auf blauen Dunst hin oder hat er „recherchiert“? Wenn ja, wie? Worauf basierend hat er seine Thesen gestützt? War es ein rein wissenschaftlicher Gedanke, der ihm schlussendlich offenbarte, wie verachtenswert die Frau, ihr Körper und erst recht ihre Sexualität sind? Was mag ihn getrieben haben, dass er als Resultat seiner Studien all das aburteilte und für lebensunwürdig erklärte? Wie kann es sein, dass er diese Überzeugung mit einer Vehemenz durchsetzen konnte, die unzähligen Seelen den Tod brachte? Ein öffentliches Sterben im Feuer! Begleitet von einer meuchelmordenden Horde fehlgeleiteter Anhänger Gottes, die stetig größer als auch reißerischer wurde. Lotta musste zugeben, wie wenig sie eine Antwort darauf hören wollte! Die Fassungslosigkeit in ihrem Herzen hatte sie auch so schon fest im Griff und diesbezüglich weiter zu forschen, würde sie vermutlich vollends aus den Socken hauen!
Ein ebensolcher Mönch würde wohl heute völlig außer sich geraten, wenn er in Hamburg auf der Reeperbahn zu Gast sein müsste … vermutlich hätte er ein brennendes Holzscheit in der Hand und würde wutentbrannt alles in Schutt und Asche legen. Generell die heutige Zeit wäre die Ausgeburt des Bösen in sich. Pornografie, Zuhälterei, Zwangsprostitution, sexueller Missbrauch – sicherlich alles Aspekte, die man mit Wonne dem Scheiterhaufen zuführen wollen würde, wenn man es denn könnte. Waren das nicht zu einem erheblichen Anteil die Herren der Schöpfung, die solche Dienste organisierten und in Anspruch nahmen? Nicht nur, aber auch. Zumindest was den sogenannten Straßenstrich betrifft, soll die Anzahl der Freier wohl in einem deutlich höheren Rahmen liegen als der von Frauen – die stehen meistens auf der anderen Seite!
Wie konnte ein so erbarmungslos großes Elend, wie der Hexenhammer und seine Folgen, überhaupt möglich sein? Haben die Menschen denn früher tatsächlich alles, was mit Sexualität zu tun hat, so sehr abgeurteilt? Taten sie es von sich aus oder geschah das, weil sie von einer Gruppierung dazu gezwungen wurden, die über allem stand? Die sich erhob über andere, jene, welche niederen Ranges waren und geführt werden mussten. Die gespickt zu werden hatten, mit moralischen Normen. Von der Kirche? Muss ja wohl! Und dennoch kam es wieder und wieder zur Sprache. Wohin auch immer man blickt, wurde es bewertet und als etwas Verwerfliches, sogar eindringlich Böses, dargestellt - mit furchtbarsten Konsequenzen!