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„Dann wären wir ja wohl fertig.“ Der Zwerg sah mich über die Goldrandbrille hinweg an, während er den Vertrag zusammenrollte. Ich rieb mir die schmerzende Stelle am Arm, wo er mich mit dem Ritualdolch geschnitten hatte, um mir das Blut für die Unterschrift zu entnehmen. Natürlich hatte ich im Lauf meines Abenteurerlebens bedeutend schwerere Verletzungen davon getragen, aber irgendwie tat diese ganz besonders weh. Die Augen des Zwergs wurden durch die Kristallgläser unnatürlich vergrößert. Ich musste an ein glubschäugiges Tier denken, das mir irgendein Gift injiziert hatte. Der Rauch aus den simmernden Kohlebecken verursachte mir Kopfschmerzen. „Klar“, sagte ich. Zum Glück klang es noch abgebrüht. Dabei konnte ich einfach bloß nicht mehr hervorpressen. „Schön.“ Das Pergament war verschwunden. Keine Ahnung wo. Ich stellte mir vor, wie es durch Rohrpostsysteme im zwergisch kontrollierten Teil des Bergs sauste, um irgendwo tausend Meilen unter der Erdoberfläche von einem Goblinsklaven abgeschrieben zu werden. Und wieder abgeschrieben. Und wieder. Zwerge waren für ihren analen Charakter bekannt, wenn es um Dokumente ging. Ob der Goblin sich für jede Kopie Blut aus dem Arm ziehen musste? Oder hatten die da unten Blutkonserven jeder Spezies auf der weiten Welt vorrätig? „… absolut tödlich.“ Der Zwerg, der gerade einen Satz beendet hatte, sah mich erwartungsvoll an. Mit den Händen machte er dieses Zeltdings, das mich schon bei meinen Lehrmeistern total wahnsinnig gemacht hatte. „Natürlich.“ Ich nickte und tat so, als hätte ich die ganze Zeit aufmerksam zugehört. Er stand auf und reichte mir die Hand. Ich blieb sitzen und schüttelte sie. Der Schreibtisch war verdammt wuchtig und der kleine Kerl musste sich ordentlich strecken. Wie um sich an mir für diese kleine Demütigung zu rächen sagt er mir direkt ins Gesicht: „Ich glaube nicht, dass wir uns wiedersehen. Wie gesagt, wenn Sie die Wirbelsturmtreppe überleben, haben Sie ganz gute Chancen. Und grüßen Sie den Eulenmenschen von mir.“ Der Eulenmensch war der Abenteurer gewesen, den sie vor mir in den Berg geschickt hatten. Ich kannte ihn flüchtig. Er war auf der Akademie zwei Jahrgänge über mir gewesen. Ein riesiger Bursche mit mörderischen Krallen, grausamem Schnabel und diesen gelben Augen, die diese Spezies so unheimlich macht. Meine Zimmergenossin Ashwanta hatte eine Cousine im Abschlussjahrgang, die wohl mal was mit ihm gehabt hatte und morgens immer total blutig und zerkratzt durchs Fenster stieg. Xenomorphe hatten es halt leichter beim Anbändeln. Leute wie ich waren natürlich auch ziemlich gefragt, aber meistens aus Gründen, die zumindest ich wesentlich weniger schmeichelhaft fand. Viele meiner Art haben anscheinend nichts gegen Fetischisten, aber ich gehöre zu der Minderheit – oder jedenfalls fühle ich mich da ziemlich in der Minderheit – die für andere Sachen scharf gefunden werden will als für die Fähigkeit, nach Belieben das Geschlecht zu wechseln. Diese komischen Details mit dem Eulenmenschen fielen mir vermutlich deshalb gerade jetzt ein, weil seine Leiche hier mit mir durch die Wirbelsturmtreppe trudelte. Ich sah schon ziemlich übel aus und hatte so die leise Ahnung, dass der Goblinsklave sich die dritte Abschrift auch sparen könnte. Verträge mit Toten gelten nicht mal mehr Zwergen was. Meine einziger Trost war, dass der Eulenmensch – ich kam nicht mehr auf den Namen, aber die waren auch immer so voller Krächz- und Gurrlaute – noch übler aussah. Große Humanoide wurden auf der Wirbelsturmtreppe anscheinend fast zwangsläufig gepackt und an die Felswände geschleudert. Bakterien, Pilze und anderes Kroppzeug flogen aber anscheinend so unbeschwert hier rum wie Schmetterlinge über irgendeine Sommerwiese, die Leiche war nämlich schon ganz schön zerfressen und verschimmelt. Trotzdem schlug sie jetzt die Augen auf. Die Augen leuchteten, aber nicht gelb wie ein Herbstwald, sondern rot wie etwas, was direkt aus den sieben Höllen kommt, um dich in den Arsch zu beißen. Der Eulenmenschzombie sperrte den Schnabel auf und kreischte. Es klang nicht gesund, aber das wunderte mich auch nicht mehr. Durch die Löcher in seinem Fleisch guckte etwas mit vielen Augen raus. In Dingsbums, mit dem die Cousine von Ashwanta mal rumgevögelt hatte, hockte ein Dämon und wollte raus. Und es war ihm offenbar am liebsten, wenn er dabei noch durch mich durch konnte. „Was lachst du, Sterblicher?“ Aus dem Eulenmenschenzombieschnabel drang eine Stimme, die sich anhörte wie Kreide aus rostigem Stahl auf einer Tafel aus gefrorener Säure. Das kriegen sie auf der Akademie bei den Dämonendummies nie hin, egal, wie viel Mühe sie sich geben. „Tschuldigung“, sagte ich und fummelte am Schwert auf meinem Rücken herum. Nicht gerade leicht, das klobige Familienerbstück zu ziehen, wenn man mit x Sachen von Höllenwinden m Kreis gewirbelt wird. Ich hätte mir ja eine moderne, leichte Waffe zugelegt, aber es hätte Mama das Herz gebrochen, wenn ich „Blutbruder“ abgelehnt hätte. Seit Papa nicht mehr war, neigte sie zur Sentimentalität, und er war immerhin schon seit einundzwanzig Jahren verschollen. „Rumgevögelt. Das fand ich irgendwie witzig.“ Die Augen pulsierten verständnislos. „Weil du doch ein Eulenmensch bist. Verstehst du? Rumgevögelt. Und du bist ein … ach, egal.“ Ich zog Brudi aus der Scheide und ruderte auf den Dämon zu.

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