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7. Caelan

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»Kommt mit«, befahl er Myles und Fraser, die sich inzwischen am Alphatisch unterhielten. Das Abendessen war immer noch im vollen Gange. Schüsseln klirrten, Stimmen brummten und der Geruch nach schwitzenden Männern überdeckte langsam den des Kaminrauchs.

»Wohin?«, fragte Myles, aber er erhob sich. Auch Fraser folgte ihm an den Bänken entlang. Bis zu der Tür, durch die die Männer verschwunden waren. Caelan stieß sie auf.

»Euer kleiner Fuchs ist eben gegangen, falls ihr das bemerkt habt.« Sorge beschleunigte Caelans Schritte. »Er hat einen anderen Omega hinausbegleitet. Ich schätze, die Hitze hat eingesetzt.«

»Ach, das war der Geruch.« Fraser leckte seine Lippen. »Ich war eben plötzlich spitz, von einem Moment auf den anderen.«

»Bist du doch immer«, sagte Myles. »Warum folgen wir ihnen, Cael? Willst du dich doch an unserer Jagd beteiligen?«

Caelan ignorierte diese idiotische Unterstellung. Als ob er je einem dieser kraftlosen Omegas nachgestiegen wäre. Und dann noch so einem anmaßenden.

»Ich war nicht der Einzige, der es bemerkt hat.« Der Steinflur war so eng, dass sie kaum zu zweit nebeneinander gehen konnten. »Fünf Alphas sind ihnen gefolgt.«

»Ja, und? Cael, was erzählst du uns da?«

»Dass euer Fuchs in Gefahr sein könnte.« Caelan zögerte, so über ihre Verbündeten zu sprechen, aber es war die Wahrheit. »Die MacFarlanes haben sich nicht so gut im Griff wie sie sollten. Ich habe am Tisch des Rudel-Chiefs einiges erfahren.«

»Was?« Myles klang ungläubig. »Willst du sagen, dass die ihre Omegas nach Lust und Laune schänden? Das ist doch Blödsinn.«

»Das hoffe ich.« Caelan bog in den nächsten Gang. Und erstarrte.

Flammen loderten in der Mitte des Flurs, leckten zittrig über die groben Steine. Er registrierte die Rücken von vier Männern. Bemerkte einen fünften, der am Boden mit einem Omega rang und einen Blonden, der die Szene mit schreckgeweiteten Augen verfolgte. Rauch hing in der Luft, und der schwere Duft nach einem Omega in Hitze. Caelans Atem stockte.

Finn.

Alles, was er sah, war Finn. Flammen schienen auf sein bleiches Gesicht, das zerknitterte Hemd, die roten Haare, die selbst zu brennen schienen. Der Fuchs war wütend. Verdammt wütend. Zorn leuchtete aus seinen Augen, ließ die entblößten Eckzähne blitzen und jeden Muskel in seinem Körper zittern.

Er war wunderschön.

»Wehr dich, Albie!«, rief Finn. »Wehr dich! Los!«

Einer der Männer sprang auf Finn zu und die Fackel ging auf dessen Brust nieder wie ein Schwert. Brüllend wälzte der Kerl sich über den Boden. Finn wich einen Schritt zurück und packte die Fackel mit beiden Händen.

»Na, wer will noch mal? Kommt her, ihr hässlichen Alpha-Schweine!« Eine Träne lief seine Wange hinunter.

Er hat Angst, verstand Caelan. Tödliche Angst. Aber er kämpft.

Etwas entfaltete sich in seiner Brust. Langsam und ungelenk, als hätte es sein Leben lang geschlafen.

Die drei anderen Alphas zögerten, nur einen Moment lang. Sie würde alle gleichzeitig angreifen. Der Kleine konnte nicht gewinnen. Und doch kämpfte er.

»Was geht hier vor?«, brüllte Caelan. Seine Stimme fuhr durch den Flur wie ein Windstoß. Alle sahen ihn an. Er selbst konnte nur Finn anstarren. Dessen Augen weiteten sich. Panik zuckte über sein Gesicht.

Was denkt er?, dachte Caelan. Warum schaut er mich so an?

Enttäuschung schlug über ihm zusammen, als er verstand. Der kleine Fuchs dachte, sie wären hier, um sich den anderen Alphas anzuschließen.

»He, die MacKays.« Einer der Angreifer lecke sich die Lippen. Sein Ärmel zeigte schwarze Rauchspuren. »Ihr stellt euch hinten an, klar? Das sind unsere Bücklinge.«

Wieder dieses Wort. Caelan holte tief Luft. Der Wolf in ihm hungerte, wollte diesem Mistkerl das Fleisch von den Knochen reißen. Man sah es ihm an. Er erkannte es in der Art, wie der Mann mit dem verbrannten Ärmel zurückwich.

»Na gut«, sagte der und versuchte, würdevoll zu schauen. »Ihr kriegt den Vortritt. Weil wir gute Gastgeber sind und so.«

»Wir sind nicht hier, um Schwächere zu schänden«, sagte Caelan. Tierisches Grollen unterlegte seine förmlichen Worte. »Lasst sie in Ruhe. Ihr seid nicht im Alpha-Turm.«

Und selbst wenn sie es gewesen wären, hätte er Finn und die anderen da rausgeholt. Dabei hatte er Myles und Fraser eben noch zurechtgewiesen, weil sie sich den Bräuchen ihrer Verbündeten nicht angepasst hatten.

Die Fünf zögerten.

»Ist das dein Ernst, MacKay?« Der Mann mit dem verbrannten Ärmel blinzelte.

»So sind die Regeln, oder nicht?« Caelan sah ihn herausfordernd an.

Töten, heulte der Wolf in ihm. Warmes Blut, leckere Kehle. Töten!

»Was kümmert ihr euch um die Regeln?« Der Mann knurrte. Die Luft war schwer und aufgeladen, wie kurz vor einem Gewitter. »Was gehen euch unsere Regeln an? Scheiß auf unsere Gesetze.«

»Möchtest du das vor Eric wiederholen, Dexter?« Finns Stimme war ruhig. Voll und kräftig, obwohl Caelan die Angst in seinen Augen sah. Finns Augen waren golden im Feuerschein, so strahlend, dass Caelan ihre wahre Farbe nicht erkennen konnte.

Sie müssen grün sein, dachte er. Hellgrün wie junges Moos. Dieses neue Gefühl in seiner Brust breitete sich aus. Bald würde es ihn ganz erfüllen.

»Klappe, Bückling!« Dexter fuhr herum. Finn zuckte zusammen, wich aber keinen Schritt.

Sofort war Caelan bei ihm. Er packte Dexter und schleuderte ihn zu Boden, mit einer Hand. Der Alpha segelte durch den halben Flur. Die anderen zögerten, die Fäuste geballt. Es roch nach Wolf. Normalerweise hätten sie sich jetzt verwandelt und gekämpft. Aber die MacKays und die MacFarlanes gehörten zu den zivilisierten Rudeln.

»Verpisst euch oder Lachlan und Eric erfahren, was hier gerade geschehen ist.« Caelan wollte ruhig klingen, aber er hörte Finns hektischen Atem in seinem Nacken. So klang der Befehl wie eine Morddrohung.

Sie verpissten sich. Mit eingekniffenen Schwänzen trotteten sie zurück, in Richtung des großen Saals.

Es war ruhig im Flur. Selbst Myles hielt ausnahmsweise die Klappe.

»Danke.« Der blonde Omega lächelte. Er stellte sich neben Finn und strahlte Caelan an. »Du hast mich gerettet.«

»Ich hab dich auch gerettet«, brummte Finn. Die Fackel loderte immer noch und verwandelte seine Haare in ein Flammenmeer.

Lasair, dachte Caelan. Lasair, die Flamme.

»Geht es euch gut?«, fragte Myles.

»Ja«, sagte Finn und schob sich zwischen sie und den Blonden. »Oder? Albie?«

»Ja. Nur ein paar Kratzer.« Der dunkelhaarige Omega mit dem geröteten Gesicht nickte schwach. Er erhob sich aus seiner knienden Position und Myles schnupperte. Hitze und Urin färbten die Luft.

»Wir gehen jetzt«, sagte Finn und schob seine Freunde vor sich her. Mit einer Hand. Das Licht der Fackel wärmte sein blasses Gesicht. Seine Lippen waren geschwungen wie Wellenkämme.

Caelan sah ihnen nach, bis ihre Schritte auf der Treppe verklungen waren. Da hinten musste der Omega-Turm liegen. Dort waren sie in Sicherheit. Finns misstrauischer Blick verfolgte ihn immer noch. Ja, die Augen waren grün, aber nicht wie Moos. Eher wie die ersten Frühlingsblätter, durch die das Sonnenlicht fiel. Strahlend, mit einem Hauch Gold.

Er bemerkte erst, dass Fraser etwas gesagt hatte, als der ihn an der Schulter packte. Caelan wandte den Kopf. »Was?«

»Was war da los, Cael? Was hast du da vom Turm erzählt?« Er zögerte. »Und was zur heiligen Sackrunzel ist das für ein Gesichtsausdruck? Bist du besoffen?«

War dieser süßliche Whisky so stark? Hitze rann durch Caelans Adern.

»Ich erkläre euch alles. Gehen wir zurück.«

***

Später, als sie wieder in ihrem winzigen Zimmer waren, fand Caelan keine Ruhe. Er lief auf und ab, was aufgrund der beengten Verhältnisse sehr hektisch wurde, und versuchte, das Chaos in seinem Inneren zu begreifen. Es brodelte in seiner Brust und immer wieder blitzte das Bild von Finn auf, Finn mit der Fackel in der Hand. Wild, mutig. Stark.

Aber das konnte nicht sein. Omegas waren schwach und unterwürfig. Was war da schiefgelaufen? War Finn etwa doch ein Alpha? Nein. Er roch wie ein Omega. Er hatte die zierliche Statur eines Omegas. Aber etwas stimmte mit ihm nicht.

Oder mit mir stimmt etwas nicht, dachte Caelan.

»Bist du nervös?«, fragte Fraser. »Cael? Geht es dir gut?«

»Ja.« Nein. Warum rann diese Hitze durch seinen Leib? Hitze. Vielleicht war es das. Wenn die ersten Omegas soweit waren, brachten sie die Alphas durcheinander. Bestimmt stand Finns Hitze kurz bevor. Aber warum dachte er dann nicht an Albie, den dunkelhaarigen Omega? Der war bereits in voller Hitze.

»Mach dir keine Sorgen, Cael.« Myles streckte sich auf seinem Strohsack aus. »Wir besiegen die Sutherlands. Darum sind wir hier, oder?«

Die Sutherlands. Schon seit Minuten hatte Caelan nicht mehr an sie gedacht. Oder an Connor. Er brummte etwas Zustimmendes und behauptete, dass er noch einmal ins Freie wollte. Dem Wolf etwas Auslauf gönnen.

Weder Myles noch Fraser kamen mit, glücklicherweise. Vermutlich würden sie ihre Ferkeleien von der Reise fortführen, nun, da sie den Raum für sich hatten.

Die Wachen ließen ihn durch und er streifte gleich am Tor die Kleidung ab. Und ließ den Wolf heraus. Seine Glieder verformten sich, er streckte den Rücken durch und ließ die Vorderpfoten ins kalte Gras sinken. Über ihm leuchtete ein gigantischer Mond, fast voll. Sein kühles Licht glänzte auf den Hügeln, die sanft geschwungen waren wie Finns Lippen. Schroffe Felsbrocken durchbrachen das Grün, erhoben sich dort, als hätte die Erde sie mit Gewalt ausgestoßen. Selbst die erinnerten ihn an Finn. An die Wildheit seiner Augen, den Zorn in seiner Haltung.

»Viel Spaß, MacKay«, sagte eine der Wachen und Caelan rannte los. Über Wiesen, die fruchtbar und schwer rochen, Felsen, deren Duft ihm noch vom Sonnenlicht erzählten. Das Meer war nah und er schmeckte das Salz auf seiner Zunge. All seine Sinne waren geschärft, wenn er zum Tier wurde.

Nur als Wolf fühlte er sich ganz. Die Rudel wurden immer zivilisierter, verbargen ihre wölfische Seite, wo sie konnten. Selbst die Kriege wurden nicht mehr in Wolfsgestalt ausgeführt. Schwerter und Pfeile hatten sich als tödlicher erwiesen als Klauen und Reißzähne. Caelan glaubte den neuen Weisheiten nicht. Den Männern, die behaupteten, der Wolf sei nur ein kleiner Teil ihrer Persönlichkeit. Er war die Hälfte. Und es war falsch, das zu vergessen.

Die Landschaft flog unter seinen Pfoten hinweg und der Wind strich über sein Fell. Die Wiesen wurden zu gezackten Klippen. Alle Muskeln spannten sich und er sprang. Hetzte einen Felsen hoch, den er als Mensch mühsam hätte erklettern müssen, sprang von einer Spitze zur nächsten. Er hörte das Meer vor sich, schmeckte die Gischt.

Und dann sah er es. Wie ein schwarzes Tuch lag die See unter ihm. Samten im Mondlicht, trügerisch glatt, wo sie am Horizont verschwand. Und unendlich mächtig. Wellen donnerten gegen die Klippen, tief unter seinen Pfoten. Er schaute über die Kante.

Wenn ich stürze, bin ich tot, dachte er. Egal, in welcher Gestalt.

Sein Atem ging kaum schneller, doch sein Herz raste. Immer noch war Finn überall, durchzog seine Gedanken wie ein roter Faden grauen Tartanstoff. Sie trugen feine Stoffe, hier im Süden. Überhaupt war hier alles größer und edler. Er warf einen Blick zurück auf die Burg, die weit hinter ihm lag. Vor dem Nachthimmel wirkte sie schwarz, die mächtigen Türme wie Stöckchen. Links lag der Omegaturm und Caelans Wolfsaugen erkannten, dass in einigen Fenstern noch Licht brannte. Ob Finn noch wach war? Hatte die Hitze schon eingesetzt?

Ob er an mich denkt? Caelan zuckte zusammen. Missmutig legte er sich auf den schroffen Felsen und stützte den Kopf auf die Vorderpfoten.

Es ist egal, ob er an mich denkt. Vollkommen egal. Und wenn er es tut, bedenkt er mich vermutlich mit Schimpfwörtern.

Kommt her, ihr hässlichen Alpha-Schweine!

Er war mutig, dieser Rotschopf. Nicht mutig für einen Omega. Mutig. Wie seine Augen geblitzt hatten, geisterhaft im Schein der Fackel. Myles hatte behauptet, dass er ihm Angst gemacht hatte. Es war keine Angst, die nun durch Caelans Brust floss. Es war etwas Heißes, Primitives. Und doch so zart wie der Windhauch, der über sein Fell strich. Ein Tropfen landete auf seiner Nase. Es begann zu regnen. Wie eine zarte Berührung ging es auf ihn nieder, der weiche Regen, der sie den halben Weg über begleitet hatte. Der ständig fiel, und den er kaum wahrnahm, wenn er nicht in Wolfsgestalt war.

Was ist das?

Er erinnerte sich an Finns nackten Körper. Heute Mittag hätte er ihn als durchaus ansprechend bezeichnet. Hübsch. Etwas mickrig. Nun lechzte alles in ihm danach, einen zweiten Blick auf den Omega zu werfen. Noch einmal die milchweiße Haut zu sehen, die schimmerte wie das Mondlicht auf den schwarzen Wellenkämmen. Die Sommersprossen zu berühren, süße, winzige Tupfen, die Schultern und Nacken bedeckten.

Hatte er gerade wirklich »süß« gedacht? Dieses Wort war Caelan MacKay noch nie in den Sinn gekommen, so lange er denken konnte. Er fröstelte. Ein Schauer durchlief ihn.

Verdammt, dachte er. Nein.

Die Sutherlands würden kommen. Er würde kämpfen, würde Connors Tod rächen. Er musste die Burg befestigen, die Wachen und Krieger einweisen und dafür sorgen, dass alles bereit war, wenn der Feind angriff.

Es war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich zu verlieben.

Der Omega im Turm

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