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8. Finn

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Am nächsten Tag begann es bei Leighton und zwei anderen. Finn konnte es kaum ertragen, wie fiebrig sein Freund schaute, wie verzweifelt er sich nachts auf seinem Strohsack wand.

Der Mond schien in den winzigen Raum, in dem sie mit vier anderen Omegas lagen. Albie war ebenfalls darunter. Die ganze Nacht über konnte Finn nicht schlafen, lauschte in angespannter Erwartung auf die Geräusche hinter sich. Leightons unterdrücktes Stöhnen, das Knistern des Strohs, das Rascheln der Laken. Erst verschämt, dann lauter, als sein Freund die Vorsicht vergaß. Das leise Wimmern. Es fuhr ihm direkt zwischen die Beine und sorgte dafür, dass er ebenfalls Hand an sich legte. Erst unauffällig, dann viel zu laut. Er biss in das raue Leintuch, um das Jaulen zu unterdrücken. Der süße Hitzeduft hing schwer im Raum. Als Finn fertig war, begann Albie von Neuem, und dann wieder Leighton. Der murmelte etwas. So leise, dass nur Finn es verstand.

»Caelan.« Hitzige Worte, in Stroh und Leinen gemurmelt. Inbrünstig und zärtlich.

Sie brannten sich durch Finns Körper und zerrissen ihn. Schmerz blühte in seiner Brust auf.

»Caelan.« Gefolgt von unterdrücktem Jaulen.

Finn versuchte zu schlucken, aber es ging nicht. Tränen quollen aus seinen Augen.

Caelan MacKay. Wie er ihn hasste. Weil Leighton nicht aufhörte, von ihm zu sprechen. Wie er ihn gerettet hatte. Finn hatte ihn auch gerettet, aber es war Caelan, an den sein Freund dachte, wenn er sich befriedigte. Wenn ihm im Hitzetaumel Worte herausrutschten, die alles verrieten.

Blöder Alpha, dachte Finn und spürte, wie seine Tränen im Leintuch versickerten. Verdammter MacKay. Wenn ich dich in die Finger bekomme. Aber was dann? Besiegen kann ich ihn nicht.

Er dachte an den mächtigen Körper des Kerls. Neben dem musste er aussehen wie ein Floh neben einem Ochsen. Dieser MacKay war stärker als er und höher in der Rangordnung, weil er ein Alpha war. Außerdem war er der nächste Chief seines Rudels. In nichts konnte Finn mit ihm konkurrieren. Der Mistkerl sah sogar besser aus.

Leighton hörte nicht auf, von den grauen Augen zu schwärmen, den vollen Lippen, den dichten Haaren und baumstammdicken Armen. Selbst die Nase ließ er nicht aus.

»Sie ist wie eine Felsklippe«, stöhnte Leighton, als Finn ihm das Abendessen brachte. Schweiß glänzte auf seiner Stirn, obwohl er sich gegen die kalte Mauer lehnte. »Alles an dem Mann ist scharfkantig und hart.«

»Sein Kopf ist weich«, murrte Finn.

»Sei nicht so undankbar.« Leighton beachtete den Eintopf kaum, den Finn ihm reichte. »Er hat dich gestern gerettet.«

Ein Grund mehr, ihn zu hassen.

Der Hitzegeruch wurde dicker und süßer. Noch bevor die Woche um war, hatte es beinahe jeden erwischt, bis auf Finn. Er war immer der Letzte. Vielleicht, weil er sich dagegen wehrte. Weil er so verzweifelt hoffte, dass er verschont blieb. Bald war er der einzige Omega im fruchtbaren Alter, der noch im großen Saal speisen durfte. Die Tische leerten sich. Nur die unverpartnerten Omegas, die zu alt waren, um noch Kinder zu gebären, saßen bei ihm. Und die spekulierten feixend, wann es bei ihm losgehen würde.

Die MacKays beobachteten ihn. Myles und Fraser winkten ihm, auch wenn sie sich glücklicherweise von den Omegatischen fernhielten. Wenn sie nach dem Essen ein Gespräch anfangen wollten, wehrte Finn sie ab.

Caelan sprach ihn nie an. Aber er starrte. Und der Mann konnte starren wie ein Falke. Finn schaffte es kaum, böse Blicke zurückzuwerfen, weil ihm der düstere Blick so unter die Haut ging. Was hatte der Mistkerl? Er schaute, als wollte er Finn lebendig verschlingen.

Vermutlich habe ich mich endgültig als lieber, sittsamer Omega disqualifiziert, als ich Leon mit der Fackel erwischt habe. Ja, wahrscheinlich will er, dass ich mich schäme. Ich hätte mich fügen sollen wie ein braver Bückling. Wenn's nach diesem Arschloch von MacKay geht zumindest.

Finn starrte zurück, jedes Mal. Manchmal minutenlang, bis einer von ihnen unterbrochen wurde. Meist der MacKay, an Finns Tisch war ja nichts mehr los.

Komm doch her, du feiger Mistkerl, dachte Finn. Du Alpha-Arschloch.

***

»Finlay, mein Junge, das ist ausgezeichnet.« Declan betrachtete die neueste Abschrift. »Wer weiß, vielleicht wird aus dir ja doch noch einmal ein guter Schreiber.«

»Danke.« Finn war überrascht. Declan lobte ihn selten. »Aber ich habe das gemacht wie immer.«

»Übung schult das Auge.« Jetzt nickte sein Meister auch noch anerkennend. »Und die Zeichnung hier, die hat Charakter.«

»Ist doch nur eine Kopie.«

»Gut kopieren ist schwerer als gut zeichnen«, wiederholte Declan seinen Lieblingsspruch.

Sein Blick glitt über die Tuschezeichnung der dritten MacFarlane/MacNeil-Schlacht. Die schwarze Farbe hätte rot sein müssen, so viel Blut floss dort. Fänge und Reißzähne überall, verbissen in Kehlen und Nacken. Es war eine alte Zeichnung gewesen, fast verblasst. Noch aus der Zeit, in der Alphas und Omegas gemeinsam gekämpft hatten, also vor über dreihundert Jahren. Kleine, schmalere Wolfskörper mischten sich mit den großen der Alphas und waren kein bisschen weniger blutrünstig.

Dieser Umstand hatte Finn sehr verwundert, als er zum ersten Mal davon gelesen hatte. Aber Declan hatte es mit einem Schnauben abgetan. Er hatte Finn erklärt, dass diese Berichte aus einer älteren, unzivilisierten Zeit stammten, in der ihre Vorfahren die meiste Zeit in tierischer Gestalt herumgelaufen waren. Die Zeichnungen von damals bezeichnete er als roh und primitiv. Aber sie waren mächtig. Finn fand, dass sie eine Kraft ausstrahlten, die seiner feinen Linie fehlte.

»Kann ich dann mit der Schlacht am Nevis weitermachen? Wir gegen die MacKays?« Er brannte darauf, die Bastarde so hässlich darzustellen, wie sie waren.

»Lachlan meint, das kann warten. Die MacKays sind jetzt unsere Verbündeten.« Declans Mundwinkel sanken. »Wir sollen uns um die Geschichte der Sutherlands kümmern. Einige Aufzeichnungen sind kaum noch leserlich und einer unserer Gäste hat Informationen angefordert. Aber wo wir davon sprechen: Du kannst die Dokumente, die in gutem Zustand sind, gleich zu Lachlan bringen.«

»Oh. Gut.« Hoffentlich würde er auf dem Weg nicht Harris oder Dexter begegnen. Die musterten ihn fast so intensiv wie der MacKay. Und weit hungriger.

Die Angst wuchs in seinem Bauch, während er Declan in die Bibliothek folgte. Sie war klein, gemessen an der Größe der Burg, in der sie lebten. Declan hatte mit Mühe verhindern können, dass die Bücher einer weiteren Waffenkammer wichen. Vor allem mit dem Argument, dass Lachlans Heldentaten hier für die Nachwelt festgehalten würden. Kaum angekommen, hatte Declan auch schon die richtigen Schriftrollen gefunden und drückte sie Finn in die Hand.

»Geh schon«, sagte er. »Ich suche hier weiter.«

Finn schluckte, aber er fügte sich. Vorsichtig lauschend ging er durch die Flure. Jeder Alpha, dem er begegnete, starrte und schnupperte und Finn war froh, dass seine Hitze noch nicht eingesetzt hatte. Der Weg kam ihm unendlich lang vor. Als er sie fast erreicht hatte, lenkten ihn Geräusche ab.

Kampfgeschrei drang durch die winzigen Glasscheiben der Fenster. Hier, weit über dem Boden, waren sie größer. Ihre Schatten warfen karierte Muster auf den ausgetretenen Steinboden. Finn zögerte, doch es war niemand da, und die große Halle war nah. Sie würden ihn schreien hören, wenn ihm jetzt etwas passierte. Also stellte er sich auf die Zehenspitzen und sah hinaus.

Er hatte befürchtet, die Sutherlands im Hof zu sehen, die es irgendwie über die Mauer geschafft hatten. Seit Tagen redeten alle davon, dass sie unterwegs zu ihnen waren. Aber es war der MacKay.

Caelan stand mit freiem Oberkörper im Hof, ein Holzschwert in der Pranke, umringt von anderen Alphas. Schweiß glänzte in seinem Gesicht und auf den gewölbten Brustmuskeln. Die Schreie waren Anfeuerungsrufe, begriff Finn. Für Caelans Gegner. Dessen Hände umklammerten das Übungsschwert und er lächelte verbissen. Einer der MacFarlane-Alphas. Natürlich feuerten alle ihn an. An den blutigen Nasen und blauen Augen in der Menge sah er, dass es nicht der erste Übungskampf des Tages war. Harris, Dexter und Leon beobachteten Caelan. Auch Myles und Fraser waren unter den Zuschauern. Statt ihren Rudelgenossen anzufeuern, grinsten sie nur wissend.

Der Kampf war so schnell vorbei, wie er begonnen hatte. Caelans Gegner griff an, der wich zur Seite aus und donnerte sein Schwert gegen die Rippen des anderen. Finn hörte den Schrei bis hier. Er sah, dass Caelan etwas sagte, das verärgerte Mienen hervorrief, aber auch Bewunderung. Sein Gegner war in die Knie gegangen und Caelan half ihm auf. Die verschlungenen Muskeln seiner Arme glänzten.

Finn trat zurück. Er schluckte. Hass brandete in ihm auf. Und, er schämte sich es zuzugeben: Lust. Caelans nackte Haut hatte ihn in nervöse Unruhe versetzt.

Blödes Alpha-Arschloch.

Lachlan sah kurz auf, als Finn mühsam die Tür zur großen Halle aufstemmte. Eric war bei ihm und sie diskutierten über eine mögliche Schwachstelle in der Verteidigung. Es roch nach kaltem Ruß und den Resten des Eintopfs von gestern. Ihr Rudel-Chief hätte klein wirken müssen, in der Mitte des riesigen leeren Raums. Aber er war kraftvoll wie ein Stier.

»Die Dokumente über die Sutherlands, die du wolltest, Lachlan.« Finn hob die Papierrollen, die langsam schwer wurden. Die Sutherlands hatten eine lange Geschichte und es war viel über sie geschrieben worden.

Lachlan bedeutete ihm zu warten und Finn wartete. Lange. Erneut bereute er, dass er so viel Holunderwein getrunken hatte. Während Lachlan und Eric ihre erhitzte Diskussion fortsetzten, trat er unauffällig von einem Bein aufs andere und hoffte, dass sie bald fertig würden. Aber sie redeten und redeten. Immer lauter. Seine Arme fühlten sich an, als würden sie vom Gewicht des Papiers langgezogen.

Als sie endlich fertig waren, unterdrückte er einen erleichterten Seufzer.

»Was wolltest du?« Lachlan sah ihn fragend an. »Finlay, oder?«

Finn nickte.

»Bist du Flynns Sohn?« Die schwarzen Augenbrauen des Rudel-Chiefs zogen sich zusammen.

»Ja.« Er wettete, dass Lachlan alle Alphas kannte. Aber er war nur ein unwichtiger Omega. Nicht nötig, sich die zu merken.

Unerwartet lächelte Lachlan. »Der war ein Musiker, wenn ich je einen gehört hab. Wie der das Lied vom Hasen im Gras gespielt hat, das habe ich nie wieder so gehört.«

Trauer überkam Finn. »Danke.« Er dachte daran, wie die Finger seines Vaters über die Flöten getanzt waren. Wie der ihm gezeigt hatte, wie er den Dudelsack zu halten hatte.

»Ist eine Schande, was mit ihm passiert ist.« Lachlan schüttelte den Kopf und Finns Kehle schnürte sich zu. »Aber was vergangen ist, ist vorbei, nicht wahr? Zeig mal, was wir über diese Bastarde haben.«

Finn trat vor und legte die Schriftrollen auf die verkratzte Tischplatte. Messer hatten tiefe Schnitte im Holz hinterlassen und Kerzen hatten sich kreisrund hineingebrannt.

»Hier, bitte.«

»So viele.« Lachlan seufzte. »Was will der Kerl nur damit?«

»Er meint, sie würden eine alte Taktik benutzen.« Eric zuckte mit den Acheln. »Kann sein, dass er darin etwas darüber findet. Wozu auch immer das gut sein soll.« Die Tür knarrte und er sah auf. »He, MacKay.«

Finn sah sich nicht um, aber er wusste, wer hinter ihm stand. Er roch ihn. Dieser verdammte Duft, der ihn so wahnsinnig machte, wehte zu ihm herüber. Kiefernnadel und Gischt, vermischt mit Schweiß. Caelan musste frisch vom Übungsplatz kommen, wenn sein Geruch so weit trug.

»Sind das die Unterlagen?« Caelan ging an ihm vorbei und der Duft traf Finn mit voller Wucht. Seine Haut kribbelte und er schaffte es kaum, den Hass in seinem Bauch aufrecht zu erhalten. Immerhin trug der MacKay nun ein Hemd. Es klebte feucht an seiner Haut.

Eric nickte.

»Hast du gekämpft?«, fragte Lachlan. Seine Augen leuchteten. »Was hältst du von meinen Männern?«

»Sie sind gut.« Caelans Stimme war emotionslos. »Aber sie könnten noch besser sein.«

»Wirklich?« Lachlan grinste. »Das muss ich überprüfen.«

»Lachlan«, begann Eric, aber ihr Rudel-Chief war aufgesprungen. Er liebte Kämpfe, weit mehr als seine anderen Aufgaben. Um die Rechtssprechung musste sich meist Eric kümmern und die Ländereien und Vorräte verwaltete Lachlans Omega.

Die beiden verließen die große Halle und die Tür schlug zu. Finn war allein mit Caelan MacKay. Als ihm das bewusst wurde, prickelte etwas in ihm. Angst, vermutlich. Er stand kurz vor der Hitze, und der Alpha war groß.

Mühsam unterdrückte Wut sprach aus Caelans Bewegungen. So, wie er zum Tisch ging und die Papiere durchsah, strotzte er vor im Zaum gehaltener Kraft. Der Wolf war stark in ihm. Was nicht gegen Finns Nervosität half. Er ging leise rückwärts.

Fast hätte er die Tür erreicht, als Caelan sich umdrehte und ihn ansah. Finn erstarrte wie ein Kaninchen vor dem Bussard.

»Finn.« Caelan räusperte sich. »Finlay.« Seine Augen waren grau wie ein nebliger Morgen.

»MacKay.« Finn reckte das Kinn in die Höhe. Bloß keine Angst zeigen. Nicht vor dem Dreckskerl, dessen Namen Leighton nachts flüsterte.

Caelans Stimme war noch dunkler als sonst. »Lass uns reden.«

»Worüber?«, rutschte es Finn heraus, obwohl er nur noch weg wollte. Schnell, bevor dieser betörende Duft seinen Verstand benebelte. Was, wenn der MacKay seine Erregung bemerkte? Eine furchtbare Vorstellung. Was, wenn er roch, wie sehr er Finn verwirrte? Konnten Alphas das riechen? »Ich habe keine Zeit zu reden«, würgte er hervor. Kiefern und Meer umwehten ihn. »Ich werde gebraucht. Außerdem muss ich pissen.«

Elegant. Er sah am Gesichtsausdruck des MacKay, was der von seiner Antwort hielt.

»Du hast wirklich keine Manieren«, knurrte er. »Wenn man einem Omega befiehlt, zuzuhören, dann hört er zu.«

»Ach, so ist das.« Finn schnaubte. »Gerade wolltest du noch reden. Ich soll also nur zuhören?«

»Das wäre das Beste.« Caelan kam näher, bis er nur noch drei Schritte entfernt war. »Finn, ich glaube, du bist mein Gefährte.«

Der Omega im Turm

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