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Zu Hause angekommen, verkroch sich André direkt in sein Zimmer. Er vermißte seine große Schwester schon jetzt sehr, und Bruder Bernhard kam sowieso nur noch selten nach Hause. Nach dem Bundeswehrdienst, den er noch in Vaasa absolvieren konnte, studierte er mittlerweile Betriebswirtschaft in Helsinki. André hatte sich so sehr gewünscht, daß er in den Sommerferien nach Hause nach Vaasa kommen würde. Aber Bernhard hatte in der Uni am Anschlagsbrett ein Jobangebot für die Semesterferien gelesen, sich beworben und auch den Job bekommen. Richtig stolz war er. Eine schmucke Uniform hatte er bekommen, denn er war als Chauffeur bei einer großen Fluggesellschaft angestellt. Seine Aufgabe war es, die Führungskräfte zu verschiedenen Geschäftsterminen zu fahren und sie dann auch wieder abzuholen. Manchmal sollte er auch einfach während der Besprechungen warten. Dann nutzte er die Zeit in der großen, von ihm immer blank geputzten HUDSON Limousine, um die Nase in seine Schulbücher zu stecken. Bernhard hatte nur noch selten Zeit für seine Eltern oder seinen kleinen Bruder.

Nach einer Weile hielt es André nicht mehr aus in dem stillen Zimmer. Er ging hinaus in die Küche, wo Maria bereits Vorbereitungen für das Abendessen traf. Vater Ingvar lag in den Kissen auf der Küchenbank und schnarchte. Dies war einer der wenigen Tage, an denen er sich freigenommen hatte. Nachdem Inga gut im Bus saß, konnte er sich jetzt etwas Ruhe gönnen.

„Mama. Kann ich nicht den Sommer über noch bei Tante Hella und Tante Erna in Pörtom wohnen? Es ist so still hier im Haus ohne Inga, und immer nur mit Håkan spielen ist auch nicht lustig. In Pörtom habe ich ja auch noch Axel, Johan und Christer. Zu mehreren kann man doch viel mehr anfangen.“

Maria ließ das Kartoffelschälmesser sinken und schaute ihren Sohn an. Sie flüsterte fast, um Ingvar nicht aufzuwecken. „Ich finde, das ist eine prima Idee. Wenn Papa aufwacht, rufen wir gleich mal bei Tante Hella an. Vielleicht kannst du ihr ja sogar ein wenig mit den Tieren helfen.“

Jetzt saß André am Küchentisch und wartete nur darauf, daß der Vater endlich aufwachte. Er hustete ein wenig, aber Ingvar wachte auch davon noch nicht auf. Sein Job war anstrengend und Ruhetage selten. „Schsch, sei leise und laß ihn noch ein wenig schlafen“, ermahnte Maria ihren Sohn. Sie schälte jetzt die letzten Kartoffeln. Auf dem Herd köchelte bereits der gute Rinderbraten, den es eigentlich nur an Sonntagen gab. Aber heute war der Vater daheim, das war etwas Besonderes, und dann machte Maria auch etwas Besonderes zu Essen. Neben dem Kartoffeltopf standen schon die Mohrrüben im Wasser.

André liebte gekochte Mohrrüben, und Rindfleisch mit Bratensoße mochte er auch am liebsten.

Ingvar rekelte sich und plötzlich war er hellwach. „Oh. Habe ich lange geschlafen?“ „Na ja, so ein kleines Stündchen“. Maria lächelte ihrem Mann zu. Ingvar und Maria führten eine gute Ehe. Zuhause war es harmonisch und Streit gab es keinen. Jedenfalls hatte André noch nie einen erlebt. Auch den Kindern gegenüber waren die Eltern nachgiebig und liebevoll. Weder Mutter noch Vater hatten jemals die Hand gegen ihre Kinder erhoben oder lautstark mit ihnen geschimpft.

Ingvar streckte sich und stand vom Küchensofa auf. Da sprudelte es auch schon heraus aus André: „Du, Papa, Können wir mal schnell bei Tante Hella anrufen? Mama und ich haben eben darüber gesprochen, daß ich doch noch die restlichen Sommerferien in Pörtom verbringen könnte.“ Ingvar wußte, daß André sehr gern auf dem Land war und auch immer gern bei den Tieren half. „Ja, wenn du meinst und Lust hast? Ich kann sie ja mal anrufen.“ Ingvar ging rüber ins Wohnzimmer, wo das Telefon auf dem kleinen Tischchen stand. Er wählte die Nummer seiner Schwester. Zuerst meldete sie sich nicht. Ingvar versuchte es mehrere Male, und André wurde immer unruhiger. Dann nach einer ganzen Weile meldete sich Tante Hella endlich. Sie war ein wenig außer Atem. Nur selten saß sie still im Haus. Immer gab es etwas auf dem Hof zu tun, entweder bei den Tieren oder im Gemüsegarten. „Na, das ist ja genau zur rechten Zeit. Wir sind alle schwer beschäftigt mit der Heuernte. Eigentlich kann André dabei ganz gut mithelfen.“

Es wurden nicht viele Worte gemacht am Telefon, und noch am selben Abend fuhren Ingvar und Maria André zu Tante Hella nach Pörtom.

Tante Hella und Tante Erna, die beiden Schwestern von Andrés Vater, wohnten gemeinsam in dem Haus der Eltern. Für beide hatte es zwar mal einen Mann gegeben, aber zu einer Heirat war es nie gekommen. Tante Erna war sogar mal verlobt, aber ihr Verlobter war im Krieg gefallen. Und Tante Hella hatten einen jungen Mann kennengelernt, als sie in einer Mühle im Nachbarort Arbeit hatte und auch dort wohnte. Auch ihr Freund arbeitete in dieser Mühle. Durch die schwere körperliche Arbeit zog sich Hella dort einen Hüftschaden zu und begann zu hinken. Dafür schämte sie sich so sehr, daß sie das Verhältnis zu dem jungen Mann aufgab und danach nie wieder eine Verbindung zu einem Mann anfing.

Und so kam es, daß Hella und Erna ihr Leben lang zusammen mit der verwitweten Mutter, Oma Anna, aber ohne Mann, den Hof bewirtschafteten. Nebendran stand Ingvars Haus, das jetzt nur noch an den Wochenenden und den Sommerferien bewohnt wurde.


In Ernas und Hellas Haus gab es für André, der nun vor der Tür stand, sogar ein eigenes Zimmer unter dem Dach. Tante Hella hatte sogar schon das Bett für ihn zurecht gemacht.

Ingvar drängte Maria schon bald wieder zur Heimfahrt. Seine Tour am nächsten Tag würde schon wieder sehr früh beginnen. Und nachdem André seine wenigen Sachen in seinem Zimmer verstaut hatte, sprang er schnell zu den Kühen in den Stall, um sie zu begrüßen. Hier fühlte er sich wohl. Er liebte den Duft der warmen Tierkörper, angereichert mit dem Geruch von Kuhdung. Er schlenderte durch den Mittelgang im Stall. Seine Hände streichelten über jedes glatte, warmfeuchte Kuhmaul. Alle hatten dunkle Flecken auf ihren Mäulern, nur Rosa, seine Lieblingskuh, die, die ihm mal fast ausgebüxt war, hatte ganz hellrosa Nüstern und keinen einzigen dunklen Fleck. Die großen, glatten Nasenlöcher waren immer feucht. Wenn die Kühe Andrés Hand mit ihrer rauen Zunge ableckten, stopften sie sofort die Zunge in eines der Nasenlöcher, um den Geruch aufzunehmen und zu schmecken. André dachte, natürlich erkennen sie mich sofort wieder, aber sie wedeln natürlich nicht mit dem Schwanz, so wie Hunde es tun. Und wenn sie wedelten, dann nur, um die lästigen Fliegen zu vertreiben.

Früher hatte sein Vater mal einen braunen Spitz, mit einem weißen Bauch und weißen Pfoten. André hatte immer Angst gehabt vor 'Lycka', wie sie hieß, was soviel wie 'Glück' heißt. Lycka war ein richtiger Hofhund, lag leider immer angekettet an einer langen Laufleine, die quer über den Hof ging. Und, wie alle angeketteten Hofhunde, war ihr einziger Lebensinhalt, alle Besucher des Hofes sofort lautstark anzubellen oder am besten gleich wieder zu verjagen. Nachts schlief sie im Stall und bewachte Kühe, Schafe und Hühner. Wäre sie ein schlauer Fuchs gewesen, hätte sie sich mal ein Hühnerbeinchen gegönnt, aber sie war ein guter Hofhund und bewachte tapfer ihr Eigentum. André hatte immer Angst, nahe an sie heranzugehen, was Lycka natürlich noch mehr aufbrachte. Die Tanten hatten Bedenken, Lycka von der Kette zu lassen. Nur Ingvar nahm Lycka oft mit zur Vogeljagd, wo sie geschickt Auerhahn und Birkhuhn aufspürte, stellte und nach erfolgreichem Abschuss dem Herrchen vor die Füße legte. Aber das war damals. Nun gab es Lycka schon seit längerem nicht mehr.

André ging herum zu den Schafen. Auch sie wurden begrüßt, jedes einzelne mit seinem Namen. André kraulte sie hinter den Ohren, das mochten sie und dann hielten sie ganz besonders still. Ach, hier wollte er immer bleiben. Im Stall, zusammen mit all den Tieren. Neben den Schafen wohnten die Hühner im Hühnerhaus. Jedes Huhn hatte seinen eigenen Platz auf der Stange, auf dem sie die Nacht verbrachten. Auch hatte jedes eine eigene Legekiste mit viel Stroh darin, damit die Eier nicht auf den harten Boden fielen. Denn die wurden ja im Haushalt benötigt. „korrkokokokorrrr“. André liebte dieses Geräusch, vor allem abends, wenn er nochmal schnell in den Stall huschte und die Hühner aufgeplustert auf der Stange saßen und leise vor sich hin erzählten.

Jetzt hatte er seine erste Runde gedreht, hatte alle seine Tiere begrüßt „Ich bin wieder da, Freunde“. Hella rief vom Küchenfenster „André, komm jetzt rein, es wird Zeit.“ Auf dem Küchentisch stand die Milchkanne und noch ein Brot. Zu Hause hatte er bereits mit den Eltern warm gegessen. „Morgen kommt Onkel Alarik mit dem Pferdewagen. Du kannst helfen beim Einfahren vom Heu.“ „Au ja, und auf dem Heimweg, darf ich da wieder auf Svante sitzen?“ André stopfte sich noch ein Stück Brot in die Backen. Seine Augen glänzten vor Freude. „Ja, wenn du tüchtig mitgeholfen hast. Aber jetzt mach mal etwas schneller, es ist Zeit, ins Bett zu gehen“.

André kaute auf dem Brotkanten, plötzlich fiel ihm was ein und, noch mit vollem Mund, plapperte er „Tante Hella, weißt Du noch, als ich noch so klein war und Mittagsschlaf halten sollte. Und das eine mal, als ich....?“ „Oh ja, das weiß ich noch sehr genau. Du solltest Mittagsschlaf machen im Schlafzimmer. Wir waren auf den Wiesen und machten Heu und konnten das Haus nicht einsehen. Und, damit du nicht plötzlich aus dem Haus und vielleicht auf die große Landstraße laufen konntest, habe ich die Schlafzimmertür einfach abgeschlossen als du eingeschlafen warst.“ André fiel ihr ins Wort „..ja, und dann bin ich wach geworden und keiner war im Haus. Das war ganz schlimm. Ich habe gerufen, aber keiner hat mich gehört und da habe ich Angst bekommen und bin ans Fenster gegangen. Gottseidank fuhr da gerade Ivar mit dem Fahrrad vorbei, der hat gehört, als ich mit den Fäusten an die Scheibe gedonnert habe. Und dann ist er auf den Hof gefahren und hat mich befreit.“ „Na, so dramatisch war das ja nicht. Der Schlüssel steckte ja von außen in der Tür. Wir hätten dich schon noch geholt. Aber, Du hast geheult wie ein kleines Mädchen. Ivar kam dann mit dir an der Hand auf die Wiesen.“ „Das war ganz schlimm. Ich hatte wirklich große Angst. Du darfst mich nie wieder einsperren.“

André hatte mittlerweile sein Brot gegessen und stand nun vom Tisch auf. „Ich muß nochmal auf die Toilette.“ „Ja, gut, aber mach nicht so lange“. Tante Hella räumte den Tisch ab und André schlüpfte durch die Tür nach draußen auf den Hof. Ja, im Haus selbst gab es weder fließendes Wasser, das holte man aus dem Brunnen, noch eine Toilette. Um zum Plumpsklo zu kommen, mußte er über den Hof gehen, das große Tor zur Scheune aufschieben, was nicht ganz einfach war, wenn man erst sieben Jahre alt war. Dann vorbei an den Ställen und hinten noch einmal durch ein schweres Schiebetor auf der Rückseite des Gebäudes. Da, wirklich abgeschieden, öffnete er schließlich die Tür zu dem kleinen Häuschen. Licht gab es nicht darin, nur ein kleines Fenster in der Holzwand. Aber jetzt, im finnischen Sommer, gab es keine Nacht und keine Dunkelheit. Der Himmel war rund um die Uhr hell, auch wenn die Sonne sehr tief stand. Und Nacht war es, wenn die Vögel mit ihrem Zwitscherkonzert aufhörten und sich ein oder zwei Stunden Ruhe gönnten, aber dunkel war es nie. André schwang sich auf die Holzbank, nachdem er den runden Holzdeckel an die Seite geschoben hatte. Hinterher nahm er noch mehrere kleine Schippen mit Kalk zum Abdecken seiner Hinterlassenschaft. Er sprang zum Brunnen, auf dessen Rand immer ein Blecheimer mit Wasser zum Händewaschen stand. „Jetzt aber fix in die Federn“, rief Hella vom Haus „morgen geht es wieder früh raus.“

„Klonk, klonk, klonk, klonk.“ Mit einem Ruck sprang André aus seinem Bett im ersten Stock. Er eilte ans Fenster und richtig, unten fuhr Onkel Alarik bereits mit dem Pferdewagen am Fenster vorbei. Die Hufen des Pferdes gaben dumpfe Geräusche auf dem harten Weg und Svante nickte bei jedem Schritt tief mit dem Kopf, dann bogen sie in die Hofeinfahrt ein. André stieg schnell in Hemd und Hose und eilte die Treppe hinunter. Das Kaffeegeschirr war aufgetragen, Erna schlürfte bereits genüsslich die erste Tasse, und Hella stellte gerade das Marmeladenglas, Wurst und Käse auf den Tisch. „Mensch, habe ich einen Hunger. Guten Morgen“, André setzte sich auf die Küchenbank und schaute erwartungsvoll seine Tanten an. „Heute mußt du fleißig mit anfassen. Das Heu ist jetzt richtig trocken. So viel wie möglich muß heute auf den Heuboden gebracht werden. Also, lang kräftig zu, du brauchst viel Kraft.“

Alarik kam durch die Küchentür herein. Er hatte draußen schon Svante angebunden und ihm einen Eimer mit Wasser hingestellt.

„Einen wunderschönen, guten Morgen. Wir zwei wären dann soweit, aber erst einmal möchte ich eine Tasse Kaffee trinken und ein schönes Brot dazu.“ „Du, vorgestern war Lasse hier und hat frisch Geschlachtetes gebracht. Möchtest du von der guten Leberwurst probieren?“ Hella nahm eine Wurst vom Haken und schnitt ein großes Stück davon auf dem Holzbrett ab. So ein Bauernfrühstück ließ wirklich keine Wünsche offen. Und die Probleme seiner Stadtfreunde, in den Nachkriegsjahren nicht genügend zu Essen zu haben, hatte André nie selbst erfahren müssen. Bei ihm daheim war der Tisch dank des Hofes immer gut gedeckt gewesen.

Den Rest des langen, heißen Sommertages verbrachten sie nun gemeinsam auf den Wiesen. Hella hatte einen Korb mit Broten, Früchten, Saft und Kaffee gepackt. Zunächst wurde das Heu mit den Heugabeln auf den Leiterwagen gehoben. André konnte schon ein wenig mithelfen, aber das meiste machten doch die Erwachsenen. Nach einer Weile war es dann allein Andrés wichtige Aufgabe, auf den Wagen zu klettern und oben das Heu herunterzutrampeln, damit immer noch mehr oben drauf paßte. Das war einfach herrlich. Svante zog den Wagen ganz langsam immer wieder ein Stückchen vorwärts, bis schließlich nichts mehr oben auf den Wagen paßte. Schwierig war es, nun vorsichtig von oben wieder heil herunterzukommen. André lag bäuchlings auf dem Heu und streckte die Beine weit nach unten, um auf den Holzstreben des Leiterwagens Halt zu finden. Dabei streckte ihm Alarik die Arme entgegen und stützte ihn, bis André mit den Füßen Halt fand und dann schließlich herunter springen konnte.


Hella hob den Korb vom Wagen. „Jetzt machen wir erst einmal eine Pause. Kommt, wir haben uns jetzt Essen und Trinken verdient. André, holst du den Wassereimer für Svante?“ André rannte zum Hof und füllte frisches Wasser vom Brunnen in den Eimer. Dann ging er mit ruderndem Arm vorsichtig wieder zurück, um nicht allzu viel Wasser zu verschütten. „Hier mein lieber, guter Svante, trink. Du warst richtig fleißig“. André streichelte das Pferd über die Blesse und über die heißen Nüstern. Svante sog lange das frische Wasser in sein Maul. Mittlerweile stand die Sonne gleißend und fast direkt über ihnen am Himmel. André schaute verträumt in den Himmel und lauschte den Feldlerchen, die hoch oben ihr langes, unermüdlich trällerndes Lied sangen, aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte sie nie entdecken.

Die abgemähte Wiese lag unter einer schwirrenden Hitzedecke. Immer wieder brummten Hummeln geschwind vorbei,


ständig auf der Suche nach der nächsten Kornblume oder Mohnblume, die sich ihnen seicht im Wind wiegend anboten. André atmete den starken Heuduft tief ein. Er zog seine Schuhe aus, in denen sich trockene Grashalme verkrochen hatten und ihn in die Fußsohlen stachen. Seine Füße waren warm und klebrig von den Schuhen. Er ließ sie stehen und sprang hinüber zum Bach. „Iiiieeeh. Wo bin ich denn da rein getreten? - In einen dicken, fetten Kuhfladen. Igitt, mein ganzer Fuß klebt, und dieser Duft, einfach herrlich.“ Langsam hob er den rechten, braunen Fuß in die Höhe. Tante Hella, Tante Erna und Onkel Alarik schauten von ihrem Kaffee auf und lachten lauthals.

André stieg hinunter in den Bach und wedelte mit dem braunen Fuß hin und her, und nach und nach löste sich der Schmutz von der Haut. Er grub die Zehen und den ganzen Fuß tief in den Sandboden des Baches, der jetzt wie eine Bürste wirkte. Dann sprangt er im Bachlauf hin und her, bis er sich schließlich mit tropfnasser Kleidung an den Bachrand setzte. Er spreizte die Zehen und träumte ein wenig. „So einen eigenen Bach zu haben, ist doch wirklich etwas Schönes. Man muß nie schwitzen.“ Plötzlich kitzelte es ihn am Fuß und er zuckte zurück. Und als er ins Wasser auf seinen Fuß schaute, zappelten da viele kleine Kaulquappen herum, und dann waren sie plötzlich wieder verschwunden.

Als dann schließlich auch André seinen Saft getrunken und sein Brot gegessen hatte, ging die Arbeit weiter.

Alarik half André nun auf Svantes Rücken, der jetzt den Wagen zur Scheune zog. In der Scheune stieg André schließlich oben auf den Heuboden und nahm die losen Heuhaufen entgegen, die die Tanten und Alarik ihm entgegenstreckten. Jetzt galt es, das Heu platzsparend und ordentlich erst einmal in die Ecken zu packen, bis die nächste Ladung herangefahren wurde und die nächste und die nächste. An diesem heißen Sommertag waren es sicher zehn Wagenladungen, die sie auf dem Heuboden einlagerten. Und es genügte nicht mit nur einem Tag. Alarik und Svante blieben mehrere Tage auf dem Hof, bis alle Arbeit erledigt war und das Heu sicher vor Regen und Hagel in beiden Scheunen lagerte. Jetzt war das Winterfutter gesichert.

André liebte diese Tage auf den Wiesen. Auch, wenn abends die Arme und Beine schmerzten vor Anstrengung. Erna hatte schon rechtzeitig vorher den großen runden Waschbottich eingeheizt. Eigentlich fand André, daß eine Großreinigung völlig unnötig war, aber Hella war da sehr eigen. André bekam von ihr einen Wascheimer und mischte nun heißes Wasser aus dem Bottich, zusammen mit kaltem Wasser in seinem Eimer für die Abendwäsche. Alle paar Tage feuerte Hella auch im Waschhaus die Sauna an, die die Poren so richtig vom Alltagsschweiß reinigten. Schön manierlich, Damen für sich und als erste, erst danach war es den Männer, Alarik und André erlaubt, ihre Saunagänge zu absolvieren.

Nach einem solchen Arbeitstag, den ganzen Tag in der Sonne und an der Luft, danach dem Besuch der Sauna, gefolgt von einem Eimer mit eisigem Wasser, schmeckte das ländliche Abendbrot besonders gut. Erna brachte den Topf mit den Kartoffeln an den Tisch, dazu Fleisch und Gemüse. André langte kräftig zu und später bedankte er sich für das Essen, wie es in Finnland und Schweden so üblich war zu Tisch, und schnell verabschiedete er sich, ohne Aufforderung und ganz von allein, um nach oben in sein Bett im Obergeschoß zu kriechen. Es dauerte nur einige wenige Augenblicke, dann wehten seine Gedanken schon durch das Reich der Träume.

Und so verging wieder ein strahlend schöner Sommer bei den Tanten auf dem Land.

André hatte fleißig bei der Heuernte mitgeholfen, er hatte die Kühe zur Nacht in den Stall getrieben, sie morgens wieder auf die Weide gebracht und dann geholfen, den Stall auszumisten. Den Schafen hatte er das Futter gebracht, und er hatte die Hühner gefüttert und die Hühnereier eingesammelt. Er konnte sich nichts Schöneres denken, als hier auf dem Land zu leben, morgens mit dem Eimer voller Küchenabfälle vom Vortage auf den Hof zu treten und sogleich von den neugierig gackernden Hühnern umzingelt zu werden. Jedes wollte das erste sein und die besten Leckerbissen ergattern. Das Leben war einfach schön.

Aber die Schule rief, André kehrte zurück in die Stadt. Und nun begann für ihn der Ernst des Lebens.

Über weißblaue Wiesen

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