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Kapitel 2

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Die Paddingtons besaßen einen Anteil von fünfzehn Prozent an der wohl bekanntesten Kaschmirweberei von Schottland. Die restlichen fünfundachtzig Prozent gehörten dem alten Sir Wilson.

Er hatte keine Familienangehörigen mehr und war schon ziemlich senil. Daher bemerkte er nicht, dass sich die Einkommensverhältnisse zwischen ihm und den Paddingtons inzwischen umgekehrt hatten.

Alice und Richard Paddington hatten beinahe monatlich die Umsatzzahlen nach unten korrigiert und so Gelder auf ihre Konten geleitet. Sir Wilson bekam alles was er sich wünschte, und hegte somit kein Misstrauen gegen Alice oder Richard.

Wilson bewohnte den Westflügel von Chattwick-Manor, einem herrlichen Bau aus der viktorianischen Zeit, die Paddingtons den Ostflügel. Alice kümmerte sich um den alten Wilson.

Vor etwa zwei Monaten waren dann die Herren aus London bei Sir Wilson aufgetaucht und hatten, in Abwesenheit der Paddingtons mit Wilson über den Kauf seiner Anteile verhandelt. Das Angebot, das die Herren ihm unterbreitet hatten war so lukrativ, dass er sofort eingewilligt hatte. Als Richard davon erfuhr versuchte er leider vergebens, den Alten umzustimmen. Clara Hartung würde nach der Unterzeichnung des Kaufvertrages die neue Eigentümerin sein. Dann würde es nicht mehr lange dauern bis man die Fälschungen in den Büchern entdecken und die Paddingtons zur Rechenschaft ziehen würde. Daher musste man den Kauf verhindern. Richard, so hatte seine Frau überlegt, sollte Clara überzeugen, dass sich die Investition in die Firma nicht lohne, da die Firma stark überschuldet sei und daraus ein Fass ohne Boden werden könnte. Damit hoffte sie, Clara Hartung von der Unterzeichnung des Vertrages abhalten zu können.

Clara Hartung, der Name war in der Fachwelt gut bekannt. Ihr Vater hatte den wohl größten Textilkonzern der Welt aufgebaut und zahlreiche Edelmarken erworben. Er lebte sehr diskret, so dass man in der breiten Öffentlichkeit nicht viel von den wahren Besitzverhältnissen der renommiertesten Marken wusste. Clara war stets an der Seite ihres Vaters gewesen und kannte sich somit in der Welt des „Big Business“ bestens aus. Sie kümmerte sich aber nicht um alle Einzelheiten und überließ Verhandlungen, wann immer es möglich war ihren Mitarbeitern.

Señora Pellini betrat nun das Restaurant. Clara hatte sie gesehen und ihr zugewinkt. Zu Henri gewandt sagte sie: „Es ist meine Tante, die Schwester meiner Mutter. Meine Mutter stammt aus Italien. Mein Vater war ihr bei einem seiner zahlreichen Messebesuche in Mailand begegnet und hat sich unsterblich in sie verliebt und sie sofort geheiratet. Sie war eine wunderschöne Frau.“

„Das sind Sie auch Clara, wenn ich mir das Kompliment erlauben darf. Einem alten Mann werden Sie sicherlich keine unschicklichen Absichten unterstellen.“

„Danke Henri, das ist sehr lieb von Ihnen.“ Clara schien fast etwas zu erröten, wie zuvor Henri.

„Wenn ich nicht bald heirate,“ fuhr sie fort „und eigene Kinder bekomme, dann wird wohl Tante Maria alles erben.“

„Die Salattante?“ entfuhr es Henri. “Verzeihen Sie, Clara, aber der Ausdruck stammt nicht von mir. Ich habe ihn gestern beim Abendessen vernommen.“

„Er ist aber durchaus passend. Salat ist beinahe das Einzige was sie isst. Aber sogar beim Salat überlegt sie noch, welcher mehr oder weniger Kalorien hat. Sie kennen doch sicher den Ausspruch von der Duchesse von Windsor, 'man kann nie schlank oder reich genug sein'. Nun, meine Tante lebt genau so, jedenfalls was das Schlanksein betrifft.“

Clara und Henri sprachen nun über Deutschland und Luxemburg, tauschten Besonderheiten des jeweiligen Landes aus, genossen ihr Essen und erzählten sich aus ihrem Leben.

Nach dem Essen gingen sie wieder hinunter ans Wasser.

Es war kurz nach 20 Uhr als sich alle zum Abendessen versammelten. Die Krollmayers, Paddingtons, die dürre Frau Pellini, die beiden Delacroix und Clara Hartung. Medernach war etwas später gekommen und hatte einen kleinen Tisch am Rande der Treppe bekommen, die von dem Balkon zur Terrasse hinab führte. Henri sah von Weitem einen Herrn am Tisch neben Clara sitzen, ohne ihn genau erkennen zu können. Dieser ließ Clara nicht aus den Augen. Er schien sie regelrecht anzustarren. Henri kümmerte sich nicht weiter um den Mann. Er genoss sein Essen. Er hatte noch selten Besseres bekommen. Auch der Service war ohne Tadel. Man schien den Gästen jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Kaum hatte er sein Glas etwas geleert, war sofort ein Kellner zur Stelle um es erneut zu füllen. Dabei hatte er nicht das Gefühl beobachtet zu werden. Leere Teller oder benutztes Besteck wurden gleich entfernt und durch sauberes ersetzt.

Henri, der diesen Lebensstil nicht alle Tage genoss fiel all dieses auf, für die übrigen Gäste war es vielleicht völlig normal, etwas an das man sich gewöhnt hatte, ja das eher auffallen würde wenn es nicht so wäre.

Nach dem Essen ging er in die Bar und nahm noch einen Schlummertrunk zu sich. Ein Klavierspieler unterhielt die Gäste mit leisen angenehmen Melodien, ein musikalisches Vergnügen.

Clara trat nun ebenfalls in die Bar und kam auf Henri zu.

„Ich hoffe ich bin Ihnen nicht lästig,“ sagte sie „aber ich unterhalte mich sehr gerne mit Ihnen.“

„Überhaupt nicht, setzen Sie sich zu mir. Ich fühle mich geschmeichelt.“ Clara lachte und setzte sich zu Henri.

Als Krollmayer mit seiner Frau die Bar betrat, tat Clara so als sehe sie die Beiden nicht. Doch Krollmayer steuerte geradewegs auf Clara und Henri zu.

„Hallo ihr Zwei, wir dürfen uns doch sicher dazu setzen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten setzten sie sich. Peter Krollmayer winkte den Kellner herbei um sich einen doppelten Whisky ohne Eis zu bestellen. Für Sarah bestellte er Martini mit Olive.

„Na Clara, was meinst du, wir könnten doch einmal wieder zusammen eine kleine Seefahrt machen.“

Peter hatte das Gesicht seiner Frau nicht gesehen als er die Frage stellte. Aber Medernach waren die Verfärbungen im Gesicht von Sarah Krollmayer sofort aufgefallen. Er deutete sie als ihren Ausdruck von Eifersucht oder war es Entsetzen, wegen der plumpen Art und Weise der Frage?

„Ich bin schon lange nicht mehr auf See gewesen.“ antwortete Clara.

„Aber deine Yacht hast du doch noch, “ fuhr Peter fort „mir kam es so vor als ob ich sie draußen vor dem Hafen von Portofino gesehen hätte.“

„Ja, sie liegt dort, die gute alte Klarissima I. Mein Vater war, wie du sicherlich weißt ein begeisterter Seemann und hat wohl die Hälfte seines Lebens auf dem Wasser verbracht.“ erwiderte sie ihm.

Sie wandte sich zu Henri und erklärte „Ich benutze sie kaum und der Unterhalt verschlingt ein Vermögen, aber ich konnte mich nicht dazu durchringen, sie zu verkaufen. Sie war Vaters ganze Freude.“

„Es ist auch ein schönes Schiff. Ich wünschte, ich könnte es mein Eigen nennen.“ Peter hatte Clara unhöflich unterbrochen. „Du könntest uns doch zu einer kleinen Kreuzfahrt einladen. Ich glaube dein Freund wäre sicher nicht abgeneigt.“

Medernach wollte gerade einwenden, dass er nur ein neuer Bekannter sei, als Clara bereits antwortete.

„Eine tolle Idee, ich habe Henri sowieso noch nicht allen vorgestellt und das wäre eine gute Gelegenheit. Was haltet ihr von morgen früh?“

„Das wäre schön!“ antwortete Peter, jetzt aber merklich zurückhaltender als zuvor.

Als die zwei endlich gegangen waren wandte sich Clara an Henri und erklärte ihm ihr Verhalten.

„Verzeihen Sie, wenn ich Sie eventuell verärgert haben sollte, aber Sie müssen wissen, dass Peter, obwohl er seit mehr als zwölf Jahren mit Sarah verheiratet ist, mir immer wieder Avancen macht. Ich kann ihn nicht ausstehen. Wenn Sarah wüsste, dass er mich ständig belästigt, dann hätte sie sich schon lange von ihm scheiden lassen. Sie ist außergewöhnlich eifersüchtig. Peter ist ein recht guter Ingenieur aber kein sehr tüchtiger Geschäftsmann.

Sarah hat das Vermögen von ihrem Vater geerbt, es handelt sich dabei um die Kossta-Werke, Kossta war ihr Mädchenname.

Peter leitet die Entwicklungsabteilung der Werke. Sarah kümmert sich um die Geschäftsführung. Sie hat bei ihrem Vater gelernt und ist in ihrer Arbeit absolut top. Ich hätte nichts dagegen, manchmal mit ihr etwas zu fachsimpeln aber der Austausch über neue Modetrends ist ihr bei einem Plausch wichtiger. Manchmal frage ich mich, wie sie das alles hinbekommt, ständig geht sie einkaufen und leitet gleichzeitig eine solche Firma. Man kann sie schon bewundern.

Ich brauche nun Sie, lieber Henri, um Peter endlich loszuwerden.“

Henri Medernach hatte sich alles ruhig angehört. Zuhören war eine seiner Stärken. Jetzt erwiderte er in seiner ruhigen Art: „Machen Sie sich keine Sorgen, ich kann ein solches Kompliment doch nicht übel aufnehmen. Wenn man in meinem Alter noch als Freund einer so jungen und schönen Dame vorgestellt wird, dann dürfte das eher schmeichelhaft sein.“

Clara drückte ihm dankbar die Hand und verabschiedete sich. „Ich werde noch schnell auf dem Schiff Bescheid sagen, damit wir morgen früh auslaufen können. Es stört Sie doch nicht, wenn ich noch einige Freunde aus Portofino einlade?“ „Absolut nicht, liebe Clara, mir stünde es nicht zu, Ihnen Vorschriften zu machen. Ich hätte im Übrigen nicht im Leben daran gedacht, hier in Italien auch noch eine Kreuzfahrt zu erleben!“

Als Clara gegangen war lehnte Henri sich zurück.

Was für ein Urlaub, dachte er. Wenig später ging er auf sein Zimmer.

Peter und Sarah waren noch vor das Hotel gegangen um etwas frische Luft zu schnappen.

„Du musst dich aber auch immer wieder aufdringlich benehmen. Vater hatte schon recht, als er meinte du würdest nicht zu uns passen. Dein Benehmen ist peinlich!“

Sarah hatte sich in Rage geredet.

„Du hattest mir doch in den Ohren gelegen, wir müssten mal wieder von Clara zu einer Tour mitgenommen werden.“

Peter schienen die Worte von Sarah nicht weiter persönlich zu treffen.

„Meinst du, dieser alte Mann ist wirklich ihr neuer Freund?“

Er scheint Franzose zu sein, dem Vornamen nach.“

„Medernach klingt aber nicht unbedingt Französisch.“ meinte Sarah.

„Vielleicht stammt er aus dem Elsass.“ warf Peter ein.

Sarah war von Henri Medernach angetan. Er strahlte eine Ruhe aus, wie sie es nur von ihrem Vater gewohnt war. Peter war eher ein hektischer Mensch. Unruhig, manchmal absolut selbstsicher und im nächsten Augenblick wieder völlig hilflos. Man wusste nie, woran man bei ihm war. Früher hatte Sarah diesen Mann gerade deswegen geliebt. Die Ruhe ihres Vaters war ihr langweilig geworden, jetzt aber sehnte sie sich danach zurück.

„Ich werde ihm morgen auf See etwas auf den Zahn fühlen. Jedenfalls scheint er vermögend zu sein. Hier im Imperiale verkehren nicht die Mittellosen.“

Peter war sicher, dass er es bei Henri mit einem Unternehmer zu tun hatte. Wenig später gingen auch sie auf ihr Zimmer.

Ligurischer Urlaub

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