Читать книгу Ligurischer Urlaub - Jean-Pierre Kermanchec - Страница 5

Kapitel 3

Оглавление

Henri war früh aufgestanden, er verspürte eine gewisse Aufregung. Zum ersten Mal in seinem Leben würde er im Kreise von Millionären auf einer Privatyacht eine Kreuzfahrt unternehmen. Es sollte gegen zehn Uhr losgehen. Clara hatte es ihm gestern Abend noch per Telefon mitgeteilt. Als er kurz nach acht Uhr zum Frühstück auf dem Balkon erschien, sah er Peter und Sarah Krollmayer auch schon beim Kaffee. Clara war noch nicht zu sehen. Dafür hatte er die beiden Delacroix und Herrn und Frau Paddington erspäht.

Der Oberkellner kam auf ihn zu und geleitete ihn zu dem schönsten, etwas größeren Tisch, ganz vorne auf dem Balkon. Von hier hatte er eine wunderbare Aussicht auf Santa Margherita, auf den Hafen und auf die Halbinsel von Portofino. Beinahe am Ende der Halbinsel sah er ein großes Schiff vor Anker liegen. Wahrscheinlich, so nahm er an, ein kleineres Kreuzfahrtschiff, das von Genua hierhergekommen war, um den Gästen diese phantastische Bucht zu zeigen.

Er war etwas erstaunt, als einzelner Gast einen so großen Tisch zu erhalten. Der Oberkellner rückte ihm den Stuhl zurecht und sagte dann: „Signorina Clara wird in wenigen Minuten bei Ihnen sein.“

Clara hatte das Personal also angewiesen, Henri an ihren Tisch zu setzen. Kurze Zeit später erschien Clara. Sie trug ein wunderschönes Kleid. Gelb schien ihre Lieblingsfarbe zu sein. Die Sonnenbrille hatte sie lässig in die Haare gesteckt und unter dem Arm konnte er eine gelbe Tasche von Louis Vuitton erkennen. Henri war oft genug am Geschäft von Louis Vuitton, in der Philippsgasse in Luxemburg vorbeigegangen und kannte daher das Label.

„Wie geht es Ihnen heute Morgen Henri?“ fragte Clara, als sie an den Tisch trat.

„Es könnte nicht besser sein!“ antwortete er, indem er aufstand um Clara zu begrüßen.

„Bleiben Sie doch sitzen.“ sagte sie und nahm ebenfalls Platz. Ein Kellner war bereits hinter ihr und rückte ihr den Stuhl zurecht.

„In einer Stunde ist es soweit. Ich habe veranlasst, dass man uns abholt. Ich habe die beiden Delacroix auch eingeladen. Sie sind Geschäftspartner aus Paris. Schon mein Vater hat mit ihnen in Verbindung gestanden. Sie sind angenehm und nicht aufdringlich. Ich müsste sowieso mit ihnen in den nächsten Tagen sprechen, so kann ich es vielleicht auf dem Schiff erledigen. Tante Maria konnte ich natürlich auch nicht auslassen.“

Peter und Sarah hatten die ganze Zeit über zu Clara und Henri herübergeschaut und getuschelt.

Als das Auto, das Clara bestellt hatte vorfuhr hatten sich die Eingeladenen bereits vor dem Hotel versammelt. Da es sich um einen Kleinbus handelte konnten alle gleichzeitig mitgenommen werden.

Die Paddingtons hatten nichts von den Vorbereitungen gemerkt und waren daher erstaunt, als sie Clara mit ihren Gästen einsteigen sahen. Da Richard Paddington am Abend nicht mehr dazu gekommen war mit Clara zu sprechen, hatte er sich vorgenommen es heute Morgen zu versuchen. Als er sie nun in den Bus einsteigen sah, lief er hastig hinterher um sie vor der Abfahrt noch zu erreichen.

Alice und er waren der Meinung, Clara würde abreisen und nicht mehr zurückkehren. Er riss die Türen des kleinen Busses auf und rief unüberhörbar:

„Mrs Hartung, ich muss Sie unbedingt sprechen!“

„Ich habe keine Zeit, mein Herr, vielleicht ein anderes Mal!“ erwiderte sie und wandte sich Henri zu. Richard sah Clara verdutzt an. Sein Gesicht verfärbte sich. Es hatte den Anschein, als würde er jeden Augenblick explodieren.

Der Chauffeur bat Richard die Türe zu schließen und sie jetzt bitte fahren zu lassen. Richard schloss die Tür, nein, er schlug sie regelrecht zu. Clara Hartung hatte es nicht für Wert befunden, ihn auch nur kurz anzuhören. Außer sich vor Wut war er nicht im Stande irgendetwas zu sagen, als seine Frau zu ihm trat.

„Ich habe es dir gesagt, du bist einfach zu dumm!“ schrie Alice ihn an als der Bus langsam die Auffahrt nach Richtung Portofino hinunterrollte.

„Mit dir ist einfach nichts anzufangen.“

Als Henri die Klarissima I sah stockte ihm beinahe der Atem. Es war das Schiff, das er heute Morgen vom Balkon aus gesehen hatte. Er hatte sich eine Yacht, vielleicht zwanzig oder dreißig Meter lang vorgestellt. Aber was hier vor Anker lag war schon beinahe ein luxuriöses Kreuzfahrtschiff. Er schätzte seine Länge auf mindestens hundertzwanzig Meter und die Höhe, gut und gern auf fünfundzwanzig Meter. Das Schiff hatte über der Wasserlinie fünf Decks. Es lag auf Reede vor Portofino, für den Hafen war es zu groß. Eine Barkasse brachte die Gruppe an Bord.

Der Kapitän und etwa zwölf Mann der Crew begrüßten Clara und ihre Gäste. Sie hatten auf dem untersten Deck einen prächtigen Mahagoni-Tisch aufgebaut und ihn mit allen nur erdenklichen Früchten beinahe schon überladen.

Als Henri und Clara an den Tisch traten um einen kleinen Empfangstrunk entgegenzunehmen, blickte Henri geradewegs auf den Hafen und auf das kleine Dörfchen Portofino. Hufeisenförmig gruppierten sich die Häuser um den Hafen. Drei oder vier größere Yachten, allerdings nicht mit Claras zu vergleichen und zahllose Fischerboote lagen dort vor Anker. Die Häuser, in denen sich entweder kleine Boutiquen oder Restaurants befanden waren in orange, gelb oder rot aber auch in einem hellen pistazienfarbigen grün gestrichen. Gegen Süden konnte er die alte Festung auf der Anhöhe sehen.

Langsam bewegte sich das Schiff und sie fuhren in südliche Richtung. Von Clara hatte er erfahren, dass die Fahrt etwa bis zum Abend dauern würde. Der Kapitän hatte als Route eine Fahrt um die Halbinsel empfohlen. Erste Station sollte San Fruttuosa sein. Ein kleiner Ort, lediglich mit sechs Häusern und einer Kirche, aber malerisch in einer kleinen Bucht gelegen. Von dort sollte es weiter über Camogli und Recco in den Golf von Paradiso gehen und dann in einem großen Bogen zurück nach Portofino.

Henri Medernach sah auf Portofino als Clara ihn ansprach: „Woran denken Sie Henri, mir scheint Sie sind mit ihren Gedanken weit entfernt.“

„Oh Fräulein Clara, ich war in der Tat in Gedanken aber nicht weit von diesem kleinen Dorf. Sie kennen vielleicht das Gedicht von Christian Morgenstern über Portofino?“

„Nein, das kenne ich nicht. Ich würde es aber gerne hören, wenn Sie es mir vortragen könnten?“

Clara rückte ihren Sessel näher an Henri heran und saß nun aufmerksam vor ihm.

„Ich habe es vor Jahren einmal gelesen und seither geht es mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich musste immer wieder daran denken. So kam es auch, dass ich meinen Urlaub hier verbringen wollte. Nun ich glaube ich bekomme es noch zusammen.

Portofino kleiner Hafen

da wir uns im Frühling trafen.

Da geheim wie eine Mythe

unverhofft ein Glück erblühte,

Glück und Leid? Wer will es wissen?

Wehrlos ward ich fortgerissen.

Dass sich eine oder scheide

was zu Glück ward oder Leide.

Portofino kleiner Hafen

da wir uns im Frühling trafen

Du, was auch mein Schicksal werde,

bleibst mir ewig teure Erde.

„Das war ein kurzes Gedicht, nicht wahr?“

„Aber ein schönes, sehr gefühlvoll.“ Clara hatte beim Zuhören die Augen geschlossen und sich ganz den Worten hingeben.

Peter und Sarah standen am Bug des Schiffes um von den anderen nicht gehört zu werden.

„Du starrst sie immerzu an, ich werde nicht mehr lange zusehen.“

„Du siehst Gespenster, ich bin nur etwas freundlich zu ihr. Schließlich haben wir auch unseren Vorteil davon. Du solltest mir dankbar sein, anstatt mich ständig zu kritisieren.“

„Ich kann sehr wohl zwischen Freundlichkeit oder Dankbarkeit unterscheiden aber ich sehe, dass du sie immer begehrlich anstarrst. Wenn du sie haben willst, sag es mir nur, dann können wir uns trennen. Aber du müsstest zuerst den Neuen ausstechen und ich meine, das durfte dir schwerfallen. Auch wenn er schon älter ist, hat er mehr Charme in seinem kleinen Finger als du je haben wirst.“

Peter drehte sich beleidigt um, erwiderte aber nichts.

Sarah ging, ihr Glas in der Hand haltend langsam zum Heck und gesellte sich wieder zu den anderen Gästen.

„Señora Pellini?“ sprach eine Frau von etwa Mitte vierzig, mit kurzen braunen Haaren und dunklen Augen die dürre Dame an. In ihrer Begleitung war ein schottischer Terrier.

„Wie geht es Ihnen, wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen.“

Señora Pellini wandte sich der Frau zu und lächelte.

„Viviane, ach wie ich mich freue, Sie zu sehen. Benji ist auch dabei. Ist er immer noch so unfreundlich wie früher?“

„Ein Hund mit Charakter, ohne Falschheit. Er zeigt sein wahres Wesen.“ erwiderte Viviane.

„Wie geht es Ihrem Mann Gnädigste?“

„Der musste nach Toronto zu einem Kongress. Ich habe vorgezogen hierher zu kommen. Ich brauche einfach die Sonne und das Meer. Clara rief mich gestern Abend an und hat mich zu der kleinen Kreuzfahrt eingeladen.“

Viviane Lemogne lebte in Paris. Ihr Mann war ein angesehener Jurist und Claras Rechtsberater in Frankreich.

„Haben Sie schon die Malcolms gesehen? Frau Malcolm hat zurzeit Besuch von ihrer Schwester und Clara hat daher alle drei eingeladenen.“ begann Señora Pellini ein neues Thema.

„Die Schwester kenne ich nicht.“ antwortete Viviane.

„Eine sehr korpulente Frau. Sie hat ein rundes Gesicht und einen Mund, der immerzu zu grinsen scheint, sogar beim Essen. Sie hat ihre langen grauen Haare zu einem Zopf geflochten und zu einem, verzeihen Sie mir den despektierlichen Ausdruck, Vogelnest gewunden.“

Viviane wusste nur zu gut, dass für Señora Pellini beinahe jede Frau korpulent war, wenn sie auch nur etwas mehr wog als Señora Pellini es für richtig hielt.

Sie kannte Lady Eileen Malcolm. Als sie nun in die, von Señora Pellini angedeutete Richtung sah konnte sie sie sofort erkennen. Die Frau neben ihr musste die Schwester sein. Ihre Figur war durchaus respektierlich für ihr Alter. Viviane schätzte sie auf etwa siebzig Jahre. Ihre beinahe weißen Haare hatte sie hochgesteckt. Ihr hübsches Gesicht konnte durchaus noch beeindrucken. In ihrer Jugend war sie bestimmt eine schöne Frau gewesen. David, Eileens Mann war Direktor einer Versicherung. Die beiden lebten abwechselnd in Santa Margherita, wo sie sich schon vor Jahren ein Haus gekauft hatten und in York.

Henri wurde nach und nach allen vorgestellt, dabei vergaß Clara nie den Hinweis, dass er ein guter Freund sei. Die Fahrt war bei ruhiger See ein absoluter Genuss für Henri Medernach. Sie speisten hervorragend und genossen ausgezeichneten Wein.

Peter fand Clara einen Augenblick alleine an der Reling stehen und war sofort auf sie zugegangen. Sarah unterhielt sich ein gutes Stück entfernt mit Freunden.

„Tolles Wetter, findest du nicht auch?“ meinte er als er neben ihr stand.

„Durchaus Peter, beinahe etwas zu warm.“ Clara machte Anstalten wieder zu den anderen zu gehen.

„Was treibt dein Freund denn so, oder ist es ein Geheimnis?“

„Absolut nicht, er beschäftigt sich mit sich.“ sagte Clara nichtssagend.

„Ein Lebemann also, pass nur auf, dass er nicht von dir leben will!“

„Peter, ich kann ganz gut auf mich aufpassen, allerdings bei Henri brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Er hat mein Geld nicht nötig. Sein Konto wird regelmäßig gefüllt. Er braucht sich nicht einmal darum zu kümmern. Ich denke, wir sollten zu den anderen zurückkehren.“ sagte Clara und ließ Peter stehen.

Sie verbrachten noch angenehme Stunden miteinander. Henri hatte sich ausgiebig mit den Malcolms unterhalten und dabei Kathleen Albright, die Schwester von Eileen kennengelernt. Zuerst war er auch von ihrem leichten Grinsen irritiert gewesen, später hatte er dann gemerkt, dass sie eine sehr liebenswerte Frau war. Ihr Mann, so hatte sie ihm erzählt war früh gestorben und sie hatte sich eine Existenz als Galeristin aufgebaut. Heute gehörten ihr acht Galerien in ganz Europa.

Als das Schiff sich wieder Portofino näherte stand für Henri fest, dass er diesen Urlaub, ganz gleich wie er sich noch entwickeln sollte nicht vergessen würde.

Es war etwa 20 Uhr als der kleine Bus wieder die Auffahrt zum Hotel hinauf fuhr. Von seinem Fenster aus konnte Richard Paddington die Ankunft verfolgen. Er atmete erleichtert auf als er Clara aus dem Bus steigen sah. Den ganzen Tag über hatte er sich Vorwürfe gemacht, nicht auf seine Frau gehört zu haben.

„Sie ist wieder da!“ sagte er zu Alice gewandt.

„Ich werde es heute Abend versuchen.“

„Stell dich aber nicht noch einmal so dumm an wie am Morgen. Etwas mehr Diplomatie könntest du schon an den Tag legen. Aber das war ja noch nie deine Stärke!“

Alice drehte sich um und ging ins Badezimmer und kleidete sich für das Abendessen um. Jetzt nachdem Clara wieder im Haus weilte war ihr Appetit zurückgekehrt. Vor zwei Stunden noch hatte sie Richard erklärt, dass sie keinen Hunger habe.

Clara Hartung hatte für den Abend um einen größeren Tisch gebeten, damit die ganze Ausflugsgesellschaft zusammen sein konnte. Auch Viviane Lemogne war mit nach Santa Margherita gekommen und hatte ein Zimmer im Hotel bezogen, genauso wie die Malcolms und Frau Albright. Nach dem Essen bat Clara Henri noch einen kurzen Spaziergang mit ihr zu unternehmen. Sie überquerten die kleine Brücke, die das Hotel mit seinem Garten verband und stiegen die Treppen zum Meer hinunter. Da die einzelnen Stufen nur vom Mondschein erhellt wurden war es nicht ganz ungefährlich.

„Ich bin Ihnen sehr dankbar Henri.“ sagte Clara.

„Ich sollte Ihnen dankbar sein Fräulein Clara, Sie haben mir die schönsten Stunden meines Lebens bereitet.“

„Was würden sie davon halten, wenn wir uns in Zukunft das förmliche „Sie“ schenken und uns mit "du" ansprechen würden.“

„Sehr gerne, ich heiße Henri, aber das wissen Sie ja, verzeih, du ja schon.“

„Und ich bin Clara!“ Sie lachte dabei herzlich und gab ihm einen Kuss auf die Wange um das "du" zu besiegeln.

„Ich könnte diesen Ausblick stundenlang betrachten!“ meinte Clara. „Hier fühle ich etwas wie Freiheit, Zufriedenheit und Lebenslust. Geht es dir nicht auch so?“

„Ich kann dir wirklich nur zustimmen. Ich ertappe mich beständig, wie ich mir Ähnliches immer wieder durch den Kopf gehen lasse. Sicher gibt es viele Orte auf der Welt die vielleicht noch schöner sind, aber ich fühle hier, genau wie du eine völlige Zufriedenheit. Leider kann ich nicht für immer hier bleiben. Aber ich denke mir liebe Clara, wenn man dies immer vor Augen hat, wird es vielleicht zur Gewohnheit und verliert plötzlich seinen Reiz.“

Clara nickte zustimmend und sah zufrieden aufs Meer hinaus.

Wenig später gingen sie wieder nach oben. Sie standen vor dem Hotel und Henri warf noch einmal einen Blick auf die Bucht und auf den Ort Santa Margherita.

Plötzlich hörte er ein leises kratzendes Geräusch, das vom Dach zu kommen schien. Instinktiv stieß er Clara zur Seite und machte selber einen großen Schritt nach hinten. Clara taumelte und konnte sich gerade noch auf den Beinen halten. Bevor sie überhaupt einen Ton von sich geben konnte knallte der große Blumentopf auch schon auf den Boden.

Ligurischer Urlaub

Подняться наверх