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Kapitel 5

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Jean-Paul Delacroix stand in der Halle des Hotels und sah wie eine Gruppe Japaner durch die Drehtür das Hotel betrat. Er wartete auf seine Frau Janine um mit ihr nach Portofino zu fahren. Sie hatten sich vorgenommen gemütlich spazieren zu gehen. Der Weg zur Spitze der Halbinsel, bis zum dort gelegenen Leuchtturm schien genau der Richtige zu sein. Von dort hatte man einen herrlichen Blick über die gesamte Bucht bis hinüber an die Küste des Cinque Terre.

Als seine Frau die Halle betrat ging er auf sie zu, reichte ihr die Hand und gemeinsam verließen sie das Hotel. Sie gingen über den Vorplatz zu ihrem Wagen, der unweit vom Eingang abgestellt war. Als die Beiden die Auffahrt hinunter fuhren öffnete sich unbemerkt ein klein wenig ein Fenster. Irgendjemand hatte die Beiden beim Verlassen des Hotels beobachtet.

Wenig später verließen auch Clara, Viviane und Henri das Hotel. Viviane war in Begleitung ihres schwarzen Hundes. Die drei bestiegenen Claras Auto, einen dunkelblauen Mercedes-Benz und fuhren nach Portofino. Für Henri war alleine schon die Fahrt über die Uferstraße nach Portofino ein Genuss. Die Straße führte über den Panoramaweg am Meer entlang und sie hatten beständig den Golf vor Augen. Motoryachten und Segelschiffe aller Größen beherrschten das Bild. Clara steuerte den Wagen in das Parkhaus am Ortseingang. Der Ort selber war autofrei. Es wäre auch nicht einfach durch die kleinen Gassen zu fahren, geschweige denn dort auch noch zu parken. Sie gingen gemütlich die Straße zum Hafen hinunter. Die beiden Frauen sahen sich die Boutiquen von Hermes, Louis Vuitton, Cartier und anderen Couturiers an.

Viviane fand einen Schal und Clara war von einem kleinen Portemonnaie entzückt. Henri fand, dass es nicht viel Spaß machte stundenlang die Auslagen der Geschäfte anzusehen. Aber die beiden Frauen waren davon begeistert. Er machte gute Miene zum Ganzen und tat so, als ob es ihn durchaus auch interessierte.

„Was haltet ihr von einer Kleinigkeit zu essen?“ fragte Clara zu Henri und Viviane gewandt.

„Oh sehr viel!“ erwiderte Henri, der sich nun gerne etwas ausgeruht hätte.

„Lass uns ins 'Il Pitosforo' gehen.“ schlug Clara vor.

„Dorthin kann ich leider nicht mitgehen.“ meinte Viviane „Benji darf dort nicht hinein. Auch bei 'Delfino' sind Hunde nicht erlaubt. Wenn es euch nichts ausmacht, dann gehen wir zu 'Da Puny'. Das ist eines der wenigen Restaurants, wohin mein kleiner Freund mich begleiten darf.“

Henri sah auf den kleinen schwarzen Terrier hinab. Der ließ seine Zunge weit heraushängen. Man konnte ihm ansehen, dass der Durst ihn plagte und auch er von dem vielen Gehen müde geworden war.

„Kein Problem, Viviane ich gehe gerne ins Da Puny.“ meinte Clara.

Henri konnte nicht mithalten. Ihm waren alle diese Lokale fremd. Er hätte keine Empfehlung aussprechen können.

So gingen die drei in die Pizzeria, die in unmittelbarer Nähe des Hafens lag und setzten sich unter die grüne Markise. Benji brachte der Kellner sofort eine Schale Wasser. Er begann sogleich genussvoll zu trinken.

Henri hatte sich ein Bier bestellt. Ein 'Becks' wurde ihm gebracht, das einzige ausländische Bier auf der Karte. Die beiden Frauen tanken Mineralwasser.

Während Clara und Viviane sich über die Kleider unterhielten, die sie am Morgen gesehen hatten und sich überlegten, ob sie nicht nach dem Essen doch noch das eine oder andere anprobieren sollten um es eventuell zu erwerben, sah Henri sich die Menschen an, die am Restaurant vorbeikamen oder in den anderen Restaurants saßen. Er bemerkte einen Herren, der die ganze Zeit zu ihnen herüber sah. Da er eine Sonnenbrille trug konnte er ihn nicht so richtig erkennen. Henri hatte dennoch das Gefühl ihn schon einmal gesehen zu haben. Als sich ihre Blicke trafen sah der Mann sofort zur Seite. Henri versuchte sich sein Gesicht einzuprägen. Aber auf die Entfernung war das nicht so leicht möglich. Der Kellner brachte ihnen ihr Essen und Henri ließ den Mann für einen Augenblick aus den Augen. Als er erneut hinsah war dieser bereits verschwunden. Henri versuchte ihn zu entdecken und ließ seinen Blick über den gesamten Platz schweifen, allerdings ohne Erfolg.

Sie beendeten ihre Mahlzeit und nach etwa zwei Stunden verließen sie die Pizzeria. Sie gingen noch einige Zeit von Boutique zu Boutique, kehrten dann zum Auto zurück und wollten nach Santa Margherita zurückfahren. Die Uhr zeigte bereits sechs als sie das Parkhaus erreichten. Sie bezahlten am Automaten und verließen das Parkhaus. Die Schranke an der Ausfahrt hatte sich gerade hinter ihnen geschlossen als ein lauter Knall zu hören war und Glas zersplitterte. Clara trat instinktiv auf die Bremse.

„Was war das?“ fragte sie erschrocken.

Ohne eine Antwort zu geben öffnete Henri die Tür, stieg aus und ging zur Frontseite des Wagens. Der rechte Scheinwerfer war zersplittert. Er konnte die Stelle, an der das Geschoß eingedrungen war gut erkennen. Henri sah sich um und versuchte den Platz, von dem aus geschossen worden sein musste zu fixieren. Seine Erfahrung kam ihm zur Hilfe. Der Schütze konnte sich nur auf einem der Dächer der gegenüberliegenden Häuser aufgehalten haben. Die Flugbahn ließ keine andere Alternative zu.

„Clara, bitte fahr mit dem Wagen dort drüben an die Bushaltestelle und ihr bleibt im Wagen sitzen.“

„Was ist denn passiert Henri?“

Clara hatte die Situation immer noch nicht richtig gedeutet.

„Bitte tue es einfach, ich erkläre es dir später.“

Während Clara und Viviane langsam über den Platz fuhren sah Henri sich noch einmal um. Er sammelte die herumliegenden Glassplitter auf und legte sie, in Ermangelung einer Plastiktüte in ein Papiertaschentuch. Dann ging er ebenfalls quer über den Platz in Richtung des Hauses, von dem der Schuss gekommen sein musste. Die Haustür stand offen und auf sein Rufen kam eine alte, etwa siebzigjährige Frau aus einem Zimmer auf den Gang.

„Prego Signore, Sie wünschen?“

„Bitte entschuldigen Sie mein Eindringen, Señora!“ sagte Henri. Seine italienischen Kenntnisse kamen ihm nun zugute. „Könnte ich wohl ganz kurz auf ihr Dach gehen, ich weiß, dass sich mein Wunsch seltsam anhören mag. Ich habe von außen gesehen, dass sie ein Flachdach haben und würde mir gerne den Ort von oben ansehen.“

„Sie möchten bestimmt auch Fotos machen, Signore, das dürfen Sie gerne tun. Der andere Herr hat auch welche machen wollen.“

„Wie sah dieser Herr denn aus?“ fragte Henri die alte Dame, in der Hoffnung dass sie ihm eventuell eine gute Beschreibung geben könnte.

„Ein sehr gepflegter Mann, mit schwarzen Haaren und braungebrannter Haut. Er trug einen Leinenanzug, ein aus der Mode gekommener Zweireiher wenn ich das bemerken darf. Sein Hemd war hellblau und er hatte eine zart grüne Seidenkrawatte umgebunden. Ach ja, ein helles Einstecktuch zierte sein Jackett.“

„Señora, Sie haben eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe. Seine Kleidung konnten Sie wirklich perfekt beschreiben.“

„Das ist weiter nicht schwierig mein Herr, wissen Sie, ich bin Schneiderin und meinen Blick für Kleidung habe ich noch nicht verloren.“

„Können Sie mir vielleicht auch sein Gesicht beschreiben?“

Henri hatte gehofft, irgendein besonderes Merkmal mitgeteilt zu bekommen.

„Nein, mein Herr, der Mann trug eine Sonnenbrille, sehr dunkel und ich konnte sein Gesicht nicht gut erkennen. Jetzt wo Sie mich danach fragen, fällt mir ein, dass er versucht hat sein Gesicht mit der Hand zu verbergen, er tat so, als ob er die Sonnenbrille zurecht rücken wollte.“

„Ich danke Ihnen sehr!“ sagte Henri und drückte der Frau einen Fünfeuroschein in die Hand.

„Für den Besuch des Daches.“ sagte er noch bevor er die Treppen hinauf stieg.

„Mille grazie Signore!“ antwortete die Frau und ließ den Geldschein in ihrer Schürze verschwinden.

Henri bemerkte, dass man den Aufgang an der Rückseite des Hauses angelegt hatte und dass ein Weg von der Rückseite zu den Nachbargärten führte. Der Mann musste also nicht unbedingt das Haus durch die Vordertür verlassen haben. Das flache Dach war als Terrasse angelegt und er sah einen geschlossenen Sonnenschirm auf dem Boden liegen. Drei Liegen, einen eisernen Tisch, zwei Stühle und ein Wäscheständer füllten den größten Teil des freien Raumes. Seinen Blick immer auf den Boden gerichtet überquerte er die Terrasse um an den Rand zu gelangen. Systematisch suchte er die Frontseite ab. Etwa an der Stelle, an der er den Schützen vermutet hatte entdeckte er eine Zigarettenkippe auf dem Boden. Es schien die Einzige zu sein. Vorsichtig, ein Papiertaschentuch benützend hob er den Stummel auf, sah ihn sich an und packte ihn in das Taschenbuch ein. Er hatte gehofft, eine leere Patronenhülse zu finden aber er konnte nichts weiter entdecken. Er vergewisserte sich noch einmal, dass es sich auch um das richtige Haus handelte, sah sich ein letztes Mal um und ging die Treppen hinunter.

„Signore,“ rief die alte Frau ihm nach „der Mann hatte ein Teleskop in einem Lederetui bei sich, es ist mir gerade noch eingefallen.“

Henri bedankte sich und verließ das Haus. Er war jetzt wieder ganz der alte Fuchs Medernach. So hatte man ihn bei der Kripo genannt. Dass er inzwischen pensioniert war, schien er vergessen zu haben.

„Teleskop,“ dachte er laut „das wird er behauptet haben. Ein Gewehr hatte er im Etui.“ Als Henri um die Ecke des Hauses bog um zu Clara und Viviane zu gehen, sah er die beiden Delacroixs beim Auto.

„Henri, ich habe Jean-Paul und Janine bereits alles erzählt. Sie haben einen kleinen Spaziergang zum Leuchtturm gemacht und sind gerade wieder zurückgekommen.“

Henri sah Jean-Paul und Janine an, begrüßte die beiden freundlich und sah das Einstecktuch von Jean-Paul, das er zu seinem Leinenanzug, einem Zweireiher trug.

„Wir sollten zurück ins Imperiale fahren und die Polizei benachrichtigen.“ Clara nickte, verabschiedete sich von den beiden. Auch Henri gab ihnen die Hand zum Abschied dann fuhren sie nach Santa Margherita.

Auf die Motorroller mussten sie ständig achten. Diese überholten in den scharfen Kurven von rechts oder links. Obwohl das nicht ungefährlich war, schien sich niemand daran zu stören. Clara fragte Henri, was er gemacht, gesucht oder gesehen hat, wo er gewesen sei und was das überhaupt alles zu bedeuten habe.

Henri sah Clara an und machte mit den Augen eine Bewegung zu Viviane hin, die im Fond des Wagens saß, als ob er Clara still fragen wollte, ob er vor Viviane sprechen könne. Clara verstand die non-verbale Frage und antwortete sofort.

„Henri, Viviane ist seit Jahren eine gute Freundin. Du kannst ruhig vor ihr sprechen!“

„Nun, es ist hat auf den Wagen geschossen worden. Ich nehme an, dass wir die Kugel irgendwo im Scheinwerfergehäuse finden werden. Das Geschoß hat das Glas durchschlagen. Der Schuss muss vom Dach des Hauses abgegeben worden seien, gegenüber der Ausfahrt des Parkhauses. Ich konnte auf dem Dach allerdings keine Patronenhülse finden.“

„Du musst wissen,“ sagte Clara zu Viviane „Henri war früher bei der Kripo in Luxemburg beschäftigt.“

„Und ich habe gehört, Sie wären ein ziemlich reicher Playboy.“ Viviane lächelte als Henri sie nun ansah. Sie hatte ein bezauberndes Lächeln, mit zwei kleinen Grübchen.

„Ich darf euch aber bitten, keinem etwas davon zu sagen. Ich halte es für besser, wenn man meinen früheren Beruf nicht kennt.“ Henri sah, wie die beiden ihm zustimmend zunickten.

Am Hotel angekommen, ging Henri geradewegs zum Portier und bat ihn die Kriminalpolizei zu verständigen. Der Mann machte ein erstauntes Gesicht bei der Bitte. Henri gab ihm einige kurze Erklärungen. Der Portier griff zum Telefon und rief in Rapallo an.

„In wenigen Minuten werden die Herren hier sein!“ sagte er zu Henri und wandte sich den nächsten Gästen zu.

Henri Medernach ließ sich auf dem Sessel gegenüber der Rezeption nieder. Er hatte Clara gesagt, dass er zuerst mit dem Kommissar sprechen würde um ihm alles zu erklären. Daraufhin war Clara mit ihrer Freundin in ihre Suite gegangen und erholte sich von dem Schrecken.

Henri sah sich die Gäste, die die Halle betraten an, er registrierte alle und Alles und versuchte sich jede Einzelheit, die von Bedeutung sein könnte einzuprägen. Es dauerte wirklich nur wenige Minuten, bis eine schwarze Limousine vor dem Eingang anhielt und zwei Herren in hellen leichten Anzügen ausstiegen und das Hotel betraten. Henri wusste sofort, dass es sich um die italienischen Kollegen handelte. Er stand auf und ging auf die beiden Herren zu, die sich gerade an den Empfangschef wenden wollten.

„Ich nehme an, Sie kommen von der örtlichen Polizei? Erlauben Sie mir, mich kurz vorzustellen. Mein Name ist Henri Medernach und ich verbringe meinen Urlaub in diesem Hotel. Als ich vor einigen Tagen hier eintraf, machte ich die Bekanntschaft von Madame Clara Hartung. Auf die Frau wurde inzwischen zweimal ein Anschlag verübt. Gestern Abend standen wir vor dem Haus, als einer von diesen Marmortöpfen,“ Henri drehte sich um und zeigte dabei auf einen vergleichbaren Topf, der sich vor dem Hotel auf einer Mauer befand „plötzlich von einer der oberen Etagen herunter gestoßen wurde. Ich konnte Madame Hartung gerade noch zur Seite stoßen. Heute nun, hat man in Portofino auf ihr Fahrzeug geschossen. Die Kugel traf den rechten Scheinwerfer. Ich nehme an, dass der Schuss von dem Dach des gegenüberliegenden Hauses abgegeben wurde. Dieses in aller Kürze, ich ließ Sie deshalb kommen.“

Die zwei Männer hatten aufmerksam zugehört und Henri während seiner Schilderung nicht unterbrochen. Jetzt begann der ältere der beiden Polizisten seine Fragen zu stellen.

„Gibt es einen Grund für die Anschläge oder haben Sie eine Vermutung?“

„Nein, ich habe keine Vermutung, ich habe diese Frage auch schon an Frau Hartung gestellt. Aber auch sie kann sich nicht vorstellen warum und vor allem wer so etwas tun könnte.“

„Wir werden mit Frau Hartung sprechen müssen.“ sagte der Ältere zu Henri, und zu seinem Kollegen sagte er dann noch, dass man die Spurensicherung nach Portofino senden sollte.

Henri mischte sich in das Gespräch ein und meinte, dass die wohl nichts finden würde. Er holte die beiden Papiertaschentücher aus seiner Tasche und übergab sie dem jüngeren Polizisten.

„In dem einen befinden sich die Glassplitter vom Scheinwerfer, daran werden sie wohl nichts finden. Ich habe sie sicherheitshalber dennoch eingepackt, natürlich ohne sie zu berühren.“ fügte er noch hinzu. „In dem anderen ist ein Zigarettenstummel, den ich auf dem Dach fand von dem der Schuss abgegeben worden sein muss. Ich denke, Sie sollten ihn untersuchen lassen. Eine DNA-Analyse vom Filter könnte eventuelle Rückschlüsse auf den Mann zulassen.“

Er schilderte auch noch in allen Einzelheiten die Beschreibung der alten Dame, die diese von dem Mann abgegeben hatte, der sich, unter dem Vorwand fotografieren zu wollen, Zugang zur Dachterrasse verschafft hatte.

„Sie haben bereits eine ganze Menge an Informationen gesammelt. Sind Sie Detektiv, mein Herr?“

„Wir sind, nein ich muss jetzt sagen, wir waren Kollegen. Mein Name ist Medernach und ich war bis vor Kurzem noch bei der luxemburgischen Kriminalpolizei tätig.“

„Oh, Lussemburghese!“ sagte der Beamte aus Rapallo. „Dann kennen Sie ganz bestimmt den Kollegen Brandenburger?“

Henri konnte sein Erstaunen nicht verbergen.

Brandenburger war der Leiter der Gendarmerie und ein sehr guter Freund von ihm. Aber wie konnte man hier Brandenburger kennen? Er musste nicht lange darüber nachdenken. Der Beamte fuhr fort nachdem Henri nur kurz mit dem Kopf genickt hatte.

„Ich war vor drei Jahren in Straßburg um mit den Kollegen aus den anderen europäischen Staaten über den Aufbau einer europäischen Polizeibehörde zu sprechen. Aus Luxemburg nahm damals Brandenburger, sein Vorname ist Raymond, nicht wahr an den Besprechungen teil. Wir waren uns sofort sehr sympathisch. Er liebte gutes Essen und Trinken und ich auch.“ Dabei schlug er sich mit der flachen Hand auf den Bauch. Der Mann war aber durchaus nicht übergewichtig, stellte Henri fest.

„Sie dürfen gerne behilflich sein, Kollege Medernach.“ sagte der Beamte und stellte sich nun mit Namen vor.

„Komissario Andrea Gallosa, ist mein Name, mein Assistent heißt Mario Bossi.“

„Ich freue mich, einen Freund von Raymond hier kennenzulernen. Gerne versuche ich Ihnen behilflich zu sein. Aber ich denke, dass Sie meiner Hilfe nicht bedürfen, Sie sind auch hier routiniert genug.“

Andrea Gallosa hörte das sehr gerne. Er hasste es, wenn man sich in seine Ermittlungen einmischte. Gegen die Mitarbeit von Henri hatte er allerdings nichts einzuwenden, da er ihm ebenfalls auf Anhieb sehr sympathisch gewesen war.

„Ich würde mich freuen, wenn Sie mich auf dem Laufenden halten, falls Sie hier im Hause irgendwelche Beobachtungen machen sollten.“

Gallosa verabschiedete sich um zu Clara Hartung zu gehen, mit der er auf jeden Fall persönlich sprechen wollte.

Henri setzte sich wieder in den Sessel und überlegte, ob er irgendetwas übersehen haben könnte.

„Jean-Paul.“ Der Name kann ihm leise über die Lippen. Als er sich in Portofino dem Wagen von Clara genähert hatte, waren ihm die Worte der alten Dame noch sehr präsent gewesen. „Der Mann trug einen Leinenanzug und hatte ein Einstecktuch“, hatte sie gesagt. Genauso sah Jean-Paul heute aus. Hatte er ihn schon einmal mit einer Zigarette gesehen? Henri strengte sein Gedächtnis an, konnte sich aber nicht daran erinnern. Dass die Patronenhülse nicht zu finden war, deutete eher auf einen Profi hin. Nur, ein echter Profi hätte keine Zigarettenreste zurückgelassen und auf die Terrasse wäre er sicher auch unerkannt gekommen. Dieser Fall schien nicht ganz einfach.

Henri ging sich nach oben. Er wollte noch schnell duschen und sich für das Abendessen umziehen.

Als er ins Restaurant kam, war es ganz leer. Er sah auf die Uhr, es war bereits kurz vor halb neun, eigentlich müssten die Gäste jetzt hier sein, dachte er sich. Irritiert wollte er gerade zur Rezeption gehen, als ein Kellner ihn ansprach.

„Signore, heute Abend findet das Essen im Restaurant „Le Vele“ statt. Haben Sie den Hinweis nicht gesehen?“

„Nein,“ sagte Henri „ich habe es in der Tat nicht mitbekommen.“

Le Vele, so hieß das Restaurant unterhalb des Pools in dem er vor einigen Tagen mittags gegessen hatte.

„Soll ich Sie mit dem Wagen runterfahren lassen? Ich kann sofort jemanden rufen.“ Das Hotel hatte für die Gäste, die schon etwas älter oder gehbehindert waren eine Art von Zahnradbahn installiert, die neben den Stufen hinabführte.

„Nein, nein ich kann noch sehr gut zu Fuß gehen.“ erwiderte Henri und machte sich auf den Weg. Er überquerte den Vorplatz und die kleine steinerne Brücke und ging die Stufen zum Garten hinunter. Wieder einmal zählte er die Stufen. Bis zum Restaurant waren es exakt 108 Stufen. Die Treppen und der Weg waren beleuchtet und leise Musik drang an sein Ohr, als er den Pool erreicht hatte. Eine Kette versperrte den Eingang zum Pool und ein Schild erklärte, dass sich zurzeit kein Bademeister am Becken befände und daher das Baden nur auf eigene Gefahr möglich sei. Henri war erstaunt, an was in diesem Hause alles gedacht wurde. Als er die letzten Stufen hinabgegangen war und an den ersten Tischen stand kam sofort der Oberkellner auf ihn zu und zeigte ihm den Tisch von Clara Hartung. Henri ging auf den Tisch zu und begrüßte Clara.

„Du hast doch sicher nichts dagegen wieder bei mir zu sitzen?“ fragte sie ihn.

„Nein absolut nicht, das solltest du nun aber endlich wissen. Was hat dich die Polizei denn noch alles gefragt?“

Henri war viel zu neugierig um über Belanglosigkeiten zu sprechen.

„Nun, eigentlich nur das, was du auch schon wissen wolltest. Ob ich Feinde habe, ob ich mir vorstellen könnte wer und warum man auf mich geschossen hat, wo ich mich in den letzten Tagen aufgehalten habe. Aber ich konnte ihnen nichts anderes erzählen als das, was ich dir auch schon gesagt habe.

„Ich bin mir ziemlich sicher Clara, dass man dich heute nur erschrecken wollte. Ein Schütze mit einem Gewehr hätte nicht so weit vorbeigeschossen. Der oder diejenige, wir sollten eine Frau nicht ausschließen, wollte dich heute nicht treffen. Wenn man auf eine Person in einem Auto zielt, dann trifft man wenigstens die Frontscheibe aber bestimmt nicht den Scheinwerfer. Haben die beiden Beamten deinen Wagen schon untersucht?“

Henri wollte wissen, ob man vielleicht die Kugel gefunden hatte um sie ballistisch untersuchen zu können.

„Ja, der Jüngere hatte die Spurensicherung kommen lassen. Auch nach Portofino ist eine Gruppe gefahren.“

Clara nahm ihr Glas mit einem Früchtecocktail in die Hand und prostete Henri zu.

„Lass uns heute Abend alles vergessen und diesen wunderschönen Ausblick, das herrliche Buffet und die schöne Musik genießen.“

Henri erhob sein Glas und trank einen Schluck. Er sah nach Santa Margherita hinüber, das durch zahllose Lichter hell erleuchtet war. Es war wirklich eine wunderschöne, ja beinahe einmalige Aussicht.

„Es gibt an der Küste Liguriens kein Hotel, das schöner gelegen wäre als das Imperiale. Findest du nicht auch Henri.“

„Mein Vater hat einmal gesagt, als wir hier einen Urlaub verbracht haben, wenn das Haus noch nicht hier stünde, dann müsste es gebaut werden.“

„Ich kann dem nur zustimmen!“ erwiderte Henri und starrte fasziniert über den Golf und auf die hell erleuchteten Boote in der Bucht von Portofino.

Es war ein schöner Abend. Viviane hatte sich später noch zu ihnen gesellt und sie waren bis weit nach Mitternacht dort geblieben. Am nächsten Morgen wollten sie gemeinsam baden gehen.

Ligurischer Urlaub

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