Читать книгу Tod in der Ville Close - Jean-Pierre Kermanchec - Страница 7
Kapitel 5
ОглавлениеNach dem Telefongespräch, das de Rochefort mit Emile Hervy am Freitagmorgen geführt hatte, war seine Stimmung nicht gerade euphorisch gewesen. Er hatte gehofft, möglichst noch vor dem Treffen mit Yves Taridec, erste Ergebnisse von Hervys Nachforschungen zu erhalten. Stattdessen war der Privatdetektiv nur bei belanglosen Aussagen geblieben. Er würde weitere Ergebnisse erhalten, aber bis jetzt gäbe es nur erste Hinweise, die eine Wiederwahl von Decroaz unwahrscheinlich erscheinen ließen. Er würde ihn am Abend wieder anrufen und dann vielleicht mit entsprechenden Ergebnissen aufwarten können.
Alain de Rochefort wurde langsam unruhig. Die Entscheidung, wer als Kandidat der PS für die Region aufgestellt wurde, war für den Samstag in einer Woche geplant. Es blieben somit gerade noch acht Tage Zeit, um eine erneute Aufstellung von Decroaz zu verhindern. Er musste Yves Taridec unbedingt für sich gewinnen können. Derjenige, der Taridecs Unterstützung erhielt, war so gut wie gewählt. Alain de Rochefort mochte diesen etwas aufgeblasenen Taridec nicht besonders. Aber es war jetzt nicht der Augenblick, sich um solche Befindlichkeiten zu kümmern. Hier ging es um sein Comeback, sozusagen um Sein oder Nichtsein.
Alain legte den Hörer auf und ging in das noch spartanisch eingerichtete, Wohnzimmer. Seine Wohnung im 8. Arrondissement von Paris hatte er nicht aufgegeben, die Nähe zum Zentrum der Macht war ihm wichtig. Wenn er erst einmal wieder als Abgeordneter im Parlament säße, dann würde er seinen Weg nach oben erneut antreten, da war er sich sicher. Es störte ihn nicht, sich hier in der Provinz wählen zu lassen.
Ein Kommissar aus Quimper war schuld gewesen an seinem Absturz. Er hatte seinen Nebenverdienst, den er von seinem Freund Denis Goëlan für seine Beratertätigkeit erhalten hatte, aufgedeckt. Aber genau dieser Nebenverdienst war es jetzt, der ihm seinen Wiedereintritt in die Politik ermöglichte. Ohne diese finanzielle Rückendeckung war es unmöglich die Kampagne zu starten. Alain de Rochefort hoffte auf den Abend und auf ein gutes und umsetzbares Ergebnis des Privatdetektivs.
Er überlegte nicht lange und entschied sich in die Stadt zu gehen. Er brauchte frische Luft, und außerdem könnte es nicht schaden, wenn die Menschen der Stadt einen zukünftigen Kandidaten zu Gesicht bekämen.
Er ging zu Fuß von seinem Haus am Place Duquesne bis zu der kleinen Fähre, die die Hafeneinfahrt von Concarneau überquerte und so die Ville Close mit der Passage Lanriec verband. Die Fähre war beinahe schon eine Touristenattraktion. Der größte Teil der Nutzer waren Besucher von Concarneau, die auf dieser Seite, gegenüber der Ville Close, ihr Fahrzeug abstellten und für wenige Cent direkt in die Ville Close oder in die Stadt auf den Markt fuhren. Auf der Fähre hatten vielleicht zehn oder fünfzehn Personen Platz. Aber die Fähre verkehrte nach Bedarf ständig, und so ersparte man sich die leidige Parkplatzsuche in der Stadt. Als er an der Anlegestelle angekommen war, sah er, dass die Fähre gerade auf dem Weg zurück nach Lanriec war. Es würde vielleicht noch eine Minute dauern bis sie anlegte. Nach weiteren fünf Minuten waren sie auf dem Weg zur Ville Close.
Alain de Rochefort fand die Altstadt malerisch und wert, dass man sie besuchte. Die restliche Stadt dagegen schien ihm doch sehr provinziell. Die wenig attraktiven Geschäfte außerhalb der Altstadt waren für ihn auch ein Hindernisgrund, sich für einen ständigen Wohnsitz zu entscheiden. Hingegen sprach die Lage direkt am Meer und mit schönen Stränden am anderen Ende der Stadt oder auf der Ostseite, an der er wohnte, für ein angenehmes Leben. Aber de Rochefort brauchte den Trubel, die Blitzlichter wenn er erschien und die beständige Erwähnung seiner Person in der Presse. Natürlich nur, wenn es sich um positive Artikel handelte. Auf die reißerischen Aufmachungen, als die Presse ihn der Korruption bezichtigt hatte, konnte er verzichten.
De Rochefort durchschritt mit hoch erhobenem Kopf die Ville Close. Die Touristenströme waren ihm nicht so wichtig. Mit Anzug und Krawatte bekleidet ging er an den Musikanten vorbei, die wie beinahe an jedem Tag gleich hinter dem Haupteingang zur Ville Close saßen. Er überquerte die ehemalige Zugbrücke, um die Altstadt zu verlassen und quer über den gegenüberliegenden Marktplatz zur Markthalle zu gehen.
Die Markthalle war einer der Orte, die er an Concarneau am meisten schätzte. Sie war relativ klein, das konnte aber daran liegen, dass viele Bewohner ihren Fisch direkt an den diversen Verkaufsständen in und um die Stadt herum kauften oder auch in der großen Fischhalle, der criée, wie man die Halle nannte. Wenn gegen halb sechs Uhr morgens die Boote vom Fang zurück in den Hafen kamen wurden die Fische dort sofort versteigert. Es gab einen Verkaufsladen für die Bevölkerung am Ende der Halle, und zahlreiche Bewohner pflegten dort ihre Fischeinkäufe zu tätigen. In der Markthalle gab es neben Fisch auch Gemüse, Fleisch, Brot und Kuchen und natürlich bretonische Spezialitäten. Alain de Rochefort betrat die Halle, die nur am Vormittag geöffnet war. Es gab einen Händler, bei dem er gerne das Landbrot kaufte und einen anderen, bei dem er sich die Paté besorgte, die er hier so schätzte. Die Paté au Pommes hatte es ihm angetan.
Nach seinem kleinen Einkauf setzte er sich auf die Terrasse des l´Amiral, das an der linken unteren Ecke des Marktplatzes lag, von der Markthalle aus gesehen. Er bestellte sich einen Grand Café und genoss das angenehme warme Wetter. Unentwegt versuchte er die vorbeieilenden Menschen mit einem Lächeln zu beglücken, schließlich konnte jeder ein potentieller Wähler sein. Sehen und gesehen werden war schon immer seine Devise gewesen. Er kam dieser Aufgabe gerne nach. Schon gar auf einer Terrasse und im Sonnenschein. Mit einer Tasse Café vor sich auf dem Tisch war es leicht, sich ohne große Anstrengung zu präsentieren.
„Bonjour Alain, du bist auch in der Stadt?“
Alain de Rochefort drehte sich zu der Stimme um.
„Bonjour Monique, schön dich zu sehen. Komm, ich lade dich zu einem Café ein.“
„Ich bin zwar etwas in Eile, aber für einen Café sollte es noch reichen.“ Monique Grosselle setzte sich zu ihm an den Tisch.
„Was macht deine Kampagne? Ich habe meine Vorschläge für dich schon fast fertig. Ich denke, ich kann sie dir an einem der nächsten Tage vorbeibringen. Vielleicht Montag oder Dienstag.“
„Ich danke dir, Monique, wie geht es deiner Tochter?“
„Der geht es soweit gut. Sie ist ja noch fast ein Kind, und da will ich sehr vorsichtig sein mit meinen Fragen. Aber ich danke dir jedenfalls, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Mir wäre jedenfalls nicht aufgefallen, dass sich dieser Wagen ständig am Spielplatz aufhält, dort wo sie ihrer Aufgabe als Babysitter nachkommt. Wenn ich ihre bisherigen Äußerungen richtig deute, dann ist der Mann nie aus dem Auto ausgestiegen. Es sieht so aus, als ob er immer nur Fotos gemacht hat.“
„Das ist auch gut so, es wäre ja fürchterlich, wenn deiner Tochter etwas zustoßen würde.“
„Bist du schon weitergekommen mit deinen Nachforschungen? Wer hätte so etwas vermutet, von einem so angesehenen Menschen? Die Mutter der Freundin meiner Tochter hat mir von den Anschuldigungen gegen den Mann erzählt. Sie behauptet, dass ihre Tochter missbraucht worden ist. Sie hat aber keinerlei Beweise vorlegen können. Ich muss dich aber jetzt verlassen, wir sehen uns spätestens am Montag oder Dienstag nächster Woche, versprochen.“
Monique erhob sich, bedankte sich für den Café und verließ die Terrasse des l´Amiral.
Alain de Rochefort sah auf seine Uhr und stellte fest, dass es langsam auch für ihn Zeit wurde wieder nach Hause zu gehen. Er wollte noch einige Unterlagen durchgehen, und er musste unbedingt an seiner Rede feilen, die er am nächsten Samstag auf dem Parteikonvent halten wollte.
De Rochefort bezahlte, stand auf und überquerte die Straße, um durch die Ville Close zu gehen und am anderen Ende mit der kleinen Fähre zurückzufahren. Der Vormittag war jedenfalls sehr angenehm verstrichen. Wenn ihm Emile Hervy am Abend noch gute Nachrichten mitteilen konnte, dann wäre der Tag gerettet. Morgen stand das Treffen mit Taridec bevor.
De Rochefort war nach wenigen Minuten vor seinem Haus angekommen. In Paris war er nicht so schnell vom Stadtzentrum aus bei seiner Wohnung angelangt. Das war hier in der Provinz ein echter Pluspunkt. aber was konnte man in einer solchen Kleinstadt sonst noch tun? Beinahe nichts, außer den Besorgungen für das tägliche Leben nachgehen. Er schloss die Haustür auf und ging hinein.