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Kapitel 2

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Paul Malencourt plante, nur noch vier Tage in Névez zu bleiben. Sein Haus in der rue Park Nonn wäre danach wieder zwei Monate lang verlassen. Er wollte noch mindestens fünfzehn Jahre arbeiten, bevor er die Geschäfte vollständig auf seinen Sohn übertrug. Stahlhandel war ein einträgliches Geschäft rund um Paris. Die Bauindustrie hatte Aufträge über Aufträge und konnte beinahe nicht mehr allen Anfragen nachkommen. Sein Baustahl war gefragt und wurde benötigt. Die Firma, ursprünglich von seinem Vater gegründet, gehörte zu den ersten Adressen. Entsprechend waren seine Umsätze und sein Verdienst. Seinen Sohn hatte er frühzeitig in die Geschäfte eingeführt, so dass er sich durchaus mehrfach im Jahr einen längeren Aufenthalt in der Bretagne erlauben und seinem Sohn die Führung der Firma überlassen konnte. Seine Frau war vor zehn Jahren verstorben, er gestaltete seine Aufenthalte alleine. Das Haus pflegte eine Frau aus Névez, die regelmäßig zum Putzen kam. Sie kümmerte sich bei Bedarf auch um das leibliche Wohl bei kleineren Partys, war im Haus anwesend, wenn der Partyservice die gewünschten Speisen brachte und sorgte für die Bedienung der Gäste. Partys gab es bei Malencourt selten, höchsten ein oder zweimal im Jahr.

Geld spielte in seinem Leben keine Rolle, er hatte es und zeigte das auch mit seinem Ferrari. Er gehörte zu den geizigsten Menschen, wenn es um die Bezahlung von Rechnungen ging. Heute hatte der Briefträger ihm die Rechnung der Seenotrettung zugestellt. Die Herren erlaubten sich doch tatsächlich, für ihre Aktion, die bestimmt keine zwei Stunden gedauert hatte, einen Betrag von 400 Euro zu berechnen. Ein Erschwernissaufschlag von 180 Euro wegen des Sturms war auch aufgelistet. Paul Malencourt tobte innerlich und war nur zähneknirschend zur Überweisung der geforderten Summe bereit. Wäre dieser Sturm nicht aufgekommen, hätte er diese Halsabschneider bestimmt nie gebraucht. 400 Euro für eine einzige Rettungsaktion erschienen ihm überteuert. Für diesen Preis verkaufte er vier Baustahlmatten von sechs Metern. Dass es sich bei der Rettungsaktion um sein Leben gehandelt hatte, hatte er entweder vergessen, oder sein Leben war ihm keine 400 Euro wert. Dass ein Mensch für seine Rettung sein Leben verloren hatte, hatte er ebenfalls völlig aus seinem Gedächtnis gestrichen. Dafür waren die Leute schließlich da, wenigstens sah er es so.

Paul Malencourt stieg in seinen Ferrari und fuhr nach Bénodet. Im dortigen Casino war er ein gern gesehener Gast. Auch wenn er schon größere Beträge gewonnen hatte, er hatte auch schon viel Geld dagelassen. Das Casino öffnete bereits um 10 Uhr und schloss um 2 Uhr. An diesem Nachmittag würde er ein oder zwei Stunden lang seinem Zeitvertreib nachgehen können. Das Glücksspiel gehörte zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Ursprünglich hatte er sich überlegt, ein Haus oder ein größeres Appartement in Bénodet zu erwerben. Aber er hatte die Gefahr gesehen, zu oft ins Casino zu gehen. Daher hatte er sich für ein Haus in Névez entschieden, ein gutes Stück von Bénodet entfernt. Echte Spielsucht hatte er noch nicht entwickelt. Er gab sich ein Limit bevor er das Casino betrat, und dieses Limit überschritt er niemals. Verlor er den ausgesetzten Betrag, war sein Besuch für diesen Tag beendet. Gewann er, dann blieb er auch schon einmal etwas länger. Für den heutigen Besuch hatte er einen Betrag von 5.000 Euro vorgesehen. An der Kasse ließ er sich die entsprechende Menge Chips geben, wobei er eine Stückelung in kleinere Werte verlangte. Dann setzte er sich auf einen freien Stuhl und platzierte eine größere Zahl Chips auf die Null und auf die Sieben. Das waren seine Glückszahlen. Schon die erste Kugel landete auf der Null, und der Croupier schob eine Menge Chips zu ihm hinüber. Er spielte jetzt entspannter weiter, hatte sich sein Finanzpolster doch bereits mit dem ersten Einsatz beträchtlich erhöht.

Nach drei Stunden verließ er das Casino. Aus den 5.000 Euro waren 62.000 geworden. Damit hatte er schon ein Viertel des Kaufpreises für seine neue Yacht gewonnen. Noch drei Casinobesuche mit einem solchen Ergebnis, und der Kauf seiner neuen Yacht wäre kostenneutral. Hoch zufrieden und mit gewissem Stolz verließ er das Casino und ging zu seinem Ferrari. Den Umschlag mit seinem Gewinn warf er beinahe achtlos auf den Beifahrersitz, gurtete sich an und startete den Motor, der mit seinem unverkennbaren Sound einer Symphonie gleichkam. Das Leben war großartig, wenn man es sich leisten konnte. Darunter verstand er die Erfüllung seiner materiellen Wünsche. Er lehnte seinen Kopf fest an die Nackenstütze und drückte das Gaspedal kräftig durch. Der Wagen machte einen Satz. Paul ging vom Gas und verringerte die Geschwindigkeit etwas. Er wollte nicht von der Gendarmerie gestoppt werden. Mit deutlich reduziertem Tempo folgte er der Straße in Richtung Concarneau.

Seit nunmehr zwölf Jahren besaß er seine résidence secondaire in Névez. Dennoch hatte er nur sehr wenige Freunde oder Bekannte in der Stadt oder Umgebung. Es störte ihn nicht, dass er immer noch ein Fremder war. Manchmal schnappte er beim Verlassen der Bäckerei auf, wie die Leute tuschelten c´était le parisien. Ein Bretone würde er nie werden, das war ihm klar. Die Bretonen waren und bleiben ein eigentümliches Völkchen. Er brauchte hier keine Freunde. Seine Freunde lebten in Paris.

Er bog in seine Straße ein und öffnete mit der Fernbedienung sein Garten- und anschließend das Garagentor, fuhr in die Garage und schloss das Tor. Er stieg aus, ging ins Haus und schaltete in allen Zimmern das Licht ein. Sein Haus gehörte zu den wenigen Häusern, die stets hell erleuchtet waren. Die Stromkosten interessierten ihn nicht.

Paul Malencourt ging zu seinem Safe, den er gleich nach dem Erwerb des Hauses hatte einbauen lassen, und schloss die gewonnenen 62.000 Euro ein. Es war noch früh am Abend. Er ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Hunger verspürte er keinen. Er hatte im Casino eine Kleinigkeit zu sich genommen. Auf France 3 liefen die regionalen Nachrichten, die ihn nicht sonderlich interessierten. Vor einigen Tagen hatten sie von seiner Rettung und dem Tod einer der Retter berichtet. In den Interviews der Kollegen des Verunglückten wurden die Hilfsbereitschaft und Zuverlässigkeit des Toten erwähnt. Seine Familie hatte ein Interview abgelehnt. Der Sprecher hatte erwähnt, dass der Verstorbene eine Frau und ein kleines Kind zurückgelassen hat. Paul Malencourt interessierte die Berichterstattung nicht, er hatte nicht verfolgt, dass der Sprecher ihn erwähnt hatte, den Mann, der trotz der Warnungen mit seinem Schiff zu einem Segeltörn aufgebrochen war.

Er holte sich ein Whiskyglas aus der Vitrine und goss sich einen kräftigen Schluck ein. Dann schnappte er erneut die Fernbedienung seines Fernsehers und zappte sich durch die verschiedenen Sender. Auf TV 5 kam ein Krimi, den würde er sich jetzt ansehen.

Der Film endete kurz vor Mitternacht. Der Garten lag in völliger Dunkelheit. Das Licht, das durch seine Fenster in den Garten fiel, erhellte nur die ersten Meter rund ums Haus. Das Grundstück von 2.300 Quadratmetern war sehr groß. Die Pflege dieses großen Grundstücks hatte er einem lokalen Gärtner überlassen, der dafür sehr gut entlohnt wurde. Die verschiedenen Bäume, Rhododendren und Hortensien verbargen sein Haus vor neugierigen Blicken von der Straße, sie verhinderten aber auch, dass er selbst einen Überblick über das gesamte Grundstück hatte.

Es war nicht verwunderlich, dass er den Mann nicht sah, der auf das Grundstück getreten war. Unaufgeregt marschierte der Mann über das Grundstück und verfolgte seinen Vorsatz. Die körperliche Anstrengung spürte er, denn er schleppte einen Felsbrocken von über 20 Kilo.

Weiße Rosen aus Névez

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