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Kapitel 7

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Mike Cornby trug seine Bootsschuhe, die er sonst nur beim Segeln anhatte. Seine lässige Bootskleidung tauschte er gleich mit seinem Leinenanzug, den er erst vor wenigen Wochen in London hatte anfertigen lassen. Sein Schneider war ein begnadeter Handwerker und fertigte ihm seine Kleidungsstücke auf Maß. Auch sein weißes Hemd war auf ihn zugeschnitten. Er ließ den obersten Kopf offen, das unterstrich sein lässiges Outfit. Über dem Hemd trug er einen feinen blauen Pullover. Sein Rendezvous konnte beginnen.

Sein Haus, ein riesiges Anwesen, lag etwas außerhalb von Pont-Aven, hoch über dem Fluss, mit herrlichem Blick über den Hafen und den Aven. Er bestieg seinen Audi A8 und fuhr zur Chocolaterie. Leise fluchte er vor sich hin, alle Parkplätze im Zentrum waren belegt. Er musste zwangsläufig auf den großen Platz oberhalb der Innenstadt fahren. Auch der Parkplatz hier oben war heute gut belegt. In der hintersten Reihe fand er eine Lücke. Vom Parkplatz war es nicht weit bis zur Chocolaterie an der Rue des Abbès Tanguy. Ein Blick auf seine Rolex zeigte ihm, dass er sich jetzt beeilen musste, wollte er das Mädchen nicht warten lassen.

Er hatte Yanice Lojou beim Besuch des neuen Museums von Pont-Aven kennengelernt. Sie hatte dort, zur Neueröffnung des komplett renovierten Gebäudes, eine Tätigkeit als Hostess angenommen. Er war zu nahe an ein Bild von Gauguin getreten, und sie hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er das Bild aus größerer Entfernung betrachten müsse, ansonsten löse er den Alarm aus. Das Mädchen war bildschön. Sie sei Studentin, hatte sie erklärt, als sie ins Gespräch gekommen waren. Er fragte sie, ob sie, als Entschuldigung für seinen faux pas, mit ihm eine Tasse Kaffee trinken würde. Das Mädchen lachte.

„Wenn ich mit jedem Besucher, den ich um einen größeren Abstand zu den Bildern bitten muss, eine Tasse Kaffee trinken gehe, kann ich meinen Arbeitsort ins Café verlegen.“

„Machen Sie eine Ausnahme und mir die Freude, Sie zu einer Tasse Kaffee einladen zu dürfen.“

Yanice zögerte mit ihrer Antwort. Dann sagte sie dem freundlichen Engländer zu. Heute ging es nicht, da hatte sie bereits etwas geplant. Sie verabredeten sich für den nächsten Tag in der Chocolaterie.

Mike Cornby betrat die Chocolaterie und sah sich in dem Raum um. Von Yanice war nichts zu sehen. Mike ging auf die linke Seite zu einem freien Tisch am Fenster und setzte sich so, dass er auf die Brücke über den Aven sehen konnte. Da Yanice am Nachmittag noch im Museum arbeitete, so hatte sie ihm gesagt, käme sie von dort.

Die Mauern des Hauses waren aus dickem Naturstein, das Gebäude hatte einige Jahrhunderte auf dem Buckel. Kleine runde Tische waren von halbrunden Ledersesseln umgeben und luden zum Verweilen ein. Sein Blick fiel auf die gegenüberliegende Wand. Auf einem Bord standen verschieden große Fläschchen mit diversen Schokoladepulvern für die Kakaozubereitung. Mike gefiel die Einrichtung, er fühlte sich an die eleganten Cafés in England erinnert. Die Bedienung trat zu ihm und fragte nach seinen Wünschen. Er bestellte eine Tasse Kaffee. Er blickte ungeduldig wartend durchs Fenster auf die Straße. Nach einer viertel Stunde sah er Yanice selbstsicher auf das Café zukommen. Sie war mit einem schwarzen T-Shirt und enganliegenden Jeans bekleidet. Ein Seidenschal war lässig um ihren Hals geschlungen. Ihre schulterlangen kastanienbraunen Haare wehten im Wind.

Yanice betrat das Café, sah sich um und kam dann zielstrebig auf ihn zu.

„Ich habe mich etwas verspätet, meine Chefin wollte mich unbedingt noch sprechen“, sagte sie entschuldigend und reichte Mike Cornby die Hand.

Mike erhob sich gentlemanlike und begrüßte Yanice herzlich.

„Bitte nehmen Sie doch Platz“, bat er und zeigte auf den freien Sessel neben sich.

„Ich setze mich gerne ans Fenster“, sagte Yanice und ging zu dem dritten Sessel, Mike gegenüber.

„Aber bitte“, meinte er und setzte sich wieder.

„Was darf ich für Sie bestellen?“

„Ich nehme eine Schokolade, mal sehen, welche mir heute schmecken könnte“, sagte sie, griff zur Getränkekarte und sah sich die Liste der diversen Geschmacksrichtungen an. Schnell entschied sie sich für eine dunkle Schokolade.

„Wie wäre es mit einem Stück Kuchen dazu?“, meinte Mike und zeigte auf die kleine Auslage an der Theke.

„Nein danke“, antwortete Yanice, „ich mag vor dem Abendessen nichts Süßes mehr zu mir nehmen.“

„Wir können hier gerne auch eine Kleinigkeit essen“, meinte Mike und griff bereits zur Karte.

Yanice lachte.

„Ich habe nur zu einem Kaffee ja gesagt, nicht zu einer Einladung zum Essen.“

„Schade, ich würde den Abend sehr gerne mit Ihnen verbringen“, antwortete Mike und lächelte sie an.

Yanice verstand genug. Dazu hatte sie keine Lust. Monsieur Cornby war ihr eindeutig zu alt. Er schien eine Menge Geld zu besitzen, stellte sie mit geschultem Blick auf seine maßgeschneiderte Kleidung fest. Sie behielt ihr Lächeln und lenkte das Gespräch in eine weniger verfängliche Richtung. Die Bedienung trat an den Tisch, und sie bestellte einen Kakao mit dunkler Schokolade.

„Erzählen Sie mir, was Sie den ganzen Tag in Pont-Aven treiben. Sie verbringen doch bestimmt Urlaub hier.“

„Oh nein, da muss ich Sie enttäuschen. Ich wohne hier und habe eine Yacht in Kerdruc. Ich besitze 60 Supermärkte in Old England, die mein Geschäftsführer vertrauensvoll führt. Ich kann mich den angenehmen Seiten des Lebens hingeben. Ich liebe das Segeln, Golfspielen und beschäftige mich mit den schönen Künsten. Mein Besuch im Museum bestätigt meine Liebe zur Kunst“, gab Monsieur Cornby an und lehnte sich entspannt in seinem Sessel zurück.

„Dann haben Sie Dauerurlaub? Ich studiere und arbeite oder jobbe nebenher, und das wird wohl noch eine Weile lang so bleiben. Nach meinem Studium sehe ich weiter.“

„Was studieren Sie denn?“, fragte Monsieur Cornby und zeigte sich interessiert.

„Sie werden es nicht glauben, ich studiere Mathematik.“

„Warum soll ich das nicht glauben?“ Er sah Yanice fragend an.

„Weil mir jeder sagt, dass Mathematik kein Fach für eine Frau ist. Aber ich liebe die Zahlen und den Umgang mit ihnen.“ Yanice lächelte.

„Was fasziniert Sie an der Mathematik? Ist es die Suche nach neuen Erkenntnissen oder der Spaß an der Rechnerei?“

„Vielleicht beides, schon als Kind habe ich die Mathematik geliebt. Ich bin kein Genie, das im Stande ist, sechsstellige Zahlen innerhalb von Sekunden im Kopf zu multiplizieren, mit kleineren Zahlen kriege ich das jedoch ganz gut hin. Aber zurück zu Ihnen, ist das Leben nicht langweilig ohne eine Aufgabe?“

„Nicht im Geringsten. Ich habe jede Menge Beschäftigung. Wie ich schon gesagt habe, ich spiele Golf, ich segle, ich besuche Museen und vieles mehr.“

Sie plauderten noch eine Weile, dann sah Yanice auf ihre Uhr. Langsam wurde es Zeit, dass sie sich auf den Heimweg machte.

„Ja, dann wünsche ich Ihnen weiterhin viel Spaß beim Segeln und Golfspielen. Ich bedanke mich für die Einladung, ich muss Sie jetzt verlassen. Ich habe noch eine Menge Arbeit zu erledigen.“

„Schade“, meinte Monsieur Cornby, „ich hätte gerne noch mehr Zeit in ihrer Gesellschaft verbracht. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit dem Studium. Vielleicht bekomme ich zu einem späteren Zeitpunkt die Gelegenheit, mit Ihnen einmal Essen zu gehen. Es gibt eine Reihe guter Restaurants in der Umgebung.“

„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, meinte Yanice, verabschiedete sich von dem älteren Herrn und verließ das Lokal.

Monsieur Mike Cornby bezahlte die Rechnung und verließ wenige Minuten später auch das Café. Er ging die Rue des Abbés Tanguy hinauf zum Parkplatz. Er sah den Mann mit der Kapuze über dem Kopf nicht, der ihm im Abstand von vielleicht 20 Metern folgte. Der Mann trug eine Hülle auf dem Rücken, vielleicht eine Tasche für ein Stativ. Er trug einen langen schwarzen Mantel, für die Jahreszeit eher ungewöhnlich, und folgte Cornby in gleichbleibendem Abstand. Cornby stieg die wenigen Stufen zum Parkplatz hoch, für Fußgänger eine Abkürzung. Der Mann folgte. Es war später Nachmittag, dennoch hielt sich niemand auf dem Parkplatz auf, was dem Mann in seinem schwarzen Mantel sehr gelegen kam. Monsieur Cornby hatte seinen Wagen knapp erreicht, als der Mann sich ihm schnell näherte. Aus der Hülle zog er ein Eisenrohr. Bevor Cornby auch nur die geringste Chance hatte sich zu wehren, traf ihn die Stange am Kopf. Er sackte zusammen und blieb zwischen den Fahrzeugen liegen. Dann verlor er sein Bewusstsein.

Weiße Rosen aus Névez

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