Читать книгу Blutspur in Locronan - Jean-Pierre Kermanchec - Страница 4
Kapitel 1
ОглавлениеDie Pardons von Locronan standen wieder bevor. Die Troménies, wie sie auch genannt werden, sollen ihren Namen von einem im 11. Jh. gegründeten Benediktinerpriorat erhalten haben, das Asyl gewähren durfte. Die bretonische Bezeichnung, Tro Minihy, Gang zum Asyl, soll der Ursprung sein. Die kleine und die große Troménie wechseln sich ab. Alle sechs Jahre findet die große Troménie statt.
Nicht alle glaubten an diesen Ursprung für die Wallfahrt. Viele waren sicher, dass der Ursprung in der Legende über den Heiligen Ronan exakter und glaubwürdiger beschrieben war.
Die Planung war im vollem Gang. Diesmal durfte Didier Kerduc zum ersten Mal der Association Ronan vorstehen und Einfluss auf die Planung nehmen. Sein Vorgänger, der legendäre Elouan Pennoù, der beinahe dreißig Jahre lang die Troménies organisiert hatte, war feierlich im letzten Jahr verabschiedet worden, nachdem er die Altersgrenze von 6o Jahren erreicht hatte, die in den Statuten der Organisation für einen Wechsel in der Führung vorgesehen war. Davor war er regelmäßig alle sechs Jahr zum Vorsitzenden der Vereinigung, die sich dem Erbe des Heiligen Ronan verschrieben hatte, gewählt worden.
Didier Kerduc erklärte bei seinem Amtsantritt, dass er die Wallfahrt der heutigen Zeit anpassen wollte. Die Touristen erwarteten, dass die Pardons zu einem Volksfest wurden. Da Locronan zum überwiegenden Teil vom Tourismus lebte konnte man nicht einfach an dem Althergebrachten festhalten. Es gab viele, die die Behauptung aufstellten, dass Locronan ohne den Tourismus ein dem Untergang geweihter Ort wäre. Vom Tourismus lebten die Künstler, der Glasbläser, die Keramiker, die Skulpteure, die kleinen Boutiquen, die Andenkenläden, die Restaurants und natürlich auch die Bistros. Die Saison war kurz. Von Juni bis September kamen beinahe 80% der Besucher, so dass die Wallfahrt im Juli wichtig war und als Publikumsmagnet wirken sollte.
Didier Kerduc schlug vor, auf dem 12 Kilometer langen Weg rund um den Berg, den die Wallfahrer nahmen, Getränkebuden zu errichten und auch den Verkauf von Andenken vorzusehen. So konnten die Touristen, die es nicht so genau mit der Wallfahrt nahmen, Pausen einlegen, etwas trinken und rasten, sich nach einem Mitbringsel umsehen und dann gemütlich zur nächsten Station ziehen. Er ging davon aus, dass auf diese Art und Weise mehr Geld im Ort bliebe. Der erhöhte Umsatz würde bestimmt zu einer Steigerung der Gemeindeeinnahmen führen. Das Geld wurde dringend gebraucht, um Ausbesserungsarbeiten an den Wegen und Straßen durchzuführen.
Der Maire und der Stadtrat stimmten dem Vorschlag zu, und so konnten die Vorbereitungen sofort beginnen. In der Stadt selber wurde der Vorschlag durchaus kontrovers diskutiert. Die Geschäftsleute fanden ihn gut, der eine oder andere der älteren Einwohner wiesen auf den Ursprung der Troménie hin und meinten, dass der Heilige Ronan die Änderungen nicht für gut befunden hätte.
Alle waren nach der Sitzung des Gemeinderates auf ein Glas ins benachbarte Bistro gegangen und diskutierten dort nun weiter.
„Ihr kennt die Sage! Was dem Heiligen nicht gefällt, das wird er bestimmt nicht tolerieren. Vergesst nicht, unser Ortsname kommt von ihm, und wir sind letztlich die Hüter seiner Grabstätte“, meinte der frühere Maire der Gemeinde, Pereg Quemen, und griff zu seinem Glas Cidre, das vor ihm auf der Theke des Bistros stand.
Er bezog sich auf die Bedeutung des Ortsnamens. Loc bedeutet in der bretonischen Mundart Heilig. Locronan ist somit die Stätte des Heiligen Ronan.
„Wir können aber nicht nach über 1000 Jahren unser Leben an eine Sage binden“, antwortete Kerduc auf den Einwand.
„Der Heilige Ronan liegt in seinem Grab in der Kapelle und wird uns bestimmt nicht verurteilen, nur weil wir dem Ort eine bessere Zukunft bescheren wollen“, ergänzte Marc Legall und sah in die Gesichter der Ratsmitglieder, die gerade mit ihrer Stimme für die Änderungen gestimmt hatten.
„Ich habe mich entschlossen, ganz neue Skulpturen herzustellen, moderner und schlichter und nicht mehr so religiös wie die alten. Die Leute möchten die Skulpturen nicht für einen privaten Altar haben, sondern als Schmuck in ihrer Wohnung“, ergänzte er seine Aussage.“
„Dem kann ich nur zustimmen“, meinte Yann Morgat, der dem Tourismusbüro vorstand.
„Wenn die Besucher zu uns ins Büro kommen, dann höre ich des Öfteren aus ihren Gesprächen, dass sie sich über die heiligen Bilder und Skulpturen amüsieren. Neues und vielleicht auch mehr Künstlerisches kommt bestimmt besser an.“
Als die Bistrobesucher auseinandergingen waren die Meinungsverschiedenheiten zwar immer noch nicht ausgeräumt, aber man hatte sich etwas angenähert.