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3.4.1. Graphemik und Phonemik

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Die Deutung der schriftlichen Wiedergabe altniederländischer Laute erschwert sich nicht nur durch die Schwierigkeit, dass am Latein orientierte Geistliche lateinische Schriftzeichen für germanische Laute zu verwenden hatten, sondern auch durch die individuellen Schreibweisen und Traditionen unterschiedlicher Schreibschulen, welche die altniederländischen Texte durch das Fehlen einer allgemein gültigen Schreibtradition aufweisen. Hinzu kommt, dass der Kopist Merkmale der Vorlage in seinen Text übernehmen konnte, wodurch ein verzerrtes Bild des Altniederländischen entsteht. So enthält der Leidener Williram Beispiele verschobener Laute, die auf die hochdeutsche Fassung des Hohen Liedes zurückzuführen sind. Ausserdem dürfte die Überlieferung der Texte das Bild der ursprünglichen Verschriftung des Altniederländischen verfälscht haben. So stellt sich die Frage, wie beispielsweise die altniederländischen Glossen aus der verschwundenen Handschrift Wachtendoncks, wovon Justus Lipsius (vgl. 5.1.2.1.) um 1600 eine Kopie hatte machen lassen, die ebenfalls verloren ging, dennoch fragmentarisch in einigen Handschriften als Wachtendonckse Psalmen überliefert wurden, graphematisch und phonemisch zu beurteilen sind.

Als Beispiel graphematischer Varianten in altniederländischen Texten führen Quak und Van der Horst u.a. die Schreibweise des ger./þ/als <th> an, vgl. brôther in Petrus ande sin brôther (‚Petrus und seine Brüder‘ MRB a, 361), ein Laut, der auch als đ oder ð, so in Quellen des Klosters Werden vorkommt. Als weitere graphematische Variationen erwähnen sie u.a. <ht> und <th> für/xt/, vgl. farht (‚Reise‘) in gisunda farht duon sal vns got (‚Eine wohlbehaltene Reise wird Gott uns gewähren‘ WPS I, 67, 20) und uarth, vgl. thense an [t]her uarth uorhte (‚die sie während ihrer Fahrt fürchteten‘ MRB a 462). Weiter <c> für /k/ in Anlaut vor velaren Vokalen, so in cundo min (‚mein Vertrauter‘ WPS h, 54, 14), aber <k> vor palatalen Vokalen wie kerk (‚Kirche‘) in der Ortsbestimmung Keruuerf sowie abwechselnd <c> und <k> in anderen Positionen, so in weiteren Ortsnamen und Komposita mit dem Substantiv kerka neben kerc, kiric, kirica wie u.a. in An Naruthi thiu kirica endi kiricland fan Almeri te Tafalbergon (‚In Naarden die Kirche und das Kirchland von Almere bis zum Tafelberg‘). Zu den zahlreichen weiteren graphematischen Varianten zählen <u> für /u/ und für/v/, so das Element fūhti (‚feucht‘) in Ortsnamen wie Fuhti und Uothēholt, weiter <h> für behauchten Glottal wie houph (‚Haufen‘) in Thin wamba is samo weizes houph (‚Dein Bauch ist wie ein Haufen Getreide‘ LWR 114, 02) beziehungsweise Frikativlaut wie in brahte in Ther erist brahte ime arabies golt (‚Der erste brachte ihm Gold aus Arabien‘ MRB b, 163), sodann <i> für/i/und für/j/, wie in bidden (‚flehen‘, ‚beten‘) beziehungsweise iagere (‚Jäger‘), <uu> für/w/, so in Keruuerf, <qu> für/kw/wie quelen (‚quälen‘) in There lichamon her dede quelen (‚Ihre Körper liess er quälen‘ MRB a, 339). Sodann kommt <z> gelegentlich wohl als Bezeichnung von/ts/vor, so zuelf (‚zwölf‘) in Von iac[obes] zuelf sunen sint ther ivthen z[uelf ge]slahte chomen (‚Von Jacobs zwölf Söhnen sind die zwölf Geschlechte der Juden hergekommen‘ MRB b, 69). Schliesslich ist zu beachten, dass die Länge der Vokale schriftlich in der Regel nicht festgehalten wird.

Wie aus den in 3.2. beschriebenen sprachhistorischen und dialektgeografischen Befunden hervorgeht, ist im entstehenden niederländischen Sprachraum von einem Lautsystem mit einer sich von West nach Ost unterscheidenden regionalen Varietät auszugehen, das von der oben erwähnten uneinheitlichen Verschriftung nur mangelhaft widerspiegelt wurde. Der folgende zusammenfassende Überblick der altniederländischen Laute kann somit nur unvollständig den Lauten der frühesten Phase des Niederländischen Rechnung tragen.

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