Читать книгу Handbuch Niederländisch - Jelle Stegeman - Страница 73
3.4.3.3. Sonstige Substrat- und Lehnwörter
ОглавлениеLaut Schätzungen des EWN besteht das niederländische Lexikon zu 15 % aus Substratwörtern, die aus vor-indoeuropäischen Sprachen stammen (vgl. 2.4.3.2.). Es handelt sich dabei nach dem EWN namentlich um sogenannte Inhaltswörter aus den ursprünglichen einheimischen Sprachen, so beispielsweise das anl. *āl (‚Aal‘) als Bezeichnung eines bei der vor-indoeuropäischen Bevölkerung angeblich beliebten Fisches, vgl. den Ortsnamen Aelmere, ebenso das als ‚rein germanisch‘ bezeichnete anl. ben (‚Bein‘, ‚Knochen‘) oder, in ‚Anbetracht der beschränkten Verbreitung‘, wie es in der Erklärung heisst, das anl. *bort ‚ *bret (‚Bord‘, ‚Brett‘, ‚Teller‘) in Ortnamen wie Britte und Brida. Häufig betrifft es Wörter, die eingewanderte Germanen vermutlich in ihrer Sprache als Bezeichnungen für Gegebenheiten übernahmen, die sie nicht kannten. Wie spekulativ die Klassifizierungen einzelner Wörter als Substrat zum Teil übrigens sein können, zeigt manche Erklärung im EWN, das beispielsweise bei aak Formen in anderen germanischen Sprachen wie ahd. nahho (‚Flussschiff‘) erwähnt, weitere Verwandtschaften jedoch als unsicher einstuft: aak wäre vielleicht mit lat. nāvis verwandt, das auf idg. *neh2u, vgl. Skt. náuh und Gri. naus zurückgehen könnte, wegen seiner ‚isolierten Position im Germanischen‘ solle man jedoch eher von einem Substratwort ausgehen. Es bleibt abzuwarten, inwiefern künftige Forschung solche Interpretationen bestätigt. Nicht auszuschliessen ist, dass sich für Wörter unbestimmter Herkunft doch indogermanische Wurzeln rekonstruieren lassen, die besser abgesichert sind als beispielsweise Van Veens und Van der Sijs’ vorsichtig formulierte Vermutung, wijf (ahd. wīb, ‚Weib‘) wäre mit got. biwaibjan (‚umhüllen‘) in Beziehung zu setzen und verweise vielleicht auf die mit einem Tuch eingebundenen Haare der Braut. Sodann ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass Wörter, die nur im Germanischen vorkommen, nicht aus Substratsprachen stammen, sondern indoeuropäische Bildungen sind, die aber in anderen indoeuropäischen Sprachen verloren gingen.
Ia Probatio pennae, Bodleian Library, Oxford, Kodex 340 fol. 169 v.
Ib Miniatur Jan Ruusbroec, Koninklijke Bibliotheek Albert I., Brüssel, Kodex 19.295–97, fol. 2 v. Ein Mönch, Jan Ruusbroec, schreibt auf einer Wachstafel während ein anderer Mönch eine Vorlage auf Pergament kopiert; zwischen den beiden Geistlichen liegt ein Kodex als Ergebnis der Schreibarbeit.
II Jacob van Maerlant, Rijmbijbel, Rijksmuseum Meermanno-Westreenianum, Den Haag, Kodex 10 B 21,fol. 1 v.
Von den Lehnwörtern sind bereits für das Altniederländische die Entlehnungen aus dem Latein zu erwähnen, die das niederländische Lexikon mit prägen sollten. Die ansässige Bevölkerung übernahm von den Eroberern (vgl. 2.1.) insbesondere Ausdrücke in Bereichen wie Häuserbau, Landwirtschaft, Viehzucht, Nahrung, Handel und Heereswesen, so anl. mura (ahd. mūra, ‚Mauer‘) oder tegula (ahd. ziegala, ‚Ziegel‘), in der Ortsbezeichnung Tegulon, dem heutigen Tegelen, ebenso anl. walla (ahd. wal, ‚Wall‘) in der Ortbezeichnung Walle, weiter auch anl. strāta (ahd. strāza, ‚Strasse‘) im Dat. Plur. straton, eine frühe Entlehnung mit dem vulgärlateinischen intervokalischen -t-, das sich später zu -d- entwickelte, vergleiche ita. strada, sodann anl. win (ahd. wīn‚ ‚Wein‘), eine frühe lateinische Entlehnung, die von der römischen Weinkultur im Nordwesten Europas zeugt, auch anl. pīl (ahd. pfīl, ‚Pfeil‘) oder anl. kiese (ahd. chāsi, ‚Käse‘) in kiese uath (‚Käsefass‘).
Der Anteil der Lehnwörter in den überlieferten altniederländischen Texten beträgt wohl weniger als 10%, mit welchen Zahlen in nicht-überlieferten Texten und gesprochener Sprache in altniederländischer Zeit zu rechnen ist, lässt sich naturgemäss nicht einschätzen. In Texten aus jüngerer Zeit kommen verhältnismässig mehr Lehnwörter vor, der Wortschatz neuerer Stufen des Niederländischen dürfte zu drei Vierteln aus Lehnwörtern bestehen.
Literatur zu 3.4.: Beekes 1990; Blok 1960; Van Bree 1987; Van Bree 1996; Van Bree 1997; Franck et al. 1976; Glaser 2000; Goossens 1974; Goossens 1978; De Grauwe 1979/82; Van der Horst 1986; Van der Horst 2003; Van der Horst 2008; Van Loey 1970; Van Loon 1986; Overdiep 1915/16; Overdiep 1924; Philippa 1981; Pijnenburg et al. 2001; Prokosch 1939; Quak 1975; Quak 1990; Quak et al. 2002; Sanders 1974; Schoonheim 2008; Schrodt 2004; Van der Sijs 2001; Van der Sijs 2006; Van der Sijs et al. 2000; Slechten1999; Slicher-van Bath 1948; Sonderegger 1979; Sonderegger 1999; Van Veen et al. 1991; De Vries 1971; De Vries et al. 1994.