Читать книгу WeltenRetter - Jenny Kremer - Страница 7
ОглавлениеKapitel 3
„Herr Bött, bitte ins Sekretariat“, erklang die sanfte Frauenstimme der Direktorin über die Lautsprecher der Schule.
„Na, was wird er wohl angestellt haben?“, fragte Tim in die Klasse, als sein Klassenlehrer den Raum verlassen hatte.
„Er sah nicht danach aus, als wäre etwas vorgefallen“, antwortete ihm eine Klassenkameradin. Clarissa war ihr Name, sie hatte lange, glatte, blonde Haare und smaragdgrüne Augen. Ihr Gesicht war von ein paar wenigen Sommersprossen geziert. Die Jungs der Klasse nahmen sie aber nie für voll, wer blond war, war blöd. Clarissa verletzten die Worte ihrer Mitschüler sehr, denn sie war noch neu auf der Schule und hatte noch keine Freunde.
„Er darf uns doch seine Angst nicht offen zeigen, dann wäre er schwach und kein Mann“, erwiderte ein Junge aus der hinteren Reihe und warf anschließend mit einem Papierball nach Clarissa.
„Stimmt, wie doof muss man denn sein, um zu glauben, dass Lehrer wegen einer Lappalie zur Direx gerufen werden“, warf Tim ein.
„Ich bin nicht doof!“, äußerte sich Clarissa „Ich glaube nur, dass er nicht wegen eigenem Verschulden ausgerufen wurde, sondern wegen Fremdverschulden.“
„Jaja, du Klugscheißer, wir haben’s kapiert. Du weißt alles und wir anderen sind dumm!“, rief ein anderer.
„Das stimmt doch gar nicht!“, wehrte sich das Mädchen.
„Nur, weil ich gute Noten schreibe, bin ich weder ein Klugscheißer noch sonst was. Ich, ich hab das einfach im Gefühl und mein Bauchgefühl lässt mich nie im Stich.“ Clarissa wurde kleinlaut, denn sie wusste bereits, als sie die letzten Worte ausgesprochen hatte, dass ihre Mitschüler sie dafür belächeln würden.
Alle begannen zu lachen, alle bis auf einen, Tim.
Clarissa nahm sich ihre Sachen und ging aus dem Raum. Sie wollte nicht, dass die anderen ihre Tränen sahen, sie wollte vor ihren Mitschülern nicht noch schwächer aussehen, als sie es ohnehin schon tat.
Leise ließ sie die Tür zufallen, die anderen Klassen hatten schließlich noch Unterricht und es sollte keiner der Lehrer auf sie aufmerksam werden.
„Warte“, hallte es leise im Flur hinter ihr. Doch sie drehte sich nicht um, keiner wollte sie an dieser Schule, also konnte sie eh nicht gemeint sein.
„Jetzt bleib doch mal stehen“, hörte sie die Stimme näherkommen. Jetzt lief sie los, sie wollte nicht warten, gar nicht erst auf einen Klassenkameraden, sie mochten sie nicht und daran würde sich nichts ändern.
Ihre Sicht war durch den Fluss ihrer Tränen beeinträchtigt, sodass sie nicht rennen konnte, ohne Gefahr zu laufen, mit einer Wand oder einer anderen Person zusammenzukrachen. Sie blickte sich abermals um, doch sie sah keinen.
Sie lief um die letzte Ecke, bevor sie die Ausgangstür erreichte, da wurde sie gepackt.
Den lauten Schrei unterdrückte sie gekonnt, doch was würde ihr nun drohen? Schläge, weil sie der Stimme keinen Glauben geschenkt hatte, ein Schulverweis, weil sie einfach, ohne triftigen Grund und ohne Erlaubnis, den Unterricht verlassen hatte, oder doch Schlimmeres?
Sie blickte ihren Angreifer an und vermochte kaum, ihren Augen zu trauen. Es war Tim, der sie an der Schulter festhielt. Er schien ganz außer Atem zu sein, aber warum, er war sportlich und hätte keinerlei Mühe gehabt, sie einzuholen.
„Was willst du?“, blaffte sie ihn an.
„Wie, was ich will, ich hab mir Sorgen gemacht, ich meine, ehm …“, stammelte Tim.
Er rieb sich mit der freien Hand den Hinterkopf und überlegte, was er nun sagen sollte.
„Brauchst du nicht, ich komm gut allein zurecht, ich brauche kein geheucheltes Mitleid, von keinem!“ Clarissa befreite sich aus seinem Griff und öffnete die Tür. Die letzten Tränen waren längst versiegt. Nun regierte die Wut über sich selbst in ihr.
„Hey, jetzt warte doch mal!“ Tim lief ihr nach, sich selbst bewusst, dass sie beide riesigen Ärger bekommen würden, aber das war ihm grade herzlich egal. Auf einmal mehr oder weniger Nachsitzen kam es jetzt auch nicht an.
„Lass mich einfach, okay?“
„Und wenn ich das nicht will?“
„Na, dann hast du Pech, ich gehe jetzt heim und wenn du unbedingt willst, dann komm halt mit und warte dann vor verschlossener Tür, die ganze Nacht bis morgen früh.“
Tim bemerkte, dass es nicht der Angriff seiner Klassenkameraden gewesen war, der Clarissa so mitgenommen hatte, doch was sollte er jetzt tun, sie war eindeutig zu aufgewühlt und wollte ihm nicht zuhören.
„Okay, dann bis morgen früh, ich werde da sein.“
Diese Worte warfen Clarissa nun gänzlich aus dem Konzept, sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um.
Geschafft!, dachte er sich und begann ein leichtes Lächeln.
„Du bist ein komischer Kauz, hat dir das mal jemand gesagt?“ Ihr skeptischer Blick traf ihn. Tim winkte ihr und trat dann den Rückweg zur Schule an.
Würde er seine Worte wahr machen?
Wieso war er so nett zu mir?
Auf wessen Seite stand er?
Gehörten seine netten Worte, mit denen er sie scheinbar beschützen wollte, zu einem niederträchtigen Plan?
Diese und noch viele weitere Fragen geisterten Clarissa den Tag über im Kopf herum, sie verstand den Jungen nicht, erst war er einen Tag gemein zu ihr, dann am nächsten nahm er sie in Schutz, ihr Kopf fuhr Karussell.
Zum Glück hatte ihre Mutter ihr die Ausrede mit den Bauchschmerzen geglaubt, so hatte sie nicht mehr zurück in die Schule gemusst und konnte sich nun ganz auf ihre eigenen Probleme konzentrieren, die waren im Moment wichtiger als alles andere.