Читать книгу Der KMU-Nachfolgeplaner - Jens Grasshoff - Страница 6
ОглавлениеVORWORT
Bis zu meinem 32. Lebensjahr wusste ich eigentlich gar nicht so recht, was ich beruflich machen wollte. Nach dem Abi absolvierte ich in Köln eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann und ging dann danach in den Außendienst nach Hannover, wo ich das «Verkaufen» erlernte. Nach meiner dreijährigen Tätigkeit im Firmenkundengeschäft stand ich dort dann aber, nach vielen Höhen und Tiefen, ohne eine echte berufliche Perspektive da. Aus diesem Grund beschloss ich ein Studium an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg im Bereich Betriebswirtschaft zu starten. Nachdem ich das Studium erfolgreich abgeschlossen hatte, bin ich aus persönlichen Gründen in die Schweiz umgesiedelt und musste mich dort dann beruflich komplett neu orientieren.
Eigentlich war immer klar, dass nur eine selbstständige Tätigkeit für mich infrage kam. Durch meine erste Tätigkeit als Partner in einer Finanzberatungsfirma kam ich mit sehr vielen mittelständischen Unternehmen in Kontakt, die ich von der Gründung bis zur Sanierung durch alle Lebenszyklusphasen begleiten durfte. An diesem Ort hatte ich dann auch die Möglichkeit, die erste mittelständische Unternehmung bei einem Verkauf an ein Ehepaar zu begleiten. Es handelte sich dabei um eine kleine chemische Reinigungsfirma mit vier Standorten im Kanton Thurgau. Der Verkauf erstreckte sich über mehrere Monate und während dieser Zeit wurde mir sehr schnell bewusst, wie meine berufliche Zukunft aussehen sollte.
Nun übe ich diese Tätigkeit bereits seit 20 Jahren aus und durfte mehr als 120 Unternehmen, vom Kinderhort bis zum Kieswerk, quer durch alle Branchen im Verkauf begleiten. Von der Erstellung der Verkaufsunterlagen, über die Bewertung, Käuferrecherche, Vertragsverhandlungen, bis hin zur Vertragsunterzeichnung. Ich hatte die Möglichkeit spannende Leute zu treffen, Top-Unternehmer, Schlitzohren, Patriarchen, Finanzjongleure, Lebenskünstler und viele Spezies mehr, sowohl auf der Verkäufer- wie auch auf der Käuferseite.
Zu den meisten meiner Kunden habe ich – ganz unabhängig von der Unternehmensgröße – während den Abwicklungen der Transaktionen eine sehr intensive persönliche Beziehung aufgebaut. Ich durfte oftmals die Familien der Firmeninhaber kennenlernen, die natürlich von der Beendigung der Tätigkeit als Unternehmer und dem Eintreten in einen völlig neuen Lebensabschnitt direkt oder indirekt betroffen waren. Hier wurden mir teilweise sehr intime Dinge offenbart und man hat sehr häufig – eigentlich fast ohne Ausnahme – gespürt, dass ein Familienunternehmen immer sehr durchdringende und nachhaltige Effekte in das Leben der Unternehmerfamilien bewirkt, was diese Familien in vielerlei Hinsicht sehr prägte. Und dass ein Käufer, vor allem als Privatperson, diesen komplexen Apparat durch eine Transaktion komplett auf sich nimmt, ist immer wieder eine große Herausforderung. Und das schweißt selbstverständlich die Verkäufer- und Käuferseite und dazu mich als Begleiter des Prozesses in einem regelmäßig von vielen Emotionen geprägten Verkaufsprozess, stark zusammen.
Durch meine langjährige Tätigkeit hatte ich die Möglichkeit, mir ein großes Beziehungsnetzwerk aufzubauen. Ein Netzwerk mit Geschäftspartnern, von denen ich die meisten heute schon seit sehr vielen Jahren kenne und mit denen ich erfolgreich zusammengearbeitet habe. Dazu gehören vor allem Bank-, Steuer- und Rechtsberater, Consultants, Tippgeber, Immobilienexperten, Trainer/Coaches, ehemalige Kunden, institutionelle und private Investoren u. v. m. Ein gut funktionierendes Netzwerk ist das wichtigste Asset eines Beraters, der im Bereich «Unternehmensverkauf / M&A» tätig ist. Ohne das würde es nicht funktionieren. Ein gut arbeitendes Netzwerk hält den Verkaufsprozess stabil und sehr oft auch am Leben, gerade dann, wenn es mal wieder so richtig emotional wird.
Vom ersten Gespräch an, mit dem Unternehmer, der über den Verkauf seines Betriebes nachdenkt oder sich bereits für den Verkauf entschieden hat und den richtigen Partner zur Unterstützung sucht, entsteht generell ein sehr tiefgründiges persönliches Verhältnis, das sich während des gesamten Verkaufsprozesses von Tag zu Tag intensiviert.
Vor allem diese Tatsache ist es, was meinen Beruf ausmacht. Das ist für mich der wesentliche Antrieb, diesen Beruf mit sehr viel Leidenschaft, rund um die Uhr und mit intensiver persönlicher Hingabe auszuüben.
Den KMU-Nachfolgeplaner, den Sie gerade in den Händen halten, habe ich einerseits für Unternehmer geschrieben, die über einen Verkauf ihres Unternehmens nachdenken, andererseits für Interessenten, die sich über den Kauf eines mittelständischen Unternehmens informieren und dazu gezielt vorbereiten möchten. Dieses Buch habe ich vor allem für die «Amateure» und Semi-Profis geschrieben, die auf eine pragmatische Weise und umfassend in die Thematik eintauchen wollen. Meine Erfahrung aus zwei Jahrzehnten Unternehmensverkäufen ist hier verarbeitet und die Erläuterungen sind mit Beispielen und Anekdoten aus der Praxis versehen, die genau so passiert sind.
Einige Punkte lesen sich auf den ersten Blick vielleicht etwas rudimentär, aber in der Praxis sind es oft die vermeintlich banalen Gründe, die einen Deal zum Scheitern bringen.
Der KMU-Nachfolgeplaner führt interessierte Leser umfassend und detailliert, aber trotzdem pragmatisch und kurzweilig, durch alle Phasen eines Unternehmensverkaufs. Er schließt das Hinzuziehen von Experten, die entweder ganzheitlich oder in Teilphasen die Unternehmenstransaktion begleiten, jedoch keineswegs aus, sondern unterstützt diese Vorgehensweise in weiten Teilen, da eine Person allein, in der Regel nicht alle Voraussetzungen und Kenntnisse mitbringen kann, um ein Unternehmen erfolgreich zu übernehmen respektive abzugeben. Und in einem Team arbeitet man generell effizienter als allein.
Der KMU-Nachfolgeplaner ist das Businesstool für einen pragmatischen Ansatz, der sog. «rote Faden», der die Aktivitäten in allen Phasen des Unternehmensverkaufs unterstützt, koordiniert und der Erarbeitung von unternehmerischen Entscheidungen dient. Die praktische Form mit vielen Beispielen und Checklisten, sollen den direkten Einsatz in den jeweiligen Projekten ermöglichen. Die Checklisten aus dem Kapitel 6. dieses Nachfolgeplaners verwende ich in dieser Form heute immer noch genauso. Sie helfen mir in meiner täglichen Arbeit der Begleitung und Vermittlung von Unternehmen, die zum Verkauf stehen, einen systematischen Ansatz zu finden, der unabhängig von der Branche und Größe des Unternehmens, immer derselbe ist und unterstützt mich in einer strukturierten Verkaufsprozessabwicklung, die für eine erfolgreiche, speditive und zielorientierte Vorgehensweise notwendig ist. Diese Form der Abwicklung spielt nicht zuletzt bei der Koordination aller an einer Transaktion involvierten Personen und Institutionen eine wesentliche Rolle.
Während meiner beruflichen Laufbahn sind etwa 90% meiner Kunden in der Situation gewesen, dass sie zum ersten Mal ein Unternehmen verkaufen. Und auf der Käuferseite war es ebenfalls so, dass ein Unternehmenskauf in diesen Größenordnungen auch von etwa 90% der Kaufinteressenten zum ersten Mal angegangen wurde.
Diese Situation setzt voraus, dass auf beiden Seiten ein umfassender Entwicklungsprozess stattfinden muss und es daher sehr wichtig ist, dass am Anfang eines jeden Verkaufsprojektes schon möglichst viel Know-how vorhanden ist, so dass die Beteiligten möglichst detailliert wissen, was sie in den nächsten Wochen und Monaten erwartet. Somit soll die Wahrscheinlichkeit minimiert werden, dass es im späteren Verlauf des Prozesses, zu unliebsamen Überraschungen kommt, die den Deal schlimmstenfalls zum Platzen bringen können.
Die zahlreichen Erlebnisse in der Vergangenheit sind der Anstoß für die Entstehung dieses Buches, den KMU-Nachfolgeplaner. Um den Verkaufsprozess auf beiden Seiten gut zu planen, transparent aufzuzeigen, wo die Herausforderungen liegen und was die Erfolgsfaktoren ausmacht. Dazu kann ich zahlreiche Beispiele aus der Praxis aufführen und das idealtypische Vorgehen aufzeigen, damit es am Ende zu einem fairen Deal zwischen den beteiligten Parteien gibt.
1 + 1 > 2 und die Rechnung geht auf…
Erwirbt eine Person einen mittelständischen Betrieb und übernimmt somit dessen Führung, so ist es bis dorthin ein arbeitsreicher Weg. Die Übernahme eines kleinen oder mittelgroßen Unternehmens (KMU) durch eine Privatperson kann in gewisser abstrakter Weise durchaus mit der strategischen Fusion zweier Großkonzerne verglichen werden. Begeben sich nämlich zwei Elefanten zu einer Hochzeit, so hat das in der Regel strategische Gründe. Kompetenzen und Beziehungsnetzwerke ergeben zusammengenommen mehr als die Summe beider separaten Kandidaten vor einem Zusammenschluss (1 + 1 > 2). In einer umfangreichen Due Diligence, in denen Heerscharen von Beratern, Anwälten und Mitarbeitern analysieren, recherchieren, identifizieren und Pläne für den Zusammenschluss aufstellen, Verträge verfassen und verhandeln, spielen strategische Gegebenheiten eine ebenso große Rolle, wie eine systematische Vorgehensweise, bei der ein Schritt nach dem nächsten getan wird. Ein Annäherungsprozess findet statt, in dem behutsam, aber energisch vorwärts gerichtet die Entstehung eines neuen Unternehmens erwirkt und vollzogen wird. Die Symbiose von Methoden, Produkten, Prozessen und Kulturen muss systematisch herbeigeführt werden.
Im Grunde sollte die Übergabe eines KMU an einen Nachfolger eine ebenso strategische Angelegenheit sein, die systematisch, mit Weitsicht geplant und sehr behutsam umgesetzt werden muss. Genauso wie das betreffende Unternehmen über Ressourcen und Fähigkeiten (= Kompetenzen) verfügt, so verfügt der Unternehmenskäufer in Form einer Privatperson über Erfahrungen, Fach- und Sozialkompetenzen, Beziehungsnetzwerke, beherrscht möglicherweise den Umgang mit diversen Instrumenten, Werkzeugen, Substanzen etc., die nach der Übernahme eines Unternehmens förderlich und gewinnbringend eingesetzt werden können.
Nahezu jedes Unternehmen besitzt kleinere oder auch größere Schwächen in bestimmten Bereichen, z. B. bei der Planung und Umsetzung einer effizienten Marketing- und Vertriebsstrategie und kämpft deswegen seit Jahren mit Umsatzstagnation oder -rückgängen, so kann ein Manager, der Erfahrungs- und Kompetenzschwerpunkte im defizitären Bereich hat, dem Unternehmen einen ganz neuen Schwung verleihen. Zumal er als zunächst unternehmensexterner Beobachter von außen über einen völlig neutralen und ungetrübten Blick verfügt und die Situation im Unternehmen neutral oder zumindest von einem anderen Standpunkt aus bewertet als ein „Interner“. Letztendlich entsteht dann auch in einem solchen Fall nach der durchgeführten Unternehmensübergabe ein neues Unternehmen, welches sich über die Zeit zentral auf den neuen Inhaber ausrichten wird. Man kann hier häufig von einer regelrechten Metamorphose sprechen. Im Rahmen dieser Metamorphose wird Energie freigesetzt, die auf ein emotionales Umfeld trifft und zu entsprechenden Schäden führen kann. In meiner täglichen Arbeit gehört es unter anderem zu einer meiner wesentlichen Aufgaben, diese Energie in die richtigen Bahnen zu lenken, womit sie dem Projekt einen positiven Antrieb gibt und erfolgreich über die Ziellinie bringt.
Da also die Übernahme eines Betriebes – ob von einer Person oder einer anderen Unternehmung – eine durch strategische Faktoren geprägte Angelegenheit ist (und weil der Film «Wall Street» von 1987 mit Micheal Douglas und Charlie Sheen zu meinen Lieblingsfilmen gehört), wird jedes Kapitel im KMU-Nachfolgeplaner mit einem passenden Zitat von Sun Tzu eingeleitet. Sun Tzu steht für „die Kunst des Krieges“ und ist vor mehr als zwei Jahrtausenden von einem chinesischen Kriegerphilosophen (Sunzi) verfasst worden. Es gilt heute als eines der bekanntesten historischen Werke für Strategielehre und wird weltweit von Managern und Politikern gelesen und gelebt. Als Studien der Anatomie von zwei Parteien, die sich gegenüber oder miteinander im Konflikt stehen, hat die Lehre das Ziel der Unbesiegbarkeit, Sieg ohne Kampf und unbezwingbare Stärke. Was in der strategischen Kriegsführung als besonders hart klingt, ist aber durch den philosophischen Vergleich und Ableitung auf das Daily Business eine durchaus weiche Methode, sich in eine vorteilhafte Position (z. B. in Verhandlungen) zu begeben und so erfolgreicher zu sein als andere und leichter zum angestrebten Ziel zu kommen.
Im KMU-Nachfolgeplaner sollen die Zitate zu Beginn eines jeden Kapitels den Leser zu einer strategischen, vielleicht auch philosophischen Denkweise anregen. Die Verwendung der Begriffe wie „Kampf“ und „Gegner“ stehen im übertragenen Sinne für den Weg zum Ziel und die Herausforderung der Sache und sind keineswegs als in irgendeiner Art und Weise als feindselig zu interpretieren. Wir werden später noch sehen, dass der gesamte Prozess der Metamorphose davon geprägt ist, dass Verkäufer und Käufer keine „Gegenparteien“ im engeren Sinne sind, sondern gemeinsam – am runden Tisch – ans Ziel kommen sollten.
Die zehn Grundsätze von Sun Tzu:
Stell dich dem Kampf!
Führe andere in den Kampf!
Handle umsichtig!
Halte dich an die Tatsachen!
Sei auf das Schlimmste vorbereitet!
Handle rasch und unkompliziert!
Brich die Brücken hinter dir ab!
Sei innovativ!
Sei kooperativ!
Lass dir nicht in die Karten sehen!
In diesem Sinne kann es dann jetzt losgehen.
Viel Spaß beim Lesen und viel Erfolg bei der Umsetzung!
Tägerwilen, im Juli 2020
Jens Grasshoff
Geben Sie in Ihren Internetbrowser die folgende Adresse ein:
www.kensington-ma.com/kmunachfolgeplaner
und dort das Kennwort: Valentinstag
Sie haben dort die Möglichkeit sämtliche Unterlagen, wie Checklisten und Fragebögen des Kapitels 6 als Word-Dateien herunter zu laden, um in der Praxis systematisch damit arbeiten zu können.