Читать книгу Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz - Jens M. Schmittmann - Страница 39
2. Stellung des Insolvenzverwalters
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Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht gemäß § 80 Abs. 1 InsO das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.1
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Vom Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts ist das gesamte insolvenzbefangene Vermögen des Schuldners einschließlich des im Ausland belegenen Schuldnervermögens sowie der Neuerwerb erfasst; nicht hingegen das insolvenzfreie Vermögen sowie die nicht vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen Rechte des Schuldners.2
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Die handels- und steuerrechtlichen Pflichten des Schuldners zur Buchführung und zur Rechnungslegung bleiben gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 InsO unberührt. In Bezug auf die Insolvenzmasse hat der Insolvenzverwalter gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO diese Pflichten zu erfüllen.
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Die steuerrechtliche Pflicht zur Buchführung durch den Insolvenzverwalter besteht nicht nur gegenüber der Finanzverwaltung, sondern auch grundsätzlich gegenüber dem Verfahrensschuldner.3
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Die Pflicht erwächst aus der Amtsstellung des Insolvenzverwalters, die schutzwürdige Interessen des Schuldners unmittelbar berührt.4
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Das Insolvenzverfahren lässt die handelsrechtlichen Buchführungspflichten und damit auch die steuerlichen Buchführungspflichten gemäß § 140 AO unberührt. Den Insolvenzverwalter treffen gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO sämtliche Buchführungs- und Bilanzierungspflichten.5
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Die Regelung des § 155 InsO bezieht sich nur auf die handels- und steuerrechtliche Rechnungslegungspflicht. Neben diese Pflicht tritt die Pflicht, die der Insolvenzverwalter als Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO i.V.m. §§ 140 bis 148 AO hat.6
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Der Insolvenzverwalter ist verfahrensrechtlich Vermögensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO und hat daher gemäß § 34 Abs. 1 AO die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners im Insolvenzverfahren zu erfüllen.7
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Die Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters berechtigen und verpflichten den Insolvenzschuldner persönlich, da dieser steuerrechtsfähig bleibt.8
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Der Insolvenzschuldner bleibt auch verfahrensrechtlich Beteiligter i.S.v. § 78 AO. Der Schuldner verliert allerdings mit Insolvenzeröffnung die nach § 79 AO erforderliche Handlungsfähigkeit in Bezug auf die Insolvenzmasse.9
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Der Insolvenzverwalter hat insbesondere die sich aus den §§ 90, 93ff., 137ff., 140ff. und 149ff. AO ergebenden Pflichten zu erfüllen.10
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Daher ist der Insolvenzverwalter dafür verantwortlich, die laufenden und die noch ausstehenden Steuererklärungen auch für Zeiträume vor Insolvenzeröffnung zu erstellen und abzugeben. Diese Pflichten ergeben sich aus den § 34 Abs. 3 AO, § 155 InsO i.V.m. §§ 140, 141 AO, §§ 25 EStG i.V.m. § 56 EStDV, 31 KStG, § 18 UStG, § 14a GewStG.11
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Die steuerlichen Erklärungspflichten des Insolvenzverwalters umfassen nicht die insolvenzunabhängigen Aufwendungen, wie beispielsweise die Sonderausgaben gemäß § 10 EStG und die außergewöhnlichen Belastungen gemäß § 33 EStG, und nicht das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners.12
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Die Steuererklärungspflicht obliegt dem Insolvenzschuldner in den Fällen der Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit – § 35 Abs. 2 InsO – und in den Fällen der Eigenverwaltung – §§ 270ff. InsO.13
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Sofern der Insolvenzschuldner deshalb neben der freigegebenen selbstständigen Tätigkeit keine weitere vom Insolvenzbeschlag betroffene Tätigkeit ausübt, und somit keine weiteren Einkünfte i.S.d. §§ 13–22 EStG erzielt, gehört es zum Pflichtenkreis des Insolvenzschuldners, die Einkommensteuererklärung und die Gewinnermittlung – § 60 Abs. 4 EStDV, § 5b EStG – bei der Finanzbehörde einzureichen.14
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Die Steuererklärungspflicht besteht für den Insolvenzverwalter, sofern der Insolvenzschuldner neben der freigegebenen selbstständigen Tätigkeit noch weitere steuerrelevante Tätigkeiten ausübt. Der Insolvenzschuldner muss bei Vorliegen dieser Konstellation die im insolvenzfreien Bereich verwirklichten Steuertatbestände mitteilen und an der Erstellung der Steuererklärung mitwirken. So muss er beispielsweise für die Zwecke der Einkommensteuer die Gewinnermittlung fertigen und elektronisch einreichen.15
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In der Situation, dass der Insolvenzschuldner Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielt, ist zu differenzieren, ob aus der Einkommensteuerveranlagung eine Einkommensteuerschuld entsteht oder ein Erstattungsanspruch. Die Einkommensteuerschuld ist keine Masseverbindlichkeit, sondern eine Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners, sodass die Erklärungspflicht dem Insolvenzschuldner obliegt. Der Erstattungsanspruch aus der Einkommensteuerveranlagung ist hingegen nicht dem insolvenzfreien Vermögen, sondern der Insolvenzmasse zuzurechnen, sodass die Pflicht zur Abgabe der Erklärung den Insolvenzverwalter trifft.16
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Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft wird diese zivilrechtlich grundsätzlich aufgelöst, steuerrechtlich besteht sie zunächst fort. Die Pflicht zur Abgabe der Feststellungserklärung obliegt gemäß § 181 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO weiterhin den Feststellungsbeteiligten. Die Begründung ist darin zu sehen, dass die Erklärungspflicht zu den insolvenzfreien Angelegenheiten der Gesellschaft gehört. Sie berührt die persönliche Sphäre der Gesellschafter und nicht die der Gesellschaft.17
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Der Insolvenzverwalter ist zur Abgabe der Feststellungserklärung verpflichtet, wenn er der Insolvenzverwalter eines Beteiligten ist, über dessen Vermögen gleichzeitig das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, beispielsweise Komplementär-GmbH bei einer GmbH & Co. KG, und die Beteiligung an der Personengesellschaft zur Insolvenzmasse gehört. Sofern ein Erklärungspflichtiger eine vollständige Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung beim Finanzamt einreicht, führt dies dazu, dass die weiteren Beteiligten von ihrer Erklärungspflicht gemäß § 181 Abs. 2 Satz 3 AO befreit sind.18
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Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft obliegt die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärungen für die betrieblichen Steuern dem Insolvenzverwalter. Die Abgabepflicht umfasst die Zeiträume vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als auch die Zeiträume nach der Eröffnung.19
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Sofern über das Vermögen eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, besteht regelmäßig lediglich die Pflicht zur Abgabe der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung gemäß § 181 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Aufgrund der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Gesellschafters ist der Insolvenzverwalter gemäß §§ 34 Abs. 3, 181 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet. Der Insolvenzverwalter wird gemäß § 181 Abs. 2 Satz 3 AO von der Erklärungspflicht befreit, wenn einer der übrigen Gesellschafter der Erklärungspflicht nachkommt.20
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Die Einbindung des Insolvenzverwalters in das Steuerschuldverhältnis ist von einer eventuellen Masseunzulänglichkeit unabhängig.21
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Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen aufgehoben, so erlangt dieser als Insolvenzschuldner kraft Gesetzes seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen wieder zurück. Ab diesem Zeitpunkt kann vom Insolvenzverwalter nicht mehr die Erfüllung steuerlicher Pflichten verlangt werden.22 Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann das FA den Steuerbescheid nicht mehr dem Insolvenzverwalter bekannt geben. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet das Amt des Insolvenzverwalters, und die Verfügungsbefugnis über die (verbleibende) Masse fällt an den Schuldner zurück (§ 259 Abs. 1 InsO). Es gibt keine vermögensrechtlich verselbstständigte Masse i.S. des § 35 InsO) mehr.23
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Die Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten besteht allerdings fort, wenn das Gericht eine Nachtragsverteilung angeordnet hat. Daraus ergibt sich auch die Prozessführungsbefugnis des früheren Insolvenzverwalters.24
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Mit der Anordnung einer Nachtragsverteilung tritt ein erneuter Insolvenzbeschlag ein.25
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Im Übrigen entfällt mit Beendigung des Insolvenzverfahrens neben der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zugleich die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters.26