Читать книгу Simon Knox und die Prophezeiung Asragurs - Jens Hoffmann - Страница 7

Kapitel 5

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Rauschen erfüllte Simons Ohren und er kam langsam wieder zu sich.

„Was für ein Albtraum“, dachte er und wagte nicht die Augen zu öffnen. Wo um Himmels Willen war er? Er lag ganz ruhig da. Irgendetwas unter ihm bewegte sich schwankend. Er hörte den Wind rauschen aber spürte ihn nicht.

Sie waren vom Great Hangman herunter gefegt worden und ins Bodenlose gestürzt. Grewels, der mysteriöse Drache, schien sich einen tödlichen Scherz mit ihnen erlaubt zu haben. Tja, dann mussten sie wohl tot sein und befanden sich auf der Reise ins Nirgendwo. Langsam machte Simon die Augen auf. Erst das eine, dann das andere. Er erstarrte! Spielten ihm seine Sinne einen bösen Streich? Richie, der rechts neben ihm lag, begann sich zu regen und zu stöhnen. Hoffentlich hatte sein Kumpel sich nichts gebrochen und behielt die Nerven, wenn er gleich gänzlich zu sich kam und das erblickte, was er bereits sah, sorgte sich Simon.

„Hey, Richie, wach auf!“, flüsterte Simon und rüttelte seinen Freund an der Schulter. Richie hielt sich den Kopf. Er hatte das Gefühl, dass dieser ihm gleich platzen würde. Langsam machte er die Augen auf, die sich im Nu so weiteten, dass Simon Angst bekam, sie würden ihm gleich aus den Höhlen springen.

„Ach du heiliger Schlamassel!“, entfuhr es Richie. Ruckartig setzte er sich auf und blickte sich verwirrt um. Er und Simon saßen zwischen den riesigen Federn, auf dem Rücken eines Vogels. Jedenfalls hoffte er, dass es ein Vogel war. Denn von sich aufblasenden, Feuer und heiße Luft speienden Drachen, hatte er vorerst die Nase gestrichen voll.

„Wie zum Henker kommen wir denn hierher?“, wollte er wissen.

„Hmm“, überlegte Simon und versuchte sich zu erinnern. „Ich glaube, Grewels hat uns, im wahrsten Sinne des Wortes, durch das Tor geblasen. Und als wir hindurch waren, sind wir in die Tiefe gestürzt. Ich kann mich noch an einen Schrei erinnern. Dann war alles dunkel. Ich dachte erst, das seist du gewesen. Aber jetzt vermute ich, dass es der Vogel war, auf dessen Rücken wir gerade sonst wohin geflogen werden. Sieht so aus als hätte er auf der anderen Seite auf uns gewartet, um uns aufzufangen“, schlussfolgerte Simon.

„Mag ja alles sein, aber wo bringt er uns jetzt hin? Und wo zum Teufel ist Grewels? Der hat uns diese Suppe doch eingebrockt!“, fluchte Richie. Zu Recht, wie Simon fand. Vorsichtig rappelte er sich, an einer riesigen Feder Halt suchend, auf die Knie und bedeutete Richie, es ihm gleich zu tun. Neugierig, aber doch ängstlich, steckten sie ihre Köpfe durch das Federkleid und sogleich erfasste sie ein eisiger Wind. Sie saßen tatsächlich zwischen den gewaltigen Schwingen eines mächtigen Adlers. Fast lautlos segelten sie durch die Lüfte und konnten bis zum Horizont nichts als Wasser sehen.

„Sei mir gegrüßt, Simon Knox, Retter von Morana und auch du, Richard Dawson, sei herzlich gegrüßt!“, vernahmen die Jungen die freundliche und klare Stimme des Adlers. Überrascht sahen sie sich an.

„Ich werd verrückt“, flüsterte Richie. „Ein Adler, der sprechen kann. Das wird uns niemals irgendjemand glauben“, wusste er jetzt schon mit Gewissheit zu sagen.

„Danke, dass du uns gerettet hast. Wir stehen tief in deiner Schuld“, bedankte sich Simon höflich.

„Es war mir eine Ehre, euch diesen Dienst erweisen zu können. Mein Name ist Nephtor. Grewels hat mir schon viel von euch erzählt. In der Tat, er hat nicht übertrieben. Ihr Menschenkinder seid wirklich sehr mutig.“

„Wo ist Grewels?“, unterbrach Richie den Adler. „Er hätte uns beinahe umgebracht“, fügte er aufgebracht hinzu.

„Meine Freunde, Grewels wird zum richtigen Zeitpunkt mit euch in Morana zusammentreffen.“

„Was immer das heißen mag“, dachte Richie etwas säuerlich.

„Es war gewiss nie seine Absicht, euch zu hintergehen oder Schaden zuzufügen. Er mag ein zorniger und ungehobelter Drache sein. Aber glaubt mir, er hat das Herz auf dem rechten Fleck.“

Die beiden Freunde wurden nachdenklich und hofften insgeheim, dass der Adler die Wahrheit sprach.

„Sag mir, Nephtor“, bat Simon. „Wo genau bringst du uns hin? Und wie lange dauert es noch, bis wir dort ankommen?“

„Nun, mein Freund, wir haben noch einen langen Weg vor uns. Aber wenn morgen früh die Sonne am östlichen Horizont aufgeht, dann könnt ihr Morana schon in der Morgenröte liegen sehen. Mir wurde aufgetragen, euch bis an den Rand der großen Moorebene Xuria zu geleiten. Simon, dir steht eine schwierige und überaus gefährliche Aufgabe bevor. Ihr beide habt viel zu lernen, sonst könnt ihr gegen Rodan niemals bestehen. Was nicht nur euren Tod bedeuten würde, sondern auch den Untergang Moranas zur Folge hätte“, erklärte Nephtor den beiden Jungen.

Untergang, Tod? Simon wurde ganz mulmig zumute als er sich jetzt daran erinnerte, dass auch Grewels sie vor ihrer Abreise vor den Gefahren gewarnt hatte, die in Morana auf sie lauerten. Allerdings hörten sich die Worte des Adlers irgendwie beunruhigender an.

„Aber was sollen wir tun, Nephtor? Was können wir denn schon gegen den mächtigen Rodan ausrichten?“, fragte Simon den Adler um Rat.

„Vertraut auf das starke Band eurer Freundschaft, Simon. Denn dieses Band und die Weisheit der Elfen, werden dir die nötige Kraft verleihen, deine Bestimmung zu erfüllen“, erwiderte der Adler freundlich.

„Hab vielen Dank Nephtor“, sagte Simon.


Er und Richie krochen wieder zurück unter das wärmende Federkleid des freundlichen Adlers. Die Ereignisse der letzten Stunden hatten sie arg mitgenommen und sie schliefen schnell wieder ein.


***

„Aufgewacht, ihr Schlafmützen!“, hörten sie Nephtors Stimme, die sie am nächsten Morgen aufweckte. Sofort waren Simon und Richie hellwach und schnell krabbelten sie zwischen den Federn hervor. Die Sonne ging auf und die drei flogen der Küste Moranas entgegen. Hohe Klippen stiegen senkrecht aus dem Meer empor, an denen sich gewaltige Wellen schäumend brachen.

„Mensch, Simon, sieh nur!“, rief Richie und zeigte aufgeregt auf die sich rasch nähernde Küste.

„Das sieht ja fast genauso aus wie die Klippen am Rande des Exmoors.“

Simon blickte der sich schnell nähernden Küste Moranas mit gemischten Gefühlen entgegen. Bei dem Gedanken an den gestrigen Ausflug ins Exmoor sträubten sich ihm jetzt noch die Nackenhaare. Die beiden Freunde wurden nachdenklich. Was würde sie erwarten? Wem würden sie begegnen und welche Gefahren würden auf sie lauern? War es wirklich Simon, der Morana retten konnte? Viele Fragen schwirrten durch ihre Köpfe und sie hatten Angst vor den Antworten, von denen sie wussten, dass sie unausweichlich auf sie zukommen würden.

Wie ein unbeschriebenes Blatt Papier, so lag die Zukunft vor ihnen.

„Festhalten!“, rief Nephtor. „Es geht abwärts!“

Im Sturzflug raste der Adler auf die Klippen zu. Simon und Richie drehte sich der Magen um. Sie schlossen die Augen und hielten sich krampfhaft an den Federn des Adlers fest. Kurz bevor sie auf die Felsen aufschlugen, fing Nephtor ihren rasanten Flug mit ein paar kräftigen Flügelschlägen ab und drehte eine elegante Kurve. Sanft landeten sie im Gras.

Simon und Richie rutschten Nephtors Rücken hinunter und waren froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Noch etwas wackelig auf den Beinen sahen sie sich unsicher um.

„Es kommt mir so vor, als würde nur ein paar Meilen von hier, Tante Abys Haus stehen. Selbst die Klippen und die Heidelandschaft sehen aus wie zu Hause“, stellte Simon verblüfft fest.

„Nepthor, wo sind wir genau und was sollen wir jetzt tun?“, fragte er den Adler um Rat.

„Ihr seid am nordöstlichen Rand der Moorebene Xuria, Simon. Von hier an seid ihr vorerst auf euch allein gestellt. Geht in südlicher Richtung, entlang der Klippen, bis ihr den Fluss Andal erreicht. Wenn ihr dem Flussverlauf in westlicher Richtung folgt, gelangt ihr an eine große Felsenbrücke, die über den Fluss führt. Überquert diese und setzt euren Weg in südlicher Richtung fort. Schon bald werdet ihr an die Grenzen eines großen Waldes kommen, in dessen Mitte Leyhda, die unterirdische Stadt der Moorelfen liegt. Findet Elian, ihren Ältesten und sprecht vor dem großen Rat. Du trägst etwas sehr Kostbares bei dir, Simon: Die Schuppe Asragurs! Sie werden wissen was zu tun ist und ihr seid in Sicherheit. Sei dir also ihres Schutzes gewiss, vertraue deinem Herzen und überlasse dich ihrer Führung“. Der Adler breitete seine kräftigen Schwingen aus und machte sich daran aufzubrechen.

„Hab vielen Dank, Nephtor“, rief Simon ihrem neuen Freund hinterher.

„Wir werden uns wieder sehen, Simon Knox. Möge der Geist Asragurs euch beschützen.“


Lange sahen Simon und Richie dem Adler hinterher, bis dieser nur noch ein kleiner Punkt am blauen Himmel war.


„Und nun, was machen wir jetzt?“, fragte Richie fassungslos, auf einmal vollkommen auf sich allein gestellt zu sein.

Simon überlegte kurz. „Es ist ein schöner, warmer Tag. Wir sollten unsere Pullover und Jacken ausziehen und erst einmal etwas essen. Ich sterbe vor Hunger! Wo ist eigentlich dein Rucksack mit der Decke?“, wollte Simon wissen und zog sich seine Jacke aus. Richie, der irgendwie in seinem Pullover festhing antwortete: „Den hab ich wohl verloren als Grewels uns durchs Tor gepustet hat“, grummelte er missmutig.

„Hast du eine Ahnung, wie weit es bis nach Leyhda sein könnte?“

„Nein“, antwortete Simon und schaute auf die Schuppe des Drachenkönigs, die er aus der Hosentasche gezogen hatte. Sie färbte sich leicht gräulich und verlor allmählich ihr magisches Schimmern. Simon seufzte und zeigte sie Richie. „Wir machen nur eine kurze Rast und essen etwas. Unseren Proviant sollten wir uns gut einteilen. Keine Ahnung, wann wir wieder etwas zu essen bekommen.“

Richie nickte. Auch er war ziemlich hungrig. Also suchten sich die beiden ein schönes Plätzchen auf den Klippen und verputzten jeder ein Sandwich und teilten sich den Apfel, den Tante Aby Simon, wie die Sandwiches, für seinen Ausflug nach Ilfracombe, mitgegeben hatte. Gut, dass Simon sein Taschenmesser dabei hatte, mit dessen Hilfe er den Apfel in zwei gleiche Stücke teilte. Sie schauten übers Meer und Richie fragte:

„Glaubst du, wir kommen jemals wieder nach Hause, Simon? Vielleicht suchen sie schon nach uns. Wie spät ist es eigentlich?“

Simon sah auf seine Uhr. „Hm, merkwürdig. Sieh mal, sie zeigt viertel vor zwei an“. Simon hielt Richie die Uhr hin.

„Das muss die Zeit gewesen sein, zu der wir durch das Tor gegangen sind. Vielleicht ist sie einfach nur stehen geblieben und läuft ganz normal weiter wenn wir auf dem Rückweg wieder durchgehen müssen?“, versuchte Richie die Uhrzeit zu erklären.

„Schon möglich“, erwiderte Simon. „Wir werden es erleben“, fügte er mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube hinzu.

Sie blieben noch ein Weilchen sitzen und Simon überprüfte den Kompass auf seine Funktionsfähigkeit. „Einwandfrei!“, stellte er erleichtert fest. Und so machten sich die beiden Freunde auf den Weg in ein ungewisses Abenteuer.


Es war ein schöner, warmer Sommertag und es vermittelte sich ihnen der Eindruck, als hätten sie das Tor nach Morana nie durchschnitten, so sehr glich Xuria dem Exmoor. Tief unten, am Fuße der Klippen, donnerten die Wellen gegen die zerklüfteten Felsen und vor ihnen erstreckte sich, soweit das Auge reichte, die Moorebene Xuria. Die ihnen wohlvertraute Heidelandschaft, wurde von kleinen Wäldern, murmelnden Bächen und ausgedehnten Feuchtwiesen durchzogen. Vereinzelt durchbrachen schroffe, in der Sonne hell schimmernde Felsen, die liebliche Landschaft. Prächtige, bunte Schmetterlinge, die sie in dieser Größe zuvor noch nie gesehen hatten, verweilten hier und da, auf der einen oder anderen Blüte, um sich an deren Nektar zu laben. Und kobaltblaue, Vögel, mit rot gefiederter Brust und lustigen schwarzen Hauben, flatterten neben ihnen her und erfüllten die duftende Sommerluft mit ihrem Gesang.


Die Sonne stand schon ziemlich hoch als Simon und Richie an den Rand eines kleinen Wäldchens gelangten und beschlossen, eine kurze Pause im Schatten der Bäume zu machen. Da sie aber das bunte Treiben am Wegesrand dermaßen faszinierte, bemerkten sie nicht, dass sich hinter ihnen die Gräser bewegten und die Erde sich aufwarf. Irgendetwas hatte ihre Fährte aufgenommen und bewegte sich zielstrebig auf die ahnungslosen Freunde zu.

„Endlich Schatten“, stöhnte Simon und sie setzten sich ins weiche Moos, am Fuße einer großen Eiche. Gerade als Simon feststellte, dass sie nur noch drei Lammkoteletts und etwas Brot hatten, spürten sie, wie das Erdreich unter ihnen zu beben begann. Starr vor Schreck sahen sie, wie sich etwas auf sie zu bewegte und den Waldboden aufwühlte. Noch bevor sie an Flucht denken konnten, türmte sich vor ihnen ein riesiger Erdhaufen auf, aus dessen Mitte sie ein behaartes Etwas mit frechen kleinen Knopfaugen neugierig anblickte.

„AAHHH!“, schrien Simon und Richie gleichzeitig auf, immer noch ihre Lammkoteletts in der Hand haltend.

„AAHHH!“, schrie auch der kleine haarige Kerl, eher amüsiert als ängstlich. Er schien sich tatsächlich einen Spaß daraus zu machen, die beiden Jungen zu erschrecken. Er krabbelte aus seinem Erdhaufen und hüpfte mutig herunter.

Nachdem er sich durch kräftiges Schütteln der an ihm haftenden Erde entledigt hatte, blieb er vor den beiden stehen und sah Simon und Richie frech und herausfordernd an. Das Pelztier schien jedenfalls nicht gefährlich zu sein, entschieden die Jungen und entspannten sich wieder ein bisschen.

Vor ihnen stand eine Kreatur, halb Maulwurf, halb Biber mit drahtigem, dunkelbraunem Fell, kräftigen Nagezähnen und freundlichen schwarzen Augen, über denen ein paar lange, borstige Haare wuchsen. Seine Pfoten glichen denen eines Maulwurfes, nur waren diese auf ihrer Oberseite ebenfalls mit dichtem Fell bewachsen. Der Schwanz eines Bibers, den der putzige Kerl an seinem Hinterteil trug, klopfte gespannt auf den Waldboden.

„Hmm, das riecht ja ganz köstlich“, nuschelte das Pelztier mit seiner etwas quäkigen Stimme und seine kleine schwarze Nase kam Simons Kotelett gierig schnüffelnd immer näher.

„Möchtest du vielleicht auch eines?“, fragte Simon, kramte das letzte Lammkotelett hervor und hielt es dem neugierigen und offenbar sehr hungrigen Besucher hin.

„Oh, wie freundlich, ausgesprochen gern“, freute sich das ulkige Fellknäuel und grabschte mit seiner auf der Unterseite hart verhornten und mit kräftigen Krallen bewehrten Pfote, nach dem Kotelett.

Der komische „Maulwurfbiber“ lehnte sich entspannt gegen den von ihm aufgeschütteten Erdhaufen. Die eine Pfote auf dem dicken Bauch und in der anderen das Fleisch, an dem er genussvoll, mit geschlossenen Augen und sich schnell hin und her bewegender Nase schnüffelte. „Oh, Verzeihung, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Wie unhöflich von mir. Das ist sonst nicht so meine Art, müsst ihr wissen“, kam es dem freundlichen Nager in den Sinn und mit einem Satz war er auf seine dicken Beinchen gesprungen und verneigte sich höflich.

„Herzlich willkommen in Morana. Mein Name ist Biggs und ich bin der beste und flinkste Tunnelbauer, den es unter uns Wulloms je gegeben hat“, erklärte er stolz. Nachdem der offizielle Teil abgehakt war, plumpste er wieder in seine wesentlich bequemere Ausgangsposition zurück, um sich weiterhin mit Hingabe dem Lammkotelett zu widmen. Simon und Richie gefiel der dicke Wullom.

„Hallo Biggs, freut uns dich kennen zu lernen“, antwortete Simon lachend.

„Ich bin Simon und das hier ist mein bester Freund Richie.

„Wir sind erst vor ein paar Stunden in Morana angekommen“, ergänzte Richie mit vollem Mund.

„Ich weiß sehr wohl, wer ihr Menschenkinder seid. Man bekommt hier in letzter Zeit ja so allerhand zu hören“, erwiderte Biggs, der jetzt dabei war schmatzend den Knochen seines Koteletts abzunagen.

Simon und Richie stellten amüsiert fest, dass er sogar in Begriff war, den Knochen selbst zu verputzen. Was dieser dann auch, dank seiner scharfen Zähne, mit großem Genuss tat.

„Wir sind auf dem Weg in die Stadt der Moorelfen“, erklärte Simon. „Kannst du uns vielleicht sagen wie weit es noch ist?“

„Soso, nach Leyhda, zu den Moorelfen, führt euch also euer Weg. Da habt ihr aber noch einen weiten Weg vor euch“, sagte Biggs, sah die beiden nachdenklich an und schleckte sich, jede Kralle einzeln, die Pfote ab.

„Hmm, das war wirklich köstlich“, befand er und rieb sich zufrieden den vollgefressenen Bauch.


„Möchtest du vielleicht noch etwas Brot?“, fragte Simon und bot Biggs ein Stück von Tante Abygales frisch gebackenem Brot an.

„Aber nur, wenn es keine Umstände macht“, und schon schnappte sich der gefräßige Wullom das Stück, das Simon ihm reichte.

„Oh, wie köstlich, was für ein vortreffliches Aroma“, schwärmte er und ließ sich jeden Bissen auf der Zunge zergehen.

„Ihr wollt also zu den Moorelfen“, begann er Simons Frage zu beantworten.

„Da wird sich Elian aber freuen, dass sein Untertagedasein bald ein Ende haben wird“, fuhr Biggs fort.

„Ihr müsst wissen, dass sich die Moorelfen seit vielen Jahren, aus Angst vor Rodans Zorn, unter der Erde versteckt halten. Niemand weiß genau, wo sie ihre unterirdische Stadt erbaut haben, außer mir natürlich“, machte sich der dicke Nager wichtig.

„Ich habe ihnen damals nämlich geholfen, ein paar Tunnel zu graben; das versteht sich ja von selbst, unter Nachbarn. Es sind wirklich freundliche und hilfsbereite Wesen, diese Moorelfen. Aber als Nachbarn, schlicht und ergreifend zu laut. Ständig diese Musik, das ewige hin und her, tagein tagaus, einfach grauenvoll!

Meine Frau Elda und ich haben das genau ein halbes Jahr mitgemacht. Nachdem wir unseren Winterschlaf, aufgrund des Lärms, immer wieder unterbrechen mussten, haben wir beschlossen, uns eine neue und vor allem ruhigere Bleibe zu suchen“, beschwerte sich Biggs.

„Wisst ihr, ich habe Elian immer gesagt, dass er diese Probleme heute nicht hätte, wenn Rodan bei Zeiten kräftig eins hinter die Löffel bekommen hätte. Dann wäre aus ihm bestimmt nicht so ein Ekel geworden, sie könnten weiterhin auf der Moorebene leben und Elda und ich hätten nicht umzuziehen brauchen.

Aber jetzt wo du da bist, scheint sich ja doch noch alles zum Guten zu wenden“, seufzte Biggs zufrieden und verschränkte entspannt die Pfoten hinter dem Kopf.

„Jedenfalls werdet ihr sehnlichst erwartet“, fuhr er fort, sich scheinbar nicht mehr an Simons Frage erinnernd.

Er sah Simon munter an.

„Offensichtlich bleibt nicht mehr viel Zeit, sonst würden sich nicht die mächtigsten Wesen Moranas dafür einsetzen, dass du gut auf deine Aufgabe vorbereitet wirst. Nach Leyhda sind es von hier aus noch gut zwei Tagesmärsche. Aber ich kenne eine Abkürzung“, verkündete Biggs, stolz darauf, seinen neuen Freunden behilflich sein zu können.

„Ihr spart euch mindestens einen Tag des Weges, oder mehr.“

„Und sagst du uns auch wie?“, fragte Richie neugierig nach.

„Vor ein paar Jahren habe ich einen Tunnel bis kurz vor das Ufer des Flusses Andal gegraben. Meine Frau lag mir damit seit einer halben Ewigkeit in den Ohren. Wir leben in einer gefährlichen Zeit. Und sie wollte unbedingt einen sicheren Weg zum Wasser, damit sie auch weiterhin ihre heißgeliebten Schilfschösslinge ernten konnte. Es wäre mir eine große Ehre, euch beide durch diesen Gang führen zu dürfen“, bot der Wullom Simon und Richie großzügig seine Hilfe an.

Die beiden waren hellauf begeistert und nachdem sie noch ein Weilchen im Schatten gesessen und mit Biggs geplaudert hatten, folgten sie ihm in ein weit verzweigtes Netz aus Gängen, tief unterhalb der Moorebene.

Auf allen vieren, in der Dunkelheit, hinter ihrem neuen Freund her kriechend, bemerkten Simon und Richie, wie es allmählich immer heller wurde.

Biggs führte sie in eine erleuchtete Höhle, in der sie endlich aufrecht stehen und sich umsehen konnten.

„Das hier ist mein Reich“, erklärte der Wullom mit einer ausladenden Geste und ließ die Schönheit dieser Höhle auf die Jungen wirken.

Sie standen in einer großen Felsengrotte, in deren Wänden hell leuchtende und schimmernde Kristalle eingeschlossen waren, die diesen Ort in ein warmes aber auch mystisches Licht tauchten. Simon und Richie waren sprachlos und konnten kaum glauben, was sie da sahen und welche Pracht sie umgab. Simon fand als erster die Sprache wieder.

„Ist das schön hier unten! Wie ist es möglich, dass diese Steine, so viele Meter unter der Erde, leuchten können?“, wandte er sich fragend an Biggs und betastete fasziniert die warmen und leuchtenden Kristalle.

„Tja, berechtigte Frage, mein Freund. Das kann ich dir aber auch nicht so genau erklären. Es heißt, es liege ein Zauber auf diesen Steinen. Jedenfalls nennen wir sie Sonnenkristalle, weil sie unsere Höhlen in helles und wärmendes Licht tauchen, ohne dass wir hier unten nicht leben könnten. Ich denke, ihr werdet ein paar von ihnen auch in Leyhda wiederfinden“.

Biggs sah sich suchend in der Höhle um und Simon und Richie staunten nicht schlecht, als er sich plötzlich, in atemberaubender Geschwindigkeit, kopfüber, in den Höhlenboden grub. Nach ein paar Augenblicken hörten sie ihn schnaufend zurückkommen. In seinen Pfoten hielt er einen besonders hellen und runden Kristall.

„Also meinetwegen können wir aufbrechen“, schlug er vor, hüpfte aus seinem Loch und verschwand in einem der zahlreichen Gänge, die von der Höhle abzweigten.

„Passt auf, wo ihr hintretet“, rief er seinen Begleitern zu. „Hin und wieder gibt es hier tiefe Löcher im Gang, und hier und da können auch ein paar Baumwurzeln im Weg sein“, warnte er sie und wuselte, ihnen voran, den Gang ausleuchtend, immer tiefer ins Erdreich hinein.

Simon und Richie war nicht ganz wohl bei der Sache. Es gab Abschnitte, in denen sie nur gebückt laufen konnten und schmale Gänge, durch die sie nur auf dem Bauch kriechend vorankamen. Aber wenn sie auf diese Weise schneller an ihr Ziel kamen, sollte es ihnen recht sein. Und so folgten sie Biggs, ohne zu murren, durch die Dunkelheit.

Eine gefühlte halbe Ewigkeit später bemerkten Simon und Richie wie der Tunnel langsam anstieg. Und schneller als erwartet, konnten sie dem dunklen Gang entsteigen. Es dauerte ein Weilchen, bis sich ihre Augen wieder an die Sonne gewöhnt hatten. Biggs breitete seine erdigen Pfoten aus, hielt die Nase in den Wind und sog die laue Sommerluft tief ein.

„Ach, ist das ein herrlicher Tag“, seufzte er zufrieden.

Simon und Richie sahen sich neugierig um. Sie waren in unmittelbarer Nähe eines kleinen Sees an die Oberfläche gekommen, der ruhig und friedlich in der Nachmittagssonne glitzerte.

„Wo genau sind wir?“, fragte Simon ihren haarigen Freund, der es sich, mit einem langen Grashalm zwischen den Zähnen, im weichen Heidekraut bequem gemacht hatte und vor sich hin döste.

„Wir sind nicht weit vom Fluss Andal entfernt. Hört ihr das leise Donnern und Rauschen? Der Fluss braust hier noch einmal richtig auf, bevor er dann, über die Klippen, ins Meer stürzt. Ein alles mit sich reißender Strom und ihr solltet seine Kraft niemals unterschätzen“, warnte der Wullom die Neuankömmlinge besorgt. „Bis zur Brücke ist es nicht mehr weit. Ihr umrundet jetzt den See gen Westen und werdet dann schon bald die gewaltige Brücke erkennen können“, beendete Biggs seine Wegbeschreibung und träumte weiter vor sich hin.

Dieser Ort lud tatsächlich zum Verweilen ein, befanden Simon und Richie. Schnell waren Schuhe und Strümpfe ausgezogen und schon wateten sie in dem herrlich klaren und kühlen Wasser umher. Sie machten sich etwas frisch, ließen Steine über das Wasser springen und bestaunten fasziniert die vielen bunten Libellen, die hier herumschwirrten. Nur ein paar Meter weiter, versammelte sich ein Schwarm hellgelber Schmetterlinge am Ufer, offensichtlich eine Erfrischung suchend, genau wie Simon und Richie.

Aber so schön es hier auch war, sie konnten nicht den Rest des Tages hier vertrödeln. Und so entschied Simon, dass es Zeit war aufzubrechen. Biggs schien die gleiche Idee zu haben und er wandte sich mit ernster Miene an die Jungen.

„Ihr habt noch viel vor euch, meine Freunde. Und ich hoffe Asragurs Geist möge mit euch sein, auf das Morana wieder mit Hoffnung in die Zukunft blicken kann. Geht nun zu Elian. Ihm und seinem Volk könnt ihr vollauf vertrauen. Er ist ein alter, weiser Elf und ihr tätet gut daran, ihm Gehör zu schenken und ihm zu folgen. Es wird nur zu eurem Besten sein“, riet ihnen der Wullom.

Zum Abschied überreichte er Simon den Sonnenkristall.

„Ich hoffe wir werden uns eines Tages wieder sehen, Simon Knox. Nehmt diesen Stein und vertraut auf seine wärmende Kraft. Er wird euch sicherlich einmal von großem Nutzen sein.“

„Hab vielen Dank, Biggs. Ohne deine Hilfe wären wir noch nicht so weit gekommen“, sagte Simon und Biggs winkte verlegen ab.

„Viel Glück euch beiden und passt gut auf einander auf“, verabschiedete sich der dicke Wullom und verschwand wieder in seinem Tunnel.

Jetzt waren sie wieder auf sich allein gestellt. Simon packte den Sonnenkristall in seinen Rucksack und sie machten sich auf den Weg, zur großen Felsenbrücke am Fluss Andal.

Simon Knox und die Prophezeiung Asragurs

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