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STÄDTE – EIN GLOBALES PHÄNOMEN

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Das alte China, damals wie heute das bevölkerungsreichste Land der Erde, zeichnete sich durch eine starke, auf die Produktion von Hirse und Reis gestützte Wirtschaft und eine ausgeklügelte Administration aus, die es dem Staat erlaubte, eine große Stadtbevölkerung zu ernähren. Die Shang-Dynastie (ca. 1800–1027 v. Chr.) kannte eine Reihe von Hauptstädten, unter ihnen besonders Erlitou und Anyang. Aus der folgenden Zhou-Dynastie (1027–403 v. Chr.) ist die erste Stadtplanung überliefert. Deren Prinzipien basierten auf einem – die Anlage chinesischer Städte bis in die Neuzeit beeinflussenden – Rastersystem aus heiligen Quadraten, das sich aus kosmologischen, astrologischen, geomantischen und numerologischen Vorstellungen herleitete. Während der Qin-Dynastie (221–206 v. Chr.) gab es unter der Hauptstadt Xianyang eine Reihe administrativer Zentren; ebenso unter der Han-Dynastie (206 v. Chr.–220 n. Chr.), mit den aufeinander folgenden Hauptstädten Chang’an und Luoyang und blühenden Küstenstädten wie Fuzhou. Später, unter der Tang-Dynastie (618–970), war Chang’an (das heutige Xi’an) Hauptstadt und erreichte als solche bis zum 8. Jhdt. eine Bevölkerungszahl von rund zwei Millionen. Die symmetrische Anlage der Stadt diente der Einteilung in funktionell voneinander getrennte Stadtteile, deren Abgrenzung auf tief wurzelnde Vorstellungen über die spirituelle |16|Wirkkraft räumlicher Anordnung und Ausrichtung zurückging – Ideen, die sich in unterschiedlichem Maße über ganz Ostasien verbreiteten. Die Verstädterung im alten China war so umfassend, dass in der Tang-Dynastie mehr als zehn Städte mit einer Bevölkerung von über 300.000 Einwohnern existierten.


KARTE DER STADT JERUSALEM, VOR 1167 Die flämische Pergament-Karte benennt und beschreibt die wichtigen Gebäude, Tore und Straßen der Heiligen Stadt. Die Popularität solcher Karten – v.a. bei Reisenden ins Heilige Land – vermittelt ein Bild von der anhaltenden Bedeutung Jerusalems im Leben und in der Vorstellungswelt christlicher Europäer. Der in Jerusalem gegründete Kreuzfahrerstaat fiel nur zwei Dekaden später, im Oktober 1187, an Saladin, der damit seinen Sieg über die Streitkräfte von Guido von Lusignan, König von Jerusalem, im Juli desselben Jahres bestätigte (Niederlage bei Hattin). Die Form der mit Zinnen versehenen Mauern ist hier genauer dargestellt als auf jenen Plänen, die auf der idealisierten Rundform beruhten. Allerdings sollte Matthäus Paris später die viereckig ummauerte Form ganz bewusst nutzen, um das himmlische Neue Jerusalem aus der Apokalypse, wie es in der Offenbarung des Johannes beschrieben ist, heraufzubeschwören.

Unter der späteren Song-Dynastie (960–1279) hatte die Handels-Metropole Hangzhou eine Million Einwohner – zu einer Zeit, als die Bevölkerungszahl von London gerade einmal 15.000 betrug. Im 11. Jhdt. übertraf der Wohlstand Kaifengs, jener von Kanälen durchzogenen Hauptstadt der Nördlichen Song-Dynastie, welche auf der Qingming-Rolle des Zhang Zeduan so herrlich dargestellt wird, bei Weitem den einer jeden europäischen Stadt dieser Zeit.

Lange bevor sich europäische Siedler dort niederließen, waren auch in der Neuen Welt bereits Städte gegründet worden, allen voran die zapotekische Hügelstadt Monte Albán im zentralen Oaxaca (Süd-Mexiko) um 500 v. Chr. und El Mirador, die größte frühe Maya-Stadt, um ca. 250 v. Chr. Weiter im Westen, in Zentralmexiko, hatte die in einem strengen Raster angeordnete Stadt Teotihuacán mit ihren Stufentempeln um 500 v. Chr. bereits 125.000 bis 200.000 Einwohner. In Südamerika zählte das religiöse Zentrum Tiwanaku (Tiahuanaco) am Titicacasee im heutigen Bolivien bis zu 40.000 Einwohner.

Im Falle eines weiteren auf eine Stadt gegründeten Imperiums – nämlich Rom – war deren Zweck eindeutig und von höchster Bedeutung: Zurschaustellung von Macht. Ein großformatiger Plan der Stadt, die Forma Urbis Romae, war auf einer Wand zur Betrachtung für die Öffentlichkeit angebracht. Der Aufstieg Roms führte innerhalb der Führungsschicht zu einem erhöhten Interesse auch an der übrigen Welt, was sich in der Herstellung des frühesten bekannten Erdglobus um 150 v. Chr. durch den griechischen Gelehrten Krates von Mallos niederschlug.

Eine bevölkerungsreiche Stadt machte eine gut organisierte Infrastruktur notwendig, was wiederum einen erhöhten Bedarf an Karten, die nützliche Informationen grafisch darstellen konnten, nach sich zog. Im 2. Jhdt. n. Chr. könnte die Bevölkerungszahl von Rom bereits eine Million betragen haben. Die hierfür zu gewährleistende Warenversorgung war eine erhebliche ökonomische, verwaltungstechnische und logistische Leistung, besonders die Versorgung mit Getreide aus Sizilien, Tunesien und Ägypten, wobei Alexandria als ein Hauptumschlagplatz fungierte. Große Warenhäuser im Südwesten Roms entlang des Tiber zeugen von der Bedeutung des Handels.

Die römische Zivilisation basierte auf einer städtischen Kultur und Organisationsweise. Gezielt als Militärbasen und Zentren für Handel und Verwaltung gegründet, entwickelten sich Städte quer durch die römische Welt.

Während Rom der kartografischen Darstellung die Bühne bereitete, wurden die großen Erkenntnisfortschritte |19|andernorts gemacht. Eratosthenes (ca. 276–194 v. Chr.), ein griechischer Astronom und Leiter der Bibliothek von Alexandria, berechnete den Umfang der Erde mit erstaunlicher Genauigkeit. Ebenfalls in Alexandria, nun Teil des Römischen Reichs und ein Zentrum des intellektuellen Lebens, erstellte Ptolemäus (ca. 90–ca. 168 n. Chr.) ein Ortsverzeichnis der Welt, das eine Schätzung der geografischen Koordinaten beinhaltete.

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MITTELALTERLICHE KARTE VON JERUSALEM Diese Karte stammt von Robert dem Mönch, Abt des französischen Klosters Saint-Rémi bei Reims, der die Eroberung Jerusalems im Jahr 1099 miterlebte und die Geschichte des ersten Kreuzzugs schrieb. Auch wenn dem Bericht über Arculfs Pilgerfahrt bereits um 670 Pläne Jerusalems und der Heiligen Stätten zur Seite gestellt waren, wird die Stadt erst nach ihrer Eroberung im 1. Kreuzzug (1096–1099) auf regelmäßiger Basis dargestellt. Mittelalterliche Karten vermitteln üblicherweise recht grundlegende Daten im Rahmen einer bestimmten räumlichen Darstellung – sie suchten nicht so sehr, die geografische Wirklichkeit abzubilden, als vielmehr einer bestimmten Zielgruppe bestimmte Informationen zur Verfügung zu stellen. So zeigte etwa eine Pilgerkarte Heiligtümer und Herbergen. Die meisten Karten von Jerusalem waren stilisiert, mit einer runden, schematisch abgebildeten Ummauerung und Durchgangsstraßen, die ein Kreuz bildeten. Religiöse Symbolik hatte Vorrang vor Genauigkeit. Die Karte war mit wichtigen religiösen Stätten ausgeschmückt. An vielen davon standen Kirchen. Die Karte von Robert dem Mönch ist zwar keine typische T-O-Karte oder mappa mundi (eine geografisch-theologisch gehaltene Darstellung der Welt), aber die christliche Symbolik ist offensichtlich. Neben Kirchen scheint es aber auch Tempel und Moscheen zu geben.

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AUSSCHNITT EINES ITINERARS: LONDON NACH BEAUVAIS, AUS DER HISTORIA ANGLORUM (CA. 1200–59) Der Benediktinermönch Matthäus Paris war einer der besten Kartenzeichner seiner Tage und ein bedeutender Chronist. Zu einer Zeit, als die Herstellung von Büchern weitgehend eine gemeinschaftliche Anstrengung war, ragte Paris dadurch heraus, dass er zugleich als Kompilator, Schreiber, eigenständiger Autor und Buchmaler tätig war. Er schuf sein Werk während der Regierungszeit König Heinrichs III. (reg. 1216–1272), einer Zeit wirtschaftlichen Wachstums und zahlreicher Stadtgründungen. In seiner Historia Anglorum lieferte Paris einen detaillierten Wegeplan von London nach Jerusalem durch Frankreich und Apulien. Jede Tagesreise wird linear und mit der Abbildung markanter Merkmale entlang des Weges dargestellt. Der Abschnitt von Beauvais nach London führt über Rochester, Canterbury und Dover, und dann über Wissant, Boulogne, Montreuil, Saint-Valery-sur-Somme, Abbeville, St.-Riquier und Poix-de-Picardie nach Beauvais. Manche Forscher behaupten, dass, so genau ein solches Itinerar auch sein mag, die eigentliche Reise eine spirituelle war und sich in der Fantasie angehender oder verhinderter Pilger vollzog – im Falle des Umfelds von Paris waren das die Mitglieder von Klostergemeinschaften. Die Karte von Jerusalem steht, vielleicht aus religiösen Gründen, auf der siebten Seite.

In der zwischen 335 und 366 erstellten, aber nur als Kopie aus dem 12. Jhdt. erhaltenen, Tabula Peutingeriana dienten Städte als Mittel der räumlichen Einteilung. Die Karte zeigt Hauptverkehrswege und wichtige Städte, wobei eine jede ein eigenes stilisiertes Symbol erhielt; eine Methode, die auch viele Jahrhunderte später noch in Gebrauch war. Ähnlich listet die Kosmographie von Ravenna, die um 700 n. Chr. von einem anonymen Kleriker in Ravenna, der letzten Hauptstadt des Weströmischen Reichs, erstellt wurde, mehr als 5000 Orte auf, die das ganze Römische Reich umspannen.

Die heutige technologiegestützte Archäologie liefert uns weit umfassendere Erkenntnisse, als sie aus den erhaltenen klassischen Karten zu gewinnen sind. Besonders gilt dies für Rom. Die Herstellung jeder Karte involviert eine Entscheidung darüber, was ausgelassen wird, sodass bei der Untersuchung historischer Karten die selektive Darstellung von Geschichte stets zu berücksichtigen ist.

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