Читать книгу Die Verlobte seines Bruders - Jessa James - Страница 6

Effie

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Das Leben ist nicht fair, oder?, dachte Effie, während sie mit ihren Fingern durch das hasenähnliche Fell der alten Ragdoll-Katze strich. Jedenfalls nicht für diesen Kater.

Effie beugte sich über das kühle Plastik der Maschine, während sie Dr. Yung beobachtete, die den Bildschirm anstarrte. Bei den meisten Aspekten ihres Jobs als Tierarzthelferin gab sich Effie cool, aber sie war nervös, als Dr. Yung das MRT beendete.

„Immer noch gleich?“, fragte Effie.

„Leider. Er hat noch keine Herzinsuffizienz entwickelt, aber die Arrhythmie ist gleichgeblieben. Aber wenigstens können wir seiner Familie sagen, dass er stabil ist.“

Dr. Yung streifte ihre Handschuhe ab, während Effie den trägen Kater hochhob. Der alte Kater blinzelte suchend in Effies Augen.

„Er hat die wundervollsten Augen. Wie eine Galaxie.“

„Tatsächlich finde ich, dass seine Augen deinen ziemlich ähnlich sehen“, meinte Dr. Yung.

Effie spähte zu der älteren Frau hoch. „Meinen Sie damit, meine Augen sehen wie die einer Katze aus, oder anders herum?“

„Beides, nehme ich mal an. Geh ruhig schon und stemple dich aus, wenn du ihn wieder in seiner Box verstaut hast. Ich werde mit der Familie reden. Der nächste Kunde hat abgesagt, also sind wir für heute fertig.“

Effie lockte den Kater in die Transportbox, die für kleine Hunde gedacht war. Er schien froh darüber zu sein, wieder in die abgeriegelte Sicherheit zurückkehren zu können.

Sie zog den Haargummi vom Ende ihres Zopfes, sowie sie in ihren Explorer rutschte. Sowohl die zweite als auch dritte Sitzreihe war nach hinten geklappt und auf dem gesamten taupefarbenen Interior gab es Beweise verschiedenster Tierhaare. Effie seufzte, während sie mit den Fingern durch ihren geöffneten Zopf kämmte und ihre dichten mahagonifarbenen Locken ausschüttelte.

Sobald sie das Auto angelassen hatte, vibrierte ihr Handy.

„Hi, Yaya“, sagte sie mit einem Lächeln, während sie den Lautsprecher anschaltete und vom Parkplatz der Tierklinik fuhr.

„Hi, Baby. Pós eísai? Gut?”

Eímai kalá“, erwiderte Effie, sich bewusst, wie steif und unbeholfen ihr Griechisch klang.

„Ah! Du hast geübt!“, lobte ihre Oma in ihrem starken griechischen Akzent.

„Frag mich aber bloß nichts anderes, das ist so ziemlich das Einzige, das ich auf Lager habe“, sagte Effie lachend.

„Okay, okay. Ich war mir nicht sicher, ob ich dich noch erwischen würde. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, um wie viel Uhr du fertig bist.“

„Ich bin heute ein bisschen früher fertig geworden. Ein Kunde hat abgesagt.“

„Ich verstehe. Also was machst du gerade? Fährst du zu Thorne?“

„Wie hast du das nur erraten?“

χρυσό μου, wo solltest du sonst hingehen? Zu deinem Freund oder zur Arbeit, das ist alles. Und das ist gut, so wie es sein sollte. Ich bin mir sicher, King wird sich freuen.“

„Tho – egal, vergiss es“, sagte Effie.

Sie biss sich auf die Lippe. Sie verspürte immer noch einen Stich in ihrem Herzen, wann immer jemand Kings Namen erwähnte. Es half auch nicht, dass es die ganze Zeit geschah.

Selbst wenn Yaya nicht auf dem Weg zu einer Demenz wäre, bedeutet, mit dem Bruder deines Ex‘ verlobt zu sein, nicht unbedingt, dass du seinen Namen nie wieder hörst, rief sie sich ins Gedächtnis.

„Wie geht’s dir, Yaya?“

„Oh, prima. Ganz prima. Denk dran, wir brauchen mehr Thymian. Kannst du welchen mitbringen? Clem, vergiss es dieses Mal nicht, ja?“

„Yaya, hier ist… okay, ja. Ich werde welchen besorgen.“

Sie schluckte die Proteste, die in ihr hochstiegen, als Yaya sie Clem nannte. Es war nicht das erste Mal, dass Effie mit dem Namen ihrer Mutter angesprochen worden war, und es würde auch nicht das letzte Mal sein.

Effie brauste an dem WILLKOMMEN IN GLENCO, ILLINOIS Schild vorbei und tastete in der Mittelkonsole blind nach einem Papierzettel. Während sie die Abfahrt zu Thorne nahm und an einem Stoppschild hielt, kritzelte sie sich eine Notiz.

Thymian kaufen.

Effie hatte keine Ahnung, ob ihnen der Thymian wirklich ausgegangen war, aber wenn Yaya in Kochlaune war, war fehlender Thymian ein ausgewachsenes Desaster. Sie zermarterte sich das Gehirn, wie das Gewürzregal das letzte Mal, als sie es gesehen hatte, ausgesehen hatte, aber sie konnte sich nicht daran erinnern.

„Und Oregano. Dieses Mal den in der Glasflasche. Plastik und Glas, das macht einen Unterschied, weißt du.“

„Ja, Yaya, ich weiß“, entgegnete Effie.

„Effie?“

„Ja?“

„Was ist los?“ Sie hörte die Sorge in Yayas Stimme, den Hauch von Klarheit, der ihr verriet, dass Yaya – zumindest für den Moment – einen klaren Kopf hatte.

„Nichts. Was meinst du?“

„Du klingst… ich weiß nicht. Traurig vielleicht. Was stimmt nicht?“

„Nichts, Yaya, wirklich.“

„Effie, ich kenne dich. Welchen Grund gibt es, traurig zu sein? Du hast einen perfekten Verlobten, der so höflich ist. Einen guten Job –“

„Yaya, mir geht’s gut. Wirklich. Ich bin nur müde. Es war ein langer Tag auf der Arbeit.“

Yaya seufzte. „Traurigkeit ist nicht hübsch.“

Effie fuhr fast geradewegs in den Kofferraum eines kleinen Mercedes Cabriolet, der in Thornes Einfahrt parkte. „Mist!“

„Effie!“

„Sorry, Yaya, ich muss Schluss machen. Ich bin gerade bei Thorne angekommen.“

„Nur, wenn du mir versprichst, dass du nicht traurig bist.“

„Das bin ich nicht. Ich verspreche es. Hab dich lieb.“

Effie beendete das Telefonat, während sie auf den Gehweg fuhr in dem Versuch, den SUV auf den begrenzten Platz zu lenken, der für das Parken am Straßenrand reserviert war. Sowie sie den Motor ausschaltete, öffnete sich der graue Himmel und ein Regenschauer setzte ein.

„Die Sonne wird rauskommen… irgendwann, richtig?“, murrte sie vor sich hin.

Der Regenguss kam plötzlich und heftig. Wegen der starken Wind- und Regenböen konnte sie die Tür kaum öffnen. Effie zog sich die Kapuze ihrer Jacke über den Kopf, ein dunkelbrauner Trenchcoat, der mit weißen Katzenhaaren übersät war.

Sie sprintete die maßgefertigte Steintreppe von Thornes nagelneuer Eigentumswohnung hoch, die mit bodentiefen Fenstern im Mid-century modern Stil gebaut worden war. Selbst in dem wohlhabenden Vorort Chicagos am Nordufer war das Gebäude von Thornes Wohnung ein architektonisches Schmuckstück. Und ihm – nun, schon bald würden es ihnen heißen – gehörte das gesamte Penthouse und ein exklusiver Aufzug.

Effie überprüfte ihr Aussehen im Spiegel des Aufzugs, während dieser sie gen Himmel beförderte. Sie hasste es, dass sie sich darum Gedanken machte, aber Thorne hatte mehr als einmal klargestellt, dass er, oder vielmehr seine Eltern, gewisse Dinge von ihr erwarteten.

Wie zum Beispiel nicht voller Tierhaare nach Hause zu kommen, dachte sie.

Als die Aufzugtüren aufglitten, griff ihre Hand automatisch nach dem vertrauten Bronzegriff, doch die Wohnungstür stand sperrangelweit offen.

„Thorne?“, rief sie. In einem der hinteren Zimmer konnte sie das Hämmern von Musik hören. Dua Lipa stöhnte aus Thornes Stereosystem. Das dämliche Teil, das mit einem Preis kam, der so hoch war, dass es Effie kaum ertragen konnte, von den Kosten zu hören. Vor allem wenn Thorne dann auch noch vor Freunden mit seinen neuesten Käufen prahlte oder auf Instagram Fotos mit zu vielen Filtern postete.

„Thorne!“, rief sie erneut.

Sie lief durch den Flur, dessen eine Seite mit Spiegeln dekoriert war und die andere mit einer Mischung von Fotografien in Sterlingsilber- und Kristallrahmen. Sie kannte jedes der Fotos in- und auswendig und wusste auch genau, wo sie nicht hinschauen sollte.

Auf zwei der Fotos war King zu sehen. Eines der Fotos war aufgenommen worden, als sie noch zusammen gewesen waren, aber natürlich war sie nicht auf diesem Foto zu sehen. Es war von einem Familienosterbrunch im Alinea in der Stadt. Aber King hatte das Hemd getragen, das sie ihm gekauft hatte, kurz bevor sie miteinander Schluss gemacht hatten.

Das passiert nun mal, wenn man zwei Männer aus der gleichen Familie datet, dachte sie müßig. Es machte Familienfotos unangenehm, um es mal vorsichtig auszudrücken.

Effie ließ ihre Augen über die förmlichen Verlobungsfotos von sich und Thorne schweifen. Ihre Mom und Yaya hatten die gleichen Fotos in ihrem kleinen, unscheinbaren Häuschen. Es waren wunderschöne Fotos, aber sie hätte schwören können, dass ihr das Paar auf den Fotos völlig fremd war. Ihre zueinander passenden falschen Lächeln sahen allerdings absolut perfekt aus.

Die Musik wurde lauter, als sie sich dem Schlafzimmer näherte, dessen Tür leicht geöffnet war.

„Thorne?“, fragte sie, während sie die Tür aufstieß. Sie sah seinen breiten, nackten Rücken, der über die Bettkante gebeugt war. „Was machst du –“

Er drehte sich abrupt um, gerade als eine Frau ihren Kopf zwischen seinen Beinen hervorzog. Die Frau wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, während Thorne ihre Haare aus seiner Faust entließ.

„Effie! Was zum Henker – warum bist du nicht auf der Arbeit?“

Ich?“, fragte sie, überrascht, wie leise und angespannt ihre Stimme klang. „Was machst du… wer ist sie?“

„Was ist hier los?“, wollte die Frau wissen, während sie hastig nach etwas suchte, mit dem sie sich bedecken konnte. Effie konnte einfach nicht den Blick von ihr abwenden. Es war, als würde sie in einen Spiegel schauen. Die gleichen dichten, rötlich braunen Haare. Die strahlend blauen Augen. Die gleichen vollen Brüste.

„Thorne, was zum Teufel?“, kreischte die Frau. „Du hast gesagt, ihr habt euch getrennt!“

„Ich – ich hab das nie gesagt“, widersprach Thorne. Er blickte von einer zur anderen. „Effie, du musst mir glauben, ich habe nie gesagt, dass –“

„Mir ist schnuppe, was du gesagt hast“, entgegnete Effie. Sie wollte schreien, weinen, aber es fühlte sich an, als würde alles in ihrer Brust feststecken. „Mir ist egal, was du ihr erzählt hast! Warum hast du… wie lange… egal“, sagte sie. „Vergiss es.“

Effie drehte sich um und knallte die Tür hinter sich zu. Als sie durch den Flur hastete, konnte sie die Frau schreien und Glas zerbrechen hören.

Mach ihn fertig, dachte sie bei sich. Wenn sie sich nicht dazu bringen konnte, den Zorn auszudrücken, den er verdiente, dann sollte das ihre Doppelgängerin übernehmen.

Sie schloss sich in der Bibliothek ein und zerrte eine der Ledertaschen aus dem Schrank. Effie war bis zu diesem Moment nicht bewusst gewesen, dass die Dinge, die wirklich ihr gehörten und die sie am meisten mochte, Thorne in das kleinste Zimmer der Wohnung verbannt hatte. Es war im Grunde genommen nur ein Schrank, wenn auch ein hübscher. Sie stopfte ihre USB-Sticks und Laptop in die Tasche, die Flasche Parfüm, die ihre Yaya vor Jahren aus Griechenland mitgebracht hatte, und den Stapel ihrer Lieblingsliebesromane.

Vergiss die Klamotten und das Make-up, dachte sie. Verschwinde einfach.

Als sie den Reißverschluss der Tasche zuzog und die Bibliothek verließ, konnte sie hören, dass die zwei im Schlafzimmer nach wie vor zu Gange waren. Sie konnte nicht sagen, ob sie stritten oder vögelten, aber es interessierte sie auch nicht. Sie musste von hier wegkommen, so schnell wie möglich.

Effie hämmerte mit dem Daumen auf den Aufzugknopf. Tränen fingen an, in ihren Augen zu brennen, aber sie wollte verdammt sein, wenn sie weinen würde, ehe sie es zu ihrem Auto geschafft hatte.

„Effie!“, hörte sie Thorne brüllen, als er ansetzte, ihr durch den Flur mit schweren Schritten hinterherzurennen. „Effie, stopp! Lass uns darüber reden, das Ganze ist total aus dem Zusammenhang gerissen –“

Bitte geh zu, betete sie, während sie beobachtete, wie er um die Ecke zum Aufzug bog, nackt und immer noch halb-steif. Bitte geh zu.

Als befände sie sich in einem perfekt getimten Film, glitten die Aufzugtüren zu, als er nur noch Zentimeter entfernt war.

Effie rannte zum Auto, die Kapuze abgesetzt und ließ den starken Illinois Regen auf ihren Kopf trommeln. Sie schloss sofort die Tür ab und fuhr, ohne nachzuschauen, vom Straßenrand weg. Hinter ihr hupte es laut und sie sah einen weißen Escalade, der scharf nach links schwenkte, damit er nicht in sie krachte.

„Drei Jahre“, sagte sie laut, während sie die Tränen, die über ihre Wangen strömten, wegwischte. „Drei gottverdammte Jahre.“

Das war eine lange Zeit, um sie mit jemandem zu verbringen und zu verschwenden. Und das nachdem sie ihre gesamte Highschoolzeit mit King zusammen gewesen war!

Oh, die Jahre, die ich an die Smith Brüder verschwendet habe. Sollen sie doch beide zur Hölle fahren.

„Ich bin eine verfluchte Idiotin“, schimpfte sie und dachte sich, dass sie einen Drink brauchte.

Effie suchte in dem kleinen Arsenal an Boutiquen in Thornes Viertel nach irgendeiner Art von Bar. Irgendetwas, das keine zwanzig Dollar Cocktails und Entrees, die einen Tageslohn kosteten, anbot, würde ihr genügen. Doch in Thornes schickimicki Viertel gab es nichts, das auch nur annähernd an das herankam, was sie jetzt brauchte.

Was sie eigentlich am meisten brauchte, war ein Ort, an den sie verschwinden konnte.

Schließlich fuhr sie zu einem kleinen Tapas-Laden, der mit seiner Happy Hour warb. Effie parkte ganz hinten auf dem Parkplatz und beobachtete, wie ein makellos gekleidetes Paar kreischte, als der Valet die Türen mit gigantischen schwarzen Regenschirmen öffnete.

Sie konnte das Bild dieses Betrügers einfach nicht aus ihrem Kopf kriegen. Der Gedanke an ihre Doppelgängerin, die über Thornes Schenkel spähte, trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie spürte, wie Zorn in ihrer Brust anschwoll, an der Innenseite ihrer Kehle kratzte und verzweifelt versuchte, zu entwischen.

„Wie konntest du mir das antun?“, schrie sie in der leeren Fahrerkabine des Autos. Endlich hatte sie ihre Stimme wiedergefunden.

Sie war nicht dumm gewesen. Als Thorne sich anfangs an sie rangemacht hatte, hatte sie gewusst, dass er es nur tat, um King eins auszuwischen. Immerhin hatten sie und King sich erst einen Monat zuvor getrennt.

Da war sie gewesen, hatte in einem Starbuck‘s gesessen und in ihr Getränk gestarrt. Hatte darüber nachgedacht, dass King sie kein einziges Mal angerufen oder ihr geschrieben hatte in dem Monat, seit er gegangen war.

Er hatte sie vollkommen vergessen, obwohl er sie die Liebe seines Lebens genannt hatte. Als sie an jenem Tag also seine große Gestalt gesehen hatte…

Sie konnte sich eingestehen, dass sie mehr als ein wenig deprimiert gewesen war, als sie realisiert hatte, dass es sich um Thorne handelte. Und er war auf der Suche nach ihr gewesen, um ihr einen Vorschlag zu unterbreiten.

Effie musste zugeben, dass ein Teil von ihr die Idee gemocht hatte. Sie hatte sich sogar ein wenig daran erfreut. Wenn sie und Thorne gemeinsam King verärgern konnten, warum nicht?

Es war ja nicht so, als würde King herumstehen und auf sie warten. Er war längst fort.

Sie hatten diesbezüglich nie etwas laut besprochen, aber es war eine Art stillschweigendes Einverständnis. Dann war die Sache komplizierter geworden. Chaotischer.

Als Thorne ihr nach drei Monaten gestanden hatte, dass er sie liebte, hatte sie das erwidert, weil sie bereits mitten in einer Beziehung gesteckt hatten. Außerdem hatte ihre Mom sie beharrlich in seine Richtung gedrängt.

„Aber er ist Kings Bruder!“, hatte sie protestiert. Sie erinnerte sich noch deutlich an jene Nacht. Effie hatte noch immer ihre Robe von der Highschoolabschlussfeier getragen.

„Ja und?“, hatte ihre Mom gefragt. „Du und King, das war nichts. Eine Schwärmerei. Thorne ist der Respektable. Der Erwachsene. Und seine Familie liebt dich bereits!“

„Mom –“

„Bei Beziehungen geht es nicht nur um zwei Leute“, hatte ihre Mom gesagt, was Effie dazu gebracht hatte, den Mund zuzuklappen.

Drei Jahre später hatte Thorne ihr einen Antrag gemacht. Thorne hatte sie, ihre Mom und Yaya zu einem edlen Restaurant ausgeführt, wo er für alle bestellt hatte. Bevor die Appetizer serviert worden waren, hatte sich Thorne über den Tisch gebeugt und die Hand ihrer Mom genommen.

„Ich möchte, dass du weißt, dass Effie und ich heiraten? Das bedeutet, dass ich mich auch dir verpflichtet habe. Und Yaya. Ihr müsst euch um nichts mehr Sorgen machen. Ich werde mich um euch kümmern.“

Als ihrer Mom Tränen in die Augen getreten waren, hatte Effie gewusst, dass sie das Richtige tat. Außerdem war Thorne ein ganz anständiger Kerl. Zumindest hatte sie das gedacht.

„Kümmerst du dich etwa so um mich? Um uns?“, fragte sie, doch das leere Auto gab ihr keine Antwort. „Arschloch!“

Das Wort, das nur selten über ihre Lippen kam, ließ sie erschaudern.

Wag es ja nicht, wegen ihm zu weinen, schimpfte sie sich. Keine einzige Träne!

Effie schniefte und blickte durch den Regenvorhang auf das Restaurant. So richtig es sich momentan auch anhörte, sie konnte sich nicht dazu überwinden, jetzt etwas zu trinken. Am allerwenigstens an einem öffentlichen Ort umringt von glücklichen Pärchen.

Stattdessen nahm sie ihr Handy in die Hand und scrollte zu MOM.

„Mom?“, fragte sie, als ihre Mom ein verschlafenes „Hallo?“ ins Handy nuschelte. „Wo bist du?“

„Auf einem Debütantinnenball, wo denkst du denn?“

Effie hörte den Ärger in der Stimme ihrer Mom.

„Mom, ich muss auf eine Geschäftsreise zu einer Konferenz. Es ist wirklich kurzfristig, ich habe erst heute davon erfahren. Kannst du dich um Yaya kümmern? Wir… wir haben keinen Thymian mehr. Und vielleicht auch keinen Oregano.“

„Effie, ernsthaft? Jetzt ist kein guter Zeitpunkt. Du wohnst noch nicht bei Thorne, weißt du. Du wohnst hier. Bei uns. Wo du gewisse Verantwortungen zu übernehmen hast.“

Was zum Teufel machst du denn sonst noch, außer dich den ganzen Tag im Haus einzuschließen und fernzusehen?

„Es tut mir leid, aber das ist wirklich wichtig für meine Karriere –“

„Du bist eine glorifizierte Tierfriseurin, Effie. Was für einen Notfall könnte es da schon geben?“ Effie hörte, wie der Hörer auf der anderen Seite auf die Gabel geknallt wurde. Manchmal glaubte sie, dass ihre Mom nur zu diesem Zweck das Festnetztelefon behielt.

„Scheiß drauf“, sagte sie. Sie startete ihren Wagen und versuchte, zu entscheiden, wohin sie fahren sollte.

Es wurde dunkel und die Straßen zurück zu ihrer Wohnung wären mittlerweile von der Rush Hour verstopft. Sie brauchte einen Ort, an den sie gehen konnte und der außerhalb der Stadt lag. Sie erwog, ein Hotelzimmer zu mieten, aber die Vorstellung, so viel Geld auszugeben, wenn die Zukunft so ungewiss war, machte sie nervös. Sie ging ein paar Ideen durch und verwarf einige Orte und dann kam ihr ganz plötzlich eine mögliche Lösung.

Die Smith Familienhütte.

King hatte sie in der Highschool unzählige Male zu dem kleinen, nicht weit entfernten Rückzugsort in den Hügeln mitgenommen. Dort hatte sie ihre Jungfräulichkeit verloren.

Effie durchwühlte das Handschuhfach und hoffte entgegen aller Vernunft, dass in der kleinen Ersatzschlüsselschachtel der Hüttenschlüssel lag. Sie schnappte sich die Schlüssel und seufzte fast vor Erleichterung, als sie ihn sah.

Ein großer goldener Schlüssel mit dem Schildchen „Hütte“ hing an einem kleinen Kiefernschlüsselring.

Sie fuhr vom Parkplatz, ihr Ziel in Stein gemeißelt.

Zu dem Zeitpunkt, als sie auf den Schotterparkplatz fuhr, war es dunkel. Doch als sie in die vertraute Hütte mit ihrer himmelhohen Kathedralendecke trat, wurde sie sofort von der Wärme getröstet. Effie entzündete ein Feuer und suchte im Weinlager nach einem vollmundigen Dessertwein. Etwas, das sie betrunken machen und zugleich mit Zucker versorgen würde.

Sie ringelte sich neben dem Feuer ein und wickelte sich in eine dicke Pendleton Wolldecke. Doch gerade, als sie es sich gemütlich gemacht hatte, tauchte das Bild von Thorne, der irgendeine fremde Frau vögelte, in Effies Gehirn auf und ging einfach nicht wieder.

In Ordnung, sagte sie sich widerwillig. Du kannst ein bisschen weinen. Nur für ein paar Minuten.

Sie begann, darüber nachzudenken, wie sehr sie und Thorne miteinander verbunden waren, wie sehr sie sich erlaubt hatte, sich auf ihn zu verlassen in Bezug… nun, auf alles. Das Ganze zu klären würde so gut wie unmöglich werden.

Und das schloss noch nicht einmal ihre bevorstehenden Eheversprechen mit ein. Erst letzte Woche hatten sie eine Anzahlung für einen Veranstaltungsort für die Feier geleistet.

Meine Güte, was für ein Schlamassel!

Als sie schließlich die halbe Flasche getrunken hatte, hatte sie sämtliche Tränen vergossen. Erschöpft schlief sie ein, während das Licht der Flammen über ihr geschwollenes Gesicht leckte.

Die Verlobte seines Bruders

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