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King

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King ächzte und rollte sich im Bett herum. Die Kühle der Seidendecke konnte seine Schmerzen nicht lindern. Er verzog schmerzerfüllt das Gesicht, als er die blauen Flecken, frisch und neu, auf seinen Rippen erblühen spürte. Während er sich nach oben stemmte, verflog die Taubheit, die der Schlaf geboten hatte, vollständig.

King stellte sich vor den Spiegel, der mit dickem Holz umrahmt war, um zur Familienhütte zu passen, und begutachtete seine Rippen. An manchen Stellen bedeckten die Blutergüsse einen Teil seiner Tinte fast vollständig und verwandelten seine Tattoos in Schemen.

Während er mit seiner Hand über die Wölbungen seines Bauches strich, verspürte er einen Hauch Lust, der sich mit dem Schmerz vermischte.

„Das ist der Preis, den du bezahlen musst“, teilte er seinem Spiegelbild mit.

Die grauen Augen im Spiegel starrten ihm entgegen. Effie hatte ihm früher immer gesagt, „Der Himmel ist heute wütend“, wenn sie zu ihm aufgeblickt hatte. Er hasste es, dass sie ihn so mühelos hatte lesen können.

King betrachtete sich noch eine Minute im Spiegel, dann ging er ins Bad. Die Dielen unter seinen nackten Füßen knarzten wie das Jammern weitentfernter Gespenster.

Er drehte den Wasserhahn über der Badewanne auf in der Absicht, sich kurz zu Duschen. Doch während er darauf wartete, dass das Wasser warmlief, konnte er nicht aufhören, über die Vergangenheit nachzudenken.

Als King die Mafiabosse in L.A., für die er die vergangenen Jahre gearbeitet hatte, verlassen hatte, hatte er gewusst, dass er einen Preis dafür bezahlen würde. Er hatte nur nicht gewusst, wann diese Bezahlung eingefordert werden würde. Doch sowie er die Schlägertypen auf dem Parkplatz gesehen hatte, hatte er es gewusst.

Er hatte einst einen Anzug getragen, der genau wie die ausgesehen hatte, die sie getragen hatten.

„King Smith?“, hatte einer gefragt.

King hatte nicht geantwortet. Er hatte sich einfach nur umgedreht, um in Empfang zu nehmen, was auch immer sie für ihn bereithielten.

Der erste Schlag war immer der schlimmste. Derjenige, der sich nach seinem Namen erkundigt hatte, war jung gewesen, gerade mal achtzehn, und mehrere Zentimeter kleiner als King, aber gebaut wie ein Stier. Sowie er die harten Knöchel an seinem Kiefer gespürt hatte, hatte sich ein Kupfergeschmack in seinem Mund ausgebreitet.

„Was zum Teufel stimmt mit dem Typen nicht?“, hatte er einen der anderen fragen gehört, als seine Knie auf dem Asphalt aufgeschlagen waren.

Er hatte nicht mehr zwischen Fäusten und Tritten unterscheiden können, sie waren auf seinen ganzen Körper niedergeprasselt. Ein Schauer wütender Schläge und Hiebe. Es hatte sich angefühlt, als würde sich sein ganzer Kopf mit Blut füllen, und das Geräusch einer Rippe, die gebrochen wurde, hatte wie das Knacken eines Astes geklungen.

Aber King hatte sich geweigert, sich zu wehren. Das hätte es nur noch schlimmer gemacht. Selbst durch den zugeschwollenen Spalt seiner Augen hatte er den jüngeren innehalten sehen können, als sie fertig gewesen waren.

King kannte diesen Blick. Der Kerl fragte sich, ob er noch einen letzten guten Treffer platzieren sollte, wie es die Bösewichte in den Filmen immer taten. Der Treffer, der Kings Kiefer ausrenken oder seine Nase zertrümmern würde.

Er war sich nicht sicher, ob er sich richtig daran erinnerte, oder ob er sich einfach nur wünschte, dass er es getan hätte – aber er glaubte, dass er seinen Kopf gerade so weit angehoben hatte, um dem Kerl ein gutes Ziel zu bieten. Doch letzten Endes war der junge Mann mit dem Rest der Crew davongegangen.

King erschauderte in dem Bad, während er sich aus seinen Klamotten schälte und in die dampfende Dusche trat. Draußen war es arschkalt, eine Art finales Fick dich, weil er in seine Heimatstadt zurückgekehrt war. Heute Abend wurde mit heftigem Schneefall gerechnet.

Was überhaupt erst der Grund dafür gewesen war, dass er sich dazu entschieden hatte, zur Hütte zu fahren. Das und es war das einzige Wohneigentum, das er theoretisch gesehen besaß. Selbst wenn Thorne oder seine Eltern herausfänden, dass er hier war, gab es rein gar nichts, das sie deswegen unternehmen könnten.

Er seifte sich ein, anstatt sich über Thorne aufzuregen und darüber was für ein stehlender, hinterhältiger Drecksack sein kleiner Bruder war. Von Thorne und ihrem Politiker-Vater wegzukommen, war das Beste, das King hatte tun können. Auch wenn es ihn einige Dinge gekostet hatte.

Wie beispielsweise Effie, dachte er.

Er schnitt eine Grimasse. Er strengte sich an, an etwas anderes, irgendetwas anderes zu denken. Er ertappte sich dabei, wie er sich abermals die Vergangenheit durch den Kopf gehen ließ.

Beinahe zwei Jahre lang war King ein Mittelsmann für die Bosse gewesen. Das war seine Rolle gewesen. Er war lang genug der Bösewicht, das Schreckgespenst gewesen, dem niemand in einer dunklen Straße begegnen wollte. Und anfangs war es auch aufregend gewesen.

King konnte sich noch immer an das erste Mal erinnern, als er sich persönlich mit einem der Bosse getroffen hatte. Es hatte Wochen gedauert, in denen er sich mit rangniedrigen Mitgliedern getroffen hatte, während diese ihn überprüften und versuchten, hinter seine Motive zu kommen. Als King dem dickbäuchigen Mann mittleren Alters in dem privaten Esszimmer im Everest, von dessen Existenz er nicht einmal gewusst hatte, gegenüber gesessen hatte, war das eine kleine Enttäuschung gewesen. Der Boss hatte milchig blaue Augen gehabt und eine Haut wie Krepppapier. Kein bisschen wie Marlon Brandos Der Pate.

„King Smith. Was für ein Name ist das?“, hatte der Mann gefragt.

„Das ist der Name, den mir meine Eltern gegeben haben. Sir“, hatte er noch schnell angehängt.

„Ja, deine Eltern. Die modernen Kennedys Chicagos“, hatte der Boss mit einem leisen Lachen erwidert, dass sich leicht mädchenhaft angehört hatte. „Ich habe schon so einige reiche Privatschüler gesehen, die darauf aus waren, die andere Seite auszuprobieren. Geht es hier darum? Musst du deinem Daddy etwas beweisen? Bist du zu gut für sein Geld?“

Kings Gesicht war heiß geworden. Er hatte gehofft, dass es im Dämmerlicht des Restaurants, ein Bodyguard auf jeder Seite des Bosses, niemand bemerkt hatte.

„Nein, Sir“, hatte er erwidert. „Ich möchte einfach mein eigenes Geld verdienen.“

„Beste Schuldbildung. Belesen, gute Abstammung. Ich könnte mir vorstellen, dass du ein sehr angenehmes Leben führen könntest, indem du für das Familiengeschäft arbeitest. Wie ich höre, ist es sogar auf einem aufsteigenderen Ast als meines. Vetternwirtschaft einmal ausgenommen, aber in jedem Geschäft gibt’s Politik. Familie hin oder her.“

Der Boss hatte genickt, als der Kellner eine Flasche Scotch präsentiert hatte. Zwei Fingerbreit waren elegant in Kristalltumbler gegossen worden.

„Macallan 1952“, hatte der Boss gesagt, während er das Kristall an seine Lippen geführt hatte.

King war seinem Beispiel gefolgt und hatte das bernsteinfarbene Feuer durch seine Kehle brennen lassen, nachdem er es sechs Sekunden auf seiner Zungenspitze behalten hatte, um es dämpfen.

„Gut und selten“, hatte King entgegnet.

Der Boss hatte gelächelt. „Du bist vertraut mit dem Jahrgang.“

„Es ist Macallans bester.“

„Das hat man mir zumindest erzählt. Wenn es nicht darum geht, deinem Daddy eins auszuwischen, worum geht es dann? Warum möchtest du für mich arbeiten?“

Genau darauf hatte sich King vorbereitet.

„Sie haben recht“, hatte er eingeräumt, nachdem er tief Luft geholt hatte. „Es hat etwas mit meinem Vater zu tun, aber es ist kein Racheakt. Ich… ich will nicht wie er sein.“

Der Boss hatte sich nach hinten gelehnt, während Kaviar an den Tisch gebracht worden war. „Und warum ist das so?“

„Ich habe einen Bruder“, hatte er erklärt, aber sich gerade noch gestoppt, bevor er Thornes Namen ausplaudern konnte. Nicht, dass er das hätte tun müssen. Der Boss wusste alles über ihn. „Und in unserer Familie waren wir immer Yin und Yang.“

„Der Engel und der Teufel“, hatte der Boss gesagt, während er einen kleine Klecks Kaviar auf seine Faust gelöffelt hatte. „Wie originell. Und lass mich raten, wer du bist.“

King hatte nichts gesagt. Der Boss hatte ihm keinen Kaviar angeboten. Stattdessen sah King dabei zu, wie der Boss ein vollständiges Viergänge-Menü genoss, während ihm nichts angeboten wurde, nicht einmal ein zweites Glas des vierzigtausend Dollar teuren Scotch.

Als der Boss zufrieden gewesen war, hatte er zu King geschaut.

„Du fängst heute Abend an“, hatte er verkündet und sich erhoben.

Und so begann es, dachte King. Die ganzen Erpressungen, Bestechungen, Nötigungen, von denen man nur träumen konnte, haben einfach nur darauf gewartet, dass ich diesen Anzug anlegte.

Er stieg aus der Dusche und schaltete das Wasser ab. Nachdem er sich in ein Handtuch gewickelt hatte, eilte er zurück zum Schlafzimmer, um sich anzuziehen.

Jetzt wurden die blauen Flecken nicht mehr von Schnitten und offenen Wunden begleitet. Sie hatten diese Phase dumpfen Schmerzes erreicht. Die Mittelsmänner des Bosses hatten sechs Monate gebraucht, um seine Schulden einzutreiben.

Die Blutergüsse standen ihm besser, als er zugeben wollte. Wenigstens konnte man auf diese Weise den Schaden sehen, anstatt ihn sich nur vorzustellen.

Der Bad Boy zu sein, war alles, was er jemals gekannt hatte, und er hatte diese Rolle sein Leben lang gespielt.

Thorne war immer der Gute gewesen, der Verantwortungsbewusste, derjenige, der alle Regeln befolgte und den Erwartungen der Familie so wunderbar gerecht wurde.

King seufzte. Gott sei gedankt für Melatonin, dachte er.

Das war das Einzige, das ihm auch nur die geringste Chance auf Schlaf bot, ohne dass er am nächsten Tag wie ein Zombie umherlief. Die ganze früh morgens aufstehen Geschichte war nichts für ihn.

Er brachte einige Minuten damit zu, im Schlafzimmer alles aufzuräumen. Das war eines der Dinge, die King an sich mochte. Pingeligkeit.

In Ordnung lag Trost. Seine Mundwinkel hoben sich, als er daran dachte, dass es nicht jeder zu schätzen wusste, wie sehr er es liebte, wenn alles seine Ordnung hatte. Das war etwas an ihm, das Effie nie verstanden hatte.

Es war eines der Dinge, die ihn wahnsinnig gemacht hatten. Dass sie ihre Handtasche auf die erste verfügbare Fläche hatte fallen lassen, wenn sie in ein Zimmer gelaufen war, oder dass sie ihre Schuhe einfach von den Füßen getreten hatte und sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, sie ordentlich an der Wand aufzureihen. Die Liebesromane, die sie überall mit Eselsohren hatte herumliegen lassen.

Aber dennoch. Es war Teil des Gleichgewichts, das Yin und Yang.

„Liebe ist eine Schwäche. Schwäche ist für Loser“, erinnerte er sich.

Jetzt zieh dich an, um Himmels willen.

King realisierte, dass er noch nicht ganz bereit war, seine Kleider anzuziehen. Er brauchte den nagelneuen Deoroller, den er auf seinem Weg hierher im Gemischtwarenladen gekauft hatte. Er befand sich noch in einer Plastiktüte, die an der Eingangstür hing.

Er befestigte das Handtuch wieder um seine Taille und machte sich auf den Weg durch den Flur. Der Geruch eines Holzfeuers flutete seine Nasenlöcher.

„Was zum Teufel?“ Er hätte schwören können, dass er das Feuer gestern Abend gelöscht hatte, aber als er das Wohnzimmer betrat, toste es wild im Kamin. „Scheiße!“

Ein Kopf schoss auf der anderen Seite der Couch in die Höhe. Kings Herz setzte beinahe aus. Er war sich sicher, dass das das Ende war.

Die letzten Prügel waren nur eine Aufwärmübung gewesen. Bei dieser würden sie nicht bei Blutergüssen aufhören, dessen war er sich sicher.

Und dann realisierte er, dass es sie war.

„Effie?“, fragte er unsicher. „Was…“

Sie schaute mit großen Augen zu ihm.

„King?“

Aus irgendeinem Grund fühlte er sich schrecklich entblößt, so wie er in nichts außer einem Handtuch dastand.

„Was zum Henker machst du hier?“, verlangte er zu wissen.

Es kam wütender heraus, als er beabsichtigt hatte.

„Sorry, ich… ich wusste nicht, dass du hier bist. Oder überhaupt jemand hier ist. Da war kein Auto – was ist mit dir passiert? Geht’s dir gut?“

Ihre Augen waren weit aufgerissen, während sie die Blutergüsse auf seiner Brust musterte.

„Was machst du hier?“, wiederholte er.

„Ich… ich weiß nicht“, antwortete sie leise.

Was hatte das zu bedeuten?

„Wie bist du reingekommen? Warte, vergiss das. Wo ist Thorne?“

„Er ist… nicht hier?“

Es war eine Frage, keine Antwort. Das verwirrte ihn nur noch mehr.

King verlagerte leicht sein Gewicht. Effies plötzliches Erscheinen hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. Natürlich hatte er Effie im Verlauf der Jahre einige Male gesehen. Er konnte ihr schließlich nur ein gewisses Maß aus dem Weg gehen, da sie die Person war, die praktisch an Thornes Seite klebte.

Er starrte sie an und sie starrte zurück.

„Bleib hier“, sagte er. „Ich bin gleich zurück.“

Während er sich anzog, ging er eine Liste an Dingen durch, die er sagen sollte. Dass sie hier war und ihn so überraschte, war das Letzte, das er brauchte.

Als er zurück ins Wohnzimmer stürmte, saß Effie auf der Couch mit einer dicken Decke um die Schultern. Er konnte das tief ausgeschnittene Satincamisole darunter sehen. Es war ziemlich weit in gefährliche Regionen hinabgerutscht, aber er weigerte sich, sich davon ablenken zu lassen.

Wen interessiert es schon, dass sie heißer ist als in der Highschool?

„Wo ist Thorne?“, fragte er.

Klasse. Das ist ein wirklich super Einleitungssatz.

„Er ist… er ist…“ Effie fuchtelte durch die Luft und brach dann in Tränen aus.

King sah sich im Zimmer um, doch da war niemand, der hätte helfen können.

Das ist genau das, was ich brauche, dachte er.

„Was ist los?“, wollte er wissen.

„Er betrügt mich!“, sagte sie zwischen Schluchzern.

Unbeholfen streckte er seine Hand aus und tätschelte ihre Schulter.

„Es ist okay“, sagte er. „Er ist –“

„Es ist nicht okay! Ich habe ihn verdammt nochmal mit einer anderen im Bett erwischt! Einer, die übrigens genauso wie ich aussieht.“

„Oh“, sagte er stirnrunzelnd. „Tja, ich schätze, das ist irgendwie gut.“

„Gut?“, fragte sie verärgert.

„Ich meine, wenigstens fühlt er sich zu dir hingezogen, oder?“ King konnte die Selbstgefälligkeit in seiner Stimme hören, aber kam nicht dagegen an. „Ich meine, so bleibt es irgendwie in der Familie. Darin seid ihr beide ja so gut.“

Er konnte sich einfach nicht stoppen. King war bis zu diesem Moment gar nicht klar gewesen, dass er während der vergangenen drei Jahre so viel Wut darüber gehegt hatte, dass sie mit seinem Bruder zusammen war.

„Du bist ein Arsch, weißt du das?“, fragte sie.

Effie stand auf und ließ die Decke auf die Couch fallen. Sie schnappte sich ihre Jacke, aber nicht ehe er sehen konnte, dass sie ihren BH zum Schlafen ausgezogen hatte. Die plötzliche Kälte, weil sie die Decke verloren hatte, ließ ihre Nippel unter dem dünnen Stoff sofort hart werden. Er spürte, wie sich sein Schwanz weiter unten regte, aber schob den Drang beiseite.

Sie verdiente das.

King hörte die Eingangstür knallen und ein Auto in der Einfahrt anspringen. Langsam schlenderte er auf die Terrasse. Seine Erektion weigerte sich sogar dann noch, sich zu legen, als ihr SUV außer Sicht verschwand.

Was zur Hölle soll ich jetzt tun?

Die Verlobte seines Bruders

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