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Kapitel 4

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Natalia

Ich stand an einem handbemalten Waschbecken in einem Raum mit kobaltblauen und weißen Fliesen und starrte mich selbst im Spiegel an. Meine Augen waren groß und sahen nervös aus und das blasse Gesicht wurde von dem warmen honigfarbenen Licht beleuchtet. Seit einer Stunde waren wir auf der Osterfeier und es war der erste Moment, in dem ich allein war. Cristiano unterhielt sich und schüttelte Hände, als würde ich nicht existieren. Aber wenn ich einmal seine Seite verließ, wies er mich mit einem Blick zurecht oder raunte mir einen kurzen Befehl zu, dass ich zurückkommen sollte.

Ich berührte die Ringe unter meinen Augen und sah, wie mein neuer Ehering im Licht aufblitzte. Ich betrachtete den kleinen, bedeutungslosen Diamant, den Cristiano vielleicht in irgendeinem Pfandhaus gefunden hatte. Oder, und das war wahrscheinlicher, er einem seiner Männer befohlen hatte, ihn zu kaufen.

„Um den Deal abzuschließen, habe ich mir eine Frau genommen.“

Im wahrsten Sinne.

Wie genau hatte Cristiano das alles geplant? Für Diego und mich war die Idee einer Verbindung plötzlich gekommen, aber hatte Cristiano mein Schicksal schon seit dem Kostümball geplant? Wenn ja, dann hatte er mit uns gespielt. Ich befürchtete, dass das Spiel noch nicht vorbei war. Cristiano hatte das in seinem Nachtclub mehr oder weniger zugegeben. Das war alles ein Spiel und ich musste mitspielen, oder ich verlor. Doch wie konnte jemand wie ich, der nichts als seine Kleidung am Leib besaß, einen Mann mit seinen Ressourcen schlagen? Ich hatte nur eine Sache, die ich anbieten konnte. Nur ein Druckmittel. Ich hatte Cristianos Drohung Diego gegenüber nicht vergessen.

„Stell dir vor, wie ich sie mit derselben Leidenschaft in dieser unserer Hochzeitsnacht nehmen werde, Bruder.“

Ich legte mir die Hand auf den Bauch, in dem es rumorte. Wie lange noch bis Cristiano die Feier beendete und sich das nahm, von dem er dachte, dass es ihm gehörte? Ich musste mich auf die kommende Nacht vorbereiten, mental und körperlich. Für mich war Sex jetzt nicht mehr etwas aus Liebe. Es war ein Austausch, vielleicht sogar ein Werkzeug, das ich benutzen könnte, um meine Zeit hier erträglicher zu machen.

Nach einem Klopfen an der Badezimmertür öffnete ich sie und sah Alejandro, den Wachmann, der mir gezeigt hatte, wo die Toilette war und der auch bei der Hochzeit dabei gewesen war. „Don Cristiano fragt nach dir“, sagte er.

„Kann ich nicht einmal in Frieden auf die Toilette gehen?“

„Es hat zwanzig Minuten gedauert.“

„Iss nicht die Krabben“, blaffte ich.

Mir war, als würde ich ein Lächeln in seinen Augen sehen, aber ansonsten rührte er sich nicht. „Verstanden.“

Er brachte mich zurück durch das Haus. In der Küche waren immer noch Leute beschäftigt, gingen mit Tabletts ein und aus, obwohl es für mich ausgesehen hatte, als hätten alle genug gegessen. Jaz stand am Waschbecken und wusch ab, den Kopf gesenkt. Ihr Haarknoten war in den Nacken gerutscht und die roten Haare fielen locker um ihr Gesicht. Ich hatte gedacht, dass sie jung und hübsch war, aber als ich jetzt ihr Profil betrachtete, sah ich, dass sie wunderschön war.

Ich hielt abrupt an und ohne Alejandro Bescheid zu sagen, nahm ich die Gelegenheit wahr, um ein paar Informationen einzuholen, während Cristiano nicht dabei war.

Ich ging zu ihr herüber. „Brauchst du Hilfe?“

Sie sah mich mit erschrockenen braunen Augen an. „Nein. Das ist mein Job.“

Ich biss mir auf die Lippe und blickte zu Alejandro. „Wie lange arbeitest du schon hier?“

„Einige Jahre.“

Mein Mund klappte auf. Sie sah aus, als wäre sie in meinem Alter. „Bist du … hast du davor schon hier gelebt? Wirst du bezahlt?“

„Bitte?“ Ihr Blick glitt über meine Schulter zu Alejandro. „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.“

„Von wo kommst du?“, fragte ich sie und berührte ihren Arm.

Sie zuckte zurück. „Von hier. Das hier ist mein Zuhause.“

„Gibt es ein Problem, Natalia?“, fragte Alejandro hinter mir.

Jeder im Raum verstummte. Der Chefkoch lehnte sich gegen die Arbeitsfläche und trank Eintopf aus einer Schale, wie ein Kellner während der Essenspause. Die vernarbte, ältere Frau blickte von Jaz zu mir und dann schnell woanders hin.

Ich drehte mich zu Alejandro um. „Ich wollte … um ein Aspirin bitten.“

Jaz drehte das Wasser ab und zog sich die Gummihandschuhe aus. Sie pfefferte sie mit einem Klatschen auf die Arbeitsplatte. „Ich werde Ihnen eins bringen, Doña Natalia“, sagte sie mit offensichtlichem Sarkasmus in der Stimme und einem finsteren Blick, bevor sie ging.

„Na komm“, sagte Alejandro. „Jaz wird uns finden.“

Ich hatte sie offensichtlich verärgert und hoffte, sie nicht in Schwierigkeiten gebracht zu haben.

„Wie alt ist sie?“, fragte ich.

„Weiß nicht genau. Anfang zwanzig?“

„Aber sie hat hier schon jahrelang gearbeitet? Als was?“

Er sah mich düster an. „Wie meinst du das? Sie ist eine Hausangestellte. Sie kocht, macht sauber … solche Sachen eben.“

„Aber wird noch mehr von ihr verlangt?“

„Na ja, es ist ein großes Haus“, seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Sie hilft dabei die Zimmer in Ordnung zu halten, regelt die Arbeiten der Gärtner …“

„Schon gut“, sagte ich seufzend. Ich verstand einfach nicht, wie so ein junges Mädchen hier herkam und ob sie irgendwelche Schwierigkeiten hatte. Es sah nicht so aus. Also was war die Wahrheit über die Badlands?

Alejandro brachte uns weg von der Feier in die Richtung der Wohnräume, die ich vorhin gezeigt bekommen hatte.

„Wohin gehen wir?“, fragte ich.

Er zeigte mit der Hand nach vorn. Ein paar der Balkontüren des Hauptraums waren geöffnet und der Geruch von Regen und nasser Erde kam von der Terrasse, die ich vorhin gesehen hatte. Cristiano saß uns mit dem Rücken zugewandt an einem runden Tisch mit einer Gruppe von Männern. Er hatte einen Fuß über sein Knie gelegt und eine Zigarre in der Hand. Alejandro lief weiter nach draußen, und setzte sich auf den letzten freien Stuhl am Tisch, während er mich an der offenen Tür zurückließ.

Cristiano trommelte mit den Fingern auf der Armlehne seines Stuhls und sah fast gelangweilt aus. Er schien beinahe entspannt, als er Alejandro zur Kenntnis nahm, mich aber nicht hinter ihm bemerkte.

„Schon gut“, sagte er nach ein paar Momenten der Stille. „Sprich weiter.“

„Also wie ich schon sagte, Cortez verlangt mehr von uns, als der Käufer bezahlt hat“, sagte der Mann mit dem Glasauge, nachdem er einen Schluck von seinem Drink genommen hatte. Max. Er hatte mich heute aus dem Kirchgarten geholt.

„Die Lieferung ist unschätzbar, aber das muss er nicht wissen“, sagte Cristiano. „Bezahle ihm einen fairen Preis, aber nicht mehr.“

Max nickte in einer Wolke aus weißem Rauch. „Wenn er das nicht mag, wird er die Alternative noch viel weniger mögen.“

Ich trat leise auf die Terrasse hinaus, um die Aufmerksamkeit nicht auf mich zu lenken. Obwohl Alejandro und Max wussten, dass ich da war, fühlte es sich immer noch an, als würde ich etwas Falsches tun. Aber auch nur ein paar Worte von Cristianos Unterhaltung aufzufangen konnte hilfreich sein herauszufinden, was wirklich innerhalb dieser Badlands Mauern vor sich ging.

Cristiano stellte beide Füße auf den Boden, legte die Ellbogen auf Knie und zeigte mit der Zigarre auf Max. „Aber stelle ganz sicher, dass er versteht, dass unsere Bezahlung eine Gefälligkeit ist, die ich nicht zweimal gewähren werde.“

Ich hielt den Atem an, war sicher, dass Cristiano sich umdrehen würde und mir befahl, sofort zu verschwinden.

„Das nächste Mal, wenn wir ihn dabei erwischen, dass er für BR transportiert“, sagte Cristiano, „werde ich die Ware an mich nehmen. Und niemand kriegt irgendetwas bezahlt. Und ich kann nicht dafür garantieren, dass er das überleben wird.“

„Ich stimme zu“, sagte Max.

Cristiano lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Gentlemen, es gibt eine Sache, die ihr über meine frischgebackene Ehefrau wissen solltet. Ihr müsst jetzt noch vorsichtiger sein. Sie hat von klein auf gelernt, dass Belauschen ihre einzige Möglichkeit ist an Informationen zu gelangen.“

Einige der Männer lachten leise, während ich rot wurde. Er hatte noch nicht einmal in meine Richtung gesehen. Wie hatte er wissen können, dass ich da war?

„Du kümmerst dich also darum, Max?“, fragte Cristiano.

„Klar, Jefe.“

Ich wartete darauf weggeschickt zu werden, faltete die Hände und stieß dabei gegen den Diamanten an meinem Finger. Es würde eine Weile dauern, bis ich mich daran gewöhnt hätte. Es fühlte sich frevelhaft an ihn zu tragen, wie eine Verhöhnung der Ehe, die ich hätte haben können.

„Sonst noch etwas?“, fragte Cristiano. „So gern ich euch alle habe, es gibt nur eine Person, mit der ich meine Hochzeitsnacht verbringen möchte.“

„Da ist noch die Sache mit Sandra“, sagte Alejandro.

„Richtig. Denkst du, sie ist bereit?“ Cristiano paffte seine Zigarre, schickte mich aber immer noch nicht weg. Er wusste es besser, als anzunehmen, ich würde von allein gehen. Was bedeutete, dass er mir erlaubte alles mit anzuhören.

Süßer, holziger Zigarrenrauch wehte zu mir herüber. Nur Alejandro rauchte nicht mit. „Sie wird nicht für immer so jung aussehen“, sagte er. „Sie geht locker als Vierzehnjährige durch.“

„Sie geht seit über einem Jahr zu Solomon“, sagte Cristiano. „Sie ist bereit. Stell sie an die Ecke.“

Ich keuchte, nur wenig mehr schockiert über Cristianos Vorschlag, als ich es über die Geschäfte war, die sie in meinem Beisein besprachen.

„Wenn Sandra sagt, sie habe Angst, dann schickt sie zu mir“, fügte Cristiano hinzu.

„Du kannst doch keine Vierzehnjährige auf die Straße schicken“, platzte es aus mir heraus.

Jeder, außer Cristiano, sah mich an. „Sie ist nicht vierzehn, sie ist achtzehn.“

„Und du bietest sie als Minderjährige an? Das ist krank.“

Endlich sah Cristiano zu mir. „Vielleicht war es ein Fehler dich hierbleiben zu lassen. Du stellst die falschen Fragen und du hast noch nicht den Mumm für das hier.“

Ich presste die Lippen aufeinander. Er ließ mir die Wahl. Etwas, das mehr war, als mir jemals von einer Autoritätsperson zuvor zugestanden wurde. Ich konnte bleiben und weiter Informationen aufsaugen, die mir vielleicht dabei halfen zu verstehen, was hier unter diesem Dach vor sich ging, oder ich konnte die Flucht ergreifen und mich in einem Zimmer verstecken gehen.

Als ob sie auf ein stummes Signal reagierten, löschten die Männer ihre Zigarren und standen auf. Auf ihrem Weg nach drinnen, nickten sie Cristiano zu. Der mit dem Gesichtstattoo und der Gehbehinderung, Eduardo nannte Cristiano ihn glaubte ich, war der Letzte der ging. Zögernd schloss er die Tür hinter sich.

Als wir allein waren, drehte sich Cristiano zu mir.

„Setz dich.“

Ich gehorchte, hoffte ich bekam die Chance zu sagen, was ich zu sagen hatte. Denn auch wenn ich in einer ähnlichen Situation war wie sie, oder gerade deswegen, konnte ich nicht stumm bleiben, wenn eine junge Frau ausgebeutet wurde.

„Ich habe den Mumm dafür“, sagte ich so ruhig, wie es mir möglich war, damit er nicht abwehrend wurde. „Aber das könnte ich sein, dort an dieser Ecke. Du hast mich als Kind einmal beschützt. Hast du das noch in dir?“

Cristiano betrachtete mich ungerührt. „Was meinst du mit, das könntest du sein?“

„Wenn dein Vater geschafft hätte meinen zu töten, dann wäre ich eine Waise gewesen. Was glaubst du, hätte er mit mir angestellt? Trotz des Pakts mit anderen Kartellen in der Umgebung, inklusive Papas, haben deine Eltern heimlich Menschenhandel betrieben.“

„Das ist mir bewusst.“ An Cristianos Schläfe pochte eine Ader, als er über seine Schulter zum Haus blickte. „Mein Vater wäre nicht so nett zu dir gewesen wie ich es heute war. Wie ich es dein ganzes Leben über gewesen bin.“

Ich schluckte. Ich konnte nicht abstreiten, dass das die Wahrheit war. Aber es war nicht genug um das zu rechtfertigen, was er tat. „Du bist im Moment genau wie er, aber du kannst dich immer noch ändern.“

Er stampfte seine Zigarre im Aschenbecher aus. „Du hast keine Ahnung, wovon du redest“, sagte er mit einer plötzlichen Schärfe im Tonfall. „Ich bin absolut nicht wie er. Ich würde niemals Kapital aus einer Frau schlagen, egal wie alt sie ist.“

„Wenn dem so wäre, wäre ich nicht hier.“

Er schoss hoch von seinem Stuhl, warf ihn dabei beinahe um. „Ich habe dich weder gekauft, noch verkauft noch eingetauscht“, sagte er und versteifte sich. „Du bist freiwillig hier.“

Aus freien Stücken. Diego hatte dieselben Worte verwendet. War das ein Hinweis darauf, welche Rechtfertigungen in Cristianos Verstand brodelten? In seiner Vorstellung mochte ich freiwillig hier sein. Dass er mich zu nichts gezwungen hätte. Diego hatte darüber gesprochen, wie sehr Cristiano gegen die Menschenhandelsgeschäfte seiner Eltern gewesen war, dass er so weit gegangen war und meinen Vater angesprochen hatte, damit er ihm half, sie aufzuhalten. Obwohl er wusste, dass es nur einen Weg dafür gab.

Mein Vater hatte Cristianos und Diegos Eltern für die gleichen Sünden getötet, die er jetzt beging. Menschenhandel. Kapital aus jungen Mädchen schlagen. Ränke schmieden gegen unsere Familie.

Was also hatte sich für Cristiano verändert? Warum hatte er sich gegen seine Eltern gestellt, um dann selbst auf den Rücken anderer ein sogar noch größeres Imperium aufzubauen? Er hatte offensichtlich genug gesehen und getan, um sich derartig zu verändern. In einen Menschen, der schlimmer war, als sein Vater, wenn die Gerüchte stimmten. Und wenn er seine Taten damit rechtfertigte, indem er sich selbst erzählte, dass die Leute freiwillig zu ihm kamen.

Hinter uns öffnete sich die Tür.

„Señor?“, erklang eine dünne weibliche Stimme.

Wir sahen beide zu Jazmin herüber, die mit einer Karaffe, gefüllt mit einer goldenen Flüssigkeit, heraustrat.

Cristiano strich sich über das Hemd, rollte den Kopf in den Nacken und setzte sich wieder. Kühl und ungerührt. „Komm“, sagte er zu Jazmin.

Sie brachte ihm die Flasche und er füllte sein Glas auf, wobei er in Richtung ihrer anderen Hand nickte. „Was ist das?“

Sie gab ihm ein Tablettendöschen und stellte eine Flasche Mineralwasser auf den Tisch. „Für Miss Natalia“, sagte sie.

Er runzelte die Stirn und betrachtete die Schmerztabletten. „Was ist los?“, fragte er mich. „Kopfschmerzen?“

„Ja“, sagte ich und es war keine komplette Lüge mehr. Ich war mir nicht sicher, welche Art von Schmerzen ich am Ende des Abends haben würde. Der Gedanke verursachte mir Übelkeit und öffnete eine Tür in meinem Verstand, die ich versucht hatte, geschlossen zu halten. Wie sollte ich das überstehen? Ich hatte nur ein einziges Mal in meinem Leben Sex gehabt, und es war das komplette Gegenteil von dem gewesen, was mir bevorstand. Meine Brust wurde eng und ich bohrte die Fingernägel in die Handflächen. Ich schaffte es gerade so einen Nervenzusammenbruch zurückzuhalten. Das war wahrscheinlich, worauf Cristiano es anlegte. Zu wissen, was für eine Macht er, nicht nur über meinen Körper, sondern auch über meinen Verstand, hatte.

„Du hast kaum etwas gegessen“, sagte er mit einem Stirnrunzeln. „Tatsächlich siehst du etwas blass aus. Du musst mehr essen.“

„Ich kann etwas bringen“, sagte Jaz.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht hungrig.“

„Bring uns von allem etwas“, sagte Cristiano mit einem Nicken. Jaz rührte sich nicht, sondern kaute auf ihrer Unterlippe und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.

„Señor?“

„Ja?“

„Sie hat Fragen gestellt“, sagte sie schnell und ihr Blick huschte zu mir. „Darüber woher ich komme.“

Cristiano tadelte mich mit seinem Blick. „Warum verhörst du deine Angestellten, Natalia?“

„Sie sind nicht meine Angestellten.“ Ich reckte das Kinn und Frustration brodelte unter meiner Haut. „Ich war einfach nur neugierig.“

„Dann frag mich. Was hast du zu ihr gesagt?“, fragte er Jaz.

„Nichts, gar nichts.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich kenne sie nicht. Ich weiß nicht, wer sie geschickt hat. Und ich vertraue ihr nicht.“

„Mir?“, fragte ich.

„Du vertraust mir, nicht wahr?“, fragte Cristiano sie. „Glaubst du, ich würde jemanden hier herbringen, der eine Gefahr für dich wäre?“

Nach einem Moment schüttelte Jaz langsam den Kopf. „Nein.“

„Natalia ist nur interessiert. Genau wie du, ist sie den Menschen um sie herum gegenüber auch misstrauisch.“ Er öffnete die Tabletten und nahm zwei heraus. „Kann sie die nehmen, oder muss ich mir Sorgen machen, dass du sie vergiftest?“

Mein Herz begann heftig zu klopfen, bis Jaz lachte. „Wenn ich sie vergiften wollen würde, würde ich es nicht so auffällig tun.“

Er zwinkerte ihr zu. „Dachte ich mir.“

Zwischen den beiden lag eine Vertrautheit, die ich nicht verstand. Sie verhielt sich ihm gegenüber nicht verängstigt, eher … flirtend.

„Jaz, bitte zieh die Vorhänge für uns zu“, sagte er.

„Selbstverständlich“, sagte sie mit einem Nicken und ging wieder hinein. In meinem Magen formte sich ein Knoten, als sie uns vom Rest des Hauses abschottete.

Cristiano öffnete die Wasserflasche und gab sie mir, zusammen mit den Tabletten. Ich schluckte sie schnell.

„Komm her“, sagte er.

„Ich bin doch hier.“ Ich saß keinen halben Meter entfernt.

„Näher.“ Er nahm meine Finger und fuhr mit den Lippen über meinen Handrücken. „Es hat mich Mühe gekostet, die ganze Zeit die Finger von dir zu lassen.“

Erinnerungen blitzten auf. Wie er im Nachtclub mein Gesicht umfasst hatte, wie in meinem Badezimmer seine rauen Handflächen über mein Bein glitten, wie er im Auto meinen Fußknöchel umfasste. Bisher fühlten sie sich schwielig an, waren aber niemals grausam gewesen.

Bei dem Gedanken, dass er mich heute Abend hatte berühren wollen, zupfte ein nicht willkommenes Gefühl von Verlangen an etwas in mir. Was hatte ihn vorhin davon abgehalten? Warum dachte ich überhaupt darüber nach, wenn ich doch dankbar sein und einfach darüber hinweggehen sollte? Ich wollte nicht auf seine Berührungen reagieren. Ich konnte nicht.

„Noch näher und ich sitze auf deinem Schoß“, sagte ich.

„Du liest meine Gedanken.“

„Du hast mich den ganzen Abend über ignoriert.“

„Jetzt ignoriere ich dich nicht.“ Er betrachtete mich erwartungsvoll. Jetzt, wo wir allein waren, hatte ich wieder seine volle Aufmerksamkeit. Ich verstand, warum sich so viele Menschen darum rissen. Erst der kleine Junge, der seinen Zahn verloren hatte. Dann, den ganzen Abend lang, die vielen Leute, die ihn angesprochen und um seine Zeit gewetteifert hatten. Keinen von ihnen hatte er so angesehen, wie mich gerade.

Er zog an meiner Hand, bis ich stand, dann zog er mich auf seinen Schoß.

„So mag ich dich haben“, raunte er und umarmte mich, zog mich an sich. „Stelle niemals deine Anziehung auf mich infrage.“

„Was bin ich denn?“ Mein Herz schlug schneller bei der Härte, die sich an meine Hüfte drückte. „Etwas, das du Diego genommen hast? Ein Mittel zum Zweck, um ihm und meinem Vater wehzutun?“

„Du“, sagte er und zog seine Nase an meinem Hals entlang, „bist meine Frau.“

„Du hast mich in der Kirche verspottet und tust es jetzt wieder.“

„Das stimmt nicht.“ Seine Hand glitt unter mein Haar und er rieb mit dem Daumen über meine Kopfhaut. „Du gehörst mir. Ich würde dich niemals fortgeben, Natalia. Ich bin nicht mein Bruder.“

Mein Herz machte einen Satz. Der Schmerz war noch frisch. Diego war beides. Der Mensch, an den ich mich wenden würde, wenn ich Trost brauchte und gleichzeitig der Grund, warum ich hier war. Vielleicht hatte Cristiano recht. Diego hatte mich fortgegeben, und damit auch mein Vertrauen. Doch zerriss sein Verrat an mir auch gleichzeitig meine Liebe zu ihm? Ich glaubte nicht, dass das so einfach war. Ich wollte ihn erwürgen und dann in seine Arme sinken. In mir kämpfte die Wut mit der Trauer.

Aber ich durfte jetzt nicht daran denken. Wenn Cristianos Aufmerksamkeit auf mir lag, musste ich meine komplett für ihn aufwenden. Ich durfte mir nicht in die Karten schauen lassen, bis ich wusste, was Cristiano mit mir vorhatte. Er forderte meine komplette Energie und ließ mir wenig Raum, um mir über Diego Gedanken zu machen.

„Wenigstens hat mich Diego niemals gegen meinen Willen festgehalten.“

„Du bist nicht meine Gefangene.“ Er massierte mir den Nacken. „Du kannst gehen, wann immer du willst, nur ist der Deal dann vom Tisch.“

„Du hast uns dein Wort gegeben, dass wir alle in Sicherheit sind, wenn ich dich heirate.“

„Nicht nur, dass wir die Ehe noch nicht vollzogen haben, unser Arrangement wurde von Diego auch in der Absicht mich zu täuschen geschlossen. Ich hab es dennoch getan, aber mein Schutz bezieht sich nur so lange auf deine Familie, wie sie auch meine ist. Solange du die Meine bist. Verlass mich und meine Verpflichtungen gehen mit dir. Es kostet mich nur einen Anruf bei den Maldonados.“

Er wollte mich. Sogar ein Toter wäre in der Lage seine Begierde zu spüren, die sich an mich drückte. Und dann waren da noch seine Worte. Die Meine. Die Seine. Diego hatte einen riskanten Deal mit einem der mächtigsten Kartelle des Landes gemacht und zugesagt, ihre Drogen über die Grenze in die USA zu schmuggeln. Doch das war ihm nicht gelungen, und es hatte das Maldonado Kartell ein Vermögen gekostet. Das Einzige was sie jetzt davon abhielt an meinem Vater, seiner Familie und seinem Kartell Vergeltung zu üben, war mein frischgebackener Ehemann. Cristiano. Ein Mann, der die Möglichkeiten, die Verbindungen und jetzt auch einen Grund hatte, die Maldonados in Schach zu halten.

Ich versuchte dem Gefühl von Cristianos starken Fingern, die meine Nackenmuskeln massierten, nicht nachzugeben.

„Warum?“, fragte ich. „Was willst du von mir?“

„Ich will Details.“ Er legte seinen Mund an mein Haar. „Sag mir, Natalia. Wie war es mit ihm? Wo habt ihr es getan?“

Ich versteifte mich. Er meinte doch nicht etwa meine Nacht mit Diego? „Das ist mir heilig“, zischte ich.

„Nichts, was du vor mir getan hast, ist mehr heilig. Als dein Ehemann gehören deine Geheimnisse mir.“

„Und lass mich raten. Deine gehören mir nicht. Findest du das fair?“

„Das habe ich nie gesagt. Frag mich, was du willst. Ich werde nach bestem Wissen und Gewissen antworten. Aber nicht, bevor ich deine Antworten bekommen habe. Wo hat mein Bruder dich entehrt? In deinem Zimmer?“

„Entehrt? Aus deinem Mund ist das ja wohl der Gipfel der Scheinheiligkeit.“

„Entehrung ist bereits die netteste Bezeichnung für das, was er getan hat.“ Cristiano ballte die Faust auf meinem Oberschenkel. „Er hat uns beide belogen. Er hinterging meine Bedingungen und hat dir auf die aller schändlichste Weise etwas genommen.“

Ich holte tief Luft, gab mir Mühe den Schauer zu unterdrücken während ich versuchte zu verstehen, was er sagte.

„Wovon sprichst du? Er hat dich angelogen, ja, aber …“

„Nichts aber. Du kennst die Wahrheit. Ich verwette mein Leben darauf, dass du noch Jungfrau gewesen bist, als Diego und ich das Arrangement beschlossen haben.“

„Das würde er nicht …“ Meine Gedanken rasten. Mein ganzes Leben über hatte ich Diego vertraut. Sonst hätte ich mich ihm gegenüber niemals so geöffnet. Vor gerade mal zwei Nächten, kletterte er auf meinen Balkon und in mein Bett. Und die Hochzeit heute früh war nicht spontan gewesen. „Wann habt ihr diese Vereinbarung getroffen?“

Und ich betete. Jederzeit nur nicht vor Freitagabend.

„Nachdem das Lagerhaus abgebrannt war“, sagte Cristiano, „und Diego keine anderen Möglichkeiten mehr hatte.“

Ich drehte meinen Kopf weg und mein Hals wurde eng. Freitagmorgen. Ich wollte es nicht glauben. Cristiano hatte mehr Gründe meinen Verstand manipulieren zu wollen, als dass Diego mich so hätte verletzen wollen. Mich gegen seine Freiheit einzutauschen war schmerzhaft und feige. Aber in mein Bett zu kommen, nachdem er diesen Deal geschlossen hatte? Das war skrupellos. Unverzeihlich.

Als ich Cristiano wieder ansah, betrachtete er mich. Er hatte mich früher schon so angesehen, wie einen Schüler, dem man eine komplizierte Matheaufgabe gestellt hatte. In diesem Moment sah er seinem Bruder ähnlich. Diego hatte den gleichen frustrierten Gesichtsausdruck gehabt, während er versucht hatte das Maldonado Problem zu lösen, als alles anfing, den Bach herunterzugehen.

Wir hatten herausgefunden, dass der Grund dafür Cristiano gewesen war. Er hatte Diego sabotiert, indem er hinterhältig die Ware der Maldonados gestohlen, angegriffen und verbrannt hatte, bevor sie auch nur in die Nähe der Grenze gelangte.

Sollte Diego meine Jungfräulichkeit durch Manipulation von mir bekommen haben, dann hatte er mein Vertrauen in ihn irreparabel gebrochen. Doch das bedeutete nicht, dass ich auch nur ein Wort aus Cristianos Mund glauben konnte. Er war der Mann, der das Ganze fein säuberlich geplant und ausgeführt hatte.

„Ich habe deine Frage beantwortet“, sagte Cristiano. „Jetzt antworte mir. Wo hat er dich genommen? In deinem Schlafzimmer?“

Das Licht und Cristianos Worte verschwammen. Ich hatte kaum gehört, was er gefragt hatte. „Ja“, sagte ich abwesend.

„Hm. Dieses glückliche Arschloch. Ich hätte nicht übel Lust gehabt, dich dort zu nehmen. Dort, wo du dich am sichersten gefühlt hast, wo du geschlafen und geträumt hast …“ Er schob seine Hand außen über meine von Spitze bedeckten Oberschenkel. „Wo du dich selbst berührt hast.“

Alles fokussierte sich wieder. „Woher weißt du das?“

„Geraten. Aber ich habe recht, nicht wahr?“ Ich spürte sein Lächeln an meiner Wange. „Hat er dich wenigstens gut vorbereitet?“

„Hör auf“, wisperte ich.

„Das werde ich, sowie du mir erzählt hast, was ich wissen möchte. Er hat dich verraten. Schütze ihn nicht.“

Ihn schützen? Das war mein natürlicher Instinkt. Aber schuldete ich das Diego noch?

„Ich schütze mich selbst. Was kümmert es dich, wie es mit ihm gewesen ist?“

„Es macht mir Spaß zu wissen wie er dir dein erstes Mal verpfuscht hat und was ich tun muss, um das zu wettzumachen.“

„Er hat es nicht verpfuscht. Ganz und gar nicht.“ Cristianos Arroganz nährte meine Verärgerung. Beide Männer hatten mich wie einen Spielball hin und her geworfen. Trotz meiner Wut auf Diego, zeigte sich, dass er der leichteste Weg war Cristianos Schale zu knacken. Und das wollte ich. Ich musste ihn verletzen. „Er hat mich vorbereitet, mit seinem Mund. Und es fühlte sich wundervoll an.“

„Wundervoll?“, wiederholte Cristiano und klang amüsiert. „Ein Ausflug irgendwohin ist wundervoll, bis du das erste Mal auf dem Mond gewesen bist. Was passierte dann?“

„Dann hatten wir Sex. Wundervollen Sex.“

„Hast du geblutet?“

„Nein. Aber ich hatte einen Orgasmus“, betonte ich extra. „Was ich absolut vorziehe.“

Sein Griff an meinem Oberschenkel verstärkte sich und er bewegte sich unter mir. „Hattest du das wirklich? Oder erfindest du das gerade.“

„Du sagtest, ich soll nicht lügen. Es ist die Wahrheit. Ich hatte ja gar nicht gewusst, dass ich so nass werden konnte, und es hat praktisch kaum …“

„Genug“, blaffte er und seine Lippen verzogen sich. „Hat er ein Kondom benutzt?“

„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich schätze, das werden wir in ein paar Wochen genauer wissen. Würdest du mich dann immer noch wollen, mit Baby und so?“

Er schnappte sich mein Kinn und drehte mein Gesicht zu seinem. „Pass auf. Du betrittst gefährliches Terrain, meine Liebe. Kondom, oder nicht?“

Ich hatte Cristiano noch nie die Fassung verlieren sehen, und es hatte gar nicht so viel dazu gebraucht, wie man denken mochte. Sein Atem ging schnell, seine Augen waren dunkel. Ich wusste blind, dass nur wenige diese Seite an ihm gesehen und es überlebt hatten. Es sollte mir Angst machen. Tat es auch. Aber es war gleichzeitig elektrisierend einen Mann, der so mächtig war, so schnell an seine Grenzen zu bringen und ihn dort zu halten.

„Sei ehrlich und ich werde dafür deinen Vater morgen Abend zum Essen einladen.“

Sofort füllten sich meine Augen mit Tränen. Papa. Ich hätte alles getan, um ihn in diesem Moment zu sehen.

„Meinen Vater? Du lässt mich meinen Vater sehen?“

„Zweifellos wird er Fragen haben.“

„Fragen? Er wird sich fürchterliche Sorgen machen.“

„Dann werde ich ihn herbringen lassen und ihm zeigen, dass er sich keine Sorgen machen muss.“ Seine Finger zuckten an meinem Oberschenkel. „Dass du in guten Händen bist. Unnachgiebigen Händen. Aber nur, wenn du mir sagst, was ich wissen will.“

Ich schluckte. „Er benutzte ein Kondom.“

Cristianos Ausdruck wurde ein bisschen sanfter. „Cleveres Mädchen.“

Mir war nicht bewusst gewesen, dass ich noch weiter auf seinen Schoß gerutscht war, bis sich die Terrassentür noch einmal öffnete. Ich schob mich ruckartig nach vorn.

„Entschuldigung“, sagte Jazmin.

„Schon okay“, sagte Cristiano und winkte sie herbei, wobei sei Blick weiter auf mir lag. „Aber bitte Diskretion, Jaz.“

„Ja, ja“, sagte sie und eilte zum Stuhl. „Die Gardinen sind immer noch zugezogen.“

„Gut.“ Cristiano nahm ihr den Teller ab und sie verschwand so schnell, wie sie aufgetaucht war.

„Worauf hast du Appetit?“, fragte er. Es klang wie eine Drohung.

Auf dem Teller befand sich gebratenes Hühnchen, Reis, Bohnen, Kochbananen und mehr. Nichts davon klang gut, da mein Magen ein Nervenbündel war bei den Aussichten, was auf mich zukommen würde.

„Kuchen?“ Langsam schob er die Gabel in den hellblauen Zuckerguss des Osterkuchens und hielt mir den Bissen hin.

„Du hast unsere Ehe schon verkündet. Warum verstecken wir uns dann hinter Vorhängen?“

„Iss.“

Wenn ich seine Fragen beantwortete, würde er mich meinen Vater sehen lassen. Aß ich sein Essen, würde ich meine Antworten erhalten. Das reichte mir, um den Mund zu öffnen und mich von ihm füttern zu lassen.

„Es wird nicht möglich sein, vieles vor Jaz zu verheimlichen“, erklärte er. „Sie ist überall. Aber während unserer Kennenlernphase ziehe ich Privatsphäre vor. Die Leute sind neugierig, was dich betrifft.“ Er schob seine Nase unter mein Ohr. „Genau wie ich.“

Sein Atem kitzelte an meinem Hals. Ich verfluchte meinen Körper, der warm wurde und sich beinah an ihn drückte, während sich meine Brustwarzen aufstellten. Es überraschte mich nicht, dass dieser Mann, der so gut darin war den Verstand anderer zu manipulieren, das Gleiche mit dem Körper einer Frau machen konnte.

Er bot mir noch einen Bissen an und ich lehnte mich vor, um ihn zu essen.

„Du bist hübsch, wenn du isst.“ Mit dem Daumen säuberte er meinen Mundwinkel von einem Krümel und leckte ihn ab. „Nicht so wie ich. Ich hatte eine Phase in meinem Leben, da war es schwierig an Essen zu kommen, und wenn ich nicht darum gekämpft hätte, hätte ich vielleicht nichts bekommen.“

Mein Herz zog sich zusammen bei dem Gedanken, dass jemand hungern musste, bis mir klar wurde, warum es ihm so gegangen war. Er war aus dem Zuhause, unserem Zuhause, geflohen, das es acht Jahre lang gewesen war. Aufgrund seiner Rolle im Zusammenhang mit dem Tod meiner Mutter. Mir war egal wie viele Auftragskiller er anschleifte. Ich würde immer zuerst eher an seine Schuld als an seine Unschuld glauben. Es sei denn, wir könnten in der Zeit zurückreisen.

„Jetzt hast du genug zu essen“, sagte ich und verzog den Mund. Er hatte all das, was er besaß nicht verdient.

„Das habe ich.“ In seiner Stimme lag ein Brummen, als er hinzufügte: „Und ich bin unersättlich, Mariposa. Ich nehme große Bissen. Ich esse, als gäbe nichts mehr. Ich schlucke die feinsten Weine herunter und wickele meine Bonbons schnell aus, lutsche und zerbeiße sie, bis ich bei der süßen Mitte angekommen bin.“ Er biss sanft in meine Ohrmuschel. „Denn ich bin ganz versessen auf den Saft im Inneren.“

Ich bekam eine Gänsehaut, verstand genau, was er meinte. Früher hatte ich mir Cristiano wie ein Tier vorgestellt, das seine Beute vor anderen verteidigte. Ich hatte keine Ahnung, was passieren würde, aber ich wusste ich wäre sein Festmahl, sein Bonbon, der Zuckerguss, den er ableckte. Zittrige Furcht mischte sich mit dem Verlangen verschlungen zu werden. Etwas, das Diego mir versprochen, aber nicht eingehalten hatte.

Scham überkam mich. Welches Opfer hegte denn die kleinste Hoffnung geschnappt zu werden?

Ein dummes Opfer. Ein hirnloses Opfer.

Cristiano würde sich an mir vergnügen und dann das, was von mir übrig blieb, wegwerfen.

„Da mein Bruder dich mit dem Mund aufgewärmt hat, werde ich es mir zur Lebensaufgabe machen, dich in Flammen zu setzen. Bist du bereit für unsere Hochzeitsnacht?“

„Warum glaubst du wohl, habe ich die Schmerzmittel geschluckt.“

Er fuhr zurück, als hätte ich ihn geschlagen. Erneut.

„Soll heißen?“

„Du kannst mich auf deinem Schoß festhalten und mir Süßigkeiten füttern, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass du mich auf die Matratze drücken und dir nehmen wirst, was du willst.“

Nach einem Augenblick ließ er mich los. „Ich zwinge dich zu gar nichts. Setz dich wohin du willst.“

Es fühlte sich fast wie ein Trick an, und vielleicht war es ein Psychospielchen. Solange wir unsere Ehe nicht vollzogen hatten, bestand noch immer die Möglichkeit, dass er seinen Teil der Vereinbarung rückgängig machte. Wenn man denn davon ausging, dass er zu seinem Wort stand. Ich blieb wo ich war, wägte alles ab, wobei ich mein Gewicht an die große Wand seiner Brust lehnte.

Keiner von uns bewegte sich, bis er in einem harten Tonfall sagte: „Geh jetzt, Mariposa. Wenn ich dich nicht zwinge, dann gehe ich davon aus, dass du dich freiwillig gegen meinen Schwanz drückst und meine Beherrschung verabschiedet sich schnell.“

Ich beeilte mich aufzustehen. Mir war nicht klar, ob ich es wollte, aber das Verlieren seiner Beherrschung war genug, um mich für den Moment einzuschüchtern.

Er zog einen Stuhl so nah herbei, dass es fast schon mit auf seinem Schoß Sitzen vergleichbar war. Ich setzte mich und er gab mir den Teller.

„Ich bin nicht derjenige, der dich in diese Heirat gedrängt hat“, sagte er, wobei das Dunkle, Raue und der Sex aus seiner Stimme verschwunden war. „Ich hatte versucht dich vor Diego zu warnen.“

Mit der Gabel auf halbem Weg zu meinem Mund hielt ich inne. „Du hast ihn in eine Position gebracht, aus der er nur herauskam, indem er mich aufgab, oder er hätte sein Leben verloren.“

„War es das, was er dir in der Kirche ins Ohr geflüstert hat? Dass ich dich von ihm gestohlen hätte?“

Gab es eine andere Erklärung? Es bestand kein Zweifel, dass es sich so zugetragen hatte. Diego hatte mich weggegeben, aber Cristiano hatte mich genauso gestohlen.

Ich legte die Gabel ab und schob den Kuchen von mir. „Er hat mir gar nichts zugeflüstert. Ich weiß, was ich weiß. Ihr seid beide nicht unschuldig.“

„Und du bestimmst, was wahr ist, oder? Du hast nicht den Hauch eines Zweifels daran, dass ich deine Mutter getötet habe, also muss es die Wahrheit sein.“

Mir blieb kurz die Luft weg und ich brachte es zustande nicht zu husten. Wenn es nicht die Wahrheit sein sollte, dann würde das Cristiano vom Mörder zu einem unschuldigen Mann machen, der vor Verfolgung geflohen ist. Ich weigerte mich das zu glauben. Cristiano war der allerletzte Mensch, der mein Mitgefühl verdient hatte.

„Ja“, sagte ich. „Ich denke immer noch, dass du sie umgebracht hast.“

„Du willst es glauben. Denn du willst das Schlimmste von mir denken. Und Diego wirst du alles verzeihen. Stell dir vor, wie du dich fühlst, wenn nichts davon die Wahrheit ist?“

„Ich habe Augen und Ohren. Du hast direkt über ihr gestanden, mit Blut an der Kleidung und einer Waffe in der Hand. Bereit, dich mit den Sachen aus dem Safe aus dem Staub zu machen.“ Ich konnte mir selbst zugestehen, dass sich Zweifel bei mir auftaten, ob er schuldig war. Aber wie hatte diese falsche Beschuldigung den Mann, der er heute war, beeinflusst? Es machte ihn noch immer zu jemand Unberechenbaren, der noch ein Hühnchen zu rupfen hatte. Und es entschuldigte auch immer noch nicht die Art von Geschäften, die er jetzt hier führte. In meiner Brust wallten Emotionen auf und ich formte sie in Wut um.

„Du schickst ein junges Mädchen auf den Strich“, warf ich ihm vor und meine Stimme hob sich. „Das ist das Allerletzte und kann niemals vergeben werden.“

„Da stimme ich dir zu“, sagte er kühl. „Aber du weigerst dich mir zuzuhören, oder Vernunft anzunehmen.“ Sein Kinn versteifte sich und er nickte zu meinem Teller. „Iss deinen Kuchen, Natalia. Lebe in deiner Welt, in der Diego ein Prinz ist. Wenn du Antworten willst, und den Mumm hast dich ihnen zu stellen, lass es mich wissen.“ Er stand auf und holte sein Handy hervor. „Wenn du bereit bist für die Wahrheit, werde ich da sein“, sagte er mit einer Endgültigkeit in der Stimme, die mich aufhorchen ließ.

„Das ist alles?“

„Was alles?“, fragte er während er einen Text eintippte.

„Kann ich ins Bett gehen?“

„Du klingst enttäuscht.“

Den Abend jetzt zu beenden, bedeutete aufzuwachen und all das morgen noch mal durchzumachen. Er würde mich verschlingen, das war unausweichlich. Je früher wir es hinter uns brachten, desto schneller wüsste ich, dass meine Familie in Sicherheit war.

„Ich sagte doch schon, ich will es hinter mich bringen.“

„Keine Sorge. Das passierte schon noch. Du musst mir nicht glauben, um mich zu ficken.“ Er verengte den Blick auf mich und schob sich das Handy zurück in die Hemdtasche. „Aber ich habe vor, mein Dessert im Schlafzimmer einzunehmen.“

Violent Ends - Die Kartell-Königin

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