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Kapitel 2

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„War deshalb die Akte gesperrt?“

Lena nickte. „Ja, Richard Tanner ist ein Drogenfahnder, der undercover gearbeitet hat. Die Akte wurde gesperrt, da er vor einiger Zeit an den Krause-Geschwistern dran war.“

Die Krause-Geschwister waren die berüchtigsten Drogendealer in New York. Sie hatten sich eine Art Monopolstellung aufgebaut, die sie zu den reichsten und einflussreichsten Verbrechern New Yorks gemacht hatte. Schon viele Drogenfahnder hatten versucht, sich in die Organisation einzuschleusen, doch bisher war es keinem gelungen, an die Drahtzieher heranzukommen.

„Aber er ist nicht mal ansatzweise an die Geschwister herangekommen. Nach fast zwei Jahren Undercover-Arbeit gab er auf und verschwand aus dem Umfeld des Drogenkartells. Danach wurde er in den Innendienst versetzt“, führte Lena weiter aus.

„Haben wir eine Adresse?“, fragte Sophie.

„Ja, hier.“ Sophie notierte sich die Straße, die Lena ihr auf dem Bildschirm zeigte.

Als sie sämtliche Informationen über Nancy und ihre Familie zusammengetragen, ausgedruckt und an die Pinnwand geheftet hatten, fiel Lenas Blick noch einmal auf das Bild des toten Mädchens und sie schüttelte traurig den Kopf.

„Wo kann ein so junges Mädchen nur hineingeraten sein, dass es so endet?“ Natürlich war es immer traurig, wenn jemand ermordet wurde, doch wenn es sich dabei um junge Menschen handelte, die ihr ganzes Leben noch vor sich gehabt hatten, traf das die Ermittler immer besonders hart.

„Vielleicht wollte der Täter gar nicht an sie ran, sondern an ihre Eltern. Vielleicht ist es eine Art Warnung oder so etwas“, mutmaßte Sam.

„Wie meinst du das?“, fragte Lena und drehte sich zu ihm um.

„Na ja, du hast doch gesagt, dass ihr Vater undercover im Kartell der Krause-Geschwister ermittelt hat.“ Lena nickte. „Vielleicht haben die das herausgefunden und wollten ihm und allen anderen Undercover-Polizisten eine Warnung zukommen lassen.“

„Aber warum haben sie dann nicht einfach Richard Tanner umgebracht? Und warum haben sie Nancy gefoltert? Es wäre für die doch viel einfacher, den Vater zu erschießen. Nein, für mich sieht das nicht nach einer Tat der Krause-Geschwister aus“, widersprach Lena.

„So etwas würden sie ja auch niemals selbst tun. Wahrscheinlich haben sie jemanden angeheuert, der das Problem löst.“

Doch Lena schüttelte den Kopf. „Ein Auftragskiller hätte das Mädchen sicher nicht gefoltert. Der Täter wollte entweder etwas von ihr wissen, oder er wollte ihr schlichtweg Schmerzen zufügen.“

***

„Ich stimme Lena zu, das sieht nicht nach den Krause-Geschwistern aus“, meinte ich und trat hinter die drei.

„Oh, hey Jenny. Hattest du schon mal mit den Krause-Geschwistern zu tun?“, begrüßte Sam mich.

„Nicht mit ihnen direkt, aber mit einigen ihrer Auftragskiller. Die hätten das arme Mädchen nicht gefoltert, sondern ihr einfach eine Kugel in den Kopf gejagt. Eine Tat wie diese ist viel zu schwer zu vertuschen und außerdem hätte ein Auftragskiller sie niemals auf diese Bank drapiert. Das wäre doch viel zu auffällig gewesen“, erklärte ich.

„Du musst aber schon oft mit diesen Kerlen zu tun gehabt haben, wenn du ihre Angewohnheiten so genau kennst“, bemerkte Sam und sah mich fragend an.

Ich zuckte mit den Schultern. „Fünf Auftragskiller der Krause-Geschwister sitzen meinetwegen lebenslänglich im Gefängnis. Deswegen kenne ich mich mit deren Methoden ziemlich gut aus.“ „Fünf?“, staunte Lena.

„Ja, aber wir konnten ihnen nie eine Verbindung zu den Krause-Geschwistern nachweisen.“

„Ich muss meiner Schwester zustimmen“, meinte Sophie. „Wenn die Krause-Geschwister etwas damit zu tun hätten, hätten sie einen Auftragskiller engagiert, der Richard Tanner tötet. Und das hätte er sicher auf eine etwas einfachere Art getan.“

„Fährst du zu ihren Eltern?“, fragte Lena.

Sophie nickte. „Ja. Begleitest du mich?“

„Natürlich.“

Das war für die beiden der schlimmste Teil ihres Jobs. Den Eltern eines Opfers beibringen zu müssen, was mit ihrem Kind passiert war. Denn in diesen Moment brach für ebenjene Familie eine Welt zusammen, die nie wieder heil sein würde. Doch auch das gehörte zum Job eines Polizisten. Also nahmen Sophie und Lena ihre Jacken und verließen das Großraumbüro.

***

„Unser aufrichtiges Beileid zu Ihrem Verlust“, begann Sophie mitfühlend, als sie Nancys Eltern gegenübersaß.

„W...was ... was ist passiert?“, stotterte Mrs Tanner.

Lena sah Sophie an und nickte ihr zu. „Wir haben Ihre Tochter heute Morgen tot im Kissena Park nahe dem See aufgefunden“, erklärte Sophie.

Dass ihre Tochter tot war, wussten Richard und Claudia schon, doch jetzt ging es darum, ihnen die grausamen Umstände ihres Todes mitzuteilen.

„Was hat sie denn dort gemacht?“, wollte der Vater wissen.

„Wir nehmen an, dass sie woanders getötet und dann dort abgelegt worden ist.“

„Wie ist sie gestorben?“, fragte Richard Tanner und konnte seine Tränen nur mit Mühe zurückhalten. „Ich meine, hat sie gelitten?“

„Leider müssen wir davon ausgehen, dass sie sehr gelitten hat. Ihre Tochter starb aufgrund zahlreicher Stich- und Schnittwunden, die ihr innerhalb der letzten drei Tage zugefügt worden sind.“

Claudia Tanner schluchzte auf, woraufhin ihr Mann sie tröstend in den Arm nahm. Sophie mochte sich gar nicht vorstellen, was Nancys Eltern gerade durchmachten.

„So leid es uns tut, wir müssen Ihnen trotzdem ein paar Fragen stellen“, sprach Lena behutsam weiter und sah das Ehepaar mitfühlend an.

Richard Tanner nickte. „Natürlich.“

„Hat sich Ihre Tochter irgendwie merkwürdig verhalten, bevor sie verschwunden ist?“

„Nein ... nein. Sie verhielt sich ganz normal“, schluchzte Claudia Tanner und vergrub den Kopf im Jackett ihres Mannes. „Sie werden den Kerl finden, der ihr das angetan hat, oder?“

„Wir tun unser Bestes“, antwortete Sophie. Auch wenn sie den Eltern nichts versprechen konnte, so wusste sie doch genauso gut wie Lena, dass sie wirklich alles versuchen würden, um den Mörder dieses unschuldigen Mädchens zu fassen.

„Mr Tanner, hatte Ihre Tochter irgendwelche Geldprobleme?“, fragte Lena.

Richard Tanner runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf. „Nein, eigentlich nicht. Sie hat ein großzügiges Taschengeld von uns bekommen, und wenn sie mehr Geld gebraucht hätte, dann hätte sie uns einfach fragen können. Wieso, ist das wichtig?“

Sophie reichte ihm ein Foto, das die Spurensicherung von den Münzen gemacht hatte. „Die haben wir auf den Augen Ihrer Tochter gefunden.“

Während Mr Tanner nach dem Foto griff, blickte seine Frau gar nicht erst hin, sondern vergrub ihr Gesicht nur noch tiefer im Jackett ihres Mannes.

„Sie haben zwei Münzen auf den Augen unserer Tochter gefunden?“, fragte Richard Tanner verwirrt.

„Ja. Wissen Sie vielleicht, was das bedeuten könnte?“

Der Mann schüttelte den Kopf.

„Hatte Ihre Tochter denn einen festen Freund?“, wollte Lena nun wissen.

„Nein, das hätte sie uns erzählt.“

Lena nickte und notierte sich das. Dann fuhr sie fort: „Hatte Nancy irgendwelche Probleme in der Schule oder Streit mit irgendjemandem?“

„Einen Tag bevor sie verschwunden ist, habe ich mich mit ihr gestritten. Und ich kann ihr noch nicht einmal sagen, dass es mir leidtut“, schluchzte Claudia Tanner, der die Tränen in Strömen über die Wangen liefen.

Sophie sah kurz zu Lena hinüber, die betroffen den Kopf senkte. Das zeigte den beiden einmal mehr, wie vergänglich und kurz das Leben doch war. Keiner wusste, wann seine Zeit abgelaufen war. Man musste jeden Tag damit rechnen, dass es der letzte sein könnte.

„In der Schule hatte sie keinerlei Probleme, im Gegenteil“, fuhr Mr Tanner fort. „Sie war sehr beliebt und gehörte zu den Besten ihres Jahrgangs. Sie hat sich sogar schon Gedanken darüber gemacht, auf welches College sie mal gehen wollte.“ Jetzt konnte auch er seine Tränen nicht mehr zurückhalten und senkte den Kopf.

„Mr Tanner, eine Frage bliebe da noch.“ Sophie machte eine kurze Pause, bevor sie weitersprach. „Ist es möglich, dass die Krause-Geschwister in diese Sache verwickelt sind?“

Ruckartig hob der Mann den Kopf. „Wollen Sie damit etwa andeuten, dass ich am Tod meiner Tochter schuld bin?“

„Nein, natürlich nicht. Wir wollen nur nichts übersehen oder übergehen, damit wir den Täter bald hinter Gitter bringen können.“

„Ich habe fast zwei Jahre undercover ermittelt, aber die Geschwister haben nie davon erfahren, dass ich ein Cop bin. Zwei Jahre habe ich versucht, ihr Vertrauen zu gewinnen, doch sie haben mich nie an sich herangelassen. Also wurde die Operation abgebrochen und mein fiktives Undercover-Ich starb.“

Sophie nickte. Sie sah Lena an und diese schüttelte den Kopf. Auch sie hatte keine weiteren Fragen mehr. „Vielen Dank, dass Sie unsere Fragen beantwortet haben, Mr und Mrs Tanner“, meinte Sophie abschließend und stand auf. Lena und Nancys Eltern taten es ihr gleich. „Ein Officer wird vor der Tür auf Sie warten und Sie, wenn Sie bereit sind, in die Gerichtsmedizin fahren, damit Sie von Ihrer Tochter Abschied nehmen und Sie identifizieren können.“ Nancys Eltern nickten und Sophie verließ mit Lena das Haus.

Die ganze Fahrt zurück zum Revier schwiegen sie.

***

„Alles in Ordnung?“, fragte ich meine Schwester, als sie mit Lena das Büro betrat. Sie sahen beide ziemlich mitgenommen aus.

„So eine Befragung ist nie einfach“, war Sophies einziger Kommentar. Vermutlich hatte sie recht, aber ich konnte das nicht beurteilen. Ich musste noch nie eine solche Befragung durchführen, jedenfalls nicht so kurz nach dem Tod eines Angehörigen. Und ich musste zugeben, dass ich sehr froh darüber war. „Was habt ihr in der Zwischenzeit herausgefunden?“, fragte Lena und stellte sich neben Sophie.

„Das Opfer Nancy Tanner verschwand vor drei Tagen. Sie kam nicht von ihrer Orchesterprobe nach Hause und ihre Eltern haben sie umgehend als vermisst gemeldet. Sie sagten, dass ihre Tochter niemals zu spät käme, ohne sich zu melden. Und offensichtlich hatten sie damit recht“, meinte Sam und machte eine kurze Pause. Dann fuhr er fort: „Nancy Tanner hatte keinerlei Vorstrafen und ist auch sonst nie negativ aufgefallen. Ihre Noten liegen weit über dem Durchschnitt und nichts deutet auf finanzielle Probleme hin.“

„Woran macht ihr das fest?“, wollte Sophie wissen.

„Nancy Tanner hatte ein Kreditkonto.“

„Sie war doch erst 16!“, warf Lena ein.

Ich nickte. „Ja, aber ihre Eltern wollten, dass sie den Umgang mit Geld lernt, und haben ihr deshalb ein Konto eingerichtet. Da ihr das Mädchen mit den Münzen auf den Augen gefunden habt, hatten wir einen begründeten Verdacht, dass etwas mit ihren Finanzen nicht stimmen könnte, und ich habe Richter James angerufen.“

„Du hast so schnell einen richterlichen Beschluss dafür bekommen, dass wir ihre Kontoauszüge einsehen dürfen?“, staunte meine Schwester.

Lächelnd erwiderte ich: „Der Richter war heute wohl ein wenig sentimental, er wollte die Geschichte gar nicht hören, sondern hat mir die Bescheinigung gleich rübergefaxt.“

„Deine kleine Schwester hat es faustdick hinter den Ohren, Sophie. Sie hat Richter James auf Kurzwahltaste und musste kaum eine Minute mit ihm sprechen, bevor der Gerichtsbeschluss aus dem Fax kam“, bemerkte Anna und stellte sich zu uns.

„Kein Glück gehabt?“, fragte Sophie sie, ohne auf die Bemerkung einzugehen.

Anna schüttelte den Kopf. „Der Täter muss durch den toten Winkel der Kameras gelaufen sein. Ihr habt bisher keinen Verdächtigen, so wie ich das sehe.“ Sie blickte auf die Spalte an der Pinnwand, über der in Großbuchstaben VERDÄCHTIGE stand und in der gähnende Leere herrschte.

„Nein. Dieses Mädchen hatte keinerlei Probleme, weder in der Schule, noch finanziell. Warum sollte es jemand entführen, foltern und dann derart öffentlich die Leiche ablegen?“, fragte sich Sam.

„Es ist unser Job, das herauszufinden“, antwortete Sophie. „Die Eltern sind übrigens gerade in der Gerichtsmedizin, also können wir Nancys Zimmer noch nicht durchsuchen ...“

Doch sie wurde von Sam unterbrochen. „Können wir doch.“

Sophie runzelte die Stirn. „Und wie? Sollen wir dort einbrechen?“

„Das ist gar nicht nötig“, fuhr Sam fort. „Nancy wohnte in einer kleinen Zweizimmerwohnung im Haus ihrer Eltern.“

„Sie hatte mit 16 eine eigene Wohnung?“, wollte Anna wissen. Sam nickte. „Wow, davon habe ich als Kind auch immer geträumt“, erinnerte sich die Technikexpertin.

Ich lachte. „Ich glaube, jedes 16-jährige Kind träumt davon.“

„Na ja, wie auch immer, dann fahren Lena und ich zu der Wohnung. Sam, du und Anna ihr stattet der Forensik einen weiteren Besuch ab und schaut, ob die schon etwas Neues herausgefunden haben. Jenny, du hast sowieso noch mehr als genug Papierkram zu erledigen“, trug meine Schwester uns auf.

Das Team nickte und jeder machte sich an die ihm zugewiesene Arbeit.

Ich begab mich in mein Büro und schloss die Tür hinter mir. Die Akten, die noch immer auf meinem Schreibtisch lagen, schienen mich auszulachen, als ich mich seufzend auf meinen Schreibtischstuhl fallen ließ und anfing, mit meinem Kugelschreiber zu spielen. Mein Blick fiel auf die Uhr. Es war schon 15.30 Uhr. Obwohl ich mir für den heutigen Tag vorgenommen hatte, die Akten durchzuarbeiten, hatte es doch etwas Gutes, dass es schon so spät war: In knapp zweieinhalb Stunden hatte ich Feierabend. Doch weil ich bis dahin nicht untätig rumsitzen konnte, beschloss ich, einige der Kartons, die ungeöffnet in meinem neuen Büro herumstanden, auszuräumen.

***

Nachdem Sophie zum zweiten Mal vor dem Haus der Tanners gehalten hatte, unterhielt sich Lena kurz mit dem Pförtner, der sie sofort zu Nancys Wohnung brachte.

Sophie wandte sich beim Betreten der Räumlichkeiten an den Hausmeister: „Hat Nancy hier allein gewohnt?“

Doch dieser zuckte nur mit den Schultern. „Das weiß ich nicht. Ehrlich gesagt habe ich diese Wohnung noch nie betreten.“

„Vielen Dank, dass Sie uns hereingelassen haben. Wenn wir noch Fragen haben, werden wir uns an Sie wenden.“ Der Hausmeister nickte und ließ die beiden Polizistinnen allein.

„Eine wirklich schöne Wohnung“, bemerkte Lena. Sophie musste ihr zustimmen.

Die Räume waren stilvoll eingerichtet und das gesamte Mobiliar hatte wahrscheinlich mehr gekostet, als Sophie jemals bezahlen könnte.

Lena griff in ihre Jackentasche und holte ihre Handschuhe heraus.

Sophie tat es ihr gleich. „Ich schau mich mal ein wenig im Schlafzimmer um“, meinte sie und ging ein Zimmer weiter.

Ihre Kollegin machte sich derweil daran, das aufgeräumte Wohnzimmer zu durchforsten. Sie nahm die Kissen von der Couch, öffnete den Fernsehschrank, durchsuchte das Bücherregal, doch sie fand rein gar nichts. Bei Sophie lief es nicht besser. Sie zog das Bett ab, wühlte sich durch den Kleiderschrank und sämtliche Schreibtischschubladen. Aber auch sie wurde nicht fündig. Doch plötzlich erinnerte sie sich daran, wie sie früher ihre Tagebücher immer unter dem Bett versteckt hatte, damit niemand sie fand. Also kniete Sophie sich hin und leuchtete mit ihrer kleinen Taschenlampe unter das Bett. Sie fand zwar kein Tagebuch, dafür machte sie eine andere Entdeckung.

„Lena, komm mal rüber!“, rief sie und griff unter das Bett.

Sofort kam ihre Kollegin aus dem Wohnzimmer herbeigelaufen. „Hast du etwas gefunden?“

Sophie nickte und zog einen Laptop sowie ein iPhone unter dem Bett hervor.

„Warum sollte sie ihren Laptop und ihr Handy unter dem Bett verstecken?“, fragte sich Lena.

„Vermutlich weil sie verhindern wollte, dass jemand in ihrer Privatsphäre herumschnüffelt. Jugendliche haben ziemliche Paranoia, was die Neugier ihrer Mütter betrifft. Die Techniker sollen sich die beiden Geräte mal genauer ansehen, vielleicht finden sie etwas, das uns weiterhilft.“ Sophie sah von den Fundstücken auf und fragte: „Hast du im Wohnzimmer etwas gefunden?“

Lena schüttelte den Kopf. „Nein. Aber das hier ist die am besten aufgeräumte Wohnung, die ich jemals gesehen habe. Nicht einmal die Sofakissen haben Falten. Es sieht fast so aus, als hätte Nancy hier gar nicht gewohnt.“

Sophie schien etwas einzufallen, sie sagte: „Möglicherweise war der Täter schon vor uns da und hat seine Spuren beseitigt. Die Spurensicherung soll hier nach Fingerabdrücken und DNA-Spuren suchen.“ Sie nahm ihr Handy und wählte die Nummer des forensischen Labors. „Schau du dich doch in der Zwischenzeit mal im Badezimmer und der Küche um“, fügte sie an ihre Kollegin gewandt hinzu.

Lena nickte und ging in das nebenan gelegene Badezimmer. Auch dieser Raum war ordentlich aufgeräumt und nichts ließ darauf schließen, dass die Badewanne jemals benutzt worden war. Die Ermittlerin öffnete den Spiegelschrank, der über dem Waschbecken hing. Darin befanden sich einige Pflegeartikel wie diverse Cremes, Zahnpasten und ein paar Haargummis. Im Fach darüber lagen einige Medikamente. Lena griff danach, doch es war nichts Außergewöhnliches dabei, es handelte sich um Kopfschmerztabletten, Fiebertabletten und eine kleine hellblaue Verpackung. Fast hätte Lena gelächelt, als sie auf der hellblauen Verpackung las, welches Medikament sie enthielt. Die Pille danach. Aber die Umstände waren keineswegs zum Lachen. Schnell legte die Polizistin die Tabletten wieder zurück und schloss das Schränkchen. Sie drehte sich um, verließ das Bad und ging in die Küche. Auch dort öffnete sie jeden Schrank und jede Schublade, die sie finden konnte. Aber darin befanden sich nur Teller, Besteck und sonstige Küchenartikel, die man zum Leben brauchte. Also ging sie zurück ins Schlafzimmer, wo Sophie auf sie wartete.

„Hast du noch etwas gefunden?“, fragte diese.

Lena schüttelte den Kopf: „Nein. Die Küche ist genauso unberührt wie das Badezimmer und die restlichen Räume. Außer dem Laptop und dem Handy werden wir hier wohl kaum etwas finden.“

Sophie nickte. Sie war der gleichen Ansicht. „Lass uns zurück zum Revier fahren, vielleicht haben Anna und Sam ja noch etwas gefunden“, schlug sie vor.

„Gute Idee“, meinte Lena und die beiden Detectives verließen die Wohnung.

„Sind diese forensischen Wissenschaftler eigentlich immer so unfreundlich?“, fragte Anna, als sie mit Sam die Gerichtsmedizin betrat. Die ganze Fahrt über hatten sie geschwiegen, doch nun durchbrach sie die Stille.

Sam lachte. „Nein, aber ich bin ihnen vorhin auf Sophies Befehl hin ziemlich auf die Füße getreten und na ja ... davon sind sie nicht gerade begeistert gewesen.“

„Das hat man gemerkt“, erwiderte Anna und öffnete die Tür zu dem Raum, in dem Jim Conner die Autopsien durchführte. „Hey Jim“, begrüßte sie den Gerichtsmediziner, der vor Schreck zusammenfuhr.

„Keine Panik, wir sind es doch nur“, sagte Sam und schloss die Tür hinter sich.

„Habt ihr denn noch nie etwas von Anklopfen gehört?“, fragte der Arzt und legte sein blutiges Skalpell zu den anderen Instrumenten.

Angewidert wandte Sam den Blick von der Leiche ab. Es hatte durchaus Gründe, warum er kein Gerichtsmediziner geworden war. Jim schien der aufgeschnittene Körper wenig zu stören, doch auf ein Räuspern von Anna hin deckte er Nancys Körper bis zum Hals ab.

„Jim, das fragst du uns jedes Mal“, meinte Anna und stellte sich an die andere Seite der Liege, auf der Nancy Tanner lag. „Also, was hast du für uns?“

„Ich erinnere mich nicht, euch angerufen und gesagt zu haben, dass ich etwas für euch hätte“, erwiderte der Gerichtsmediziner.

Lächelnd schüttelte Anna den Kopf. Der Arzt war ein ziemlicher Theoretiker und ganz und gar nicht spontan. „Aber wir sind trotzdem hier, also, was hast du bisher herausgefunden?“

Jim seufzte und nahm sein Klemmbrett zur Hand. Er setzte zu sprechen an, doch Sam unterbrach ihn, noch bevor er einen Ton herausgebracht hatte. „Aber bitte kein Fachchinesisch. Sag uns einfach, ob du weißt, was mit ihr passiert ist.“

„Das hatte ich gerade vor“, rechtfertigte sich der Gerichtsmediziner leicht gekränkt, bevor er zum Wesentlichen kam. „Ihre Hände und ihre Füße waren gefesselt und sie war geknebelt.“

„Woraus schließt du das?“, fragte Anna, die noch nicht sehr oft in der Gerichtsmedizin gewesen war.

„An ihren Händen und Füßen habe ich Abschürfungen gefunden.“ Er legte sein Klemmbrett weg und zeigte auf die roten Striemen, die an den Armen sogar blutig waren.

„Sie hat versucht, sich zu befreien“, mutmaßte Sam und Jim stimmte ihm zu.

„Ja. Außerdem hat sie rote Striemen an den Wangen, an den Stellen, wo der Knebel gesessen hat. Ihre Hände und Füße waren nicht aneinander gefesselt. Sie war vermutlich an einen Stuhl gebunden, denn die Striemen würden anders verlaufen, wenn ihre Hände zusammengeknotet gewesen wären.“

„Hast du etwas gefunden, das vom Täter stammen könnte?“, wollte Anna wissen.

Jim nickte, drehte sich um und hob ein kleines Tütchen hoch, in dem sich Fasern befanden. „Die hier habe ich in einer der Wunden an ihrem rechten Arm entdeckt. Sie stammen allerdings nicht vom Täter, sondern von dem Seil, mit dem sie gefesselt war.“

Sam nahm das Tütchen in die Hand und sah es sich an. „Die sehen aus, als würden sie von einem ganz gewöhnlichen Tau stammen, das man in jedem Baumarkt kaufen kann.“

„Das vermute ich auch, doch mit Sicherheit kann ich das erst sagen, wenn die Forensik die Fasern untersucht hat.“

„Hast du sonst noch etwas gefunden?“

Jim schüttelte den Kopf.

„Dann vielen Dank erst mal, meld dich, wenn du etwas Neues hast“, bedankte sich Sam bei dem Gerichtsmediziner und ging zur Tür.

Anna folgte ihm, doch Jim rief ihnen hinterher: „Halt! Könntet ihr die Fasern mitnehmen und zur Forensik bringen? Dann muss ich nicht wieder meinen Praktikanten schicken, der erst in ein paar Stunden wieder auftauchen würde.“

Anna drehte sich zu Jim um. „Ich glaube, das ist keine gute Idee. Die Forensiker sind momentan nicht gerade gut auf uns zu sprechen.“

Jim runzelte die Stirn, doch noch bevor er die zwei Detectives zurückhalten konnte, hatten sie den Raum schon verlassen. Seufzend drehte er sich um und machte sich wieder an die Arbeit. Manchmal verstand er die Polizisten einfach nicht.

„Aber was soll’s?“, dachte er und legte die Leber, die er Nancy gerade entnommen hatte, auf die Waage.

„Wo soll ich das hinstellen?“, fragte Jims Praktikant, der soeben den Autopsieraum betreten hatte.

Der Arzt drehte sich zu ihm um und erwiderte: „Stellen Sie es nach hinten.“

Der Praktikant John Brown ließ den Karton auf den Boden nieder und gesellte sich dann zu Jim. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte der wissbegierige junge Mann, der es kaum abwarten konnte, selbst an einer Leiche herumzuschnippeln.

Jim war davon jedoch ganz und gar nicht begeistert, aber er konnte sich seine Praktikanten eben nicht immer aussuchen. „Äh ... nein, John. Aber Sie könnten diese Fasern in die Forensik bringen. Doch bitte beeilen Sie sich, denn das letzte Mal waren Sie fast drei Stunden unterwegs.“

Mit genervtem Gesichtsausdruck nahm John das Tütchen entgegen und verließ die Gerichtsmedizin.

„Hey, da seid ihr ja wieder“, begrüßte Sam Sophie und Lena, als sie im Büro ankamen. „Hattet ihr Glück in der Wohnung des Opfers?“

„Außer einem Laptop und dem Handy, das sie unter ihrem Bett versteckt hatte, wirkt die Wohnung wie desinfiziert und sterilisiert“, erwiderte Sophie. „Die Techniker untersuchen Laptop und Handy gerade und die Spurensicherung durchsucht ihre Wohnung nach Fingerabdrücken und DNA-Spuren, die der Täter möglicherweise hinterlassen hat.“

„Ihr geht also davon aus, dass der Täter in ihrer Wohnung gewesen ist?“, fragte Sam.

Sophie nickte. „Ja, wahrscheinlich hat er Beweise vernichtet.“

„Oder Nancy war einfach ein sehr ordentliches Mädchen“, bemerkte Lena.

„Genau. Habt ihr in der Gerichtsmedizin etwas Neues herausgefunden?“, wollte Sophie nun im Gegenzug wissen.

„Außer dass Jim äußerst schreckhaft und überhaupt nicht spontan ist, meinst du?“, lachte Sam.

Lena schüttelte den Kopf. „Jetzt lasst den Armen doch mal in Ruhe. Also, habt ihr etwas Hilfreiches herausgefunden?“, formulierte sie die Frage um.

„Jim sagte, dass das Mädchen an Händen und Füßen gefesselt worden sei. Allerdings nicht aneinander, sondern an einen Stuhl oder etwas Ähnliches.“

„Das leuchtet ein“, meinte Lena. „Damit sie sich nicht wehren konnte.“

Sam nickte. „Außerdem ist sie geknebelt worden.“

„Und Jim hat in einer Wunde an ihrem Handgelenk Fasern gefunden, die wahrscheinlich von dem Seil stammen, mit dem sie gefesselt worden ist“, fügte Anna hinzu.

„Ach ja, dazu habe ich noch eine Frage“, meinte Sophie. „Ich war gerade in der Forensik, um mich zu erkundigen, ob sie schon etwas gefunden haben. Sie beschwerten sich darüber, dass zwei meiner Detectives sie von ihrer Arbeit abgehalten hätten.“ Sie warf Anna und Sam einen fragenden Blick zu.

Anna verteidigte sich sofort: „Das war definitiv nicht meine Schuld.“

Ihr Kollege nickte zerknirscht. „Ja, das geht alles auf meine Kappe. Aber du hast zu mir gesagt, ich solle denen auf die Füße treten.“

„Aber du solltest sie doch nicht von ihrer Arbeit abhalten“, kommentierte Sophie mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie hatte genau gewusst, dass so etwas dabei rauskommen würde, wenn sie Sam eine solche Anweisung gab. Aber immerhin hatte er ihnen ein wenig Druck gemacht, sodass sie jetzt hoffentlich schneller arbeiten würden. „Ist schon in Ordnung, aber nächstes Mal solltest du ein wenig besser aufpassen“, meinte Sophie.

Daraufhin ergriff Lena das Wort. „Die Forensiker werden die Ergebnisse der Untersuchungen erst morgen haben.“

„Und die Techniker werden mit den Analysen auch erst morgen Nachmittag fertig sein“, fügte Sam hinzu und Sophie wusste genau, worauf die beiden hinauswollten.

Doch bevor sie etwas dazu sagen konnte, stellte Anna fest: „Und wir haben in letzter Zeit wirklich viele Überstunden gemacht.“

Die Teamleiterin verdrehte die Augen und meinte: „Es ist eine junge Frau ermordet worden und das Einzige, was ihr im Kopf habt, ist euer Feierabend?“

„Immerhin ist es schon fünf Uhr und in einer Stunde hätten wir ohnehin Feierabend“, meinte Sam mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht.

„Na gut, aber das ist eine absolute Ausnahme“, grummelte Sophie und sofort liefen Sam, Anna und Lena zu ihren Schreibtischen, um ihre Jacken zu holen.

„Hat jemand Lust, noch ein Bier zu trinken?“, fragte Sam.

„Oh ja!“, riefen Lena und Anna wie aus einem Mund.

***

„Aber nur, wenn du zahlst“, lachte ich. Überrascht drehten sich die anderen zu mir um. Ich war gerade aus meinem Büro gekommen und hatte die letzten Sätze aufgeschnappt.

„Ich dachte, du wolltest die Nacht durcharbeiten?“, fragte Sophie mit hochgezogener Augenbraue.

Ich seufzte. „Nötig wäre es, aber wenn ich heute nur noch eine Akte sehe, dann laufe ich Amok. Und ich wollte Jim nicht noch mehr Arbeit zumuten.“

„Das geht schon in Ordnung, Kleine“, erwiderte meine Schwester lachend.

„Begleitest du uns?“, fragte ich und sah sie an.

Doch Sophie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich muss Papierkram nachholen.“ Das war zwar nicht gelogen, aber diese Arbeit hätte auch noch bis zum nächsten Tag warten können. Meine Schwester brauchte offensichtlich ein wenig Zeit für sich, um nachzudenken.

„Na gut, dann bis morgen“, verabschiedeten wir uns von ihr und stiegen in den Aufzug.

Während wir nach unten fuhren, fragte ich: „In welche Bar gehen wir denn?“

„In die beste Cop-Bar diesseits von Manhattan“, lachte Sam und sah mich mit seinen wunderschönen blauen Augen an. Ich verlor mich regelrecht darin und konnte meinen Blick erst wieder von ihm abwenden, als der Fahrstuhl im Erdgeschoss hielt und wir aussteigen mussten. Fast schon beschämt starrte ich zu Boden und sprach während der ganzen Fahrt zur Bar kein einziges Wort mehr.

***

„Hey Jim. Ich bin es, Sophie. Ich wollte mich nur mal nach deinem allabendlichen Bericht erkundigen.“ Es war zwischen Jim und Sophie zu einer Art Ritual geworden, jeden Abend, wenn sie einen Fall aufzuklären hatten, zu telefonieren und die neusten Entwicklungen auszutauschen.

„Ja, natürlich. Aber vorher etwas anderes: Könnt ihr Cops nicht mal anrufen, bevor ihr in die Gerichtsmedizin kommt? Sam und Anna haben mich vorhin fast zu Tode erschreckt!“, meinte der Arzt.

„Das tut mir leid. Ich werde sie gleich morgen früh darauf hinweisen“, erwiderte Sophie mit einem Lächeln auf den Lippen, das Jim zum Glück nicht sehen konnte.

Die anderen Detectives nahmen ihn für nicht ganz voll, aber Sophies Respekt hatte er sich verdient, indem er bei einem Fall, der eigentlich sonnenklar schien, trotzdem die Autopsie durchgeführt und neue Erkenntnisse ans Tageslicht gebracht hatte. Seitdem vertraute die Teamleiterin ihm blind und verließ sich auf jeden Bericht, den der junge Gerichtsmediziner verfasste.

„Also, dann lass mal hören“, meinte Sophie und nahm einen Stift zur Hand, um die Ergebnisse aufzuschreiben.

„Wie dir Sam und Anna sicherlich schon berichtet haben, war das Opfer an Händen und Füßen an einen Stuhl oder etwas Ähnliches gefesselt. Außerdem hat der Täter sie geknebelt und das nicht gerade zärtlich.“

„Kann man jemanden denn überhaupt zärtlich knebeln?“ Sophie konnte sich diesen Kommentar gerade noch verkneifen, denn sie wusste, wie wütend Jim werden konnte, wenn sie sich über seine Redewendungen lustig machte. Stattdessen notierte sie sich, was Jim ihr gesagt hatte.

Dieser sprach weiter: „Außerdem habe ich, wie du sicher auch schon weißt, Fasern in einer der Wunden des Opfers gefunden, die ...“

„... vermutlich von dem Seil stammen, mit dem das Opfer gefesselt war. Hast du auch etwas, das ich noch nicht weiß?“, unterbrach Sophie ihn ungeduldig.

„Ähm ... ja, also Nancy war kerngesund und ihre Organe waren vollkommen in Ordnung. Ich habe allerdings in ihrem Magen etwas Interessantes gefunden. Na ja, interessant ist eigentlich eher das, was ich nicht in ihrem Magen gefunden habe.“

„Jetzt spann mich nicht so auf die Folter, Jim“, meinte Sophie und verdrehte die Augen. Jim war dafür bekannt, dass er gerne um den heißen Brei herumredete.

„Ich habe keinerlei Flüssigkeiten oder Essen gefunden. Sie hat wohl vor ihrem Tod etwa seit zwei bis drei Tagen nichts mehr gegessen.“

„Also, seit dem Zeitpunkt, als sie entführt worden ist“, erwiderte Sophie und notierte sich auch diese Tatsache. „Konntest du etwas über das Messer herausfinden, mit dem ihr die vielen Schnittverletzungen zugefügt worden sind?“, fragte sie weiter.

„Dazu komme ich jetzt“, meinte Jim. „Das Messer, so viel konnte ich anhand der Schnittwunden herausfinden, ist auf beiden Seiten geschärft wie ein Dolch. Außerdem ist es äußerst spitz und ziemlich stabil. Ich würde sagen, es handelt sich um eine Art Taschen- oder Springmesser. Möglicherweise eine Sonderanfertigung, aber weiter kann ich das leider nicht eingrenzen. Wenn ihr mir das Messer allerdings bringt, kann ich euch sagen, ob es die Mordwaffe ist.“

„Und wie sieht es mit DNA-Spuren oder Fingerabdrücken des Täters aus?“ Sophie ahnte zwar, dass der Mörder zu vorsichtig gewesen war, um solche Spuren zu hinterlassen, aber sie wollte nichts übersehen.

„Leider habe ich keine gefunden. Der Täter hat vermutlich Handschuhe getragen.“

Auch das notierte Sophie auf dem Zettel und verabschiedete sich dann. „Danke für deinen Bericht, Jim. Wenn du morgen etwas Neues herausfinden solltest, du hast ja meine Telefonnummer.“

„Natürlich. Und, Sophie, tu mir einen Gefallen, bleib nicht wieder die ganze Nacht im Büro. Auch du brauchst Schlaf“, erwiderte der Arzt.

„Ich bin schon so gut wie auf dem Heimweg“, lachte die Polizistin, doch das Lachen erreichte ihre Augen nicht. „Also, bis morgen“, verabschiedete sie sich und legte auf.

Sie tippte die Informationen, die sie von Jim erhalten hatte, in ihren Computer ein und druckte das Dokument aus. Anschließend hängte sie es an die Pinnwand. An ihren Schreibtisch gelehnt betrachtete Sophie die Tafel. Viele Informationen hatten sie noch nicht zusammengetragen, aber das würde schon noch werden.

Sie merkte, wie sie müde wurde, und nahm ihre Jacke von dem Stuhl. Jim hatte recht. Sie musste sich mal ausschlafen, um am nächsten Tag mit neuer Energie weiterarbeiten zu können. Sophie schaltete die Schreibtischlampe aus und ging zum Fahrstuhl. Sie drückte auf den Knopf und wartete darauf, dass sich die Türen öffneten. Als der Fahrstuhl in ihrem Geschoss ankam, stieg sie ein.

Noch einmal drehte sich Sophie um und blickte in das dunkle Büro. Wie so oft verließ sie es als Letzte. Das war schon immer so gewesen und würde sich vermutlich so schnell auch nicht ändern. Alle anderen konnten es gar nicht erwarten, dass sie endlich Feierabend hatten, um auszuspannen oder zu ihren Familien zu kommen. Doch Sophie konnte sich nicht erholen. Sie konnte schlafen, wenn sie müde war, aber entspannen konnte sie sich nur bei der Arbeit. Und bis auf ihre Schwester Jenny hatte sie auch keine Familie mehr. In ihrem Zuhause wartete niemand auf sie.

Da schlossen sich die Fahrstuhltüren und der Aufzug setzte sich in Bewegung.

109th

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