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Kapitel 4

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Matt Mahihkan ließ Jake nicht einmal richtig sein Büro betreten, bevor er anfing, ihn zu bestürmen. »Komm schon, Jake. Gib mir eine Chance. Ich kann gut mit einer Pistole umgehen.«

Jake knurrte und schob sich an dem Welpen vorbei. Matt war achtzehn Jahre alt und wollte um jeden Preis etwas werden, das er für cooler hielt als der Büroleiter, der er war.

»Nein. Du bekommst keine Waffe. Du bist hier, um das Büro am Laufen zu halten. Und zum hundertsten Mal: Wir schießen auf niemanden.« Jake führte dieselbe verdammte Unterhaltung jeden Morgen, seit er den Jungen angestellt hatte.

»Rhys schießt auf Leute«, flüsterte Matt und warf einen Blick in Richtung Rhys' Büro. Er lehnte sich gegen den Türrahmen zwischen Jakes Büro und dem Empfangsbereich.

Jake setzte sich und ging die Nachrichten auf seinem Schreibtisch durch, während er sein Bestes gab, den Jungen zu ignorieren. Das nächste Mal, wenn Rhys vorschlug, jemanden aus dem Rudel einzustellen, würde er den Kerl feuern, bester Freund hin oder her.

»Matt, hol mir einen Kaffee.«

Matt warf die Hände in die Luft, stieß ein langes, leidendes Seufzen aus und verschwand.

Zum ersten Mal fielen Jake die Klamotten des Welpen auf, ein blass pinkes Polo-Shirt mit schmalen gelben Streifen, khakifarbene Hosen, pinke Socken und schwarze Leder-Slipper. Blinzelnd legte Jake den Kopf schief, nicht sicher, ob mit seinem Sehvermögen alles in Ordnung war.

Mit einer Kaffeetasse in der Hand bog Rhys um die Ecke und murrte kaum hörbar: »Ich hab auf niemanden geschossen… diese Woche.« Er zog ein finsteres Gesicht, wobei die kleine Narbe an seiner Stirn hervorgehoben wurde, und warf einen Blick zurück zu Matt. Kopfschüttelnd setzte er seinen Weg in Jakes Büro fort. Sein Humpeln war heute stärker als gewöhnlich. »Müssen wir jetzt einen verdammten Dresscode einführen?«

»Scheint so.« Jake wusste es besser, als Rhys nach seinem Bein zu fragen, aber er überlegte trotzdem, was Rhys angestellt hatte, damit es sich wieder bemerkbar machte. Stattdessen begnügte er sich damit, ein Auge auf Rhys zu haben. Wenn er das Gefühl hatte, dass die alte Verletzung Rhys zu stark zusetzte, würde Jake ihn so lange tyrannisieren, bis sein Freund etwas gegen die Schmerzen nahm.

»Warte nur, bis ich Gadget über den Weg laufe. Ich werde ihm das alles unter die Nase reiben. Weiß er, dass sein Ältester wie ein Yuppie aussieht?« Rhys stellte die Tasse auf Jakes Schreibtisch ab und nahm ihm gegenüber Platz. Sein Bein war steif genug, dass er sich mehr oder weniger auf den Stuhl fallen ließ. Er griff wieder nach seiner Tasse und nahm einen Schluck. »Bist du die ganze Nacht auf gewesen?«

Jake zuckte mit den Schultern. Zwar hatte er sich die ganze Nacht über im Bett hin und her gewälzt, aber er würde den Teufel tun und das Rhys erzählen. Gegen zwei Uhr war er schließlich aufgestanden, um ein wenig an einem Fall zu arbeiten, obwohl er an nichts anderes hatte denken können, als an Remis errötend vorgetragene Entschuldigung.

Jake hätte Remi niemals so einfach davonkommen lassen sollen, aber Remi hatte derart nach Unbehagen gerochen, dass er es nicht über sich gebracht hatte. Es beschäftigten ihn ohnehin schon so viele Dinge, mit denen er klarkommen musste, dass Jake sich nicht richtig dabei gefühlt hätte, ihn noch zusätzlich unter Druck zu setzen. Inzwischen fragte er sich, ob er damit die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Und dann war da noch Sterling, der um die Ecke davongehuscht war. Hatte er sie dabei beobachtet, wie sie sich auf der Couch geküsst hatten? Wie würde Remi reagieren, wenn er herausfand, was Sterling gesehen hatte? Jake schwankte zwischen dem Wunsch, das Telefon möge endlich klingeln, und der Hoffnung, es würde genau das nicht tun. Er war ziemlich sicher, dass Remi versuchen würde, so zu tun, als hätte es den Kuss überhaupt nicht gegeben, aber das war das Letzte, was Jake wollte.

»Hey, noch anwesend?« Rhys wedelte mit seiner Hand herum.

»Japp, was ist los?«

»Ich erinnere mich daran, wo ich den Namen, den du gestern Abend erwähnt hast, schon mal gehört habe.«

»Und?« Als er gestern von Remis Wohnung nach Hause gefahren war, hatte er Rhys von unterwegs aus angerufen und ihm den Namen von Remis Vater durchgegeben. Er kannte Rhys gut genug, um zu wissen, dass er, sobald er einen Namen hatte, gleich als Erstes am nächsten Tag mit Nachforschungen anfangen würde. Rhys lebte dafür, Verbrechen aufzuklären, böse Jungs einzufangen und ihnen die Hölle heiß zu machen.

Rhys nickte. »Lassiter ist ein Scheiß-Cop drüben im Reservat. Ich bin ihm schon mal begegnet, als ich noch fürs FBI gearbeitet habe. Ist ein echtes Arschloch.«

Fuck. Fassungslos lehnte sich Jake in seinem Stuhl zurück. Absolut unglaublich. Warum hatte Remi ihm nicht erzählt, dass sein Vater Polizist im Reservat war?

»Vor fünfzehn Jahren gab es draußen im Reservat einen Mord. Das war, bevor ich beim FBI angefangen habe, aber ich hab Geschichten gehört und nachdem ich dem Mann selbst ein paar Mal über den Weg gelaufen bin, bezweifle ich sie nicht.« Rhys nahm einen Schluck und musterte Jake über den Rand seiner Tasse hinweg.

»Zum Beispiel? Was hast du gehört?«

»Hier ist dein Kaffee.« Mit Jakes dampfender Tasse in den Händen betrat Matt den Raum. »Ich verstehe immer noch nicht, warum ihr nicht jemand anderes für den Bürokram einstellt und mich mitermitteln lasst. Ich wäre großartig.« Er stellte Jakes Tasse ab und verschüttete dabei etwas auf den Schreibtisch. »Hoppla. Sorry.«

Bevor Jake seinen Stuhl zur Seite rollen und die Taschentücher aus dem Bücherregal zu seiner Rechten nehmen konnte, quetschte sich Matt an Rhys und dem Schreibtisch vorbei und stolperte über Rhys' ausgestreckte Beine.

»Pass doch auf«, knurrte Rhys. Blitzschnell schoss seine Hand vor und packte den Jungen, ehe er stürzen konnte. Rhys verschüttete dabei nicht einmal den Inhalt seiner Kaffeetasse. Verdammt, der Kerl hatte erstaunliche Reflexe. Jake stand auf und schnappte sich die Box mit den Taschentüchern.

»Sorry, Rhys.« Matt warf einen Blick zu Jake und dann zurück zu Rhys. »Äh…«

»Ist schon okay. Geh…« – Jake wedelte mit einer Hand herum – »… und mach irgendwas.«

Matt war ein guter Junge, hatte aber zwei linke Füße. Insbesondere in Rhys Gegenwart. Er hatte Angst vor Rhys, und das amüsierte Jake über alle Maßen. Das sollte es zwar nicht, weil eine Menge Leute Angst vor Rhys hatten, aber das schien so absurd zu sein. Rhys mochte vielleicht riesig, dunkel und einschüchternd wirken, aber er machte das, was er tat, so gut, weil er sich ernsthaft um andere kümmerte und ihnen helfen wollte.

Jake wischte das Missgeschick auf und warf das Papiertaschentuch in den Mülleimer neben seinem Schreibtisch. Kaum hatte Matt das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich zugezogen, schnitt Rhys eine Grimasse und rieb sich seinen schmerzenden Schenkel. Sein gebräuntes Gesicht war ein bisschen blass.

Jake hob eine Augenbraue an und hakte so wortlos nach.

»Es geht mir gut.«

Jake nickte. »Du hast mir gerade von Lassiter erzählt?«

»Der Mord blieb unaufgeklärt, aber da gab es viele Dinge, die nicht zusammengepasst haben. Das eigene Kind des Arschlochs wurde übel zusammengeschlagen. Der Junge war auf der Intensivstation, innere Blutungen und jede Menge anderer Scheiß. Er war in einem kritischen Zustand. Den Agenten zufolge, die an dem Fall gearbeitet hatten, regte sich Lassiter mehr darüber auf, dass sein Sohn sich nicht behaupten konnte, als dass er besorgt um ihn gewesen wäre. Hat es nicht mal so behandelt, als gäbe es da eine Verbindung zum Tod des anderen Jungen.«

Was? Jake knurrte. Er fühlte sich, als hätte ihn jemand geschlagen. Die Narben auf Remis Rücken und seinen Beinen. Jake hatte sich schon gefragt, woher sie stammten, aber er hätte nie… Er hatte vermutet, dass sie von irgendeinem Unfall herrührten, aber zu wissen, dass Remi um ein Haar gestorben wäre…

Sein Kiefer verkrampfte sich und Kälte schoss Jakes Nacken hoch. Nichts dergleichen würde Remi jemals wieder geschehen. Jeder, der Hand an ihn legte, würde sich von nun an vor Jake verantworten müssen.

»Jake, alles klar bei dir? Warum guckst du auf einmal so sauer?«

»Nein, mir geht's nicht gut.« Er wollte auf irgendetwas einschlagen, vorzugsweise auf Dirk Lassiter. »Sieh zu, was du sonst noch ausgraben kannst. Ich will alles über diesen Wichser wissen.«

Rhys nickte. »Ich hab schon einen Telefontermin mit meinem Ex-Boss vereinbart. Er ist immer noch beim FBI und hat an dem Fall gearbeitet. Was verschweigst du mir?«

»Dirk Lassiter ist Remis Vater.«

Rhys schüttelte den Kopf und stieß einen lang gezogenen Pfiff aus.

»Ganz genau. Und der Junge, der beinahe gestorben wäre, ist mein Gefährte.«

***

Ist das Jake? Es ist ein schwarz– nein, kein Tahoe.

»Hey, Remi. Hallo? Wirf den Ball.« Sterling ruderte mit den Armen über seinem Kopf.

Hm? Oh, richtig. Sterling. Remi warf den Ball, musste jedoch vorsichtig sein, nicht zu weit auszuholen, weil sie auf dem leeren Hof hinter Remis Wohnung standen. Sollte Sterling den Football nicht fangen, würde er auf die Straße fliegen.

Remi sah an Sterling vorbei zur Straße, suchte sie nach einem ganz bestimmten, schwarzen SUV ab und hasste sich selbst für seine Schwäche. Er redete sich ein, dass es daran lag, dass Jake ihm half und dass er sich für letzte Nacht entschuldigen musste, aber er konnte nicht leugnen, dass der Gedanke, Jake zu sehen, sehr angenehm war. Andererseits – warum sollte es das auch nicht sein? Jake war ein großartiger Kerl… ein guter Freund.

»Remi!«

Gerade noch rechtzeitig sah Remi auf, um den Football zu sehen, der ihn genau in die Mitte der Stirn traf. Autsch. Durch den Aufprall rutschte ihm die Sonnenbrille von der Nase. Er stolperte ein paar Schritte zurück, rieb sich mit einer Hand die Stirn und rückte mit der anderen seine Sonnenbrille zurecht. Oh Mann, vielleicht schlug Sterlings Herz für die falsche Spielposition. Wenn er den Ball jedes Mal derart hart warf…

»Oh mein Gott. Alles okay?« Sterling rannte auf ihn zu, die Hand bereits nach Remis Kopf ausgestreckt. »Lass mich mal sehen. Bist du verletzt?«

»Lass den Quatsch. Mir geht's gut.« Remi schlug die Hand seines Bruders weg. »Das war ein guter, harter Wurf.«

Sterling grunzte. »Du hast einen riesigen, roten Fleck mitten auf der Stirn.«

»Darauf wette ich. Vielleicht solltest du doch Quarterback werden.«

»Was hast du denn gemacht? Ich dachte, wir spielen Football.«

»Wir spielen doch Football.« War das ein… nee, nur ein Minivan.

»Und wann hast du angefangen, den Ball mit deinem Kopf zu fangen?« Sterling trat in sein Blickfeld und damit direkt in seine Sicht auf die Straße.

»Sei nicht so frech.« Er versetzte Sterlings Schulter einen leichten Stoß.

Sterling schubste zurück. »Was ist los mit dir?« Er grinste und zog eine Augenbraue hoch.

»Was?« Remi runzelte die Stirn.

Das Feixen des Kleinen war ausgesprochen durchtrieben. »Denkst du an Jake?«

»Wa... äh. Was meinst'n damit?« Oh Gott, seit wann konnte Sterling Gedanken lesen? Und wie zur Hölle sollte Remi das beantworten? »Warum um alles in der Welt sollte ich an Jake denken?«

»Abgesehen von der Tatsache, dass er ein wirklich toller Kerl ist?«

Argh, als ob er jemanden bräuchte, der ihn daran erinnerte. Remi zuckte zusammen, ehe er kopfschüttelnd den Ball aufhob. Als er sich mit dem Ball in der Hand wieder aufrichtete, strahlte Sterling ihn an.

»Jake ist heiß.«

Was? Remi bekam ein kribbeliges Gefühl im Magen. Verdammt, ist wirklich warm heute. Mit der Hand fuhr er sich über den Nacken. Sterling sollte sich andere Männer nicht so genau ansehen. Insbesondere wenn der betreffende Mann Remis war. Moment. Wo war der Gedanke jetzt hergekommen?

»Findest du nicht?« Sterlings Brauen zogen sich zusammen.

»Nein. Glaub ich. Warum?« Jakes Bild, der Remis Haare packte, seinen Kopf zurückzog und in seinen Hals biss, tauchte vor seinem geistigen Auge auf. Er konnte praktisch schon Jakes Fänge fühlen, die sich wie letzte Nacht gegen seinen Hals drückten.

Fuck. Er wurde hart. Direkt vor Remis Augen wurde Sterlings blaues Hemd plötzlich grau. Verdammt. Er verlor den Verstand. Remi nahm einen tiefen Atemzug, als er versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

»Sicher, dass du okay bist? Du wirst rot.«

»Nein, ich werde nicht rot. Mach dich nicht lächerlich. Ich meine – er ist ein Mann. Du solltest andere Männer nicht heiß finden.« Remi klang nicht sonderlich überzeugend, nicht mal in seinen eigenen Ohren.

Sterling seufzte und warf ihm unter seinen Wimpern einen Blick zu, als wollte er sagen Ja, klar.

Wofür zur Hölle ist das jetzt? Remi starrte zurück, seine Sicht wechselte langsam wieder in die normale zurück. »Stell… stell dich einfach für den nächsten Pass auf.« Himmel, alles, was er jetzt noch brauchte, war, dass Sterling anfing, sich für Männer zu interessieren.

Remi zeigte auf das andere Ende des Hofs. »Lauf.«

Sterling rannte los. Remi warf den Ball in einer schönen Spirale direkt in die Hände seines Bruders. Dieses Mal brachte Sterling den Ball zurück, nachdem er ihn gefangen hatte, anstatt ihn zu werfen. Keuchend und verschwitzt kam er vor Remi zum Stehen.

Er übergab Remi den Ball, ehe er seine Hände auf die Knie stützte. »Weißt du, es ist nichts Falsches daran, schwul zu sein. Jake ist schwul. Chay und Keaton sind schwul. Ich meine –«

Remi öffnete und schloss den Mund ein paar Mal, bevor er seine Stimme wiederfand. »Was? Woher weißt du, dass Jake schwul ist?«

Natürlich war Remi nach letzter Nacht zu demselben Schluss gekommen. Es machte Sinn, Jake hatte Remi geküsst. Aber Remi war nicht schwul und er hatte Jake trotzdem geküsst. Auch wenn es ein verdammt sensationeller Kuss gewesen war. Und es wäre noch viel weiter gegangen, wenn – Fuck, da veränderten sich seine Augen schon wieder.

Remi stöhnte auf und rieb sich die Stirn. Er bekam Kopfschmerzen. Lustigerweise hatte Sterlings Angriff auf seinen Kopf diese Wirkung nicht gehabt, aber das ganze Gerede darüber, wer schwul war und wer nicht, schon. Gott, wenn Sterling sich verplapperte und ihm irgendetwas herausrutschte…

»Sterling, können wir einfach nur Football spielen? Nicht jeder ist schwul, okay?«

Der Kleine zuckte mit den Schultern. »Okay, tja, dann eben bi.« Er drehte sich um und rannte in Richtung Straße.

Remi zwang seine Augen erneut dazu, sich wieder anzupassen, schleuderte den Ball dann von sich und wartete. Wenn der Kleine so weitermachte, würde Remi dankbar sein, wenn die Sommerferien vorbei waren.

Sterling schnappte sich den Ball und trottete zurück zu Remi. Sobald er in Hörweite war, warf Sterling ihm den Ball zu. »Es ist mir egal, weißt du. Ich meine, falls du und Jake –«

»Sterling…«

»Es ist absolut in Ordnung für mich. Ihr zwei habt gut zusammen ausgesehen letzte Na–«

Oh Fuck! Was hat er gesehen? »Sterling, es ist mir egal, was du gesehen hast, vergiss es.« Remi schüttelte den Kopf und bedeutete Sterling, für einen weiteren Pass loszulaufen. Verdammt. Er verstand die Anziehung zwischen sich und Jake ja selbst nicht.

»Okay, okay.« Sterling hob die Hände und lief abermals los.

Remi machte einen Schritt zurück und warf den Ball. Dieses Mal legte er mehr Kraft hinein, sodass Sterling ihm hinterherhetzen musste. Vielleicht würde ihn das auslaugen und er würde aufhören, unangenehme Fragen zu stellen.

Der Ball flog hoch, aber Sterling zögerte keine Sekunde, sprang hoch und fing ihn mitten in der Luft auf. Es war ein verdammt guter Fang. Remi lächelte.

Sobald seine Füße jedoch wieder den Boden berührten, stolperte Sterling über sie. Er zog den Kopf ein, überschlug sich und landete schließlich flach auf dem Rücken. Dort blieb er für ein paar Sekunden liegen, dann schoss seine Hand, die immer noch den Ball umklammert hielt, steil nach oben.

»Ich bin der Größte!« Sterling sprang auf die Füße und grinste von einem Ohr zum anderen.

Bitte wirf das verdammte Ding einfach nur zurück. Ich kann keine weiteren, endlosen Fragen mehr ertragen. Remi stöhnte, als er Sterling auf sich zukommen sah. Auf halbem Weg zurück zu ihm zögerte Sterling, der glückliche Ausdruck verschwand von seinem Gesicht.

Was zur –? Etwas traf ihn am Hinterkopf – hart.

»Au... Fuck!« Remi rieb sich die Stelle.

»Pass auf deine Wortwahl auf, Remington. Ist das vielleicht eine Art, mich zu begrüßen?«

Galle stieg Remis Kehle hoch. Scheiße. Hart schluckte er, ehe er sich zu seinem Vater umdrehte. »Nein. Es tut mir leid, Dirk.«

Dirk Lassiter stand zwei Schritte von ihm entfernt, die Arme vor der kräftigen Brust verschränkt. An seiner Habichtsnase entlang schien er Remi anzusehen, auch wenn seine braunen Augen hinter den verspiegelten Sonnengläsern verborgen lagen. Er war nicht viel größer als Remi, aber er war massiger und wesentlich einschüchternder. Die Jahre hatten die schlanken, kräftigen Muskeln, die er sich hart erarbeitet hatte, nicht geschmälert. Seine langen, schwarzen Haare waren zu einem Zopf zurückgebunden. Er trug seine hellbraune Uniform mit dem Waffengurt um die Taille.

Gott, Remi hasste diesen verfluchten Gürtel. Es war ein Standardmodell, ein Basisgürtel aus dem Polizeivollzugsdienst, eigentlich nur zwei Lederriemen, die zusammengeklettet wurden, wodurch er dicker wurde. Mit ihm geschlagen zu werden, tat höllisch weh. Remi erschauderte.

»Du brauchst einen Haarschnitt.« Überraschenderweise wies Dirks Atem heute keine Fahne auf.

Remi wusste nicht, was er sagen sollte. Seine Haare waren nicht mal länger als Dirks. Aber jede Antwort würde ihm einen Schlag einbringen, also nickte er einfach nur.

»Wie ist die Arbeit? In letzter Zeit irgendwelche Brände gelöscht?«

Aus Gewohnheit war Remi unruhig, trat von einem Fuß auf den anderen und schaffte es, sich außer Reichweite zu bringen. Okay, das ist gut. Ein unverfängliches Thema. Das schaffe ich. »Die Arbeit läuft gut. Glücklicherweise gab es in letzter Zeit keine Feuermeldungen. Ich überlege, mich für die offene Stelle als Rettungssanitäter zu bewerben.«

Dirk zog die Brauen zusammen.

Oh Fuck. Remi zuckte zusammen.

Finster starrte Dirk ihn an und kam näher. »Das ist der Dank, den ich dafür bekomme, dir diesen tollen Job besorgt zu haben? Du willst eine verdammte Krankenschwester sein? Warum erzählst du nicht gleich jedem, dass du eine Schwuchtel sein willst, wenn du schon mal dabei bist. Das ist ein Tuntenjob.«

Remi wich zurück, bewegte sich langsam rückwärts, ohne sich darum zu kümmern, dass es tatsächlich so aussah, als würde er in Deckung gehen.

Schließlich tauchte Sterling neben ihm auf. Kurz berührte seine Hand Remi im Kreuz, ehe sie wieder runterrutschte. »Hey, Dirk, ist es Zeit für mich zu gehen?«

»Ja. Hol dein Zeug. Es ist heiß hier draußen.« Er sah zu Sterling und schaute dann grinsend zurück zu Remi. »Du willst nicht wirklich so ein schwuler Rettungssanitäter sein, oder?«

»Nein.« Remi lachte leise, in der Hoffnung, dass es nicht nervös klang. »Ich hab nur Spaß gemacht.«

»Na, dann hör auf, rumzualbern, und nimm deinen gottverdammten Job etwas ernster. Vielleicht wirst du dann was aus deinem wertlosen Leben machen.« Er wandte sich wieder Sterling zu. »Was stehst du da so rum? Ich hab gesagt, dass wir losfahren können.«

»Ich bin fertig. Ich hab nichts dabei gehabt.« Mit einem wackligen Lächeln übergab Sterling Remi den Football.

Remi nahm ihn entgegen und wuschelte dem Kleinen durchs Haar. Das war das Höchste an Zuneigung, was er in Gegenwart ihres Vaters zeigen durfte. »Ich komm dich morgen abholen, dann können wir wieder zusammen üben. Wir werden dich im Handumdrehen für die Football-Saison fit bekommen.«

»Was für ein Haufen Scheiße. Er wird's eh nicht ins Team schaffen. Außerdem, wer zur Hölle soll dafür bezahlen, wenn er es doch schaffen sollte?« Dirk schoss einen grimmigen Blick auf Remi ab.

Fuck. Wenn der Bastard Sterling die Möglichkeit, zu spielen, verweigerte… »Das ist kein Problem. Ich werde dafür aufkommen –«

»Willst du damit sagen, dass ich nicht genug Geld habe, um mich um meine Familie zu kümmern?« Dirk trat näher und stieß Remi mit seiner Brust an.

Remi stolperte zurück, erneut außerhalb der Reichweite. »Nein, Dirk. Ich wollte nur nicht, dass du damit behelligt wirst. Ehrlich. Ich versuche nur, zu helfen.«

Wenn Sterling Spaß daran hatte und ein Stipendium bekam, könnte er aufs College gehen und damit fort von hier. Nicht, dass das etwas ausmachen würde. Remi würde ohnehin das Geld zusammenkratzen, um für Sterling das College zu bezahlen.

»Ich brauche dein Geld nicht, Remington.« Dirks kühler Tonfall hatte sich kein einziges Mal verändert, aber das Knurren in seiner Stimme war geradezu bösartig und ließ Remi wissen, dass er ihn beleidigt hatte.

»Nein, natürlich nicht, ich… es tut mir leid.«

Grinsend nickte Dirk. »Hab ich mir gedacht.« Er hob eine Hand in Richtung Remis Gesicht. Es war ein böses, gemeines Grinsen und Remi schreckte zurück, wartete auf den Schlag.

Dirk tätschelte seine Wange, hart, sodass sie ein wenig brannte. »Nichtsdestotrotz, wenn du für das Balg zahlen willst, damit es Bällchen spielen kann, lasse ich dich das tun. Reine Geldverschwendung, meiner Meinung nach. Ich habe schon genug darauf verschwendet, dich spielen zu lassen. Und wir sehen ja alle, wohin das geführt hat.«

Beinahe seufzte Remi vor Erleichterung auf. Gott, er hasste diesen Hurensohn. Der Mann zog ein perverses Vergnügen daraus, Remi einzuschüchtern und ihn so schreckhaft zu sehen.

Sterlings Aufmerksamkeit schwankte zwischen ihnen beiden hin und her, während er sich gleichzeitig Stück für Stück näher an Remi schob.

Dirk räusperte sich. »Gehen wir, Junge. Deine Mutter hat das Abendessen sicher gleich fertig.« Damit ging er.

Remi beugte sich dichter zu Sterlings Ohr und flüsterte: »Erwähn keinen Football mehr ihm gegenüber. Lass das Thema einfach fallen. Ich kümmere mich darum, okay?«

Mit einem Nicken drückte Sterling Remis Arm. »Ich seh dich dann morgen.« Er rannte los, um ihren Vater einzuholen.

Dirk drehte sich um und kam zurück.

Verdammt, verdammt, verdammt. Was wollte er? Remi versuchte, nicht unruhig von einem Fuß auf den anderen zu treten. Sein Herz raste und seine Handflächen waren so schwitzig, dass der Football ihm immer wieder wegrutschte. Also hielt er ihn gegen sein Bein gedrückt fest.

»Wer ist dein neuer Freund?« Dirk zog eine Augenbraue hoch.

»Entschuldige?« Remi erstarrte. »Welcher Freund?«

»Der große Kerl. Fährt einen schwarzen Tahoe.«

Woher wusste er von Jake? Er konnte unmöglich von letzter Nacht wissen. Nein, natürlich nicht. Ein kalter Schauer zog eine Gänsehaut über Remis Arme.

»Jake?«, fragte Sterling.

Dirk sah ihn an. »Jake, hm? Womit verdient er sein Geld?«

»Er ist Sicherheitsbeamter oder so«, antwortete Sterling, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.

Remi wusste nicht, ob er ihn küssen oder umbringen wollte. Wenn Dirk herausfand, dass Sterling gelogen hatte… Fuck, Remis Hände zitterten.

Scheinbar für den Moment zufrieden, nickte Dirk. Er drehte sich um und marschierte davon.

Sterling zuckte mit den Schultern, die Augen riesengroß, dann folgte er ihrem Vater zum Auto.

Remi versuchte, normal zu atmen. Obwohl Dirk wegging, war die Panik immer noch da. Er hasste sich selbst dafür, dass er sich derart von dem Mann beeinflussen ließ. Wann würde er diesem Gefühl der Hilflosigkeit endlich entwachsen sein?

Ein Gefühl der Ruhe und des Friedens durchflutete Remi. Seine Lungen fingen wieder an, Luft aufzunehmen. Seine Hände hörten auf, zu zittern, und unvermittelt fühlte sich alles wieder in Ordnung an. Es war dieselbe Ruhe, die ihn neulich morgens im Diner überkommen hatte.

»Remi?« Eine Hand berührte seine Schulter.

Soulmates: Ruf der Freiheit

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